Geometrie - Fachdidaktik Skript zur VL/UE im WS 02/03 bei Prof. Bauer

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Transkript:

Geometrie - Fachdidaktik Skript zur VL/UE im WS 02/03 bei Prof. Bauer updated 09.02.2003; www.philimhof.de.vu Einführungsbeispiel Der Satz von der Winkelsumme im Dreieck () Empirische Feststellung Messen: Winkelsumme ist jedes Mal 80. Frage: Ist das immer und überall so? (2) Emipirische Erhärtung * Abreißen & zusammenfügen der Ecken eines ausgeschnittenen Papierdreiecks * Drei deckungsgleiche Dreiecke herstellen und geeignet aneinanderlegen Idee für Begründung (3) Inhaltliches Schließen Spiegele das Dreieck ABC an den Streckenmittelpunkten M (von AC) und N (von BC). Bei C entsteht ein gestreckter Winkel 80. und sowie und sind Wechselwinkel sowie. Also: 80. Fragen: * Ist die Allgemeingültigkeit damit gezeigt? * Was sind Wechselwinkel? * Warum sind und Wechselwinkel? * Warum gilt? * Warum entsteht bei C ein gestreckter Winkel? (4) Ein verfeinerter Beweis Def.: Winkel und heißen Wechselwinkel, falls je zwei ihrer Schenkel entgegengesetzt gerichtet sind. Verwendete Sätze: (S) Wechselwinkelsatz (S2) Jeder gestreckte Winkel hat das Maß 80. (S3) Wird ein Winkel in und 2 zerlegt, so gilt 2 für die Winkelmaße. Voraussetzungen: () ABC ist ein Dreieck. (2) g sei Parallele zu AB durch C. (3) u und v seien die Halbgeraden von g mit Anfangspunkt C, die zu der Halbgeraden AB entgegengesetzt bzw.

gleich gerichtet ist. (4) : u, CA ; : CB, v Folgerungen: (5) und sind Wechselwinkel. [(3),(4)] (6) und sind Wechselwinkel. [(3),(4)] (7) u, v ist ein gestreckter Winkel. [(3)] (8) u, v 80. [(7), (S2)] (9) u, v ist zerlegt in,,. [Beweisfigur?] (0) u, v. [(3)] () 80. [(5), (6), (0), (8), (S)] (5) Beobachtungen * Jede Begründung kann prinzipiell die Frage nach einer weitergehenden Begründung wecken. * Der Prozess des Zurückfragens muss irgendwo anhalten. WO? * Grundidee der axiomatischen Methode: Lückenlose Herleitung gewisser Aussagen aus ersten, nicht mehr zu verfeinernden Begriffen und nicht mehr zu hinterfragenden Prinzipien. pi, 2

