Das Europäische Währungsinstitut

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Transkript:

Das Europäische Währungsinstitut Das Europäische Währungsinstitut PETER-W. SCHLÜTER Das mit Beginn der Stufe Zwei Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) errichtete Europäische Währungsinstitut (EWI) hat bis zum Ende des Jahres 1994 seinen organisatorischen Aufbau weitgehend abgeschlossen und von seinem Sitz in Frankfurt aus seine Arbeit in vollem Umfang aufgenommen. In seinem ersten Jahresbericht 1994, der im April 1995 erschien, hat das EWI über seine Tätigkeit umfassend Rechenschaft abgelegt sowie die monetäre und finanzielle Lage der Gemeinschaft dargestellt. Der Bericht bewertet den Fortschritt auf dem Wege zur Konvergenz, die insbesondere bei der Preisstabilität zu verzeichnen war, weist aber zugleich darauf hin, daß die öffentlichen Finanzen in vielen Mitgliedstaaten nach wie vor zu ernster Besorgnis Anlaß geben. Der Jahresbericht 1994 des EWI wurde den EU-Organen vorgelegt. Das Europäische Parlament hat den Bericht und insbesondere den zügigen Aufbau der Organisation des EWI und seine bisherige Arbeit begrüßt. Es äußerte die Erwartung, daß der EU-Rat die Basisarbeit des EWI im Hinblick auf die Stufe Drei unterstützt, indem er rechtzeitig die noch ausstehenden politischen Entscheidungen trifft. Organisationsstruktur und finanzielle Basis des EWI Der aus dem Präsidenten des EWI und den Präsidenten der Mitgliedszentralbanken bestehende Rat, das Entscheidungsgremium des EWI, konnte nach Abschluß des organisatorischen Aufbaus am 15. November 1994 erstmalig an seinem Frankfurter Sitz zusammentreten. Einer langen Tradition folgend wurden die Notenbanken der Beitrittsländer nach Unterzeichnung des Beitrittsvertrages durch die Staats- und Regierungschefs in Korfu im Juni 1994 eingeladen, als Beobachter an den Sitzungen des EWI-Rates und seiner Untergliederungen teilzunehmen. Mit dem Beitritt Österreichs, Finnlands und Schwedens zur Europäischen Union am 1. Januar 1995 sind die Präsidenten ihrer Zentralbanken Mitglieder des EWI- Rates geworden, der nun 15 Mitglieder sowie den EWI-Präsidenten umfaßt. Seit Herbst 1994 wird auch die Geschäftsführung des EWI von Frankfurt aus vorgenommen. Nach Übersiedlung der Mitarbeiter, die bis zum Herbst noch bei der BIZ in Basel untergebracht waren und nach Rekrutierung neuer Mitarbeiter, überwiegend aus den Zentralbanken der EU-Mitgliedstaaten, erreichte der Personalstand zum Jahresende 126 und beträgt zur Jahresmitte 1995 über 180 Personen. Jahrbuch der Europäischen Integration 1994/95 79

DIE INSTITUTIONEN DER EUROPAISCHEN UNION Die Geschäftsführung wird vom Generaldirektor und vier Direktoren ausgeübt. Die als Generalsekretariat bezeichnete Direktion umfaßt eine Stabsabteilung, die u. a. die Ratssitzungen betreut, die Beziehungen zu anderen EU-Institutionen pflegt, das Verrechnungs- und Saldenausgleichssystem für private ECU beaufsichtigt, die Funktionsweise des EWS überwacht, Hintergrundanalysen in bezug auf die Stabilität der Finanzinstitute und der Finanzmärkte vornimmt und die Vorbereitungsarbeiten für die Stufe Drei koordiniert; außerdem eine Rechtsabteilung, den Übersetzungsdienst und den Pressedienst. Die Direktion Währung, Wirtschaft und Statistik umfaßt drei