Grenzgänger in die Schweiz wohin geht die Rechtsentwicklung?

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Transkript:

1 Grenzgänger in die Schweiz wohin geht die Rechtsentwicklung? StB Dipl.-Kfm. G. Miessl Konstanz 18.12.2011 In Rahmen der Anwendung der Grenzgängerregelung des Art. 15a DBA-Schweiz bleiben auch unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des BFH noch Unsicherheiten in der steuerlichen Planung. Im Folgenden sollen nach Darstellung der Ausgangslage noch mögliche Einflussfaktoren auf die Steuerplanung von Grenzgängern in die Schweiz herausgearbeitet werden. Ausgangslage Grenzgänger in die Schweiz ist eine Person, die in Deutschland ansässig ist, in der Schweiz ihren Arbeitsort hat und von dort regelmässig an ihren Wohnsitz zurückkehrt (Art. 15a Absatz 2 Satz 1 DBA-Schweiz). (2) Satz 1 Grenzgänger im Sinne des Absatzes 1 ist jede in einem Vertragstaat ansässige Person, die in dem anderen Vertragstaat ihren Arbeitsort hat und von dort regelmässig an ihren Wohnsitz zurückkehrt Kehrt diese Person nicht jeweils nach Arbeitsende an ihren Wohnsitz zurück, entfällt die Grenzgängereigenschaft, wenn dies bei einer Beschäftigung während es gesamten Kalenderjahres an mehr als 60 Arbeitstagen auf Grund der Arbeitsausübung der Fall ist (Art. 15a Absatz 2 Satz 2 DBA-Schweiz). (2) Satz 2 Mit diese Person nicht jeweils nach Arbeitsende an ihren Wohnsitz zurück, entfällt die Grenzgängereigenschaft nur dann, wenn die Person bei einer Beschäftigung während des gesamten Kalenderjahres an mehr als 60 Arbeitstagen auf Grund ihrer Arbeitsausübung nicht an ihren Wohnsitz zurückkehrt. Da die Rückkehr an den Wohnsitz bei einer eintägigen Dienstreise in Drittstaaten (in den Ansässigkeitsstaat lag bisher schon kein Nichtrückkehrtag vor) ebenso gegeben ist, wie bei einer mehrtägigen Dienstreise am Rückreisetag wenn der Arbeitnehmer nicht erst am Folgetag an seinen Wohnsitz zurückkehrt liegen in diesen Fällen keine Nichtrückkehrtage vor. Erstreckt sich die Dienstreise auch auf Wochenenden oder Feiertage, stellen diese Übernachtungstage keine Nichtrückkehrtage dar, wenn die Arbeit an diesen Tagen nicht ausdrücklich vereinbart ist und der Arbeitgeber für die an diesen Tagen geleistete Arbeit weder einen anderweitigen Freizeitausgleich noch ein zusätzliches Entgelt gewährt. Die Zuweisung des Besteuerungsrechtes erfolgt für Grenzgänger, die sich aus dieser Eigenschaft exkulpiert (gelöst) haben - grundsätzlich danach, wo der Arbeitnehmer aus beruflichen Gründen übernachtet hat.