Kap. I: Synthetische Geometrie - Geometrie als axiomatische Theorie. Historisches (a) Geometrie: ältestes mathematisches Teilgebiet. Ägypter und Babylonier sahen Geometrie als Naturwissenschaft und geometrische Gesetzmäßigkeiten als Naturgesetze an. (b) Griechen (Pythagoras, 580-500 v. Chr.): Geometrie als gedankliche Tätigkeit, die den Gesetzen der Logik folgt. Falls man gewisse Grundsätze (Axiome, Postulate) akzeptiert, so muss man auch gewisse Folgerungen daraus akzeptieren. (c) Euklid ( 300 v. Chr.): "Die Elemente". Systematische Darstellung des mathematischen Wissens seiner Zeit. Form der Darstellung: Unterscheidung von * Definitionen * Axiomen / Postulate * Sätze * Beweise * Aufgaben Bsp.: "Ein Punkt ist etwas, das keine Teile hat." Die axiomatische Methode der Mathematik wurde dort begründet. Euklid s Versuch, die Geometrie in ein lückenloses System zu bringen, ist nicht ganz perfekt geglückt ( Hilbert). (d) David Hilbert: "Grundlagen der Geometrie",. Auflage 899. Hilbert s Ziel: vollständige und möglichst einfaches Axiomensystem. Moderne Auffassung: Wesentlich ist nicht, was Punkte und Geraden sind, sondern welche Beziehungen zwischen ihnen bestehen. Für Euklid hatten diese Begriffe realen Inhalt. Bei Hilbert braucht man - streng genommen - nicht zu wissen, was die Begriffe inhaltlich bedeuten (formalistischer Standpunkt, "lösen der ontologischen Bindung", lösen vom inhaltlichen Aspekt). Hilbert unterteilt die Axiome der Geometrie in fünf Gruppen: Inzidenzaxiome, Anordnungsaxiome, Kongruenzaxiome, Parallelenaxiom, Stetigkeitsaxiom. 2. Die Inzidenzaxiome Gegeben seien eine Menge E, deren Elemente Punkte genannt werden, und eine Menge G, deren Elemente Teilmengen von E sind und Geraden genannt werden. Die Beziehungen zwischen Punkten und Geraden werden geregelt durch die Inzidenzaxiome: I Zu je zwei verschiedenen Punkten P, Q E existiert genau eine Gerade g G mit P g und Q g. Wir bezeichnen sie mit PQ. I2 Jede Gerade enthält mindestens drei Punkte. Es existieren drei Punkte in E, die nicht auf einer gemeinsamen Gerade liegen. Def.: Ein Paar E, G wie oben, das I, I2 erfüllt, heißt Inzidenzebene. Bsp.: () E 2, G Menge aller Teilmengen von 2 der Form a b mit a, b, b 0, die affine Ebene über. (Allgemeiner: Über beliebigem Körper K statt mit K 3). (2) E x, y, z 3 x 2 y 2 z 2 Oberfläche der Einheitskugel, Einheitssphäre. G : Menge der Großkreise, d. h. der Durchschnitte von E mit 2-dim. Untervektorräumen von 3. E, G erfüllt nicht I (Antipodenpunkte haben unendlich viele gemeinsame Großkreise), ist also keine Inzidenzebene. Aber: Beschränkung auf einen Halbraum (etwa z 0 ) liefert eine Inzidenzebene. pi, 3

Diese Axiome implizieren weitere Regeln, z. B. () Zu jeder Geraden g ex. ein Punkt P mit P g. Bew.: Andernfalls ist g E und damit I2 verletzt. (2) Zwei verschiedene Geraden schneiden sich in höchstens einem Punkt. Bew.: Ann.: g h P, Q mit P Q. Widerspruch zu I, da nur eine Gerade zwischen zwei Punkten ex., nicht jedoch zwei. (3) Zu jedem Punkt P ex. Gerade g mit P g. Bew.: Wähle Q P (nach I2 ). Sei h : PQ. Sei Q 2 ein Punkt mit Q 2 h (nach ()). Sei g : Q Q 2. Dann gilt P g, denn sonst wäre g h nach I und daher Q 2 h. (4) Es existieren mindestens drei Geraden. Bew.: I2 drei Punkte P, Q, R, die nicht auf einer Geraden liegen. Betrachte Geraden PQ, QR, RP, zeige: Diese sind verschieden. Ann.: Zwei sind gleich. OBdA PQ QR. Widerspruch zu. 3. Die Anordnungsaxiome Seien g G und A, B, C G. Es gibt eine Relation "B liegt zwischen A und C". Ihre Eigenschaften werden geregelt durch die Anordnungsaxiome: A Liegt B zwischen A und C, so auch zwischen C und A. A2 Zu Punkten A, B ex. mindestens ein Punkt C AB, so dass B zwischen A und C liegt. ("Geraden sind beidseitig unbegrenzt" - jetzt allerdings noch nicht unbeschränkt!) A3 Sind A, B, C Punkte einer Geraden, so existiert unter diesen höchstens einer, der zwischen den anderen liegt. Def.: Die Strecke AB ist die Menge aller Punkte der Geraden AB, die zwischen A und B liegen. Def.: Ein Dreieck ist ein Tripel A, B, C von Punkten, die nicht auf einer Geraden liegen. Bez.: ABC; A, B, C Ecken des Dreiecks; AB, BC, CA Seiten des Dreiecks. A4 Axiom von Pasch (Moritz Pasch, 843-930) Sei ABC ein Dreieck und g eine Gerade. Falls g eine Seite des Dreiecks schneidet, so schneidet sie noch eine weitere Seite des Dreiecks. pi, 4

