http://www.dlr.de 1. Februar 2003: COLUMBIA-Absturz - Die Katastrophe begann mit dem Start Der am 26. August 2003 veröffentlichte Bericht des Columbia Accident Investigation Board (CAIB) zog einen ersten Strich unter einen der schlimmsten Unfälle der bemannten Raumfahrt. Dieser kostete am 1. Februar 2003 sieben Astronauten das Leben. Ein halbes Jahr lang arbeitete und untersuchte das zwölfköpfige Team um den ehemaligen Navy-Admiral Hal Gehman. Es wurden Flugdaten analysiert, Trümmerteile gesichtet und die im Space Shuttle verwendeten Materialien getestet. Im Ergebnis der Untersuchungen konnte die Unglücksursache festgestellt werden. Zwar konnte die Frage, wie die Raumfahrer ums Leben kamen, beantwortet werden, nicht aber das Warum". Immerhin wurden im Laufe der Ermittlungen des CAIB nicht nur die Ursachen des Unglücks aufgeklärt, sondern auch viele die Katastrophe bedingende Faktoren innerhalb der NASA identifiziert: die Rede ist von Missmanagement, gravierenden Sicherheitsmängeln und in Kauf genommenen Gefahren. Hier zeigt sich eines der größten Probleme der bemannten Raumfahrt, der Raumfahrt allgemein - Kostenfaktoren und Sparzwänge haben immer gravierende Folgen haben. Auf 248 Seiten und in elf Kapiteln wird berichtet über die Entwicklung des Space Shuttle, den technischen Systemen sowie wiederum über die Challenger-Katastrophe und daraus gezogene - oder versäumte - Konsequenzen. Akribisch werden die Ermittlungsergebnisse aufgeführt und verständlich zusammengefasst. Diese vermitteln ein stimmiges Bild von den Ereignissen am Starttag und während des Wiedereintritts. Diskutiert werden aber auch Versäumnisse der NASA und hierauf basierend mögliche Rettungsvarianten, die der Besatzung das Leben hätten retten können. Aufgelistet wird die Kommunikation zwischen Technikern und Ingenieuren, die zeigt, dass die Katastrophe nicht wirklich ungeahnt hereinbrach. Vorgeschlagen werden organisatorische Änderungen innerhalb der NASA, die Verbesserung der Krisenmanagements und die Schaffung sowie konsequente Nutzung von Technologien, die helfen können, künftige Raumflüge sicherer zu machen. Das Unglück nimmt seinen Lauf Die Analyse der Aufnahmen während des Startvorganges zeigen, wie sich ein großes Stück Isolierschaum sowie mindestens zwei weitere Bruchstücke 81,7 Sekunden nach dem Abheben vom oberen Bereich des externen Tanks lösen. Das größte Bruchstück schlägt nach 81,9 Sekunden auf der linken Flügelunterkante, auf den RCC-Paneelen (Reinforced Carbon-Carbon) 5 bis 9 auf. Analysen auf Grund der Video- und Fotoanalyse zu Folge war das Trümmerteil zwischen 8,3 und 10,6 Zentimetern lang und 4,7 bis 7,1 Zentimeter breit. Die Kraft des Aufschlages des sehr kleinen und schmalen Stücks ergibt sich aus der relative Geschwindigkeit von 669 bis 922 Kilometer pro Stunde. Für die genauere Analysen wurden dabei vor allem eine 35mm-Filmkamera, 25,5 Kilometer vom Startplatz entfernt sowie eine NASA-Videokamera in 39 Kilometern Entfernung genutzt. Aus den verfügbaren Daten konnte die Masse des Bruchstücks von 0,757 Kilogramm ermittelt werden.
