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Transkript:

Vorwort Historisch gesehen findet sich schon in der 1998 herausgegebenen Note for Guidance on Development Pharmaceutics der europäischen Zulassungsbehörde EM(E)A die Forderung nach der Identifizierung von kritischen Prozessschritten. Ebenfalls schon Ende der 90er Jahre forderte das damalige Aide mémoire der Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten (ZLG, Bonn) zur Inspektion von Validierung und Qualifizierung in pharmazeutischer Herstellung und Qualitätskontrolle eine Risikoanalyse. International wird erstmals im Annex 15 (Ergänzende Leitlinien für die Qualifizierung und Validierung) ein Risk Assessment zur Bestimmung des Validierungsumfangs und der Validierungstiefe angesprochen. Forciert wurde die Thematik dann durch den Beginn der FDA-Initiative cgmp for the 21st century - a risk based approach im Jahre 2002. Aufgrund der sehr weitreichenden Relevanz dieser Initiative ist ihr ein eigener Artikel, der den risikobasierten Ansatz der FDA für die Durchführung von Inspektionen beschreibt, in diesem Journal gewidmet. Im Jahre 2003 folgte dann, speziell auf 21 CFR Part 11 bezogen, die entsprechende Scope and Application-Guideline, in der ebenfalls ein Risk Assessment gefordert wird. Die verstärkte Betonung des Themas Risikomanagement war ein wesentlicher Grund für die Revision des Annex 11 (Computergestützte Systeme) zum EU GMP-Leitfaden im Jahre 2011. Dies spiegelt sich ebenfalls in einem eigenständigen Artikel zur Thematik Grundlagen des Risikomanagements zur Validierung von IT-gestützten Systemen wider. Mit der Veröffentlichung des ICH-Dokumentes Q9 Quality Risk Management als Step 4 im November 2005 erlebt die Thematik im pharmazeutischen Umfeld einen vorläufigen Höhepunkt. In der Zielsetzung dieses Dokuments wird die Anwendbarkeit von Risikomanagement auf verschiedene Aspekte in pharmazeutischen Unternehmen erwähnt. Risikomanagement wird als Life Cycle Approach angesehen. Auch auf Inspektionen und Audits wird ICH Q9 als anwendbar angesehen. Ein Beispiel für risikobasierte Behördeninspektionen beschreibt der Artikel eines ehemaligen GMP-Inspektors. Welche Risikomanagement-Tools fordern nun aber die pharmazeutischen Regelwerke, auch als Basis einer Zulassung? Konkret gefordert sind keine. Hier hilft wiederum das ICH Q9-Dokument weiter. Es stellt Werkzeuge im Rahmen eines Risikomanagements vor: Ein Übersichtsartikel geht auf diese Werkzeuge ein. Und wie eines dieser möglichen Werkzeuge, die HACCP-Analyse, dann auch konkret angewendet wird, lesen Sie am Beispiel einer festen Arzneiform. Was aber ist mit Life Cycle Approach gemeint? Hierunter ist der Lebenszyklus eines Arzneimittels unter Begleitung eines Risikomanagement-Systems zu verstehen. Und zwar beginnend mit der Entwicklung des Arzneimittels bis hin zur Endproduktprüfung und eigentlich sogar darüber hinaus. Schon der Bezug von Ausgangsstoffen ist im Rahmen der Supply Chain ein immens wichtiger Schritt und folglich idealerweise ebenfalls in ein firmeninternes Risikomanagement- System eingebunden. Lesen Sie aus Sicht eines Dienstleisters wie Risikomanagement bezüglich Ausgangsstoffen, Wirkstoffen und Arzneiträgerstoffen praktiziert werden kann. Ein Schwerpunkt des Artikels liegt auf der Lagerung und dem Transport von Ausgangsmaterialien. Heutzutage unter den Schlagworten Good Storage Practice und Good Transportation Practice bekannt. Wie Risikomanagement in der Entwicklung mit einem speziellen Risk Management Tool, den Risk Assessment Tables, praktiziert werden kann, wird am Beispiel eines parenteral applizierbaren Produktes erläutert. Aber auch die Technik ist heutzutage in ein modernes Risikomanagement-System eingebunden. Ein eigen- 5

