Repetitorium Verfassungsrecht und Verfassungsprozessrecht Berufsfreiheit Fall 7

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Prof. Dr. Gerhard Robbers Sommersemester 1998 Repetitorium Verfassungsrecht und Verfassungsprozessrecht Berufsfreiheit Fall 7 Die Firma A-GmbH stellt Tabakerzeugnisse her und vertreibt diese. Gemäß 3 Abs. 1 und 4 der Verordnung über die Kennzeichnung von Tabakerzeugnissen und über Teer im Zigarettenrauch (TabKTHmV) ist sie verpflichtet, auf ihren Erzeugnissen neben einem allgemeinen Warnhinweis jeweils einen der folgenden Warnhinweise aufzubringen: 1. "Die EG-Gesundheitsminister: Rauchen verursacht Krebs" 2. "Die EG-Gesundheitsminister: Rauchen verursacht Herz- und Gefäßkrankheiten" Die A-GmbH fühlt sich dadurch in ihren Grundrechten aus Art. 5, 12 und 14 GG verletzt und erhebt Verfassungsbeschwerde. Mit Erfolg? (Fall vereinfacht nach BVerfG v. 22. Januar 1997; BVerfGE 95, 173; DVBl. 1997, 548ff.; EuGRZ 1997, 205ff.) Fall 8 A ist Herstellerin eines Arzneimittels gegen Herzerkrankungen (Angina pectoris). Sie wendet sich gegen die Erstellung einer sog. Transparenzliste "Angina pectoris" durch die vom Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit einberufene Transparenzkommission. In dieser Transparenzliste sollen die entsprechenden Arzneimittel, ihre wirksamen Bestandteile, ihre Wirkungen und Nebenwirkungen, die Packungspreise sowie ihre Preise bezogen auf die therapeutische Dosierung aufgelistet werden. Außerdem sollen Qualitätskennzeichen für die Qualität der Arzneimittel vergeben und veröffentlicht werden. Die Transparenzkommission erhält ihre Informationen aus den ihr zugänglichen Quellen und den weiteren Informationen der Arzneimittelherstellern. Stellt die Veröffentlichung der Transparenzliste einen Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit der A aus Art. 12 Abs. 1 GG dar? (nach BVerwGE 71, 183)

Lösungshinweise Wichtiger Hinweis Die hier veröffentlichten Fälle werden im Wochenrhythmus für das Repetitorium konzipiert. Die Lösungshinweise können daher nur einige wichtige Probleme - ohne Anspruch auf Vollständigkeit - zusammenfassen. Sie beinhalten in keiner Weise ein klausurmäßiges Aufbauschema und geben nur Beispiele, wie in einer Examensklausur argumentiert werden könnte. Dieses Argumentationsmuster entspricht nicht in jedem Fall der vom Dozenten zu diesem Thema vertretenen Meinung. Fall 7 Verfassungsbeschwerde (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a, 13 Nr. 8a, 90 ff. BVerfGG) I. Zulässigkeit 1. Beschwerdefähigkeit Die A-GmbH ist nur dann beschwerdefähig, wenn sie Träger der von ihr geltend gemachten Grundrechte sein kann. Bei der A-GmbH handelt es sich um eine inländische juristische Person des Privatrechts. Solche sind gemäß Art. 19 Abs. 3 GG nur dann Träger von Grundrechten, wenn diese ihrem Wesen nach auf juristische Personen anwendbar sind. Entscheidend ist dabei, ob juristische Personen sich hinsichtlich des betreffenden Grundrechts in einer natürlichen Personen vergleichbaren Gefährdungslage befinden (vgl. BVerfGE 45, 63, [79]; 61, 82, [105]). Die A-GmbH macht eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 5, 12 und 14 GG geltend. Hinsichtlich dieser Grundrechte befinden sich juristische Personen in einer natürlichen Personen vergleichbaren Gefährdungslage. 2. Beschwerdegegenstand Beschwerdegegenstand ist hier die Verordnung des Bundesministers für Gesundheit. 3. Beschwerdebefugnis Die A-GmbH müßte geltend machen, durch die Verordnung selbst, gegenwärtig und unmittelbar in einem ihrer Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte verletzt zu sein. Eine solche Verletzung müßte möglich erscheinen. Die A-GmbH macht eine Verletzung ihrer Rechte

