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Transkript:

Vertiefung im Internationalen Privatrecht Internationales Familienrecht 5 Scheidung (II)

Vorlesungsüberblick 1. Wiederholung Grundlagen des IPR 2. Eheschließung 3. Allgemeine Ehewirkung 4. Namensrecht 5. Ehescheidung 6. Eingetragene Lebenspartnerschaft 7. Faktische Lebensgemeinschaft 8. Kindschaft 9. Intersexualität 10. Wiederholung 2

Fall 1: Der Spanier E und der Franzose F haben auf der Dune du Pyla (Frankreich) geheiratet und ziehen nach Deutschland. Nach drei Jahren trennen sie sich und schließen vor einem Notar eine Rechtswahlvereinbarung zugunsten spanischen Rechts. Ein Jahr später möchten sie sich scheiden lassen. Wie ist die Rechtslage? Anmerkung: Sowohl in Spanien als auch in Frankreich ist die Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare möglich. Die Scheidungsvoraussetzungen nach spanischem Recht liegen vor. 3

4

Vorüberlegungen 5

Vorüberlegungen und Wiederholung von Stunde 2 6

Auslegung von Europarecht Ausgangspunkt: klassischer Kanon 1. Wortlaut 7

Auslegung von Europarecht Artikel 55 AEUV (ex-artikel 53 EUV) (1) Dieser Vertrag ist in einer Urschrift in bulgarischer, dänischer, deutscher, englischer, estnischer, finnischer, französischer, griechischer, irischer, italienischer, kroatischer, lettischer, litauischer, maltesischer, niederländischer, polnischer, portugiesischer, rumänischer, schwedischer, slowakischer, slowenischer, spanischer, tschechischer und ungarischer Sprache abgefasst, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist; er wird im Archiv der Regierung der Italienischen Republik hinterlegt; diese übermittelt der Regierung jedes anderen Unterzeichnerstaats eine beglaubigte Abschrift. 8

Auslegung von Europarecht Ausgangspunkt: klassischer Kanon 1. Wortlaut 2. Geschichte 3. Systematik 4. Telos 9

Vertiefung IPR - 5 Ehescheidung (II) Auslegung von Europarecht Unterschiede 1. Sprachenvielfalt 2. Rechtsvergleichende Auslegung 3. Rechtsaktübergreifende Auslegung 4. Erwägungsgründe 5. Dynamische Auslegung 10

Vertiefung IPR - 5 Ehescheidung (II) Zwischenergebnis I.Internationale Zuständigkeit Problem: Anwendbarkeit Art. 3 Abs. 1 lit. a Brüssel IIa-VO oder 103 FamFG kann offen bleiben, da nach beidem gegeben II.Anwendbares Recht: Rom III-VO? Problem: Ehescheidung i.s.d. Art. 1 Abs. 1 -e.a.: autonomer Ehebegriff = traditionelles Ehebild -a.a.: autonomer Ehebegriff = weit, grds. alle Paarbeziehungen -a.a.: offener Ehebegriff = Vorfrage des nationalen Rechts Zwischenergebnis: Rom III-VO ist grundsätzlich anwendbar (a.a. vertretbar) 11

Vertiefung IPR - 5 Ehescheidung (II) Anwendung der Rom III-VO 12

Wilhelm Wengler 13

Problem 1: Die Vorfrage Problem 2: Die Vorfrage im EU-Recht 14

Vertiefung IPR - 5 Ehescheidung (II) Folgeüberlegungen 15

I.Internationale Zuständigkeit II.Anwendbares Recht nach der Rom III-VO 1. Vorfrage: Ehe (siehe nächste Folie) 2. Rechtswahl gem. Art. 5 Rom III a) Wählbarkeit spanischen Rechts: Art. 5 Abs. 1 lit. c (+) b) Form: Art. 7 Abs. 2 Rom III i.v.m. Art. 46d Abs. 1 EGBGB (+) c) Wirksamkeit gem. Art. 6 Rom III (+) 3. Art der Verweisung: Art. 11 Rom III 4. Aber: Art. 13 Var. 2 Rom III a) Voraussetzung b) Rechtsfolge: Ermessen (+ Ermessensgrenzen) Ergebnis: Scheidbarkeit der Ehe (a.a. vertretbar, dann Aufhebung gem. LPartG) 16

Vorfrage 1. Unselbstständige Anknüpfung: Anwendbar ist das Recht, auf welches das Kollisionsrechts der lex causae verweist hier: spanisches Recht (Rechtswahl) Heimatrecht der Ehegatten spanisches und französisches Recht Ehe (+) 2. Selbstständige Anknüpfung: Anwendbar ist das Recht, auf welches das Kollisionsrecht der lex fori verweist Deutschland (str.): Art. 13 vs. Art. 17b EGBGB analog Artt. 13, 4 I EGBGB: spanisches und französisches Recht Ehe (+) Artt. 17b, 4 I EGBGB: französisches Recht Ehe (+) 17

Literatur: Helms, Reform des internationalen Scheidungsrechts durch die Rom III-Verordnung, FamRZ 2011, 1765 ff. Rauscher, 8 V. (S. 199 ff.) Zur Vertiefung der Vorfragenproblematik: Kropholler, IPR, 32 (S. 221 ff.) Wengler, Die Vorfrage im Kollisionsrecht, RabelsZ 8 (1934), 48 ff. Gössl, Die Vorfrage im Internationalen Privatrecht der EU, ZfRV 2011, 65 ff. 18