Erwachsen? Noch lange nicht! Überlegungen zum Konzept der Emerging Adulthood und ihrer psychodynamischen Psychotherapie

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Transkript:

Überlegungen zum Konzept der Emerging Adulthood und ihrer Dr. med. Renate Sannwald Fachärztin für Kinderheilkunde Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und psychotherapie Fachärztin für Psychotherapeutische Medizin Psychoanalyse (DGPT)

Jeffrey Jensen Arnett (2004): Emerging Adulthood: The Winding Road from the Late Teens through the Twenties Oxford University Press

Mittleres Heiratsalter von Männern und Frauen in den USA zwischen 1950 und 2000

Emerging Adulthood: 1. Das Alter der Erforschung der eigenen Identität 2. Das Alter der Instabilität 3. Das Alter der Selbstfocussierung 4. Das Alter des Übergangs, des Feeling In-Between 5. Das Alter der größten Möglichkeiten im Leben.

Emerging Adulthood: das Alter der Erforschung der eigenen Identität Die Identitätsfindung setzt sich über die Postadoleszenz hinaus fort. Erik Erikson (1971): protrahierte Adoleszenz ist typisch für die Industrienationen, psychosoziales Moratorium.

Emerging Adulthood: das Alter der Instabilität Zahl der Umzüge in Abhängigkeit vom Alter

Emerging Adulthood: das Alter der Selbstfocussierung Vertiefte Selbstreflexion, Altersentsprechende Objektbeziehungen, Gute Empathiefähigkeit.

Emerging Adulthood: das Alter des Übergangs, des In-Between Erleben Sie sich selbst als erwachsen?

Emerging Adulthood: Das Alter des Übergangs Kriterien für den Eintritt ins Erwachsenenalter: 1. Verantwortungsübernahme für sich selbst; 2. Die Fähigkeit, unabhängige Entscheidungen zu treffen; 3. Finanzielle Unabhängigkeit.

Emerging Adulthood: das Alter der (unbegrenzten) Möglichkeiten Großer Optimismus: 96% der 18 24jährigen Amerikaner stimmten 1997 folgender Aussage zu: Ich bin sehr sicher, dass ich eines Tages dahin komme, wo ich im Leben sein will. Chance, sich aus chaotischen oder unglücklichen Herkunftsfamilien zu lösen! Stabile körperliche Gesundheit, maximale Fertilität.

Abnormale Entwicklung in der Emerging Adulthood 25% der 18 25Jährigen entwickeln eine Quarterlife Crisis oder Default Individualization mit prokrastinatorischem Lebensstil, niedrigem Selbstwertgefühl, wenig Ichstärke und hoher Impulsivität, Neigung zu Substanzabusus und Risikoverhalten (ungeschützter Geschlechtsverkehr, Fahren mit überhöhter Geschwindigkeit etc.) 75% der emotionalen Störungen, Impulskontrollstörungen und Fälle von Substanzabusus beginnen vor dem 24. Lebensjahr! 50% der 18 25Jährigen durchlaufen eine Episode einer psychiatrischen Erkrankung.

Die psychodynamische Psychotherapie der 18 25-Jährigen Stabiler Rahmen für die Psychotherapie, flexible Haltung mit optimistischer Grundeinstellung! Explorative Verhaltensweisen sind altersentsprechend und keine Widerstandsphänomene! Behandlungsvertrag in schriftlicher Form (Clarkin et al. 2001) Setting beginnend einstündig im Sitzen, dann Vertiefung auf eine zweite Wochenstunde, ggf. im Liegen.

Literatur: Arnett, J. J. (2000) : Emerging adulthood : A Theory of Development from the Late Teens through the Twenties. American Psychologist 55, 469 480. Arnett, J. J. (2004) : Emerging adulthood : The winding Road from the late Teens through the Twenties. Oxford University Press New York. Blos, P. (1989): Adoleszenz. Eine psychoanalytische Interpretation. Klett-Cotta, Stuttgart. Clarkin, J. et al. (2001): Psychotherapie der Borderline- Persönlichkeit. Manual zur psychodynamischen Therapie. Schattauer, Stuttgart.

Coté, J. (2000): Arrested adulthood: The Changing Nature of Maturity and Identity in the Late Modern World. New York University Press New York. Erikson (1971): Kindheit und Gesellschaft. Klett, Stuttgart. Freud, S. (1905/1972): Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie. Studienausgabe Bd. V S. Fischer-Verlag Frankfurt am Main. Hornblower, M. (1997): Great xpectations. Time 129/23, 58 68. Kernberg, P. et al. (2000): Persönlichkeitsstörungen bei Kindern und Jugendlichen. Klett Cotta Stuttgart. Kessler, R.C.; Berglund, P.; Demler, O.; Jin, R.; Merikangas, K.R. und Walters, E.E. (2005): Lifetime Prevalence and Age-of-Onset Distribuations of DSM IV Disorders in the National Comorbidity Survey Replication. Arch Gen Psychiatry 62/6, 593 602.

Osgood, D.W.; Foster, E.M.; Flanagan, C. und Ruth, G.R. (2005): On your own without a net: The Transition to Adulthood for Vulnerable Populations. University of Chicago Press Chicago. Schwartz, S. J.; Coté, J.; Arnett, J. J. (2005): Identity and Agency in Emerging Adulthood: Two Developmental Routes in the Individualization Process. Youth and Society 37/2, 201 229. Seiffge-Krenke, I. (2009): Erwachsen? Noch lange nicht! Kindliche Entwicklung heute. Vorlesungreihe auf den Langeooger Psychotherapietagen des Kindes- und Jugendalters 2009.