ständiger Artikel erläutert wie der gesamte Lifecycle einer technischen Anlage mittels Risikoanalyse optimiert werden kann. Risikomanagement begleitet ein Arzneimittel also mittlerweile von A wie Analytik bis Z wie Zulassung. Zur Analytik finden Sie deshalb zwei Artikel, einmal auf das mikrobiologische Labor bezogen, zum Zweiten in Bezug auf die Qualifizierung von analytischen Geräten. Sie halten mit diesem pharma technologie journal in der zweiten, überarbeiteten und erweiterten Auflage ein Nachschlagewerk in Händen, das ausgewählte Aspekte eines Risk Managements im Umfeld eines pharmazeutischen Unternehmens beleuchtet. Die Arbeiten in der vorliegenden Ausgabe des pharma technologie journal wurden in gewohnter und bewährter Weise von einem wissenschaftlichen Beirat ausgewählt und beurteilt, dem folgende Mitglieder angehören: Dipl.-Ing. Eberhard Münch Carpuss Process Experten GmbH, Hattersheim Dr. Heinrich Prinz PDM-Consulting, Groß-Zimmern Dr. Wolfgang Schumacher F. Hoffmann-La Roche AG, Basel (Schweiz) Im Rahmen der wissenschaftlichen Schriftenreihe pharma technologie journal werden Praxisberichte publiziert, die eine effiziente Umsetzung von GMP-Anforderungen im betrieblichen Alltag aufzeigen. Das pharma technologie journal wird seit 1980 von CONCEPT HEIDELBERG herausgegeben. Viel Spaß beim Lesen. CONCEPT HEIDELBERG Rischerstraße 8 69123 Heidelberg (Germany) Tel.: +49 (0)6221-84 440 Fax: +49 (0)6221-84 4484 E-Mail: info@concept-heidelberg.de Internet: www.gmp-navigator.com 6

Inhaltsverzeichnis Vorwort... 5 Teil 1 Regulatorische Vorgaben Heinrich Prinz Rudolf Völler Risikobasierter Ansatz der FDA für die Durchführung von Inspektionen....... 10 Risikomanagement aus Sicht eines Behördenvertreters................. 19 Teil 2 Übersicht über Risikomanagement-Tools Denis Nienhüser Risikomanagement-Tools ein Überblick 34 Teil 3 Praxisbeispiele aus dem pharmazeutischen Umfeld Karl Metzger Karl Metzger Andrea Weiland-Waibel Michael Jahnke, Anna Schipke Roland Miksche Frank Böttcher Ulrich Bieber Risikomanagement bezüglich der Ausgangsstoffe................... 54 Risikomanagement bei der Herstellung von pharmazeutischen Wirkstoffen und Arzneiträgerstoffen................. 62 Risk Assessment Tables in der pharmazeutischen Entwicklung....... 69 Anwendung der Risikoanalyse HACCP (Hazard Analysis and Critical Control Points) in der Oraliaherstellung und für die Qualifizierung von Coatern........... 93 Risikoanalyse als Hilfsmittel bei der Qualifizierung analytischer Geräte..... 135 Risikobewertung im mikrobiologischen Labor........................... 143 Anwendung der Risikoanalyse in der Pharmatechnik.................... 178 Teil 4 Risikomanagement bei der Computervalidierung Günter Generlich Grundlagen des Risikomanagements zur Validierung IT-gestützter Systeme..... 196 Anhang Hersteller- und Dienstleisterverzeichnis.......................... 208 Autorenverzeichnis.......................................... 216 Lieferbare Titel pharma technologie journal GMP Report....................... 217 Inserentenverzeichnis........................................ 218

Für alle diese Materialien sollten geeignete Spezifikationen erstellt werden. In diesen Spezifikationen sollten, neben den Angaben zu Prüfpunkten, Grenzwerten und den anzuwendenden Prüfmethoden, auch die zugelassenen Lieferanten aufgelistet sein. 1.3. Beschreibung der Herstellungsprozesse Nachdem die Rahmenbedingungen geklärt worden sind, sollte man sich mit dem Herstellungsprozess befassen. Dabei wird die Herstellung Schritt für Schritt detailliert mit allen Parametern, einschließlich der zugehörigen Grenzwerte, festgelegt. Dies geschieht üblicherweise in einer Herstellungsvorschrift (Master Batch Production Record), dem Rezept, das für jede einzelne Charge als spezifische Herstellungsanweisung herausgegeben wird. 64 2. Aufbau eines Risikomanagement-Systems Auch wenn sich die ICH Q9-Leitlinie mit Qualitäts-Risikomanagement befasst, sollte man bedenken, dass es durchaus sinnvoll sein kann, ein integriertes Risikomanagement zu betreiben. Produkte mit