The Edge of Heaven Stadtentwicklung Istanbul

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Transkript:

The Edge of Heaven Stadtentwicklung Istanbul // Winter 10 MasterThesis The Edge of Heaven - Stadtentwicklung Istanbul Prof. Piero Bruno, Prof. Jörg Henne, Prof. Ulrich Holzscheiter, Prof. Dr. Tomas Valena

The Edge of Heaven Stadtentwicklung Istanbul MasterThesis Munich University of Applied Sciences Master of Arts in Architecture Wintersemester 2010/11 Jury: Prof. Jörg Henne (Vorsitz), Prof. Dott. Piero Bruno, Prof. Ulrich Holzscheiter Betreuer: Prof. Dr. Tomas Valena Verfasser: David F. Siegel

Inhalt Grundlagen Istanbul Gesetz Nr. 5366 Sulukule Historische Bedeutung Ausgangssituation 2 2 3 5 7 Analyse 9 Konzept Typologieentwicklung Strukturen Wachstum Sonderbauten Private Freibereiche Innenräume Baukonstruktion 12 15 18 19 20 22 23 Bibliographie 25

Grundlagen

Istanbul Als Brücke zwischen Asien und Europa ist Istanbul Begegnungsstätte der Zivilisationen. 1 Vor rund 2600 Jahren als Byzantion erbaut, diente die Metropole seit der Gründung ihrer ursprünglichen Stadtteile drei großen Weltreichen als Hauptstadt. In ihr vereinen sich Elemente der Griechen, Römer, Byzantiner, Osmanen und Türken miteinander zu einem Stadtbild. Istanbuls Architektur weist sowohl antike, mittelalterliche, neuzeitliche und moderne Einflüsse auf. Die Stadt ist das türkische Zentrum für Kultur, Handel und Medien. 2010 ist sie ebenfalls Kulturhauptstadt Europas. Mit rund 13 Millionen Einwohnern ist Istanbul vielleicht Europas einzige Megacity. Während mit Konstantinopel meist die gesamte Stadt samt einigen Stadtteilen nördlich des Goldenen Horns und jenseits des Bosporus gemeint war, kennzeichnete der Name Istanbul eher die alte Stadt auf der Halbinsel zwischen Marmarameer, Bosporus und Goldenem Horn, die nach Westen durch die Landmauer abgeschlossen wurde. 2 Gesetz Nr. 5366 Im Juli 2005 wurde Gesetz Nr. 5366 zum Wohle der Stadtentwicklung in der Türkei erlassen. 1 http://www.sueddeutsche.de/.../kulturhauptstadtistanbul-... 2 http://de.wikipedia.org/wiki/istanbul Seite 2

Tarlabaşi und Sulukule sind die ersten beiden Projekte in Istanbul, die auf der Grundlage des umstrittenen Städtebaugesetzes Nr. 5366 entwickelt werden. Dieses regelt Stadtentwicklungsprojekte in heruntergekommenen historischen Stadtteilen. Denkmalschutz dient hier als Vorwand, um hemmungsloser denn je historischen Baubestand abzureißen und anschließend mit historischen Fassaden neu zu errichten. Die Luxussanierung setzt zudem eine Gentrifizierung in Gang, die bisherigen Mieter und ärmere Bevölke- rungsgruppen werden verdrängt. 3 Sulukule... Sulukule [ist] älter als Istanbul. Vor tausend Jahren berichteten byzantinische Schreiber erstmals von dem Volk, das sich in schwarzen Zelten an dem gewaltigen Wall des Kaisers Theodosius II. niedergelassen hat. Als Musiker und Magier, Pferdehändler und Bärenführer verdienten die Roma ihr Geld. Für byzantinische Kaiser und Sultane haben sie musiziert, und später auch für Atatürk. 4 Sulukule lag als alte Siedlung un- mittelbar an den Stadtmauern, die bis in jüngste Zeit die Grenzen der historischen Halbinsel bildeten, bevor die Stadtverwaltung ihren Abriss beschloss. Ein- bis zweigeschossige Reihenhäuser und einige vier- bis fünfgeschossige Wohnblöcke charakterisieren das Straßenbild. Das Projektgebiet befindet sich in den Grenzen zweier unterschiedlicher Stadtvierel. 3 İslam, Tolga: Der Block als innerstädtische Gated Community. In: Arch+, Heft 195 (2009): Istanbul wird Grün, Seite 90. Seite 3