2 Mögliche Einflussfaktoren auf die Planung der Steuerwirkungen Regelmässige Rückkehr Muss ein in Deutschland ansässiger Arbeitnehmer über mehrere Tage oder über einen längeren Zeitraum hinweg ohne Unterbrechung in der Schweiz oder ausserhalb seines Wohn- bzw. Arbeitsortes aus beruflichen Gründen tätig werden, so ist zu fragen, ob die Grenzgängerregelung des Art. 15a Absatz 2 DBA-Schweiz (2) Grenzgänger im Sinne des Absatzes 1 ist jede in einem Vertragstaat ansässige Person, die in dem anderen Vertragstaat ihren Arbeitsort hat und von dort regelmässig an ihren Wohnsitz zurückkehrt. Kehrt diese Person nicht jeweils nach Arbeitsende an ihren Wohnsitz zurück, entfällt die Grenzgängereigenschaft nur dann, wenn die Person bei einer Beschäftigung während des gesamten Kalenderjahres an mehr als 60 Arbeitstagen auf Grund ihrer Arbeitsausübung nicht an ihren Wohnsitz zurückkehrt. weiterhin anzuwenden ist, wenn eine regelmässige Rückkehr an den deutschen Wohnsitz nicht möglich ist. Regelmässig bedeutet, dass der Arbeitnehmer jeweils nach Arbeitsende vom Arbeitsort an seinen Wohnsitz zurückkehrt; dabei ist es nicht erforderlich, dass dieser regelmässig arbeitstäglich die Grenze in beide Richtungen überquert; erstreckt sich die Arbeitsausübung über mehrere Tage, so wird für den Begriff des Grenzgängers nur die Rückkehr nach Arbeitsende gefordert, was bedeutet, dass eine Grenzüberschreitung an den Tagen nicht verlangt wird, an denen der Arbeitnehmer aus beruflichen Gründen nicht zurückkehren konnte. Ist ein Arbeitnehmer zum Beispiel jeden Monat für 3 Wochen auf Dienstreise und pendelt dann 5 Mal pro Monat über die Grenze, stellt sich die Frage, ob diese Person Grenzgänger ist und wenn ja, sie sich aus dieser Eigenschaft exkulpieren (freisprechen) kann. Im Kontext der ständigen Wohnstätte des Art. 4 Absatz 2 DBA-Schweiz, (2) ist nach Absatz 1 eine natürliche Person in beiden Vertragsstaaten ansässig, so gilt folgendes: a) Die Person gilt als in dem Vertragsstaat ansässig, in dem sie über eine ständige Wohnstätte verfügt. Verfügt sie in beiden Vertragsstaaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als in dem Vertragsstaat ansässig, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen). b) Kann nicht bestimmt werden, in welchem Vertragsstaat die Person den Mittelpunkt der Lebensinteressen hat, oder verfügt sie in keinem der Vertragsstaaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als in dem Vertragsstaat ansässig, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. c) Hat die Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in beiden Vertragsstaaten oder in keinem der Vertragsstaaten, so gilt sie als in dem Vertragsstaat ansässig, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt. Besitzt die Person die Staatsangehörigkeit beider Vertragsstaaten oder keines Vertragsstaates, so regeln die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten die Frage in gegenseitigem Einvernehmen. die als Wohnung verstanden wird, die mit einer gewissen Regelmässigkeit zu Wohnzwecken genutzt wird, hat der BFH es zunächst abgelehnt, eine Mindestanzahl von

3 Tagen des Aufenthalts zu verlangen, später aber bei 50 Tagen Nutzung eine ständige Wohnstätte angenommen. Somit kann man m.e. bei einem wöchentlichen Grenzübertritt (d.h. das Grenzpendel schlägt ein Mal pro Woche aus) von einer Regelmässigkeit ausgehen und die Grenzgängereigenschaft bejahen. Nach Ansicht des FG Baden-Württemberg ist aber keine regelmässige Rückkehr anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer mehr als 183 Tage im Jahr in ein und demselben Drittland verbringt. Arbeitseinheit Ist der Arbeitnehmer nun als Grenzgänger einzustufen, stellt sich die weitere Frage, ob die sich über 3 Wochen erstreckende Arbeitsausübung für sich eine