unzureichender Qualität können z. B. die Kunden, die Umwelt und ggf. den Bestand des Unternehmens gefährden. Daher ergeben sich zahlreiche Schnittstellen zu bzw. Überschneidungen mit anderen Risikomanagement-Prozessen. Der Aufbau eines integrierten Systems dient dazu, ein effektives und effizientes Risikomanagement zu betreiben. Wesentliche Voraussetzung für ein funktionierendes Risikomanagement-System ist, dass der Ablauf des Risikomanagement-Verfahrens einschließlich der Beurteilungskriterien in einer Verfahrensanweisung detailliert und nachvollziehbar festgelegt wird. Dabei ist es sinnvoll, sich an dem von der ICH beschriebenen Ablauf zu orientieren. 1. Risikobeurteilung * Risikoidentifizierung (Welcher Fehler kann auftreten?) * Risikoanalyse (Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit des Auftretens? Was sind die Folgen (Ausmaß)? Wird der Fehler (rechtzeitig) erkannt?) * Risikobewertung (Liegt das Risiko oberhalb eines akzeptablen Limits?) 2. Risikosteuerung * Risikoreduzierung (Was kann getan werden, um Risiken zu reduzieren oder zu eliminieren? Werden durch die Korrekturmaßnahmen neue Risiken eingeführt?) * Risikoakzeptanz (Wie sieht die angemessene Abwägung zwischen Nutzen, Risiken und Ressourcen aus?) Welche Risikomanagement-Werkzeuge man dazu heranzieht, bleibt einem freigestellt. Im Anhang I der ICH Q9-Leitlinie werden mehrere anwendbare Methoden und Instrumente des Risikomanagements vorgestellt: * Fehlzustandsart- und Auswirkungsanalyse (FMEA) * Ausfallbedeutungsanalyse (FMECA) * Fehlerbaumanalyse (FTA) * Gefahrenanalyse und kritische Lenkungspunkte (HACCP) * Gefährdungs- und Betreibbarkeitsuntersuchung (HAZOP) * Vorläufige Gefährdungsanalyse (PHA) * Risikoeinstufung und Filterung

Anwendungsbeispiele finden Sie in den anderen Beiträgen in diesem Journal. Zahlreiche Hersteller von Arzneiträgerstoffen sind auch im Bereich Futter- und Lebensmittel tätig, in dem die Anwendung des HACCP-Systems gesetzlich vorgeschrieben ist. In diesen Fällen bietet es sich an, das HACCP-System auch auf den Pharma-Bereich zu erweitern. Andererseits kann es aber auch Sinn machen, Werkzeuge, die sich innerhalb der Organisation beim Risikomanagement hinsichtlich Arbeitssicherheit, Gesundheitsschutz und Umwelt bewährt haben, auf das Qualitäts-Risikomanagement zu übertragen. Hierbei muss man jedoch beachten, dass die Fragestellungen grundlegend verschieden sind. Je nach gewähltem System sollte man zur Dokumentation der durchgeführten Risikobeurteilungen und Folgemaßnahmen geeignete gelenkte Formblätter (z. B. Tabellen, Checklisten) erstellen. Eine wesentliche Anforderung an das Risikomanagement ist, dass es wissenschaftlich fundiert ist. Absehen sollte man daher von dem unsinnigen Versuch, Risiken mit Zahlen darzustellen (RPN Risk Priority Number). Ein wissenschaftlich einigermaßen diskutables Konzept wäre für den eigentlichen Zweck überdimensioniert. Solche Systeme führen meist zu Ressourcenverschwendung, da es häufig zu langen Diskussionen bzgl. der Einstufung kommt und die Parameter für die Einstufung der einzelnen Faktoren (Auftrittswahrscheinlichkeit Auswirkungen Entdeckungswahrscheinlichkeit) meist nicht allgemein nachvollziehbar sind. Häufig enden Diskussionen daher so, dass man knapp unterhalb der kritischen RPN liegt. 3. Anwendung des Qualitäts-Risikomanagements auf die Herstellung pharmazeutischer Wirkstoffe und Arzneiträgerstoffe Wenn die Struktur etabliert ist, kann mit der Durchführung der Risikobeurteilung begonnen werden. Die Beurteilungen werden am besten in Gruppen von Experten aus dem eigenen Hause durchgeführt. Zur Vorbereitung oder zur Moderation der Diskussionen kann es sich auch anbieten, externe Fachleute zu engagieren. Wichtig ist jedoch, dass die Träger des firmeninternen Know-hows aktiv eingebunden werden. Zunächst bietet es sich an, die eingesetzten Materialien zu betrachten. Egal ob diese von externen