Abteilungen sowie das Sekretariat des Unterausschusses Geldpolitik und die Bibliothek. Die Abteilung Stufe Zwei erstellt Analysen zur Vertiefung der Zusammenarbeit zwischen den Zentralbanken und zur Koordinierung der nationalen Geldpolitik. Sie unterstützt den Rat außerdem bei der Erarbeitung von ökonomischen Stellungnahmen und Empfehlungen und zu Fragen betreffend die Konvergenzkriterien. Die Abteilung Stufe Drei ist für Untersuchungen über die Konzepte, den Rahmen und die Regeln für eine einheitliche Geldpolitik in Stufe Drei verantwortlich. Dabei steht insbesondere die Festlegung der Instrumente, der Verfahren und der Zwischenziele der Geldpolitik im Vordergrund. Die Hauptaufgaben der Abteilung Statistik sind die Verbesserung der statistischen Informationen zur Förderung der Koordinierung der nationalen Geldpolitik in der Zweiten Stufe sowie die Vorbereitung harmonisierter Konzepte und Ansätze sowie die Festlegung eines Rahmens für die Statistiken, die das Europäischen Zentralbanksystem (ESZB) benötigt. Die Direktion Informations- und Kommunikationssysteme hat u. a. die Aufgabe, die technische Strategie für die Informations- und Kommunikationssysteme des EWI und des künftigen ESZB zu erarbeiten und umzusetzen, die Benutzer der Informations- und Kommunikationsdienste im EWI selbst zu unterstützen und bei der Überwachung, Koordinierung und weiteren Entwicklung der Kommunikationssysteme zwischen EWI und den Zentralbanken mitzuwirken. Die Verwaltungsdirektion umfaßt eine Abteilung für das Personalwesen und die Bürodienste sowie eine Abteilung Verwaltungsdienste, die für die Rechnungslegung des EWI, die Haushaltskontrolle und allgemeine organisatorische Fragen zuständig ist. Sie betreut außerdem die technische Durchführung von Sitzungen im EWI. Der EWI-Rat beschloß Anfang 1995, das EWI mit Eigenmitteln in Höhe von 615,6 Mio. ECU auszustatten. Dieser Betrag orientiert sich an den jährlichen Zinseinnahmen, die zur Deckung der laufenden Ausgaben in einem normalen Geschäftsjahr - ca. 44 Mio. ECU - sowie der Ausgaben für die Erstinvestitionen in die Ausstattung des EWI notwendig sind. Die Eigenmittel wurden von den Mitgliedszentralbanken nach einem Schlüssel aufgebracht, der auf dem Anteil des jeweiligen Landes an der Bevölkerungszahl und des BIP der Europäischen Union beruht. Nach dem gleichen Verfahren wird der Schlüssel ermittelt, nach dem das Kapital der späteren EZB gezeichnet werden soll. Nach Erweiterung der 80 Jahrbuch der Europäischen Integration 1994/95

Das Europäische Währungsinstitut EU auf 15 Mitglieder sind die Zentralbanken mit folgenden Anteilen an den Eigenmitteln beteiligt: Beteiligung der Zentralbanken an den Eigenmitteln des EWI 1995 in % Deutsche Bundesbank 22,55 Banque de France 17,00 Banca d'italia 15,85 Bank of England 15,35 Banco de Espana 8,85 De Nederlandsche Bank 4,25 Sveriges Riksbank 2,90 Belgische Nationalbank 2,80 Oesterreichische Nationalbank 2,30 Bank von Griechenland 2,00 Banco de Portugal 1,85 Danmarks Nationalbank 1,70 Suomen Pankki 1,65 Central Bank of Ireland 0,80 Institut Monetaire Luxemburgeois 0,15 Von dem Jahreshaushalt eines normalen Geschäftsjahres entfallen etwa 40% auf Personalkosten und 25% auf die Kosten der Infrastruktur. Die übrigen 35% decken die Aufwendungen für