aus Art. 5, 12 und 14 GG durch die Regelungen der Verordnung geltend. Eine solche Verletzung erscheint grundsätzlich möglich. Die Verordnung trifft die A-GmbH als Herstellerin von Tabakerzeugnissen auch selbst, da sie aufgrund der Verordnung die Beschriftung ihrer Erzeugnisse ändern muß. Eine solche Verpflichtung ergibt sich für die Beschwerdeführerin auch gegenwärtig, da die Kennzeichnungspflicht nicht erst in der Zukunft, sondern für den jetzigen Zeitpunkt gilt. Fraglich ist, ob die A-GmbH auch unmittelbar betroffen ist. Die Kennzeichnungspflicht wird ihr nicht durch einen Verwaltungsakt auferlegt, sondern ergibt sich aus der Verordnung selbst. Eine unmittelbare Betroffenheit der A-GmbH ist in diesem Fall nur dann gegeben, wenn ihre Rechtsstellung ohne Zwischenschaltung eines Vollzugsaktes durch die Verordnung verändert wird. Aus der Verordnung ergibt sich für die A- GmbH die Verpflichtung, die entsprechenden Warnhinweise anzubringen. Diese Verordnung bedarf auch keiner Konkretisierung durch Verwaltungsakt mehr, da der genaue Text, die Größe der Aufschrift und der genaue Ort des Aufdrucks durch die Verordnung festgelegt werden. Der A-GmbH ist auch nicht zuzumuten, ihre Erzeugnisse zunächst ohne die entsprechende Aufschrift in den Verkehr zu bringen und sich dann gegen den Bußgeldbescheid zu wehren (gemäß 8 TabKTHmV handelt es sich um eine Ordnungswidrigkeit, wenn die entsprechenden Angaben auf den Erzeugnissen nicht angebracht werden). 4. Erschöpfung des Rechtsweges Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen eine bundesrechliche Verordnung. Gegen diese ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten gemäß 47 VwGO nicht eröffnet. Da somit kein Rechtsweg zur Verfügung steht, muß dieser gemäß 90 Abs. 2 BVerfGG nicht erschöpft werden. 5. Frist Hier handelt es sich um eine Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz im materiellen Sinn (Verordnung des Bundesministers für Gesundheit). In diesem Fall beträgt die Frist zur Erhebung der Verfassungsbeschwerde gemäß 93 Abs. 3 BVerfGG ein Jahr seit Inkrafttreten des Gesetzes. II. Begründetheit Die Verfassungsbeschwerde ist begründet, wenn die A-GmbH durch die Verordnung über die Kennzeichnung von Tabakerzeugnissen und über Höchstmengen von Teer im Zigarettenrauch (TabKTHmV) in ihren Grundrechten o- der grundrechtsgleichen Rechten verletzt wird. 1. Art. 14 GG

