Zur Konfirmation am 3. Mai 2015 in der Kreuzkirche Reutlingen: Der HERR ist nahe allen, die ihn anrufen (Psalm 145, 18a) Pfarrerin Astrid Gilch-Messerer mit echtem Handy-Klingeln eingeleitet Handy auf Kanzel mitnehmen Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, Manchmal ruft Gott bei mir an. Nicht mit Donnerstimme wie in alten Filmen. Ich spüre einfach: Da ist Gott in der Nähe. Manchmal merke ich es auch erst hinterher: Das könnte Gott gewesen sein. Gott spricht in ganz unterschiedlichen Sprachen mit mir. Ich erkenne ihn in Menschen, die ich kenne. Männer, Frauen, Kinder, Konfirmandinnen und Konfirmanden sagen etwas, so dass ich es klingeln höre. Ich werde aufmerksam, ich kapiere etwas, ich merke: Ich bin gemeint nicht nur meine Ohren, sondern mein Herz. Gott spricht viele Sprachen. Deutsch, Englisch, Hebräisch sowieso, auch Russisch oder Arabisch. Er spricht durch Worte der Bibel oder durch Musik, bei der wir uns dem Himmel näher fühlen. 1
Auch ganz andere Sprachen spricht Gott: Er braucht dazu nicht unbedingt Worte. Er spricht durch Blicke, die mir gut tun, oder wenn mich ein lieber Mensch in den Arm nimmt. Auch im Rauschen des Windes spricht Gott oder in der Sprache des Sonnenuntergangs, beim Anblick majestätischer Berge oder im gleichmäßigen Auf und Ab der Wellen im Meer. Ja, Gott redet auf vielfältige Weise zu uns. Darum ist es gut, wenn wir unseren religiösen Stimmen-Empfänger nicht nur auf eine einzige Frequenz eingestellt haben. In unserem Konfi-Kurs haben wir Eure Stimmen-Empfänger trainiert. Wir haben Euch aufmerksam gemacht für die Worte der Bibel, für die göttlichen Stimmen in dieser wundervollen Schöpfung und für Gottes Stimme in anderen Jugendlichen oder auch in Erwachsenen. Und wir haben gemeinsam darüber nachgedacht, welche Verantwortung wir als Christinnen und Christen für die Schöpfung haben und für die Menschen in unserer näheren und weiteren Umgebung wie wir aus Mitgefühl heraus aktiv werden können, um mit unserer Schöpfung achtsam umzugehen und unseren Mitmenschen beizustehen. Die Konfi-Zeit ist Sprach- und Hörtraining gewesen. So wie jeder Gottesdienst und jede Predigt Sprach- und Hörtraining ist. 2
Wie wir z. B. mit Tieren umgehen, hat etwas mit der Verantwortung für Gottes Schöpfung zu tun. Und auch das, was uns beim Zusammensein mit einem Freund oder einer Freundin anrührt: Verständnis, Wärme und Liebe zu erfahren, das hat mit Gott zu tun. Menschen, die für Gottes Stimme offen sind, bleiben jung. Diese Beobachtung mache ich. Ich kenne steinalte Menschen, die eine große Weite und Frische ausstrahlen. Diese Menschen bewundere ich. Und ich kenne Kinder und Jugendliche, denen, vielleicht aufgrund schlechter Erfahrungen, ihre Neugierde abhandengekommen ist. Sie hören nur noch die lauten, oberflächlichen Stimmen und überhören Gottes Stimme in ihrem Leben. Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, wenn Ihr heute konfirmiert werdet, verspricht Euch Gott: Ich werde weiterhin zu Euch reden. In allen möglichen Sprachen, auf allen Kanälen werde ich versuchen, Kontakt zu Euch aufzunehmen. Ich werde Euch trösten und aufmuntern. Von mir bekommt Ihr Eure Lebensaufgaben und Eure Aufträge: Das, was nur Ihr bewerkstelligen könnt. Ich werde Euch aber auch provozieren und kritisieren. 3
Bleibt offen für meine Stimme. Ihr werdet meine Nähe spüren. Dieses Versprechen, das Gott Euch gibt, ist aber keine Einbahnstraße. Wenn Ihr Euch heute konfirmieren lasst, dann versprecht auch Ihr etwas: Ihr versprecht, auf Gottes Stimme zu hören. Ihr versprecht, dass Ihr aufmerksam sein wollt für das, was Gott Euch mitzuteilen hat. Ich bin sicher: Gott wird Euch anrufen. Nehmt auch Ihr Kontakt zu ihm auf. Wie geht das, zu Gott Kontakt aufnehmen? Wir haben viele Möglichkeiten. Während des Konfi-Kurses haben wir miteinander Gottesdienste gefeiert, haben gesungen und gebetet. Ihr habt Geschichten zum Nachdenken über Gott und die Welt in den Konfi-Kurs mitgebracht. Wir haben in der Bibel gelesen und haben miteinander diskutiert. Wir haben vieles gemeinsam erlebt. 4