Quellen zugekauft werden oder intern (Zwischenprodukte, Medien) hergestellt werden, sollten sie eindeutig und zweifelsfrei in Spezifikationen beschrieben werden. Die Einhaltung dieser Spezifikationen sollte regelmäßig überprüft werden, bis ausreichende Daten vorliegen, wenn möglich zu jeder Charge. Im zweiten Schritt erfolgt die Beurteilung der Räumlichkeiten und v. a. der Ausrüstung hinsichtlich ihrer Eignung und möglicher Gefahrenquellen (Design, Werkstoffe, Leistung, Möglichkeiten der (Kreuz)Kontamination etc.). Bei Bedarf muss zur Risikoreduzierung das Gefährdungspotential ggf. durch Umbauten oder den Einsatz eines anderen Apparats reduziert werden. Auch die Entscheidung, Ausrüstung nur für die Herstellung eines bestimmten Produktes oder einer Produktgruppe zu nutzen ( dedicated equipment ), kann eine risikoreduzierende Maßnahme sein. Last but not least erfolgt die Risikobeurteilung des Herstellungsprozesses. Wenn man mehr als ein Produkt zu betrachten hat, kann ein modularer Aufbau sinnvoll sein. In diesem Fall werden bestimmte Sequenzen einzeln betrachtet. Da sich viele Herstellungsschritte ähneln, können wesentliche Teile der Risikobeurteilung 65

der Prozess an einem kritischen Kontrollpunkt außer Kontrolle gerät. Derartige Maßnahmen sind festzulegen und in ihrer Potenz zu bewerten, den Prozess in einer festzulegenden Zeitspanne wieder in einen zulässigen Status zu bringen. 2.6. Bestätigungssystem (Verifizierung) Maßnahmen sind zu bewerten, mit deren Hilfe überprüft werden soll, ob das aufgebaute HACCP-System (und damit der Prozess) fehlerfrei funktioniert. Eine solche Systemkontrolle wird zum Beispiel durch Untersuchungen von Endproduktstichproben oder Analysen an bestimmten CCPs (z. B. Bioburdenanalyse) möglich. 2.7. Dokumentationssystem Der Prozess oder seine Teilschritte sind daraufhin zu überprüfen, ob sichergestellt ist, dass erhobene Befunde gesammelt und in geeigneter Weise gesichert werden und ein rascher Zugriff zu jeder gewünschten Information gestattet ist. Die Dokumentation von Abweichungen vom festgelegten Prozess, deren Auswertung und Konsequenz (Fehlerhäufigkeit) ist zu bewerten, um ggf. Trends zu erkennen. 3. Festlegung kritischer Qualitätsattribute und kritischer Prozessparameter Unter kritischen Qualitätsattributen werden physikalische, chemische, biologische und mikrobiologische Eigenschaften des zu betrachtenden Produktes verstanden, die im Herstellungsverlauf überwacht und kontrolliert werden müssen, um die Produktqualität sicherzustellen. Die kritischen Prozessparameter sind solche Einflüsse, deren Veränderung einen direkten Einfluss auf die kritischen Qualitätsattribute eines Produktes haben (ein solcher identifizierter Prozessparameter bleibt kritisch, selbst wenn er engmaschig überwacht wird). 96 4. Voraussetzung zur Prozessanalyse Zur Anwendung des HACCP-Konzeptes ist der betreffende Herstellungsprozess zunächst vorbereitend zu beschreiben. Dieses umfasst mindestens die folgenden Aspekte: * Produktbeschreibung unter Berücksichtigung der Zusammensetzung Das betrachtete Produkt enthält einen Wirkstoff und mehrere Hilfsstoffe. Es handelt sich nicht um eine Neuentwicklung, Erfahrungen in der Produktion liegen bereits hinreichend vor. Beim Umgang mit dem Wirkstoff müssen übliche behördliche Anordnungen beachtet werden. Außerdem sind Maßnahmen gegen elektrostatische Aufladung zu treffen. * Verpackungs- Lagerungs- und Vertriebsbedingungen Der verwendete Wirkstoff ist kühl zu lagern, die Filmtabletten dagegen bei Raumtemperatur. Die für den Herstellungsprozess benötigten organischen Lösungsmittel werden nur in den zulässigen Höchstmengen in der Produktion aufbewahrt, Übervorrat befindet sich in einem speziell vorgesehenen gesicherten und gekennzeichneten Tank in einem separaten Gebäude. Die beim Coatingprozess entstehende lösungsmittelhaltige Abluft wird über eine technische Nachverbrennungsanlage entsorgt.