Das nördliche Viertel Hatice Sultan ist in erster Linie von traditionellen türkischen Familien bewohnt. Im Viertel Neslışah im Süden des Gebiets leben seit Jahrzehnten vornehmlich Roma, wofür Sulukule stadt- und landesweit bekannt ist. Die von ihnen betriebenen Vergnügungsstätten hatten einen wichtigen Platz im städtischen Freizeitleben inne. Sie bildeten die wirtschaft- liche Hauptaktivität des Viertels und sorgten für das auskommen vieler Familien. Nachdem sie in den 1990er Jahren verboten und geschlossen wurden, verfiel die Gegend rasch.... Beyoglu Sulukule Bosporus Goldenes Horn Fatih Eminönü Die Preise für Eigentum und Mieten liegen hier deutlich unter dem Marktdurchschnitt und bieten so preiswerten Wohnraum für einkommensschwache Gruppen. Marmarameer Das Public-Private-Partnership-Projekt Sulukule wurde 2005 zwischen der Kommunalverwaltung Fatih, dem Amt für Siedlungsbau TOKİ und der Istanbuler Stadtverwaltung unterzeichnet. Das Enticklungsgebiet umfasst zwölf Blöcke und 354 Parzellen auf rund 90.000 qm. Der vorhandene Baubestand soll in dem deklarierten Entwicklungsgebiet vollständig abgerissen und durch Neubauten unter der Federführung von TOKİ ersetzt werden. Neben Wohngebäuden sind auch ein Hotel, eine Schule und eine kulturelle Einrichtung vorgesehen. Von der Stadtverwaltung und TOKİ wurde ein Protokoll unterzeichnet, nachdem die bisher ansässigen Eigentümer das Vorkaufsrecht auf die neu entstehenden Wohnungen haben, sofern sie die Differenz zwischen Baukosten und dem aktuellen Wert ihrer Häuser innerhalb von fünfzehn Jahren in Raten abbezahlen. Alternativ können bisherige Mieter durch einen Ratenzahlungsplan über ebenfalls fünfzehn Jahre Wohnraum in der Peripherie der Stadt Popp, Maximilian: Die Geschichte der Roma wird einfach weggebaggert http://www.spiegel.de/politik/ausland/... 4 Seite 4

erwerben. Diese Bedingungen mögen auf dem Papier vernünftig erscheinen, sind aber für Personen, die über keinen festen Arbeitsplatz mit einem geregelten Einkommen verfügen, unerfüllbar. Aus diesem Grund kämpfen viele einheimische Aktivisten in Selbstorganisation gegen das Projekt. Obwohl ihre Anliegen in den nationalen wie internationalen Medien ein großes Echo fand, konnten sie letztlich nicht verhindern, dass die Stadtverwaltung sich mit den betroffenen Hauseigentümern einigte und so bereits fast alle Gebäude abgerissen wurden. Das Gebiet ist heute eine Art Ruinenfeld und wartet auf den Beginn der Umsetzung des Projekts. 5 Historische Bedeutung Die Thedosianische Mauer begrenzt nicht nur Istanbuls Stadtzentrum auf der Halbinsel zwischen Marmarameer, Bosporus und Goldenem Horn, sondern bildet auch Sululukes westliche Begrenzung. Auf der anderen Seite der Landmauer verläuft ein Grünstreifen von Norden nach Süden entlang einer mehrspurigen Schnellstraße, der 10. YılCd, die Sulukule mit dem Autobahnring von Istanbul verbindet. Die Theodosianische Mauer [İstanbul Surları oder Topkapı Surları] ist eine Anfang des 5. Jahrhunderts unter Kaiser Theodosius II. vom Architekten Anthemius errichtete, etwa 19-20 Kilometer lange Befestigungsanlage zum Schutz von Konstantinopel dem heutigen Istanbul... 6 5 İslam, Tolga: Der Block als inner-städtische Gated Community. In: Arch+, Heft 195 (2009): Istanbul wird Grün, Seite 91. 6 http://de.wikipedia.org/wiki/theodosianische_ Mauer Seite 5