Mit Hilfe der Anordnungsaxiome kann man folgende Begriffe einführen: Halbgerade, Winkel, Halbebene Halbebenen Man zeigt: Eine Gerade liefert eine Zerlegung E \ g H H 2 in zwei Teilmengen H, H 2 ("Halbebenen"). Diese sind charakterisiert durch A, B H i AB g sowie A H, B H 2 AB g. Halbgeraden Man zeigt: Ein Punkt A auf einer Geraden g liefert eine Zerlegung g \ A h h 2 in zwei Teilmengen h, h 2 ("Halbgeraden"). Diese sind charakterisiert durch B, B h i A liegt nicht zwischen B, B sowie B h, B h 2 A liegt zwischen B, B. Winkel Ein Winkel ist die Vereinigung zweier Halbgeraden, die zu verschiedenen Geraden gehören und den selben Anfangspunkt A haben. Bez.: h, k der durch h und k bestimmte Winkel. h, k Schenkel, A Scheitel des Winkels. Man zeigt: Ein Winkel h, k liefert eine Zerlegung der Ebene in das Innere und das Äußere des Winkels. 4. Die Kongruenzaxiome Für Strecken AB, CD und für Winkel h, k, h, k gibt es Relationen "AB kongruent zu CD" sowie " h, k kongruent zu h, k ". Bezeichnungen: AB CD, h, k h, k. Ihre Eigenschaften werden geregelt durch die Kongruenzaxiome: K (Streckenabtragung) Seien A, B Punkte und h eine Halbgerade mit Anfangspunkt C. Dann existiert ein Punkt D auf h mit AB CD. K2 (Transitivität der Streckenkongruenz) AB CD CD EF K3 (Addierbarkeit von Strecken) Seien AB, BC disjunkte Strecken auf einer Geraden g sowie A B, B C disjunkte Strecken auf einer Geraden g. AB BC A B B C K4 (Antragen von Winkeln) Sei h, k ein Winkel, g eine Gerade, h eine Halbgerade von g mit Anfangspunkt A, H eine der durch g bestimmten Halbebenen. Dann existiert in H genau eine Halbgerade k mit Anfangspunkt A, so dass h, k h, k. K5 siehe unten AB AC EF A C 5. Die Kongruenzsätze für Dreiecke pi, 5

Dreiecke ABC und A B C heißen kongruent, falls gilt AB A B, AC A C, BC B C sowie A A, B B, C C. Hierbei ist A : BAC : AB, AC. Warnung: Im Allgemeinen gilt nicht ABC BAC, denn das würde heißen, dass AC BC und A B, dies gilt jedoch nur für gleichschenklige (-seitige) Dreiecke! "Kongruenzsatz": Aus drei dieser sechs Kongruenzen sollen die übrigen drei abgeleitet werden. Bsp.: (Kongruenzsatz SWS): AB AC A A B A C A ABC A B C Mögliche Kongruenzsätze: richtig: SWS, SSS, WSW, SWW falsch: WWW (durch Heran- und Wegzoomen von Dreiecken werden die Winkelgrößen beibehalten), SSW (bei der Konstruktion wird zunächst die zweite Seite und der daranliegende Winkel erstellt. Per Zirkel wird nun die Lage der ersten Seite bestimmt - aber: Zwei Schnittpunkte mit dem (unbekannten) Schenkel des Winkels). Die (vier richtigen) Kongruenzsätze können mit den Axiomen K SWS als Axiom hinzu und kann damit die übrigen beweisen. K4 nicht bewiesen werden. Hilbert nimmt K5 Es gilt der Kongruenzsatz SWS. Wir zeigen zunächst den Basiswinkelsatz: Für jedes Dreieck ABC gilt AC BC A B (In einem gleichschenkligen Dreieck sind die Basiswinkel gleich groß). Beweis: Betrachte Dreiecke ABC und BAC A B C. Es gilt AC Vor. BC BC Vor. AC C C A C B C SWS A A B Bem.: Didaktisch problematisch. Abbildungsgeometrischer Beweis ist hier natürlicher. Kongruenzsatz WSW: Für Dreiecke ABC und A B C gelte AB A B, A A, B B. Dann sind die Dreiecke kongruent. Beweis: Nach K5 SWS genügt zu zeigen: AC A C. Trage AC an die Halbgerade A C an (nach K ), so dass AC A C. Betrachte Dreiecke ABC und A B C. Nach SWS sind diese kongruent: ABC A B C A B C ABC A B C. Aber: Antragen von Winkeln ist eindeutig (nach K4 ), d. h. B C B C. Also C, C B C A C C C pi, 6