Arbeitseinheit darstellt, mit der Konsequenz, dass die Frage nach der Rückkehr an den deutschen Wohnsitz erst nach der aktiven Tätigkeit (Dienstreise) zu stellen ist, oder jeder Tag der Dienstreise, an denen eine Rückkehr an den Wohnsitz aus beruflichen Gründen nicht möglich war, als ein Nichtrückkehrtag zu werten ist. Für die Fälle, dass der Arbeitnehmer nicht nur geringfügig über die Tagesgrenze hinaus tätig wird, sondern sich die Arbeitszeit ununterbrochen über mehr als zwei Tage erstreckt, es sich somit um einen mehrtägigen Einsatz am Arbeitsort handelt, soll die Beurteilung, ob ein Nichtrückkehrtag vorliegt, an den Abschluss der Einheit anzusetzen sein. Nur dann, wenn der Arbeitnehmer nach der Arbeitseinheit aus beruflichen Gründen am Tätigkeits-/Arbeitsort verbleibt, soll ein Nichtrückkehrtag vorliegen; innerhalb der Arbeitseinheit wird die Rückkehr fingiert. Diese Beurteilung der tagesübergreifenden Tätigkeit nimmt die Finanzverwaltung zum Anlass, die mehrtägigen Arbeitsausübungen in solche zu unterteilen, deren Einsatz am Folgetag lediglich die Tätigkeit des Vortages abschliesst, d.h. der Arbeitstag bereits beendet war und in mehrtägige Einsätze. Für den ersten Fall ist am Ende des aktiven Arbeitstages unabhängig davon, ob dieser vor oder nach Mitternacht endet zu prüfen, ob die Rückkehr an den Wohnsitz zumutbar war oder nicht (beruflich bedingte Übernachtung). Auf dieser Beurteilungsgrundlage kommt es nur noch darauf an, ob nach dem Schweizer Arbeitsrecht die betreffende Tätigkeitsphase (des zweiten Tages) der Arbeitszeit zugeordnet werden kann oder der Arbeitstag bereits beendet war; da Pikettdienste ausserhalb des Kantonsspitals/der Klinik (sog. Rufbereitschaft) i.d.s. keine Arbeitszeit darstellen, diese nur vor oder nach einem regulären Dienst stattfinden und die erbrachten Stunden im Rahmen des Pikettdienstes in Form von entspre-

4 chender Freizeit kompensiert werden, liegt ein Nichtrückkehrtag vor, da nach Beendigung des aktiven Arbeitstages das Verbleiben am Tätigkeitsort durch die Rufbereitschaft begründet werden kann. Findet der Pikettdienst innerhalb der Klinik statt (sog. Arbeitsbereitschaft), wird dieser zusammen mit dem aktiven Dienst als Arbeitseinheit betrachtet. Als Nichtrückkehrtage sollen dann nur die Tage gezählt werden, an denen der Arbeitnehmer im Anschluss an die mehrtägige Tätigkeit aus beruflichen Gründen nicht an seinen Wohnort zurückkehren konnte. Innerhalb der Arbeitseinheit wird eine Rückkehr an den Wohnsitz fingiert (keine Verwurzelung im Tätigkeitsstaat) und zwar unabhängig davon, ob diese zumutbar war oder nicht. Ist der Arbeitsnehmer aufgrund seiner arbeitsrechtlichen Regelungslage (Arbeits-, Tarifvertrag, Regelungen des öffentlichen Dienstes u.ä.) zu mehrtägigen Dienstreisen verpflichtet, stellt sich die Frage, ob diese derselben rechtlichen Beurteilung als Arbeitseinheit unterliegen, wie mehrtägige Tätigkeiten am Arbeitsort. Würden wir dies bejahen, da sich aus dem Art. 15a Absatz 2 DBA-Schweiz keine unterschiedliche Auslegung ableiten lässt, ergäbe sich für die Wochenenden und die Feiertage, da diese grundsätzlich keine arbeitsrechtliche Arbeitszeit darstellen, die weitere Frage nach dem Grund der Nichtrückkehr. Mit der möglichen Konsequenz, wenn die Rückkehr an den Wohnsitz nicht zumutbar wäre, an den Samstagen, Sonnund Feiertagen ein Nichtrückkehrtag vorläge und für die eigentlichen Wochenarbeitstage als Arbeitseinheit eine Rückkehr an den Wohnsitz fingiert würde. Dies kann m.e. nicht sachgerecht sein, wenn dann als Ergebnis der beruflich bedingten Nichtrückkehr ggf. nur die Wochenenden und Feiertage zählen würden und die eigentlichen Arbeitstage unberücksichtigt blieben; der BFH hat die Übernachtungstage an den Wochenenden und Feiertagen daher grundsätzlich auch