Neben der historischen Landmauer befinden sich in Sulukule auch noch andere bedeutende Zeitzeugen. So war der Schutz von Kulturgütern insbesondere bei der Zusammenarbeit mit der UNESCO ein wichtiges Argument für den Erhalt des Quartiers. Die theodosianische Landmauer wird in Sulukule von einem Tor unterbrochen, durch das die Stadt einst mit einer ausgelagerten Hafenanlage verbunden war. Die theodosianische Landmauer wird in Sulukule von einem Tor unterbrochen, durch das die Stadt einst mit einer ausgelagerten Hafenanla- ge verbunden war. Heute ist das Tor als Sulukuler Tor* bekannt. Im Westen des Quartiers sind die Überreste eines historischen Wasserturms zu finden, während der Norden vom Mıhrımah Sultan-Komplex und dem dazugehörigen Mıhrımah Sultan Badeanstalt [Hamami] beherrscht wird. Zwei Sakralbauten stehen in Sulukule die Hagısos Demetrıos Kirche [Kılısesı] und die Neslı ah Sultan Moschee [Camıı]. Die Klosterkirche stammt aus dem 19. Jahrhundert, das Grundstück auf dem sie sich befindet ist jedoch bereits als geweihter Ort aus byzantinischer Zeit überliefert. In Sulukule finden sich demnach Einflüsse von Byzantinern, Römern und Osmanen. * Übersetzung des Autors Seite 6

Ausgangssituation Die Megacity Istanbul wächst immer weiter. Zersiedelung ist bei diesem immensen Wachstum eine große Gefahr für den Zusammenhalt beziehungsweise die Bildung einer harmonischen Gesellschaft. Im Moment zerfällt die Stadt in Peripherie und Zentrum, mit immer klarer ablesbarem Sozialgefüge. Dem Zentrum nahe, informelle Siedlungen werden mit Hilfe von Gesetz Nr. 5366 dem Spekulationsmarkt zugeführt, die Bewohner dieser Quartiere umgesiedelt und in eine Wohnsituation gebracht der sie nicht gewachsen sind. segmentierte Sozialstruktur Segmentierte Sozialstruktur o. M. In Sulukule wurden die ersten Eigentümer mit diesem Gesetz enteignet. Es gilt der Stadtverwaltung Istanbuls und der staatlichen Wohnungsbaubehörde TOKI! eine Stadtentwicklung aufzuzeigen die Raum für die Gleichberechtigung von Kulturen und Ethnien besitzt. Als Ausgangssituation und Rahmenbedingung für die Entwicklung eines Gegenvorschlags für den Umgang mit Sulukule wird die Bereitschaft der türkischen Regierung angenommen, die unter dem Druck der Öffentlichkeit, vertreten durch die UNESCO, eine Überarbeitung des ursprünglichen Entwurfs für das Areal akzeptiert. überlagerte Sozialstruktur Überlagerte Sozialstruktur o. M. Seite 7

2010 2011 Istanbul becomes European Capital of Culture 2010 TOKİ, Fatih Municipality and Istanbul Metropolitan Municipality is convinced by the UNESCO and the Istanbul Cultural Heritage Platfrom to reconsider the concepts of Sulukule Studio The publicity of Istanbul European Cultural Capital 2010 and former actions around Sulukule Platform finally convince the people in charge of Sulukule project to compensate the former residents An independent planner is employed to analyse the concepts of Sulukule Studio and TOKİ The independent planner prepares a third project proposal considering the interests of the residents and the city Sulukule Case will be presented from a neutral point of view in the Munich University of Applied Sciences JANUARY FEBRUARY MARCH APRIL MAY JUNE JULY AUGUST SEPTEMBER OCTOBER NOVEMBER DECEMBER JANUARY FEBRUARY MARCH The World Heritage Committee gave Istanbul time until February 2011 to deliver on its longstanding demands regarding protection and restoration standards 8 The European Court On october 15 of Human Rights a real estate has accepted the auction decides application of about the future the Sulukule Roma of Sulukule 10 Association against a renovation project in the Fatih Municipality s historical Sulukule area, despite the ongoing domestic court cases 9 8 http://www.hurriyetdailynews.com/ ottoman-disneyland-2010-08-06 at the beginning of 2010 Sulukule is waiting for a decision regarding its future 9 http://www.hurriyetdailynews.com/... sulukule-roma-...-application-to-echr-accepted-2010-08-2 10 http://hurarsiv.hurriyet.com.tr/.../ Belediyeden-Romanlara-büyük-Sulukule-kazığı 12