6. Das Parallelenaxiom P Zu einer Gerade g und einem Punkt A ("parallel zu g"). g gibt es höchstens eine Gerade durch A, die g nicht schneidet Bem.: Dass mindestens eine Parallele existiert, kann man beweisen: Betrachte beliebige Gerade g durch A. Diese wird in der Regel g (im Punkt B) schneiden. Betrachte den Winkel zwischen g und g, trage diesen an A und g an (Wechselwinkel), dann entsteht Parallele g zu g. Ann.: g nicht parallel zu g. Dann bilden die drei Geraden g, g, g ein Dreieck, von dem der Winkel bei B und der Gegenwinkel bei A bekannt sind. Mit dem Außenwinkelsatz wird dann ein Widerspruch herbeigeführt. Außenwinkelsatz: Ein Außenwinkel eines Dreiecks ist größer als jeder der beiden nicht anliegenden Innenwinkel. Ausblick: Axiome der Stetigkeit V "Axiom des Messens", "Archimedisches Axiom": Gegeben seien zwei Strecken AB, CD. Dann wird man durch endlich-faches Antragen von CD an AB über AB hinauslaufen. V2 "lineare Vollständigkeit": eine Gerade in einer gegebenen Geometrie kann nicht in der Weise vergrößert werden (durch Hinzunahme von Punkten), dass die bisherigen Axiome erfüllt bleiben. pi, 7

Exkurs: Die Jigsaw-Methode Literatur: [] Aronson, E. et al.: The Jigsaw Classroom, 978 [2] Aronson, E., Osherow, N.: Cooperation, Prosocial Behaviour and Academic Performance, 980 Kooperatives Lernverfahren (entstanden mit dem Ziel, Vorurteile in Klassen mit gemischt-ethnischer Zusammensetzung abzubauen) Ergebnisse (nach [2]): Zunahme an Sympathie zwischen Teammitgliedern Leistungen von benachteiligten Schülern stiegen Konkurrenzverhalten nahm ab ("einander als Ressource neuen Wissens betrachten") Steigerung der Empathiefähigkeit [Brown: Beziehungen zwischen Gruppen, 990] "Sympathie für die Fremdgruppe verschwand, wenn die Ziele der Kooperation nicht erreicht wurden" Falls die Gruppe keine unterscheidbaren und komplementären Rollen einnehmen, kann die Sympathie für die andere Gruppe abnehmen (Konkurrenz nimmt zu) In der VL am Donnerstag, 2..02, wurde am praktischen Beispiel die "Jigsaw-Methode" erklärt, siehe dazu auch die ausgeteilten Methodenblätter. Thema der Stunde war die Untersuchung mathematischer Schulbücher auf deren methodische Umsetzung. Die einzelnen Gruppen erhielten folgende Literatur zur Bearbeitung, jeweils ein Buch aus Klasse 5 und eines aus Klasse 7 bzw. 8: (A) Andelfinger-Nestle: Mathematik (B) Mathematik, Cornelsen Verlag (C) Griesel-Postel: Mathematik heute (D) Lambacher-Schweitzer: Mathematik Die Ergebnisse sind gruppenspezifisch unterschiedlich und wurden auch nicht im gesamten Kurs besprochen. Daher kann hier leider keine Zusammenfassung gegeben werden. Exkurs: Computerprogramm "Euklid" In der VL am Donnerstag, 28..02, wurde das Computerprogramm "Euklid" vorgestellt, mit dem "dynamische Geometrie" betrieben werden kann. Das Programm findet sich im PC-Saal am Fachbereich Mathematik der Universität Marburg unter " S : \Applications\Mathematik\DynaGeo\DynaGeo. exe", ist aber auch bei Prof. Bauer erhältlich (Diskette abgeben). Am Donnerstag, 06.02.2003, sollte jeder Teilnehmer der VL/UE einen Satz aus der Geometrie anhand des Programmes kurz beweisen können. Dazu liegt in der Fachbereichsbibliothek (Ebene D4) im Handapparat von Prof. Bauer eine Liste aus, in die man das gewünschte Thema eintragen kann. pi, 8