1) Wirkstoffe 2) Hilfsstoffe Granulier- Lösung IPK 3) WSG 4) Sieben 5) Vormischung IPK 6) Mischen IPK 7) Tablettieren Abb. 1: Prozessschema zur Herstellung von Filmtabletten. Die Nummerierungen verweisen auf die entsprechenden Passagen der Risikoanalyse. IPK 11) Coaten 8) 9) 10) Isolierlösung Coatingsusp. Polierlösung * Haltbarkeit Der Wirkstoff ist oxidationsempfindlich, eine Aufbewahrung muss dicht verschlossen und vor Licht geschützt erfolgen. Bei sachgemäßer Lagerung und Handhabung gibt es keine gefährlichen Zersetzungsprodukte. Bis 250ºC findet keine thermische Zersetzung statt. Der Wirkstoff ist sehr schwer in Wasser löslich. * Zubereitungsanweisungen Die Herstellung des betrachteten Produktes erfolgt zulassungskonform gemäß gültiger Herstellungsanweisung. Verwendet wird nach heutigem Standard in einer Oraliaherstellung übliches Equipment, welches für die Herstellung eines Produktes geeignet ist. * Fließdiagramm des Herstellungsprozesses (Die Zahlen in Klammern verweisen auf den entsprechenden Prozessschritt im Fließdiagramm, s. Abb. 1) Wirkstoff und Hilfsstoffe (1) werden mittels einer Granulierlösung (2) im Wirbelschichtgranulator granuliert und getrocknet (3). Das fertige Granulat wird einer In-Prozess-Kontrolle unterzogen, wobei die absolute Feuchte bestimmt wird. Anschließend wird gesiebt (4) und mit einer Vormischung (5) im Mischer gemischt (6). Mit dieser Mischung wird ebenfalls eine In-Prozess-Kontrolle, in Form einer absoluten Feuchte- und einer Schüttdichtebestimmung, durchgeführt. Die Mischung wird tablettiert (7). Die Tablettenkerne werden auf Aussehen, Länge, Breite, Höhe, Durchschnittsmasse, Gleichförmigkeit der Masse, relative Standardabweichung, Zerfall in Wasser, Friabilität und Bruchfestigkeit geprüft. Die Befilmung der Kerne (11) im Coater erfolgt mittels Zugabe von Isolierlösung (8), Coatingsuspensionen (9) und einer Polierlösung (10). Die fertigen Filmtabletten werden auf Aussehen, Länge, Breite, Höhe, Durchschnittsmasse, Gleichförmigkeit der Masse und relative Standardabweichung geprüft. 97

Abb. 3: Mögliche Faktoren, die eine sekundäre Kontamination eines Steriltestmediums verursachen können. Abb. 4: Fehlerbaumanalyse (FTA) zur mangelhaften Wirksamkeit eines Desinfektionsmittels. 150 Einflussfaktoren müssen noch hinsichtlich der Ursache, möglicher und vielleicht sogar vorhandener Gegenmaßnahmen und ggf. Wahrscheinlichkeit ihres Eintretens bewertet werden. Es kann notwendig sein, sie gegeneinander abzuwägen, damit die Priorität der Bearbeitung der einzelnen Faktoren festgelegt werden kann. Zur Dokumentation kann z. B. eine Tabelle mit den identifizierten Faktoren erstellt und eine Bewertung vorgenommen werden. Tab. 1 zeigt ein Beispiel für eine solche Bewertung. Sie kann zur weiteren Bearbeitung aller einfachen formellen Risikoanalyseverfahren verwendet werden.