Analyse

alte Typologie alte Typologie 1- bis 2-geschossige Reihenhäuser siehe Seite 4: Sulukule... Ein- bis zweigeschossige Reihenhäuser und einige vier- bis fünfgeschossige Wohnblöcke charakterisieren das Straßenbild [Sulukules].... Seite 10

Verdichtung entlang der Straße Verdichtung in die Tiefe der Parzelle Das Obergeschoss diente als Wohnraum, während das Erdgeschoss die Einnahmequelle der Bewohner beherbergte. So waren dort Verkaufsflächen, Werkstätten oder Einlieger untergebracht. Da mehrfach bis zu drei Generationen großer Familien unter einem Dach bzw. auf einer Parzelle zusammenlebten, wuchs die Bebauung entsprechend den Bedürfnissen ihrer Bewohner. siehe: Students of Msc. In Building & Urban Design in Development Class 2007/2008: Stories behind the wall Seite 11

Die Schlussfolgerung aus der vorbeschriebenen Situation ist eine Planung die sich der Vertrautheit der Bewohner mit Typologie und Ort bedient. Es gilt die flexible Kleinteiligkeit der Stadt zu bewahren, bei gleichzeitig effizienter Ausnutzung des Baugrundes, sowie der Erweiterung der bereits vorhandenen Infrastruktur, also eine Nachverdichtung der Metropolregion zu erzielen. 2- bis 3-geschossige Reihenhäuser Eine höhere Dichte lässt überlagerte Sozialstruktur zu und bietet sowohl Raum für die bisherigen Bewohner des abgebrochenen Quartiers sowie für Neue. Die Finanzierung des Bauvorhabens könnte sich aus staatlicher und internationaler Subventionierung zusammensetzen und die Bildung einer Genossenschaft ermöglichen. Durch Selbsthilfe können die finanzschwachen Mitglieder Leistungen in die Genossenschaft einbringen und tragen zu der natürlichen Heterogenisierung der Architekturproduktion bei. In einer temporären Bauschule neben einem Bürgerbüro [Baufeld 6], werden die ungelernten Arbeiter angeleitet und erfahren während ihrer partizipatorischen Tätigkeit eine Berufsausbildung, die sie nachhaltig finanziell stärkt. Übergeordnetes Ziel des Konzeptes ist weniger das vollkommene Produkt Architektur, als die Strukturierung von einem Prozess. halböffentliche halböffentliche Treppenhäuser ermöglichen mehr Flexibilität in der Nutzungsverteilung und bilden einen verbindenden Kommunikationsraum zwischen Parzellen Seite 12

Verdichtung in d Verdichtung in die Tiefe der Parzelle Strukturierung d Strukturierung der Parzelle Verdichtung Verdichtung der alten Typologie in eine Mischform aus gereihten Hofhäusern Seite 13

Min. Fläche ca. 480 qm > GRZ 0.6 / GFZ 1.3 26.4 m 14.4 m Grundfläche der Parzelle ca. 380 qm Min. Fläche ca. 480 qm > GRZ 0.6 / GFZ 1.3 26.4 m 14.4 m Das exemplarisch beplante Baufeld besitzt eine Fläche von ca. 17.000 qm. Grundfläche der halböffentlichen Räume zwischen den Parzellen ca. 63 qm Die abgebrochene Bebauung besaß eine GRZ von 0.2 und eine GFZ von 0.3. Die geplante Bebauung sieht eine GRZ von 0.37 vor und eine GFZ von 1.05. Seite 14