nicht als Nichtrückkehrtage angesehen. Die einzelnen Arbeitstage einer mehrtägigen Dienstreise werden weiterhin als Nichtrückkehrtage zu zählen sein; somit müsste zwischen Arbeitseinheiten am Arbeitsort und an anderen (Dienstreise-) Orten unterschieden werden. Worin die Unterscheidung der Nichtrückkehr auf der Grundlage des lokalen Einsatzortes zu begründen ist, bleibt offen : Wenn für die Fälle der mehrtägigen Tätigkeit eine Rückkehr fingiert wird, an denen eine Rückkehr auch zumutbar wäre, kann dies für Übernachtungen am Arbeitsort (und auch am Dienstreiseort) noch plausibel sein. Ist die Rückkehr vom Dienstreise- und Arbeitsort an den deutschen Wohnsitz an dem jeweiligen arbeitsrechtlichen Arbeitstag jedoch nicht zumutbar, stellt dies m.e. einen beruflichen Grund für die Nichtrückkehr und somit ein Zähltag im Sinne des Art. 15a Absatz 2 Satz 2 DBA-Schweiz dar.

5 Leitender Angestellter Die Arbeitsausübung wird für leitende Angestellte einer in der Schweiz ansässigen Kapitalgesellschaft aber nicht danach beurteilt, wo diese sich physisch aufgehalten haben, sondern wo die Weisung dem Weisungsempfänger zugeht. Die Fiktion des Tätigkeitsortes (wo werden die Ergebnisse der Dienstreise in das Leitungssystem der Kapitalgesellschaft eingebracht) des Art. 15 Absatz 4 Satz 1 DBA-Schweiz, (4) Vorbehaltlich des Artikels 15a kann eine natürliche Person, die in einem Vertragsstaat ansässig, aber als Vorstandsmitglied, Direktor, Geschäftsführer oder Prokurist einer in dem anderen Vertragsstaat ansässigen Kapitalgesellschaft tätig ist, mit den Einkünften aus dieser Tätigkeit in diesem anderen Staat besteuert werden, sofern ihre Tätigkeit nicht so abgegrenzt ist, dass sie lediglich Aufgaben ausserhalb dieses anderen Staates umfasst. Besteuert dieser andere Vertragsstaat diese Einkünfte nicht, so können sie in dem Staat besteuert werden, in dem die natürliche Person ansässig ist. die auch für die Auslegung des Methoden-Artikel 24 Absatz 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz (1) Bei einer Person, die in der Bundesrepublik Deutschland ansässig ist, wird die Doppelbesteuerung wie folgt vermieden: 1. Von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer werden die folgenden aus der Schweiz stammenden Einkünfte, die nach den vorstehenden Artikeln in der Schweiz besteuert werden können, ausgenommen: c) Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen im Sinne des Artikels 15, soweit sie nicht unter Artikel 17 fallen, vorausgesetzt, die Arbeit wird in der Schweiz ausgeübt. massgebend ist, führt dazu, dass das Besteuerungsrecht von leitenden Angestellten grundsätzlich in die Schweiz verlagert wird, unabhängig davon, wo die Tätigkeit persönlich ausgeübt wurde. Nachdem der BFH in seinem Urteil v. 11.11.2009 seine Entscheidung vor ca. 3 Jahren bestätigt hat, konnte die Finanzverwaltung die Nichtanwendung der Fiktion des Tätigkeitsortes für leitende Angestellte an den Ansässigkeitsort der Kapitalgesellschaft (Art 15 Absatz 4 DBA-Schweiz) und damit die Zuweisung des alleinigen Besteuerungsrechtes an die Schweiz nicht weiter hinauszögern. Die Reaktion der deutschen Finanzverwaltung ist nun die Aushöhlung des Begriffes des leitenden Angestellten. Seit dem Veranlagungszeitraum 2009 sind leitende Angestellte nur noch mit im Handelsregister (HR) eingetragener Funktionsbezeichnung als solche zu behandeln. Wenn dadurch die Abgrenzung zum Handlungsbevollmächtigten angestrebt wird, schlägt diese Massnahme fehl, da ein solcher nach Schweizer Recht m.e. keine Eintragung in das HR findet; vielmehr wird unter Funktion in der Schweiz die zur Vertretung der Gesellschaft berechtigte Person (Art. 720, 718 OR) eingetragen; dies ist grundsätzlich der Verwaltungsrat (einzutragen als Präsident, bzw. Mitglied des Verwaltungsrates).

