Christian Kirchberg Öffentliches Medienrecht mit privatrechtlichen Bezügen Ein Studienbuch in 12 Lektionen Rechtssystem und Rechtsanwendung
II. Allgemeines 3. Rechte Hetze bei Facebook Rechtsextreme und Rassisten nutzen das Internet, insbesondere auch Facebook, für Hassbotschaften. Solche Hass- oder Hetzbotschaften bzw. -aufrufe sind zwar aufgrund der Gemeinschaftsrichtlinien, die sich das soziale Netzwerk selbst gegeben hat, offiziell verboten. Allerdings zeigt die Praxis, dass dieses Verbot vielfältig nicht beachtet oder umgangen und seine Einhaltung bei weitem nicht so streng überwacht wird wie etwa Pornographie und ähnliches. Die bisher bestehenden Möglichkeiten, rechte Hetze und Hassbotschaften, insbesondere aktuell auch gegenüber Flüchtlingen aus dem Balkan und aus dem Nahen Osten zu verhindern bzw. zu bekämpfen, sind staatlicherseits eingeschränkt: Soweit es gelingt, die Autoren hetzerischer Aufrufe im Internet tatsächlich zu identifizieren, kommt eine strafrechtliche Verfolgung wegen Volksverhetzung ( 130 Strafgesetzbuch StGB) infrage; und das ist auch schon verschiedentlich praktiziert worden. Bei anonymen Aufrufen gibt es jedoch regelmäßig keine Handhabe. Auch Facebook selbst kann nach geltender Rechtslage hierfür nicht unmittelbar haftbar gemacht werden. Denn ein sogenannter Diensteanbieter wie Facebook ist nach 8 Telemediengesetz (TMG) für fremde Informationen, die er in einem Kommunikationsnetz übermittelt oder zu denen er den Zugang zur Nutzung vermittelt, grundsätzlich nicht verantwortlich. Etwas anderes gilt nur, wenn der Diensteanbieter absichtlich mit einem Nutzer seines Netzes zusammenarbeitet, um rechtswidrige Handlungen zu begehen, wovon bei Facebook eigentlich nicht auszugehen ist. Bundesjustizminister Maas bemüht sich deshalb um eine gegebenenfalls nur freiwillige Selbstverpflichtung von Facebook und vergleichbaren sozialen Netzwerken, über ihre insoweit offensichtlich unzureichenden bzw. unzureichend gehandhabten internen Richtlinien hinaus rechte Hetze und Hassaufrufe nicht weiter zu verbreiten bzw. sogar zu löschen (vgl. aktuell PM vom 11.04.2016, www.bmjv.de/presseinfos). Die entsprechende rechtspolitische Diskussion ist in vollem Schwange. Facebook-Chef Zuckerberg hat bei einem Berlin-Besuch aktuell eingeräumt, dass Facebook insoweit bisher keinen guten Job gemacht habe, und angekündigt, Hasskommentare insbesondere im Blick auf Flüchtlinge institutionell und inhaltlich stärker aussondern bzw. bekämpfen zu wollen. II. 1. Allgemeines Inhalte und Abgrenzungen Die "neuen Medien" (Online-Dienste bzw. Internet) sind genauso wie die herkömmlichen Medien (Presse, Rundfunk) in einen öffentlich-rechtlichen Ordnungsrahmen eingespannt, wenn auch mit unterschiedlicher Regelungsdichte. Das Studienbuch gibt eine Übersicht über die Gemeinsamkeiten und Unterschiedlichkeiten der aktuellen Medienordnung und über die absehbaren Perspektiven in Form der Kongruenz der Medien. 19 8 9 10 11 12
1. Lektion 13 14 15 16 17 18 19 Wesentliche Impulse erhält das Medienrecht insbesondere durch das Verfassungsrecht und durch das (Europäische) Unionsrecht bzw. durch die Europäische Menschenrechtskonvention. Auch hierauf geht das Studienbuch ein. Aktuelle Entwicklungen der Medienpolitik werden in die Darstellung integriert. Das Telekommunikationsrecht, also das "Wegerecht" der elektronischen Medien, ist nicht Gegenstand dieses Studienbuchs. Das gilt grundsätzlich auch für die privatrechtlichen Aspekte des Medienrechts, insbesondere das Vertrags-, Urheber- und Wettbewerbsrecht. Eine Ausnahme gilt allerdings hinsichtlich solcher Materien, in denen das (öffentliche) Medienrecht unmittelbare Auswirkungen auf die Privat- oder auch Strafrechtsordnung hat, also soweit es etwa um den Dauerkonflikt zwischen den Medienfreiheiten und dem Persönlichkeitsschutz geht. 2. Definition "Öffentliches Medienrecht" Von öffentlichem Medienrecht ist dann die Rede, wenn und soweit das Medienrecht einem Sonderrecht des Staates unterworfen ist, wenn es also nicht um solche medienrechtliche oder typischerweise auf die Medien anwendbaren Regelungen, geht, die für jedermann gleichermaßen gelten. Im Sinne einer (vorläufigen) Definition gehören deshalb zum öffentlichen Medienrecht bzw. repräsentieren dieses 3. alle Regelungen und Rechtssätze, mit denen der Staat unmittelbar, insbesondere durch die Wahrnehmung von Aufsichtsbefugnissen, durch den Erlass von Satzungen, Verwaltungsvorschriften und Verwaltungsakten, durch den Abschluss öffentlich-rechtlicher Verträge oder durch schlicht-hoheitliches Handeln auf die Regelungsmaterie des Medienrechts Einfluss nimmt. Abgrenzungen/Überschneidungen Davon, also vom öffentlichem Medienrecht, sind zu unterscheiden (auch in diesem Rechtsbereich) die Setzung allgemeiner Rechts- und Rahmenbedingungen durch Erlass von für alle geltenden Rechtsvorschriften, insbesondere für den rechtsgeschäftlichen Verkehr und für den Schutz privater Rechte (Privat- bzw. Zivilrecht). (Wenn von "Internetrecht" bzw. von "Computerrecht" die Rede ist, ist vorrangig, wenn auch nicht ausschließlich der privatrechtliche Bereich des Medienrechts gemeint, und zwar mit den Schwerpunkten "Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht" sowie "Elektronischer Rechtsverkehr", ferner das "Domainrecht" und schließlich das "Recht der unerlaubten Handlungen" (Unterlassungsansprüche und Verantwortlichkeitsregelungen inbegriffen), gemeint, vgl. beispiel- 20