Klar ist aber auch, dass sich lösende Eisreste am externen Tank keine Rolle bei diesem Vorfall gespielt haben. Videoaufnahmen fünf Minuten vor dem Start zeigen keinerlei Vereisungen in der Region der Herkunft der Schaumstoffisolierung auf. Auch andere Materialien oder Bestandteile der Verkleidung des Tanks wurden ausgeschlossen. Jedoch war damit die Folge von Zwischenfällen noch nicht beendet. Unmittelbar nach dem Unglück begann das Air Force Space Command den eigenen Datenbestand zu prüfen, um mögliche Anomalien während des Fluges im Orbit aufzuklären. Überprüft wurden mehr als 3000 optische und Radarbeobachtungen. Eine erste Beobachtung wurde am 17. Januar um 15:57 Uhr gemacht, nachdem der Orbiter zuerst in eine leicht geschwenkte und dann wieder die normale Fluglage gebracht wurde. Dabei wurde beobachtet, dass sich ein Objekt vom linken Flügel gelöst hatte. Dieses Objekt konnte bis zum 20. Januar um 21:45 Uhr von verschiedenen Radarstationen beobachtet werden, bis es schließlich in der Erdatmosphäre verglühte. In jenem Zeitraum führte die Columbia keine aufwendige Flugmanöver aus, auch wurde keine Kollision mit Weltraumschrott oder einem Mikrometeoriten verzeichnet, noch registrierte die Telemetrie ungewöhnliche Sensorendaten. Die einzigen bekannten Daten des Objektes sind seine ballistischen Daten; Material, Masse oder Form konnten dagegen nur vage bestimmt werden. Danach wurden Tests mit verschiedenen Baugruppen des Shuttle - insgesamt 31 Objekte -, die sich gelöst haben könnten, in Auftrag gegeben. Ein Fragment des RCC-Paneels mit einer Größe von nur 0,09 Quadratmetern würde als einziges den empfangenen Radardaten entsprechen. Totalverlust Am 1. Februar um 2:30 Uhr begann das Entry Flight Control Team (EFCT) in der Missionskontrolle mit seiner Arbeit, um die Wiedereintritt der Columbia vorzubereiten. Zu jenem Zeitpunkt waren keine Probleme ersichtlich - weder technische Ausfälle noch fehlerhafte Sensorendaten. Dem EFCT muss, so das CAIB, der Vorfall am Starttag bekannt gewesen sein. Allerdings wurden keinerlei Folgen für das Ende der Mission, eine der heikelsten Phasen des gesamten Fluges, erwartet. 20 Minuten vor der Zündung der Triebwerke zur Einleitung des Wiedereintritts in die Erdatmosphäre wurde daher das "Go" für den Rückkehrvorgang gegeben. 8:10:00 Uhr - die Crew des Fluges STS-107 bestätigt das Go. 8:15:30 Uhr - das Deorbit-Manöver wird von Pilot McCool durch eine zwei Minuten und 38 Sekunden lange Zündung der Haupttriebwerke über dem indischen Ozean eingeleitet. 8:44:09 Uhr - der Wiedereintrittspunkt in 122 Kilometern Höhe über dem Pazifik wird erreicht. In den folgenden Minuten traten Temperaturen von rund 1.400 Grad Celsius an der Shuttle-Außenhülle auf. 8:48:39 Uhr - erstmals meldet ein Sensor der linken Flügelvorderkante einen unnatürlich hohen Wert einwirkender Kräfte. Dies jedoch wird erst nach dem Unglück registriert, denn der Sensorwert wurde nicht zur Missionskontrolle weitergeleitet und der Crew selbst nicht angezeigt.