6 Wenn der Gewerbetreibende, ohne Erteilung einer Prokura, jemanden zur Vertretung von bestimmten Geschäften bestellt, so ist dieser Handlungsbevollmächtigter, mit der Konsequenz, dass jede Eintragung in das HR über dieser Vertretungsbefugnis anzusiedeln ist, also einem Prokuristen (Art. 458 OR) vergleichbar ist. Wenn nun die Eintragung der Prokura unter dieser Funktion nicht erfolgt, sondern nur die Benennung der Zeichnungsberechtigung, wie dies bei grösseren Unternehmen in der Schweiz häufig der Fall ist, hat dies zur Konsequenz, dass die deutsche Finanzverwaltung diesen Personenkreis, aufgrund dessen, dass die Funktionsbezeichnung im HR nicht eingetragen ist, aus der Anwendung des Art. 15 Absatz 4 DBA-Schweiz verdrängen möchte und zwar ohne die Möglichkeit, Anträge auf Ruhen des Verfahrens bzw. einer Aussetzung der Vollziehung, wenn ein Antrag auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens (Art. 26 Absatz 1 DBA-Schweiz) nicht gestellt wurde. Hier wird das Ergebnis der laufenden Revisionsverhandlung eventuell noch Klarheit bringen, m.e. jedoch nur für die zukünftigen Veranlagungszeiträume ab 2011. Wenn schon bisher eine internes Dokument erstellt wurde, das die Vertretungsbefugnis als Prokurist belegt und erst nach 2009 die Eintragung der Prokura in das HR unter der Funktion erfolgt, dürfte dies m.e. genügen, um auch ex post in den Personenkreis des Art. 15 Absatz 4 DBA-Schweiz zu fallen. Schlussbemerkung Mit der Einführung der Arbeitseinheit wird der eigentlich eindeutige Begriff des Arbeitstages durch den BFH in extensiver Weise ausgelegt. Daraus ergeben sich in Bezug auf lokal unterschiedliche Einsatzorte (Arbeits- und Dienstreiseort) für die Beurteilung des Vorliegens von Nichtrückkehrtagen i.s.d. Art. 15a Absatz 2 SATZ 2 DBA-Schweiz inkonsequente Lösungen. Für die Arbeitstage, an denen eine Rückkehr an den Wohnsitz nicht zumutbar ist, muss m.e. unabhängig vom Übernachtungsort ein Nichtrückkehrtag vorliegen. Für die Abgrenzung des Personenkreises, der unter Art. 15 Absatz 4 DBA-Schweiz fällt, ist die Forderung der deutschen Finanzverwaltung nach einer HR-Eintragung der Prokura unter der Funktion nicht förderlich, da die Vertretungsmacht von den Schweizer Registern nicht unter der Funktion eingetragen wird, sondern lediglich unter der Zeichnungsart (Einzel- oder Kollektiv-Prokura); zudem kann bereits aus der Eintragung in das HR geschlossen werden, dass keine niedere Vertretungsbefugnis (Handlungsbevollmächtigter) vorliegt.