Tab. 1: Ableitung von Maßnahmen aus der Risikoanalyse. Funktion (Risikofaktor) 1 1.1 Aseptisches Arbeitsverhalten 1.2 Persönliche Schutzausrüstung 2 Methode Fehlerart (Verursacher) 2.1 Vorschrift fehlt Fehlerhafte Dokumente 2.2 Vorschrift nicht beachtet 2.3 Vorschrift falsch Fehlerhafte Dokumente 3 Probenahmeumgebung 3.1 Arbeit außerhalb der Kabine 3.2 LF (Laminar Flow) nicht in Funktion Geplante bzw. abgeleitete Maßnahmen s verbessern s verbessern Dokumentenlenkung verbessern, Dokumente erstellen s verbessern Dokumentenlenkung verbessern, Dokumente überarbeiten s verbessern s verbessern 3.3 LF war defekt Fehlfunktion, Wartung Wartung und Kalibrierung verbessern 3.4 Mehrere Produkte unter LF 4 Probenahmegeräte 4.1 Keine sterilisierten Geräte verwendet 4.2 Sterilisation war nicht ausreichend 4.3 Kontamination bei der Lagerung 5 Probengefäße 5.1 Gefäße nicht sterilisiert 5.2 Sterilisation war nicht erfolgreich 5.3 Kontamination bei der Lagerung 5.4 Gefäße beschädigt s verbessern s verbessern Revalidierung durchführen s verbessern, Lagerbedingungen anpassen s verbessern Revalidierung durchführen s verbessern, Lagerbedingungen anpassen s verbessern, Prüfung der Gefäße vor Einsatz und vor der Analyse 151

Fortsetzung Tab. 1 6.2 Gefäße nicht richtig verschlossen Fehlerart (Verursacher) Funktion (Risikofaktor) 6 Musterlagerung 6.1 Keimwachstum aufgrund falscher Lagerung 6.3 Muster unter nicht kontrollierten Bedingungen geöffnet 6.4 Muster zu lange vor der Untersuchung gelagert Geplante bzw. abgeleitete Maßnahmen Lagerbedingungen anpassen s verbessern, Vorschriften anpassen s verbessern, Vorschriften anpassen s verbessern, Vorschriften anpassen Darüber hinaus eignen sich andere Verfahren, wie z. B. die FMEA. In vielen Fällen reicht aber eine systematische Bewertung ohne aufwändige Priorisierung oder das Abschätzen der Eintrittswahrscheinlichkeit aus, da dies bei den meisten Bewertungen im mikrobiologischen Labor aufgrund lückenhafter oder nicht vorhandener Datenlage der Disziplin höhere Raterei angehört. 152 3.3. Failure Mode Effects Analysis (FMEA) Die FMEA wird eingesetzt, um halbquantitative Aussagen zu Risiken innerhalb von Prozessen oder Produktionsanlagen bzw. Betrieben zu erhalten. Mit Hilfe der FMECA (Failure Mode, Effects, and Criticality Analysis) können Risiken gewichtet werden, um hoch risikoreiche Prozessschritte zu identifizieren und zu klassifizieren. Mit Hilfe der Risikokennziffer kann eine priorisierte Maßnahmenliste erstellt werden, aus der hervorgeht, welche Risiken als erstes zu beseitigen sind und ob der gesamte Prozess überhaupt so ausgelegt werden kann, dass er mit einem akzeptablen Risiko zu betreiben ist. Die vermeintlich exakte und objektive, da auf mathematischen Verfahren beruhende, Form der Bewertung hängt jedoch stark von den zu treffenden Annahmen ab, die der Berechnung der Risiko-Scores zugrunde gelegt werden müssen. Annahmen müssen dabei für folgende Faktoren getroffen werden: A Auftretenswahrscheinlichkeit des Fehlers B Bedeutung des Fehlers bezüglich der Prüfungsqualität (Schwere des Fehlers) E Entdeckungswahrscheinlichkeit des Fehlers Je genauer, d. h. objektiv und messbar, diese Annahmen sind und je weniger Spielraum sie für subjektive Bewertungen enthalten, umso besser kann ein Risiko kalkuliert werden. Die Anwendung erfolgt in der Regel prospektiv. Da möglichst exakte Annahmen notwendig sind, kommt dieses Verfahren für die Bewertung rein mikrobiologisch orientierter Prozesse weniger in Betracht. Der generelle Ablauf einer FMEA ist im Flussdiagramm in Abb. 5 aufgezeigt, ein möglicher Schlüssel für die Einordnung der Risikowahrscheinlichkeit in Tab. 2. Für die einzelnen Risiken können damit Risikoprioritätszahlen (Risiko-Scores, s. Abb. 6) berechnet werden, so dass man