8:52:00 - bei Mach 24,5, in 71 Kilometern Höhe, begann die Erhitzung und schrittweise Verringerung von Geschwindigkeit und Höhe. Dabei erreicht die Temperatur an der Außenhülle ein Maximum, dabei treten speziell an den Flügelkanten extreme Werte auf. 8:53:46 Uhr - am Himmel werden erste, mögliche Trümmerteile gesehen; die von der Columbia am Himmel gezogene Spur erhellt sich plötzlich und einzelne Lichtpunkte entfernen sich vom Raumfahrzeug in dem Moment, als die Columbia in den Luftraum von Nevada eintritt. 8:53:46 Uhr 8:54:09 - zahlreiche Augenzeugen beobachten das tragische Ende der Columbia. Die Trümmerspur zog sich von Utah über Arizona und New Mexico bis nach Texas. 8:54:00 Uhr - im Kontrollzentrum werden Anzeichen für mögliche Probleme registriert. Erst fielen einzelne Sensoren für Hydrauliksysteme im linken Flügel aus bzw. zeigten Nullwerte an. Aus den später gefundenen Trümmerteilen konnte rekonstruiert werden, dass sich zu dieser Zeit erste Hitzeschutzkacheln vom linken Flügel gelöst hatten. 8:59:15 Uhr - Druckabfall in den beiden linken Reifen. Der Flugdirektor informierte, über den Capsule Communicator (CAPCOM), die Crew über die Probleme und erkundigte sich nach der aktuellen Situation in der Raumfähre. Die Funkverbindung brach jedoch ab und konnte nicht wiederhergestellt werden. 8:59:32 Uhr die letzte Meldung wird empfangen und nach dem "Roger..." bricht die Verbindung ab. 9:00:18 Uhr - Totalverlust der Columbia, als Augenzeugen das Auseinanderbrechen des Space Shuttles beobachten konnten. Die Vorgänge beim Wiedereintritt waren die logische Folge der Ereignisse am Starttag. Durch den Schaden am linken Flügel konnte ultraheißes Plasma ins Innere der Struktur eindringen und dort Systeme außer Betrieb setzen. Gleichzeitig entstand auch ein aerodynamischer Angriffspunkt gegen die einzelnen Hitzeschutzkacheln, welche nacheinander der enormen Belastung nachgaben. Hierdurch waren große Teile der Außenhaut ungeschützt, dem Druck der während des Wiedereintritts entsteht ausgesetzt. Schlussfolgerungen aus der Columbia-Katastrophe Nach Abschluss der Untersuchungen zum Absturz des Space Shuttle Columbia wurden durch das CAIB (Columbia Accident Investigation Board) Empfehlungen gegeben, die von der NASA und den mit den Shuttlebetrieb beauftragen Unternehmen und Institutionen umgesetzt werden sollten. Ziel der Empfehlungen war und ist die Gewährleistung der Sicherheit des Space Shuttle und seiner Besatzung. Abgesehen von der Entwicklung wurden in der Geschichte dieses Transportsystems vor keinem Start solche umfangreiche Veränderungen in der Technik, aber auch im Management vorgenommen. Einige der aufgeführten Forderungen resultieren auch heute noch aus der Explosion der Challenger im Jahr 1986. Von Seiten des CAIB wurden insgesamt 29 Empfehlungen gegeben, von denen 15 (RTF Return To Flight) unbedingt vor dem nächsten Flug umgesetzt werden sollten.
Mit einem entscheidenden Satz wird das Kapitel der so genannten Recommendations eingeleitet: Unternehmenskultur heißt Führungskultur, die NASA muss ihre Kultur den Realitäten anpassen. CAIB-Empfehlungen Teil 1 - Konsequenzen aus dem Unfall Thermales Schutzsystem 1.) Entwicklung eines Programms zur Verbesserung des Schutzes des externen Tanks vor Trümmereinschlägen sowie Beseitigung der strukturellen Probleme. (RTF) 2.) Verbesserung der Schutzschilde des Orbiters gegen Trümmereinschläge. (RTF) 3.) Entwicklung und Einführung eines Programms zur Überprüfung der Außenhaut und Nutzung der Möglichkeiten zur zerstörungsfreien Werkstoffprüfung. (RTF) 4.) Für Missionen zur ISS: Entwicklung von Möglichkeiten zur Prüfung der Außenhaut und Einführung von Reparaturmaßnahmen im Orbit. Für Missionen, die nicht zur ISS führen: Schaffung von Möglichkeiten der autonomen Inspektion. Ziel ist die Entwicklung eines vollautonomen Systems zur Kontrolle und Reparatur. (RTF) 5.) Treffen von Vorbereitungen für die erfolgreiche Rückkehr des Orbiters aus der Erdumlaufbahn auch mit leichten Schäden. 6.) Aufbau einer Datenbank zur Erfassung von Materialeigenschaften, Archivierung und Nachweis aller Test- und Prüfdaten. 7.) Überprüfung und Änderung der Wartungstechnologie des Launchpads. 8.) Verwendung von Reinforced-Carbon-Carbon. 9.) Entwicklung eines Simulationsmodells zur Abschätzung der Auswirkungen von Beschädigungen der Außenhaut. Beobachtung 10.) Modernisierung der Kamerasysteme, die den Flug des Shuttle vom Start bis zum Absprengen der Booster beobachten. Zu nutzen sind weiterhin Schiffe und Flugzeuge, die weitere Aufnahmen liefern. (RTF) 11.) Montage von Kamerasystemen zur Überwachung des externen Tanks, Übertragung der Aufnahmen zum Boden. (RTF) 12.) Aufnahme und Übertragung von hoch auflösenden Bildern des Hitzeschutzschildes, der Orbiterunterseite und der Bugsektion. (RTF) 13.) Modifizierung aller Vereinbarungen mit Einrichtungen, die das Shuttle während des Fluges beobachten können. (RTF) Orbiter Sensordaten 14.) Die Sensorsysteme aller Space Shuttle müssen den modernsten Technologien entsprechen. 15.) Überprüfung aller Sensorsysteme und Schaffung von Möglichkeiten, diese während des Fluges neu zu laden und neu zu starten; Datenübertragung zum und Datenspeicherung am Boden. Verkabelung 16.) Als Bestandteil der Shuttlewartung muss die Überprüfung aller Kabelverbindungen des Space Shuttle erfolgen.