Strukturen Seite 15

Primärstruktur Die Primärstruktur gliedert die einzelnen Baufelder mit ihren industriell vorgefertigten Elementen. Sie setzt sich aus Massiv- und Skelettbau in Stahlbeton zusammen. Die zukünftigen Bewohner stecken mit diesen Bauteilen ihre Parzellen ab. Sie knüpfen auf diese Weise eine Beziehung zu dem veränderten Ort und können ihre Arbeitskraft einbringen um die Baukosten niedrig zu halten. Primärstruktur Die Treppenhäuser der Primärstruktur funktionieren sowohl als vertikale Erschliessung, halböffentliche Aufenthaltsräume und Kommunwand zwischen den einzelnen Parzellen. Das Raumsystem bildet die Tragstruktur für Deckenplatten aus Brettschichtholz und die Sekundärstruktur. Die Primärstruktur besitzt eine längere Lebensdauer. Sekundärstruktur Sekundärstruktur Die Sekundärstruktur wird individuell von den Nutzern gestaltet. Auf diese Weise können die Parzellen angepasst an die Finanzkraft der Bewohner ausgebaut werden, ausserdem werden einer Homogenisierung und Monotonisierung der Architektur durch die Strenge der Primärstruktur vorgebeugt. Die Sekundärstruktur besitzt eine kürzere Lebensdauer. Seite 16

Anknüpfen an dichtere Baufelder Verknüpfung der historischen Achse entlang der Teodosianischen Landmauer Seite 17

Wachstum Die Besetzung des Areals verläuft in Etappen. Hierzu wird der Grund in 6 Bauphasen unterteilt. Bauphase 1 definiert den Straßenraum näher und stellt die Nutzfläche der abgebrochenen Strukturen wieder her. 1 5 6 4 1 Bauphase 2 ermöglicht eine deutliche Verdichtung des Areals und Generierung zusätzlicher Nutzfläche. Bauphase 3 schliesst den südlichen Block und leitet die Verdichtung nach Norden ein. 2 3 1 Bauphase 4 verdichtet den Raum zwischen der straßenseitig angelagerten Bebauung. Bauphase 5 stellt eine Fortsetzung von Abschnitt 4 dar. Bauphase 6 beinhaltet die Auflösung der Bauschule, die in eine große Werkstatt um- gewandelt werden könnte und wie die anderen Baufelder nun auch Wohnraum bietet. Seite 18

Sonderbauten 1 5 6 2 Sonderbauten definieren den Straßenraum und die Baufelder mit der kleinteiligen Struktur. 4 1 Ikonen befinden sich an städtebaulich markanten Orten. Sie werden von den späteren Bewohnern in Zusammenarbeit mit professionellen Handwerkern und Planern errichtet. 3 1 Dabei können die Nutzer ihre Arbeitskraft in die Genossenschaft einbringen und erlernen Techniken sowie Wissen um die Gestaltung der Sekundärstruktur. Seite 19

Private Freibereiche Patio Der Hof besitzt den höchsten Grad an Privatheit. Er kann je nach Verdichtungsgrad nur von den Bewohnern oder direkten Anrainern eingesehen werden. Wintergarten / Loggia Dieser Raum funktioniert als klimatische Pufferzone und Erweiterung des Wohnraums, kann aber auch beispielsweise als Treibhaus genutzt werden. Dachterrasse Die unausgebaute Primärstruktur könnte als Dachgarten dienen. Ein Gründach oder eine Begrenzung mit schwarzen Photovoltaiktextilien könnten den Raum näher definieren. Private Freibereiche und die Parzelle Gartenstreifen Hinter dem Rückhaus befindet sich ein Bereich der der Parzelle zugeschlagen werden kann, in dem die Bewohner Gemüse oder andere Pflanzen anbauen können. Gartenparzelle Im Gemeinschaftsgarten kann zusätzlich eine Parzelle angemietet werden. Die Vergabe dieser Grundstücke beruht auf verschiedenen Faktoren. Seite 20

Patio Seite 21

Innenräume Die Nutzungseinheiten und damit das Konstruktionsraster sind auf verschiedene Faktoren zurückzuführen. Zu den maßgebenden gehören Belichtung, Materialperformanz und Studien zur Nutzungsneutralität. Die Räume definieren sich durch ein Stützraster von 3.6 m x 3.6 m. Das Basismodul M setzt sich aus vier Konstruktionsfeldern zusammen. Es sieht primär eine Wohnnutzung vor, kann aber aufgrund der hohen Nutzungsneutralität verschiedenartig eingesetzt werden. Feld 1 nimmt die Erschliessungsfläche und Sanitärbereich auf. Feld 2 und 3 bilden den durchgesteckten Gemeinschaftsraum, wo auch gekocht und gegessen wird. Er verbindet den Innenhof intern mit der Straße beziehungsweise dem Gartenanteil. 69 qm L 207 cbm 52 qm M 156 cbm Feld 4 stellt den Individualraum zur Verfügung. 34 qm S 102 cbm 17 qm XS 51 cbm Seite 22