7. Die Bedeutung der axiomatischen Methode für den Unterricht 7. Axiomatischer Aufbau der Geometrie ist im Unterricht nicht vollständig realisierbar. Zunächst Geometrie als Lehre vom "Anschauungsraum" betreiben. Bsp.: Inzidenzaxiome & Anordnungsaxiome sind für Schüler "klar" Lösen der onthologischen Bindung erst dann, wenn sie "vorhanden und kräftig" ist (Freudenthal) In Schulwerken mehr oder weniger starke Anlehnung an die Systematik lokale Version von Axiomatik: lokales Ordnen 7.2 Lokales Ordnen (Freudenthal) Im Unterricht kein lückenloser deduktiver Aufbau der Geometrie, sondern lokal Erfahrungsfelder ordnen und Beziehungsgefüge herstellen geometrische Begriffe und Sätze analysieren bis zu einer "willkürlichen Grenze", einem "variablen Horizont der Evidenz" (d. h. einem Punkt, wo man "mit bloßem Auge sieht", was ein Begriff bedeutet bzw. dass ein Satz wahr ist). Problem: Wo ist der besagte Punkt anzusetzen? 7.3 Aspekte des lokalen Ordnens (a) Analyse von Satzgefügen Bsp.: Gleichschenklige Dreiecke Ausgangsdefinition: Ein Dreieck heißt gleichschenklig, falls zwei seiner Seiten kongruent sind. Eigenschaften zusammentragen (z. B. Basiswinkel gleich groß) (siehe ausgeteiltes Blatt) diese begründen logische Abhängigkeiten feststellen: Satz und Kehrsatz; Satz und Folgesatz neue Sätze finden Äquivalente Definitionen finden Ergebnis: Eine "Theorie des gleichschenkligen Dreiecks" (b) Analyse von Begriffsgefügen Bsp.: Das "Haus der Vierecke" Symmetrieeigenschaften von Vierecken, von der höchsten Symmetrie (Quadrat, 8 Symmetrien) zur niedrigsten ( Symmetrie: identische Abbildung). Bem.: Die Symmetrien eines n-ecks bilden eine Untergruppe der Diedergruppe D n (siehe VL Algebra). pi, 9

(c) Beweisanalyse Analyse einer Argumentation hinsichtlich der benötigten Voraussetzungen Bsp.: Zu gegebenem konvexem Viereck ABCD ist ein Punkt zu finden, für den die Summe der Abstände zu den vier Eckpunkten minimal ist. Vermutung: Der Schnittpunkt der Diagonalen ist ein solcher Punkt. Es ist der einzige solche Punkt. Beweis: Für P AC gilt AP PC AC AS SC. Für P BD gilt BP PD BD BS SD. ("Gerade Verbindungen sind besser als Umwege"). Also: Falls P AC oder P BD gilt, dann ist AP PC BP PD AS SC BS SD Analyse: Folgende Eigenschaften der Streckenmessung waren wesentlich: P AB AP PB AB P AB AP PB AB (Dreiecksungleichung) (d) Äquivalenz von Definitionen Bsp.: Raute (A) Eine Raute ist ein Viereck mit vier gleich langen Seiten. (B) Eine Raute ist ein Viereck, in dem sich die Diagonalen senkrecht schneiden. 7.4 Stufen des lokalen Ordnens Bsp.: Parallelogramm Stufe 0: Praktisches Hantieren (Zeichnen, Zerschneiden, Zusammensetzen) Stufe : Eigenschaften entdecken: Gegenseiten sind parallel pi, 0

Gegenüberliegende Winkel sind gleich groß Gegenüberliegende Seiten sind gleich lang Ordnen der praktischen Erfahrungen Stufe 2: Zusammenhänge zwischen den Eigenschaften entdecken Gegenseiten parallel Gegenseiten gleich lang gegenüberliegende Winkel gleich groß Ordnen des theoretischen Wissens Stufe 3: Entdecken, dass eine Eigenschaft ausreicht, um die anderen abzuleiten (Systematisieren, Definition aussprechen) Stufe 4: Entdecken, was "definieren" ist Ordnen der logischen Ordnung Bem.: Das Stufenkonzept ist ein Prinzip, kein allgemeines Regelverfahren, um Lernprozesse "richtig" zu organisieren. pi,