Schutzbereich Durch die Warnverpflichtung werden die Umsatz- und Gewinnchancen der A-GmbH beeinträchtigt. Diese sind jedoch keine durch Art. 14 GG geschützten Rechte (vgl. BVerfGE 68, 193 [223] m.w.n.). Markenrechte der A-GmbH sind zwar durch Art. 14 GG geschützt, im vorliegenden Fall aber nicht verletzt, denn die Verpflichtung zum Aufdruck eines Warnhinweises schmälert die Werbefunktion der Verpackung bei allen Erzeugnissen gleichermaßen und auch nur insoweit als dies aufgrund der Gefahren des Tabakkonsums gerechtfertigt ist. Der Gesamteindruck der Verpackung bleibt trotz Warnhinweis erhalten, die Herkunfts-, Zuordnungs und Unterscheidungsfunktion daher gewahrt. 2. Art. 5 Abs. 1 GG Schutzbereich Der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 GG müßte betroffen sein. Von Bedeutung ist dabei hier, daß die A-GmbH durch die Verpflichtung zum Aufdruck von Warnhinweisen nicht im Rahmen der Meinungsäußerung oder -verbreitung, sondern im Bereich des Vertriebes von Tabakerzeugnissen betroffen ist. Dabei soll die A-GmbH die Warnhinweise nicht als eigene Meinung deklarieren, sondern sie wird lediglich verpflichtet, eine fremde Meinung, die als solche gekennzeichnet ist, weiterzugeben. Beim betroffenen Verbraucher wird durch den Aufdruck "Die EG-Gesundheitsminister" auch deutlich, daß es sich nicht um die Meinung des Herstellers der Tabakwaren handelt. Die A-GmbH kann sich daher im vorliegenden Fall nicht auf ihre negative Meinungsäußerungsfreiheit berufen, da sie nicht verpflichtet wird, eine bestimmte Meinung als ihre eigene zu äußern oder zu verbreiten. Der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 GG ist daher hier nicht betroffen. 3. Art. 12 Abs. 1 GG a. Schutzbereich Art. 12 GG stellt ein einheitliches Grundrecht der Berufsfreiheit dar. Schutzgut des Art 12 Abs 1 GG ist bei juristischen Personen die Freiheit, eine Erwerbszwecken dienende Tätigkeit, insbesondere ein Gewerbe, zu betreiben, soweit diese Erwerbstätigkeit ihrem Wesen und ihrer Art nach in gleicher Weise von einer juristischen wie von einer natürlichen Person ausgeübt werden kann (BVerfGE 30, 292). Beruf ist jede auf die Dauer berechnete und nicht nur vorübergehende, der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dienende Betätigung (BVerfGE 7, 377 [297]; 54, 301 [313]). Bei der A-GmbH handelt es sich um eine juristische Person des Privatrechts. Ihre Tätigkeit muß daher auf Gewinnerzielung gerichtet sein. Davon ist im vorliegenden Fall auszugehen.

Fraglich ist, ob eine Tätigkeit weiterhin erlaubt sein muß (so BVerfGE 7, 377 [397]; 81, 70 [85]) oder nicht sozial- oder gemeinschaftsschädlich sein darf (so BVerwGE 22, 286 [289] verneint für die Astrologie, bejaht für die Gewerbsunzucht; Scholz MD Art. 12, Rn. 25f.) oder keine dieser beiden Voraussetzungen vorliegen muß (so Jarass/Pieroth Art. 12 Rn. 6; Pieroth/Schlink Rn. 876). Im Rahmen der Fallösung ist es im Zweifel empfehlenswert, die verschiedenen Ansichten darzustellen und gemeinschaftsschädliche Tätigkeiten im strengen Sinne, wie etwa "Berufsverbrecher" oder Spione aus dem Berufsbegriff auszuscheiden. Als gemeinschaftsschädlich im strengen Sinne sind wohl nicht eher neutrale Tätigkeiten wie Glücksspiel, Astrologie, Traumdeutung, Prostitution etc. anzusehen. Dieser Streit kann aber hier dahinstehen, da das Herstellen und Vertreiben von Tabakerzeugnissen zwar den Tabakkonsum fördert, die Tätigkeit an sich aber nicht als gemeinschaftsschädlich in diesem Sinne angesehen werden kann. Die Herstellung und der Vertrieb von Tabakerzeugnissen ist also ein Beruf im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG. Die Verpflichtung aus der Verordnung betrifft nicht die Meinungsäußerung und -verbreitung der A-GmbH, sondern stellt eine Bedingung des gewerbsmäßigen