Baukonstruktion Seite 23

Baukonstruktion Zwischen den Parzellen funktionieren die Treppenhäuser als Kommunwand und erfüllen mit ihren tragenden Fertigteilwänden aus Stahlbeton mit Blähtonzuschlag die Anforderungen an Brand-, Schall- und Wärmeschutz. Die Bodenplatten der Primärstruktur bestehen aus Stahlbeton, während die Dächer mit transluzenten Stegplatten auf stählerner Unterkonstruktion gedeckt werden. Die Bodenplatte und die Decken sind Teil der Primärstruktur und bilden das Tragwerk für die Sekundärstruktur weiter aus. Dabei bestehen die Bodenplatten ebenfalls aus Stahlbeton, während die aussteifenden Deckenelemente aus Brettschichtholz sind. Sie lassen sich leichter von den Bewohnern bearbeiten und erfüllen bereits Anforderungen an Schall- und Wärmeschutz. Kommunwände In einem Vorinstallierten Versorgungskern werden Wasser, Heizungs- und Elektroleitungen nach oben geführt, sowie Zu- und Abluft für den Sanitärbereich. Die tragenden Bauteile in Stahlbeton auszubilden, ist eine Entscheidung die wie die Entwicklung der hybriden Typologie auf die Vertrautheit der zukünftigen Bewohner damit zurückzuführen ist. Überdies verfügt das Material über eine Lebensdauer und Resistenz die für das aufnehmen leichterer und kurzlebigerer Elemente hervorragend geeignet ist. Böden und Decken für die Sekundärstruktur Eine tragende Konstruktion aus Holz wäre ebenso denkbar, allerdings mangelt es den Bewohnern Sulukules aller Wahrscheinlichkeit am Wissen um die Techniken und Prinzipien Seite 24

Anschluss von Unterzug an Stütze Aufliegende Deckenplatten die mit dieser Bauweise. Ein Vorteil wäre beispielsweise die Reduzierung von Tragwerk und Dämmung auf eine Ebene. Die Verbreitung von diesen Kenntnissen würde zu einer Erweiterung des Konzeptes der Bauschule führen, was aber hinsichtlich der ökologischen und ökonomischen Qualitäten des Materials Holz durchaus erwägenswert erscheint. Im Gegensatz dazu wird Fassade mit der Dämmung dem Stahlbetontragwerk vorgehängt. aussenliegender Abschluss der Decken Seite 25

Bibliographie Emrahkavlak.com/sulukule-alternative-urbanplan/ Islam, Tolga: Der Block als innerstädtische Gated Community. In: Arch+, Heft 195 (2009): Istanbul wird grün, Seite 90 Istanbul City of Intersections... Students of Msc. In Building & Urban Design in Development Class 2006/2007: Placing Sulukule Students of Msc. In Building & Urban Design in Development Class 2007/2008: Stories behind the wall Popp, Maximilian: Die Geschichte der Roma wird einfach weggebaggert: //www.spiegel.de/politik/ausland/... Sueddeutsche.de/.../kulturhauptstadt-istanbul-... Wikipedia.org/wiki/Istanbul Wikipedia.otg/wiki/Theodosianische_Mauer

Der Film von Fatih Akın The Edge of Heaven besitzt auf das Thema dieser Thesis bezogen eine gewisse Mehrdeutigkeit. So könnte man Edge mit Grenze, Kante, Rand, Schneide oder auch Zarge übersetzen. Hinter dem vordergründigen Thema Tod, handelt der Film von Heimkehr und Vergebung, Migration und Kulturtransfer. Themen die auch in Sulukule eine wichtige Rolle spielen. Der deutsche Titel des Films von lautet Auf der anderen Seite; der türkische Yaşamın kıyısında. Als Titel für eine MasterThesis an einer deutschen Hochschule, die ein Thema behandelt das in einer türkischen Stadt angesiedelt ist, erscheint weder der eine noch der andere passend. Die logische Entscheidung ist es den dritten, den englischen Titel zu verwenden. Zufällig ist der Vorname des Regisseurs und Drehbuchautors mit dem Namen des Stadtbezirks [İlçe] in dem Sulukule liegt identisch.