Dienstleistungen und Betriebsmittel. Zentrale Tätigkeiten des EWI Das EWI hat mit Erreichen seiner vollen Funktionsfähigkeit seine Bemühungen um Koordinierung der Geld- und Währungspolitik der Mitgliedstaaten in der Stufe Zwei intensiviert. Dies umfaßt die regelmäßige Beobachtung der wirtschaftlichen und monetären Entwicklung, die Analyse geld- und haushaltspolitischer Entscheidungen sowie die Einschätzung der Markterwartungen über die künftige Wechselkurs- und Zinsentwicklung. Im Jahre 1994 wurde der Schwerpunkt auf den geldpolitischen Transmissionsprozeß und seine Rückwirkungen auf die Koordinierung der Geldpolitik in der Union gelegt. Das EWI hat im vergangenen Jahr die Praxis des Ausschusses der Zentralbankpräsidenten fortgesetzt, einmal im Jahr die Entwicklung der öffentlichen Finanzen und ihre Bedeutung für die Koordinierung der Geldpolitik eingehend zu untersuchen. Das EWI mißt gesunden öffentlichen Finanzen eine entscheidende Bedeutung für die Verwirklichung einer stabilitätsgerechten Geldpolitik bei. Im Frühjahr 1995 wies das EWI den Jahrbuch der Europäischen Integration 1994/95 81

DIE INSTITUTIONEN DER EUROPAISCHEN UNION Rat der Union zweimal auf seine Besorgnisse über den Zustand der öffentlichen Finanzen in der Union hin. Zu den Hauptaufgaben des EWI gehören die Vorbereitungsarbeiten für die Stufe Drei der WWU. Sie erstrecken sich insbesondere auf die Gebiete der Geldpolitik, der Währungspolitik, der Statistik, des Zahlungsverkehrs und der Banknotenausgabe. Die zentrale Frage für die Geldpolitik in Stufe Drei besteht unverändert darin, ob das ESZB sich direkt auf die Preisstabilität als Ziel konzentrieren soll, oder ob es einer Strategie folgen soll, die sich auf die Festlegung eines Zwischenziels verläßt. Diese Frage soll 1996 wieder aufgegriffen werden. Im Hinblick auf die Anforderungen auf die Stufe Drei an die wirtschaftliche und monetäre Statistik ergab eine Bestandsaufnahme, daß die statistischen Systeme in den Mitgliedstaaten bereits große Gemeinsamkeiten aufweisen und den Bedingungen der Währungsunion bereits sehr nahe kommen. Gleichwohl existieren im einzelnen noch zum Teil deutliche Unterschiede, die divergierende politische Akzente und unterschiedliche Finanzstrukturen widerspiegeln. Große Bedeutung kommt den Daten zur Überprüfung der Konvergenzkriterien zu, die letztlich von der Europäischen Kommission bereitzustellen sind. Das EWI arbeitet jedoch in verschiedenen Gremien intensiv an der Harmonisierung der statistischen Grundlagen mit. Im Bereich der Zahlungsverkehrssysteme soll das EWI Vorbereitungen treffen, die dazu beitragen, daß der grenzüberschreitende Zahlungsverkehr zwischen den Mitgliedsländern unter den Bedingungen einer einheitlichen Geldpolitik effizient und auf stabiler Grundlage bewältigt werden kann. Diesem Ziel dient die Entwicklung eines WWU-weiten Echtzeit-Bruttoabrechnungssystems" (RTGA = Real-Time Gross Settlement System), das die Risiken für die einzelnen Teilnehmer wie für das gesamte Zahlungsverkehrssystem gering hält. Im Interesse marktorientierter Lösungen sollte das RTGS für Kreditinstitute nicht obligatorisch sein. Nur Transaktionen, die sich aus den Operationen der Geldpolitik ergeben, sind über das gleichfalls vorgesehene Transeuropäische Automatische