Kap. II: Analytische Geometrie R. Descartes (596-650): La Géometrie Discours de la Méthode (637) Analytische Geometrie übernahm von der synthetischen Geometrie der Griechen die führende Rolle.. Der Euklidische Raum Wir arbeiten im n (hier meist n 2) und benutzen, dass n die Struktur eines euklidischen Vektorraums trägt. Die Begriffe der ebenen Geometrie können im 2 expilzit definiert werden: Punkte Elemente von 2 (da Vektorraum) Gerade durch zwei Punkte a, b 2 : ab : a b a a b a : Strecke ab : a b a : 0 Länge der Strecke ab Abstand der Punkte a und b b a b a b a Zur Demonstration der analytischen Methoden: Etwas Dreiecksgeometrie Dreieck Tripel a, b, c von Punkten, die nicht auf einer Geraden liegen 2. Die analytische Methode am Beispiel der Dreiecksgeometrie Wir zeigen den Schnittpunktsatz für Dreiecke: In jedem Dreieck schneiden sich die Seitenhalbierenden Mittelsenkrechten der Dreiecksseiten Winkelhalbierenden der Dreieckswinkel Höhen in je einem Punkt. a) Seitenhalbierende: Gegeben sei ein Dreieck abc. Seitenhalbierende S a Gerade durch A und durch den Mittelpunkt m a von bc m a 2 b c Explizit: S a 2 b c a b c :. Sie enthält den Punkt s : 2 3 a b c für 3 (Schwerpunkt des Dreiecks). Dieser liegt auch auf den beiden anderen Seitenhalbierenden S b und S c. Zusatz: Der Schwerpunkt teilt die Seitenhalbierenden im Verhältnis 2:. Erinnerung: Sei x u v ein Punkt auf der Gerade uv, dann Teilverhältnis von x bzgl. uv : TV x; u, v :, z. B. TV 2 u v ; u, v. Es gilt x u (einsetzen und ausrechnen) Beweis des Zusatzes: TV s; a, b c 2 3 3 2 2 x v b) Mittelsenkrechte: Die Mittelsenkrechte M a,b auf der Strecke ab ist die Gerade durch den Mittelpunkt 2 a b, die auf ab senkrecht steht. Explizit: Sei n 2 senkrecht zu b a, d. h. n b a 0. Dann ist M a,b 2 a b n. pi, 2

Implizit: x M a,b x 2 a b b a x b a 2 a b b a x b a 2 b 2 a 2 Gleichungen der Mittelsenkrechten: M a,b : x b a 2 b 2 a 2 ; M b,c : x c b 2 c 2 b 2 ; M c,a : x a c 2 a 2 c 2. Die Gleichungen addieren sich zu Null liegt ein Punkt auf einer dieser Geraden, so auch auf der dritten. Charakterisierung als geometrischer Ort Behauptung: M a,b Menge aller Punkte, die von a und b den selben Abstand haben. Beweis: "M a,b rechte Seite": Sei n 2 senkrecht auf b a, also M a,b 2 a b n. Für einen Punkt x 2 a b n ist x a 2 2 a b n a 2 2 b a n 2 4 b a b a 2 n n 2 2 b a n 2 a b n 2 x b 2 0, da n ab "M a,b rechte Seite": Sei x ein Punkt mit x a x b x x 2x a a a x x 2x b b b 2x b a b b a a. Dies ist aber die Gleichung für die Mittelsenkrechte. Folgerung: m ist der Mittelpunkt des Umkreises von a, b, c (des Kreises durch a, b, c) (da m von allen Punkten den gleichen Abstand hat). c) Winkelhalbierende: W a ist die Gerade durch a mit Richtungsvektor b a c a b a c a. Also W a a c a b a b a c a :. Auf W a liegt (für ) (stimmt das??? b a a c c b phil.imhof@gmx.de) w c b a c a b b a c. Dieser Punkt liegt auch auf W b und W c. Charakterisierung als geometrischer Ort: Menge aller Punkte, die von ab und ac den selben Abstand haben W a W a mit W a die zu W a senkrechte Gerade durch a. d) Höhe (explizit): Es gilt tan tan und p ad, q db). Insbesondere liegt der Punkt a b h c p h c q ptan a qtan b und d a tan a b tan b c tan c tan a tan b tan c q p q tan a tan a tan b a auf H c (für p p q b (mit ab adb tan b tan a tan b tan a tan b tan a tan b tan c ). Höhe (implizit): x H c x c b a x c b a 0. H a : x a c b bzw. H a : xc xb ac ab H b : x b a c bzw. H b : xa xc ba bc H c : x c b a bzw. H c : xb xa cb ca Die Gleichungen addieren sich zu Null. Die Geraden schneiden sich in einem Punkt. Zum Vergleich: synthetische Beweise also nur noch Argumente, keine Rechnungen mehr! zu b) Mittelsenkrechte: Sei m M ab M bc m hat von a und b den selben Abstand und m hat von b und c den selben Abstand m hat von a und c den selben Abstand m M ac zu c) Winkelhalbierende: analog. Nutze, dass w W a W b im Inneren des Dreiecks liegt! pi, 3