Inverkehrbringens von Tabakerzeugnissen dar. Betroffen ist daher auch die Berufsausübung der A-GmbH und damit der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG. b. Eingriff in den Schutzbereich Durch die Verpflichtung zum Aufdruck von Warnhinweisen wird auch in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG eingegriffen. Die "berufliche Außendarstellung (der Beschwerdeführerinnen) einschließlich der Werbung für ihre Produkte fällt in den Bereich der berufsbezogenen Tätigkeiten, die Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG schützt. Staatliche Maßnahmen, die den Berufstätigen dabei beschränken, sind Eingriffe in die Freiheit der Berufsausübung" (vgl. BVerfGE 95, 173 [181] m.w.n.). c. Schranken Der Eingriff in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG durch die Verpflichtung zum Aufdruck von Warnhinweisen könnte gerechtfertigt sein. Gemäß Art. 12 Abs. 1 S. 2 kann die Berufsausübung durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes geregelt werden. Dazu gehören auch Gesetze im materiellen Sinne. Hier liegt eine Regelung durch 3 Abs. 1 und 4 TabKTHmV, d. h. ein Gesetz im materiellen Sinne, vor. Es ist auch davon auszugehen, daß diese Rechtsverordnung auf einer wirksamen gesetzlichen Ermächtigung (hier: 21 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c, d und

f LMBG), die den Erfordernissen des Art. 80 GG entspricht, beruht. d. Schranken-Schranken Anhaltspunkte, die an der formellen Verfassungsmäßigkeit des 3 Abs. 1 und 4 TabKTHmV zweifeln lassen, sind nicht ersichtlich. Die genannte Schranke müßte weiterhin materiell verfassungsgemäß sein. "Eingriffe in die Freiheit der Berufsausübung bedürfen gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG einer gesetzlichen Grundlage, die den Anforderungen der Verfassung an grundrechtsbeschränkende Gesetze genügt. Die gesetzlichen Grundlagen sind dann mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt werden und wenn sie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen, wenn also das gewählte Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und auch erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt ist" (BVerfGE 95, 173 [183] m.w.n.). Die Warnung vor den Gesundheitsgefahren des Rauchens ist eine legitime Aufgabe des Staates, da der Inhalt der Warnung mit naturwissenschaftlichen Erkenntnissen übereinstimmt (vgl. BVerfGE aao [184] m.w.n.). Die Eignung der Maßnahme zum Schutz der Gesundheit unterliegt der Beurteilung des Gesetzgebers. Dieser durfte im vorliegenden Fall davon ausgehen, daß Warnhinweise auf Packungen von Tabakerzeugnissen die Volksgesundheit schützen können. Eine schonendere Möglichkeit zum Schutz gegen die vom Rauchen ausgehenden Gefahren ist nicht ersichtlich. Die Maßnahme ist daher auch erforderlich. Die Pflicht zum Anbringen von Warnhinweisen ist auch nicht unzumutbar. Der Aufdruck läßt Werbung durch die Hersteller und Vertreiber weiterhin zu, der Handel mit den Tabakerzeugnissen wird nicht unmittelbar beschränkt. Bei 3 Abs. 1 und 4 TabKTHmV handelt es sich folglich um eine gesetzliche Grundlage, die den Anforderungen der Verfassung an ein Gesetz, das Art. 12 Abs. 1 GG einschränkt, genügt. 4. Ergebnis Der Eingriff in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG ist somit gerechtfertigt.