Abtrennsysteme 17.) Test und Qualifizierung aller Abtrennsysteme. (RTF) Nachweisführung 18.) Dokumentation des Abschlusses aller Arbeiten an einer Baugruppe/einem System durch Anbringung von Farbmarkierungen. (RTF) Mikrometeoriten/Weltraumschrott 19.) Die Anforderungen an den Schutz des Space Shuttle vor Beschädigungen durch Mikrometeoriten oder Weltraumschrott müssen denen der ISS entsprechen. Überführung der Empfehlungen für den Schutz des Shuttle in den Status von Anforderungen. (RTF) Bruchstücke 20.) Die Qualitätssicherung des KSC und die United Space Alliance müssen vom Auftreten von Bruchstücken während des Starts ausgehen und einen Standard Foreign Object Debris definieren. (RTF) Teil 2 - Unfallverhütung Planung 21.) Überprüfung des Flugplanes auf Reserven. Prüfung aller Termine und Zeitabläufe auf ihre Machbarkeit und Akzeptanz zur Gewährleistung der Sicherheit. (RTF) Training 22.) Einführung eines Trainingsprogramms für die Bodencrew in Vorbereitung von Problemfällen. Verbesserung der Kommunikation zwischen dem Mission Management Team, den unterstützenden Einrichtungen und externen Partnern. (RTF) Organisation 23.) Einführung einer technischen Überwachung für den gesamten Lebenszyklus des Space Shuttle. - Entwicklung von technischen Standards für die Wartung aller Systeme und Subsysteme des Shuttle, - Einführung von Risikoanalysen für alle Shuttlesysteme, - Aneignung von Fehler- und Effektanalysen sowie Meldesysteme für Notfälle, - Schaffung von Problemdefinitionen und deren Einstufung, - Neudefinition der Bedingungen für die Startfreigabe. Die technische Überwachung untersteht der NASA und ist unabhängig. 24.) Die Sicherheits- und Qualitätsabteilung der NASA hat direkten Kontakt zum und Einfluss auf das Space Shuttle-Programm. 25.) Neuorganisation der Betriebsabteilung des Shuttle; diese ist verantwortlich für das gesamte System, inklusive des Orbiters.
Teil 3 - Ein Blick voraus Organisation 26.) Entwicklung eines Planes der Neudefinitionen und Entwicklungen, der Reorganisationen und der Ingenieurleistungen durch die NASA. NASA berichtet jährlich an den Kongress über den Verlauf des Projektes und der damit verbundenen Kosten. (RTF) Zertifizierung 27.) Bis zum Jahr 2010 hat die Überprüfung und Neuzertifizierung des gesamten Shuttle-Systems zu erfolgen, inklusive aller Baugruppen und Systeme. Dokumentation 28.) Vor der Auslieferung und Integration von Systemen und Anlagen müssen diese nach einheitlichen Standards dokumentiert werden. Alle Daten müssen für mögliche Problemfälle im Orbit digital verfügbar sein. (RTF) 29.) Schaffung von Grundlagen für ein langfristiges Programm der ing.-techn. Erneuerung. Ansprechpartner: Andreas Schütz DLR Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Berlin-Adlershof Tel.: 030 / 67055-130 Fax: 030 / 67055-120 Mail: Andreas.Schuetz@dlr.de Eduard Müller DLR Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Köln Tel.: 02203 / 601-2805 Fax: 02203 / 601-3249 Mail: Eduard.Mueller@dlr.de