Echtzeit-Bruttoabrechnungs-Express-Überweisungssystem (TARGET = Trans-European Automated Real-Time Gross Settlement Express Transfer System) abzuwickeln, das die nationalen RTGS-Systeme durch ein Verbundsystem zusammenfaßt. Daneben dürften andere Systeme für Massenzahlungen und auch für Großbeträge bestehen bleiben. In der dritten Stufe wird das ESZB auf eine gemeinsame Währung lautende Banknoten ausgeben, die die vorhandenen nationalen Banknoten ersetzen. Das EWI hat die besondere Aufgabe, die technischen Vorarbeiten hierfür zu beaufsichtigen. In bezug auf Zahl und Stückelung europäischer Banknoten sowie auf die Abgrenzung zwischen Münzen und Banknoten der gemeinsamen Währung konnte ein erste Übereinstimmung erreicht werden. Danach soll der höchste Nennwert für Münzen 2 ECU 1 und der geringste Nennwert für Banknoten 5 ECU sein. Weiterhin wurde als Arbeitshypothese eine Stückelung von Münzen und Banknoten in der Reihenfolge 1:2:5 vereinbart (Münzen in ECU: 0,01/0,02/ 82 Jahrbuch der Europäischen Integration 1994/95

Das Europäische Währungsinstitut 0,05/0,10/0,20/0,50/1,00/2,00; Banknoten in ECU: 5,00/10,00/20,00/50,00/100,00/ 200,00/500,00). Schließlich sollen nur zwei aus mehreren möglichen Erscheinungsbildern europäischer Banknoten zur Wahl stehen: völlig einheitliche Banknoten im gesamten Währungsgebiet oder Geldscheine, die auf der einen Seite identisch sind und auf der anderen Seite jeweils ein nationales Merkmal tragen. Sonstige Aufgabenfelder des EWI Nachdem dem EWI mit seiner Gründung Anfang 1994 die Aufgaben des EFWZ - die Verwaltung der Finanzierungs- und Beistandsfazilitäten des EWS - übertragen worden waren, übernahm es im Mai 1995 auch die Durchführung der damit verbundenen operativen Tätigkeiten, die bislang in den Händen der BIZ lagen. Mit dem Beitritt Österreichs, Finnlands und Schwedens zur EU wurden die Zentralbanken dieser Länder Mitglieder im EWS; allerdings trat nur die österreichische Notenbank dem EWS-Wechselkursmechanismus bei, während die Zentralbanken der anderen beiden Drittländer lediglich beschlossen, dem EWI auf freiwilliger Basis Gold- und US-Dollar-Reserven gegen ECU zu übertragen. Das EWI wurde 1994 mit zwölf Anträgen auf Anhörung in bezug auf gemeinschaftliche und nationale Rechtsakte in den Bereichen seiner Zuständigkeit (u. a. Währungsrecht, Status nationaler Zentralbanken, Instrumente der Geldpolitik, monetäre Statistiken, Verrechnungs- und Zahlungsverkehrssysteme) befaßt. Das EWI nimmt seine Aufgaben darüber hinaus in enger Zusammenarbeit mit anderen EU-Institutionen wahr (u. a. EP, ECOFIN-Rat, Europäische Kommission, Währungsausschuß). Der Maastrichter Vertrag verlangt von jedem Mitgliedstaat, spätestens bis zum Zeitpunkt der Errichtung des ESZB seine innerstaatlichen Rechtsvorschriften, einschließlich des Status seiner Zentralbank, mit dem EUV in Einklang zu bringen. Das EWI hat dem Rat der Union über die hierbei erzielten Fortschritte zu berichten. Der erste Bericht dieser Art ist für den Herbst 1995 ins Auge gefaßt. In den Jahren 1993 und 1994 sind bereits die institutionellen Merkmale verschiedener nationaler Zentralbanken in Vorbereitung auf die dritte Stufe angepaßt worden. Das gilt besonders für die französische und die spanische Notenbank, denen u. a. Unabhängigkeit in der Durchführung