III. Ergebnis zu Fall 1 Die Verfassungsbeschwerde ist damit zulässig, aber unbegründet. Fall 8 (nach BVerwGE 71, 183) Die Transparenzliste hat zur Folge, daß teurere Arzneimittel mit vergleichbarer Qualität seltener verschrieben werden, denn sowohl im Bereich der öffentlichen als auch der privaten Krankenversicherung gilt das Gebot der Wirtschaftlichkeit. Um diesem Gebot folgen zu können, soll die Liste den Ärzten als Entscheidungshilfe dienen. A- ber auch eine tatsächliche Betroffenheit eines Grundrechtsträgers kann einen Eingriff in den Schutzbereich darstellen, wenn sie nicht unmittelbare Folge staatlichen Handelns ist. Entscheidend ist in diesem Fall allein, ob ein enger Zusammenhang mit der Berufsausübung und eine deutlich erkennbare objektive berufsregelnde Tendenz gegeben ist. In welchem Fall tatsächliche Einwirkungen eine relevante Grundrechtsbeeinträchtigung darstellen, ist in Ermangelung einheitlicher formaler Eingriffskriterien materiell nach Maßgabe des Schutzzwecks des jeweiligen Grundrechts zu ermitteln. Der Grundrechtsschutz des Art. 12. GG zielt einerseits auf eine wirtschaftliche Betätigung, die möglichst unreglementiert und frei auch von tatsächlichen Beeinträchtigungen ist. Andererseits gibt es in der freien Wettbewerbswirtschaft im Grundsatz kein subjektives verfassungskräftiges Recht auf Erhaltung eines bestimmten Geschäftsumfanges und auf Sicherung weiterer Erwerbsmöglichkeiten (BVerfGE 24, 236 [251]; 34, 252 [256]). Das ist aber anders bei Maßnahmen, mit denen der Staat zielgerichtet gewisse Rahmenbedingungen verändert, um zu Lasten bestimmter Unternehmen einen im öffentlichen Interesse erwünschten Erfolg herbeizuführen. Im Gegensatz zu einer Veränderung sozialer Bedingungen als bloßer Reflex staatlicher Maßnahmen, handelt es sich hier um "grundrechtsspezifische" Maßnahmen. Im Rahmen von Art. 12 Abs. 1 GG sind das Maßnahmen, die eindeutig auf einen auf Seiten des Unternehmens eintretenden nachteiligen Effekt abzielen und nicht lediglich als Begleiterscheinung mit sich bringen. Der Grundrechtsschutz der unternehmerischen Betätigung kann sich mithin ausnahmsweise auf die Veränderung von Erwerbsbedingungen erstrecken, soweit diese staatlicherseits final und grundrechtsspezifisch erfolgt. Ein anderes Ergebnis wäre mit dem Schutzzweck des Art. 12 Abs. 1 GG nicht vereinbar, weil es dem Staat erlauben würde, ohne Beachtung grundrechtlicher Schutzbedingungen unternehmerisches Verhalten zu steuern und die unternehmerische Dispositions- und Betätigungsfreiheit einzuschränken und womöglich auszuhöhlen. Zum Fall: Die unternehmerische Betätigung der Arzneimittelhersteller fällt in den Schutzbereich des Art. 12 GG. Die Vergabe oder Nichtvergabe staatlicher Qualitätssicherungskennzeichen beeinflußt unmittelbar die Absatzmöglichkeiten der A, berührt den Ruf ihrer Firma und beeinträchtigt sie daher in ihrer grundrechtlich geschützten Freiheit. Die Preis-, Wirksamkeits- und Qualitätssicherungsangaben in den amtlichen Charakter tragenden Transparenzlisten in Verbindung damit, daß der verordnende Arzt gehalten ist, dem Gebot der Wirtschaftlichkeit gerecht zu werden, verleihen den Transpa-

renzlisten im Sinne ihrer Zweckbestimmung eine Durchschlagkraft, die der Wirkung eines unmittelbaren staatlichen Zwangseingriffs in das Marktgeschehen zu Lasten einzelner Unternehmer gleichkommt. Von der bloßen Realisierung eines gleichsam systemtypischen Risikos des Unternehmers kann angesichts eines solchen staatlichen Lenkungsinstruments nicht mehr gesprochen werden. Folglich liegt ein Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG vor. (vgl. zum ganzen BVerwGE 71, 183 [189 ff.]) Literatur: BVerfGE 7, 377 - Apothekenurteil BVerfGE 13, 97 - Handwerksordnung BVerfGE 13, 237 - Ladenschlußzeiten BVerfGE 23, 50; 41, 360 - Nachtbackverbot BVerfGE 9, 338 - Altersgrenze für Hebammen Brandt, 40 Jahre Stufentheorie: Bestandsaufnahme und Leitfaden zur Fallösung, JA 1998, 82