zu d) Höhe: Problem: Wir haben die Höhen nicht als geometrischen Ort charakterisiert! {Graphik wird nachgereicht!} Die drei neuen Dreiecke sind kongruent zum gegebenen Dreieck abc (z. B. mit WSW). Also: a Mittelpunkt von b c, entsprechend b Mittelpunkt von c a und c Mittelpunkt von b a Höhen von abc Mittelsenkrechten von a b c Mittelsenkrechten Höhen schneiden sich in einem Punkt Bem.: Ist a b c gegeben, so heißt abc das Mittendreieck zu abc. Also: Die Mittelsenkrechten eines Dreiecks sind die Höhen seines Mittendreiecks. zu a) Seitenhalbierende: Hilfssatz: Gegeben seien zwei Parallelen g, g und ein Lot mit Punkt R zwischen den Schnittpunkten P und P des Lotes mit den Geraden g und g. Dann gilt PR P R QR Q R für Q g, Q g, Q, Q, R g (neue Schnittgerade). Beweis: " " klar wegen Kongruenzsätzen. " " auch. () Sei s S a S b. Betrachte Parallelen zu S b durch die Punkte a, m c, m a, c (2) Die Abstände von g und g 2, g 2 und s b, s b und g 3 sowie g 3 und g 4 sind gleich. (3) Nach (2) gilt: s teilt am a im Verhältnis 2 :. Analog: s teilt bm b im Verhältnis 2 :. Für s S b S c gilt analog: s teilt bm b im Verhältnis 2 :, s teilt cm c im Verhältnis 2 :. s s Beobachtung: Wir haben explizite Formeln für s, w, h, aber noch nicht für m. Satz (Euler-Gerade): s, m, h liegen auf einer Geraden (der Euler-Geraden des Dreiecks) und es gilt s 3 h 2 m (warum? Z. B. m 0h m). 3 Beweis: Äquivalent ist h 3s 2m. Genügt zu zeigen: p : 3s 2m liegt auf allen Höhen H a, H b, H c. Es ist P 3 3 a b c 2m und H c : x c b a 0. Einsetzen: p c b a a b 2m b a b 2 a 2 2m b a 0 (weil Gleichung von M ab ) 3 Folgerung: m 2 s 2 h 3. Didaktische Aspekte Vorteile analytischer Vorgehensweise: Probleme können oft "straight forward" angegangen werden (d. h. Lösungsweg ist oft von vornherein ersichtlich) Quantitative Aussagen möglich (Computergraphik) Der höherdimensionale Fall erfordert keine prinzipiell neuen Methoden Nachteile analytischer Vorgehensweise: Verlagerung des Anspruchs von der geometrischen Anschauung auf die geeignete Verwendung algebraischer Techniken Analytische Beweise beinhalten manchmal keine "geometrische Erklärung" des betrachteten Phänomens (Wahrheitssicherung steht im Vordergrund) pi, 4

Kap. III: Kongruenzabbildungen. Der Abbildungsgedanke in der Geometrie "Euklidische Methode": Untersuchung starrer geometrischer Gebilde mit den Mitteln der Dreieckskongruenz, Satzgruppe des Pythagoras, Strahlensätze usw. "Abbildungsgedanke": eingeführt in Felix Kleins "Erlanger Programm" (872) dynamische Sicht, in der geom. Gebilde bewegt, ineinander überführt werden (verschieben, drehen, spiegeln,...) Bsp.: In einem Parallelogramm sind gegenüberliegende Seiten kongruent. a) Kongruenzbeweis: AB CD sowie AD BC 2 2 (Wechselwinkelsatz). Mit Kongruenzsatz WSW folgt ABD CDB AB CD, BC DA {Graphik wird nachgereicht!} b) "Abbildungsbeweis": Sei M der Mittelpunkt der Diagonalen BD und S M die Punktspiegelung an M. Dann gilt S M B D nach Wahl von M als Mittelpunkt und, da S g g für jede Gerade g: S M AB S M DA CD BC Längentreue AB CD. Analog AD BC. S M A C, also S M AB CD (wegen Streckentreue von Spiegelungen). Abbildungs- und Kongruenzbeweise: Kongruenzbeweis arbeitet mit ruhender Figur und untersucht Teilfiguren mit Kongruenzsätzen. Abbildungsbeweis betrachtet Abbildung einer Teilfigur unter einer Kongruenzabbildung und leitet die Behauptung aus den Abbildungseigenschaften ab. Das Erlanger Programm von Felix Klein (872): siehe Handout. Transformation der Ebene Gruppe Invarianten Geometrie bijektive Abbildungen Mächtigkeit affine Abbildungen geradentreue Abb. Teilverhältnis affine Geometrie größere Gruppe Ähnlichkeitstransformation Streckenverhältnis, Winkel Ähnlichkeitsgeometrie mehr Invarianten Kongruenzabbildungen Streckenlänge, Winkel usw. Kongruenzgeometrie Kleins Kritik an der euklidischen Methode siehe Handout. 2. Die Gruppe des Kongruenzabbildungen In der euklidischen Ebene E sind diejenigen Abbildungen f : E pi, 5 E besonders interessant, die