Wir sind miteinander gewandert alle gleich zu Beginn unseres Kurses auf den Georgenberg und manche letzte Woche vom Georgenhof aus, haben miteinander gespielt und gelacht und eine gute Zeit miteinander gehabt. Gott ist nicht nur über eine einzige Leitung, über eine einzige Handy- Nummer zu erreichen. In der Bibel, in Psalm 145, heißt es: Der Herr ist nahe allen, die ihn anrufen, allen, die ihn ernstlich anrufen. Wir brauchen keine Geheimnummer, um Gott anzurufen. Wir brauchen Offenheit für Gott und den Wunsch, Gottes Nähe zu spüren. Wenn Ihr jemanden anrufen wollt, dann nehmt Ihr normalerweise Euer Handy. Dazu erzähle ich Euch einen Vergleich, der nicht in der Bibel steht - aber wer weiß, wenn Jesus heute leben würde, hätte er es vielleicht so erzählt: Mit dem Glauben ist es so wie mit einem Handy: Gott ist immer und überall erreichbar! An jedem Ort und in jeder Situation kannst Du mit ihm sprechen! 5
Stimmt das? Gibt es im Kontakt zu Gott keine Funklöcher und Empfangsstörungen? Doch, es gibt schon Zeiten, in denen wir meinen, Gott hört uns nicht. Gott ist ganz weit weg. Ist er dann wirklich ganz weit weg? Vielleicht lässt er sich manchmal Zeit mit seiner Antwort und verfährt nicht nach dem Motto: Kaum gefragt, schon geantwortet. Manchmal antwortet er auch auf anderen Frequenzen. Vielleicht erwarten wir eine Antwort auf die Frage Warum gerade ich? - aber er schickt uns Menschen, die trösten. Vielleicht erwarten wir eine Antwort auf die Frage Warum hat der oder die es so schwer? - und er schickt uns hin, um zu helfen und selbst Antwort zu sein. Funklöcher gibt es nicht auf Dauer. Besonders gut geht die Verbindung zu Gott natürlich in einem leistungsfähigen Netz. Die christliche Gemeinde, die Kirche, ist so ein Netzwerk. Mit der Taufe melden wir uns an und lassen uns registrieren als Gottes Kinder. Wir sind keine Einzelkinder, sondern eine Gemeinschaft. Wir sagen ja auch Vater unser und nicht Vater mein, wenn wir das Vaterunser beten. 6
Wir freuen uns miteinander, trösten einander, beten miteinander und füreinander. Wir richten uns aus nach Gottes Wort. Wir sind ein leistungsstarkes Netz mit unseren vielen und unterschiedlichen Antennen für Gott. Ihr gehört dazu. Hilfreich ist es beim Handy natürlich, wenn man es auf Empfang geschaltet hat, und, wenn man es mit sich trägt. Und wenn ich meinen Klingelton kenne, weiß ich, dass ich gemeint bin. Also: Bleibt auch im Glauben auf Empfang, bleibt in Reichweite. Denkt daran: Ihr seid von Gott gemeint. Mit seinem Segen meint er Euch! Und mit seinem Auftrag, den Segen weiterzugeben. Wählen müsst Ihr aber schon selbst. In welches Netz wollt Ihr Euch einwählen? Wo wollt Ihr mitreden und Euch engagieren? Heute wählt Ihr das Gemeinde-Netz. Eine gute Wahl! Was das Ganze kostet? Die Verbindung wird kostenlos hergestellt. Wie bei einer Notrufnummer. Der Kontakt zu Gott kostet nichts. Aber das Leben als Christ kostet etwas: Es kostet den Verzicht auf Bequemlichkeit und Resignation. Die werden nicht gebraucht. Gebraucht werden andere Dinge: 7
Mut und Festigkeit, die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen, und Liebe und noch mal Liebe. Und auch Zeit und Energie. Das Gute ist: Der christliche Akku lädt sich durch Gebrauch auf. Im Gottesdienst, beim Abendmahl, beim Bibellesen, beim Diskutieren und Schweigen, in der Gemeinschaft, beim Beten. Der christliche Akku lädt sich durch Gebrauch auf, und wir bekommen neue Energie. Diese Energie Gottes sollt Ihr spüren. Heute, wenn Ihr gesegnet werdet. Und an jedem Tag Eures Lebens. Denn Gott ist nahe allen, die ihn ernstlich anrufen. Mit diesem Wort der Zuversicht fällt es mir leichter, Euch ziehen zu lassen und Euch Adieu - Gott befohlen - zu sagen. Amen. 8