der Geldpolitik gewährt wurde 2. Ausblick Der Europäische Rat hat auf seiner Tagung in Cannes lediglich seine Entschlossenheit bekräftigt, den Übergang zur einheitlichen Währung spätestens zum 1. Januar 1999 vorzubereiten. Umstritten bleibt dagegen, wie sich die Umstellung von nationalem Geld auf die europäische Währung vollziehen wird. Der EWI- Rat geht bei seinen Überlegungen zur Einführung der europäischen Währung derzeit von zwei Fixpunkten aus: Zum Zeitpunkt des formellen Übergangs zur Währungsunion werden die Wechselkurse der Währungen der beteiligten Mit- Jahrbuch der Europäischen Integration 1994/95 83

DIE INSTITUTIONEN DER EUROPÄISCHEN UNION gliedstaaten unwiderruflich festgeschrieben. Die Ausgabe von Banknoten in europäischer Währung kann dagegen erst drei Jahre später erfolgen; dieser Zeitraum wird für die Produktion der benötigten Geldscheine veranschlagt. Auf die Frage, in welchen Schritten die neue Währung - als Buchgeld - in dieser Periode in den Wirtschaftskreislauf gebracht wird, versuchen verschiedene Szenarien eine Antwort zu geben. Ein big bang", d.h. eine vollständige Umstellung auf die Gemeinschaftswährung zu Beginn der Währungsunion, wäre zwar eine optimale Lösung, ist aber aus den genannten technischen Gründen nicht durchführbar. Alle übrigen Szenarien gehen von einem vorübergehenden Nebeneinander von Gemeinschaftswährung und nationalen Währungen aus. Die Europäische Kommission vertritt in ihrem Grünbuch zur Währungsunion das Konzept einer kritischen Masse", d. h. einer sofortigen, möglichst umfassenden Einführung der Gemeinschaftswährung - als Buchgeld - im Verhältnis zwischen EZB und den nationalen Zentralbanken, im Interbankverkehr, auf den Geld-, Kapital- und Devisenmärkten, beim Schuldenmanagement der öffentlichen Hand und im Großkreditgeschäft. Als Gegenposition wird der Ansatz eines delayed big bang" vertreten, bei dem die Gemeinschaftswährung zunächst nur auf der Ebene des Europäischen Zentralbanksystems Verwendung findet und erst nach Abschluß der Vorarbeiten, d.h. am Ende der Dreijahresperiode, generell eingeführt wird und das bis dahin weiter bestehende nationale Geld ersetzt. Zwischen diesen beiden Positionen haben sich Kompromißlösungen entwickelt, die von einem gleitenden Übergang zur Gemeinschaftswährung unter Berücksichtigung bestehender nationaler und regionaler Besonderheiten ausgehen. Nach Auffassung des EWI kann ein Szenario für die Übergangsmodalitäten erst bestimmt werden, wenn deren tatsächliche Implikationen für die Anwender geklärt sind. Transparenz und Klarheit des Szenarios müssen dazu beitragen, die Gemeinschaftswährung allgemein akzeptabel zu machen. Der EWI-Rat wird sich hierzu spätestens gegen Ende 1995 äußern. Anmerkungen 1 Die ECU wird hier als vorläufige Bezeich- ken vgl. Übersicht im EWI-Jahresbericht nung verwendet. 1994. 2 Zum derzeitigen Status der EU-Zentralban- Weiterführende Literatur Bäcker, A./Rennpferdt, P.: Das Europäische rungspolitik, in: Lenz, Carl Otto (Hrsg.): Währungsinstitut (EWI), in: Wirtschaftswis- EG-Vertrag. Kommentar, Köln, 1994. senschaftliches Studium 5 (1995), S. 270- Verband öffentlicher Banken (Hrsg.): Auf dem 272. Weg zur EWWU, Bonn 1995. Schill, Wolfgang: Die Wirtschafts- und Wäh- 84 Jahrbuch der Europäischen Integration 1994/95