"gestalterhaltende" Eigenschaften (Geradentreue, Winkeltreue,...) haben. Def.: Eine Abbildung f : E E heißt Kongruenzabbildung, falls sie längentreu (abstandstreu) ist, d. h. falls gilt f A f B AB A, B E. Bem.: () Kongruenzabbildungen sind streckentreu geradentreu bijektiv (2) Die Menge B aller Kongruenzabbildungen der Ebene ist eine Gruppe. (3) Zwei Figuren (Teilmengen) F, F E heißen kongruent, falls es eine Kongruenzabbildung f B gibt mit F f F. Kongruenz von Figuren ist eine Äquivalenzrelation auf E. (4) Eine Kongruenzabbildung f B ist schon eindeutig bestimmt, wenn man für ein Dreieck ABC das Bilddreieck f A f B f C kennt. Satz: (Hauptsatz über Kongruenzabbildungen) Jede Kongruenzabbildung f : E E lässt sich als Produkt (d. h. Hintereinanderausführung) von höchstens drei (Achsen-)Spiegelungen darstellen. Beweis: Idee: Wähle ein Dreieck ABC und betrachte das Bilddreieck A B C f A f B f C. Falls wir eine Komposition von 3 Spiegelungen angeben können mit g A g B g C f A f B f C (punktweise: g A f A usw.), so ist f g. Schritt : Ziel: B B Falls B B ist, wähle g id, sonst: wähle g Spiegelung an der Mittelsenkrechten der Strecke BB. Dann gilt ABC A B C. Schritt 2: Ziel: A B A B Falls A A ist, wähle g 2 id, sonst: wähle g 2 Spiegelung an der Winkelhalbierenden von A B A. Dann gilt A B C A B C 2. (Anm.: A A geht tatsächlich, da alle Dreiecke zueinander kongruent sind!) Schritt 3: Ziel: A B C 2 A B C Falls C 2 C ist, wähle g 3 id, sonst: wähle g 3 Spiegelung an A B. Dann gilt A B C 2 A B C. (Anm.: Wie oben: Da alle Dreiecke kongruent, gilt C 2 C.) Übersicht über die Gruppe der Kongruenzabbildungen 0. Identische Abbildung. Einfachspiegelungen: Achsenspiegelung 2. Zweifachspiegelungen: 2. Beide Spiegelachsen parallel: S b S a Verschiebung um 2d pi, 6

2.2 Spiegelachsen schneiden sich: S b S a Drehung um 2 um den Schnittpunkt a b 3. Dreifachspiegelungen: 3. Alle drei Spiegelachsen parallel: S c S b S a S c S b S a S a Spiegelung Verschiebg 2d id 3.2 Alle Spiegelachsen schneiden sich in einem Punkt: S c S b S a S c S b S a S a Spiegelung Drehung 2 id 3.3 Achsen schneiden sich in drei Punkten: S c S b S a S c S b S a S c S b S a Schubspiegelung Drehung 2 Drehung 80 3.4 Zwei Achsen parallel, dritte schneidet die anderen: auf Fall 3.3 zurückführen. 3. Lernstufen im Umgang mit Kongruenzabbildungen siehe Handout. Ende der Vorlesung. Klausur am 3.02.2003, 6:45 Uhr, HS B, Hörsaalgebäude Chemie. Viel Erfolg bei der Klausur! pi, 7