II. Allgemeines haft Hoffmann, "Die Entwicklung des Internet-Rechts bis Mitte 2015", NJW 2015, 2470) die Sanktionierung von Rechtsverstößen durch Strafen und Bußen (Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht). (Aufsehen erregen insoweit immer wieder die Fälle von Kinderpornographie im Netz, die gewissermaßen ohne Ansehen der Person in allen Gesellschaftsschichten verbreitet sind [vgl. zuletzt etwa BVerwG, Urt. v. 18.06.2015, NVwZ 2015, 1680 Entfernung eines Polizeibeamten aus dem Dienst wegen des Besitzes kinderpornographischen Materials]. Bemerkenswert auch das Urteil des BGH vom 12.12.2000 [BGHSt 46, 212 = NJW 2001, 103 = MMR 2001, 228] zur Strafbarkeit eines Ausländers wegen "Volksverhetzung" nach 130 Abs. 1 u. 3 StGB, weil dieser die sog. Auschwitz-Lüge auf einem ausländischen Server weltweit ins Internet eingestellt hatte). Sowohl im Privatrechtsverkehr als auch im Bereich des Strafrechts sind allerdings häufig Einflüsse des öffentlichen Medienrechts, insbesondere in Gestalt der betroffenen Verfassungs- und Grundrechte, die ihrerseits eigentlich zum öffentlichen (Medien-)Recht gehören, zu berücksichtigen (s.o. Rn. 17 f.). Diese (notwendigen) "Grenzüberschreitungen" des öffentlichen Medienrechts werden in diesem Studienbuch immer wieder thematisiert werden müssen. 4. Rechtsgrundlagen Auch das öffentliche Medienrecht ist nach wie vor durch ein Konglomerat von rechtlichen Regelungen geprägt. Eine Übersicht hierüber wird in der nächsten Lektion geboten. Ein (bundeseinheitliches) "Mediengesetzbuch", wie es z.b. im Jahre 2005 in Österreich erlassen wurde, kommt für die Bundesrepublik Deutschland schon allein deshalb nicht in Frage, weil das Recht der Massenmedien traditionell Sache der Länder ist, die diesen Kernbereich ihrer Zuständigkeiten "mit Zähnen und Klauen" verteidigen. Allerdings wird die entsprechende "Disparatheit" des Rechts- bzw. Regelungsbereichs in gewissem Umfang einerseits durch die von den Bundesländern abgeschlossenen (Rahmen-) Vereinbarungen, wie etwa durch den Rundfunkstaatsvertrag (RStV) von 1991 oder durch den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) von 2004 (beide Staatsverträge mit nachfolgenden Änderungen), sowie etwa durch den "Gleichklang", also die im Wesentlichen identische Fassung, der Landespressegesetze und durch das Telemediengesetz des Bundes vom 26.7.2007 sowie durch das Jugendschutzgesetz des Bundes vom i.d.f. v. 23.7.2002 ausgeglichen bzw. relativiert. 20 21 22 21
1. Lektion 23 24 25 26 27 Inhaltlich steht dem Bund steht demgegenüber nur für den Auslandsrundfunk "Deutsche Welle" und in dem vergleichsweise eng begrenzten Bereich der Individualkommunikation per Internet eine eigene Regelungszuständigkeit zu. Gleichzeitig "diktieren" allerdings das Grundgesetz (GG), der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) und die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) wesentliche Bedingungen unserer Medienordnung. 5. Technische Entwicklung Die Schwierigkeit, die Materie " öffentliches Medienrecht" von anderen Rechtsgebieten oder -materien abzugrenzen und zu strukturieren, wird schließlich noch durch die technische Entwicklung verschärft. Insbesondere die Digitalisierung der Übertragungswege führt zur "Konvergenz der Medien" in dem Sinne, dass die technischen Voraussetzungen austauschbar und, damit einhergehend, auch die jeweiligen Dienstleistungsangebote unabhängig von der jeweiligen Erscheinungs- bzw. Netzplattform oder vom jeweiligen Endprodukt bzw. Endgerät einsatzfähig und abrufbar sind bzw. sein werden. Das stellt nicht nur die bisherige Unterscheidung zwischen der Netzebene ("Technik") und der Ebene der Medienangebote von Presse, Rundfunk und Internet ("Inhalte") in Frage, sondern führt vor allem auch zur Überschneidung der für die jeweiligen Medienangebote geltenden rechtlichen Regelungen und Grenzen. Diese Entwicklung ist noch lange nicht abgeschlossen und birgt noch eine Vielzahl von Problemen (aktuelles Beispiel: Tagesschau-App, vgl. OLG Köln, Urt. v. 20.12.2013, MMR 2014, 199:»Die Tagesschau-App stellt lediglich eine mobile Übertragungsform des Online-Angebots tagesschau.de dar und ist... zulässig«) III. Text- und Literaturübersicht (eine Auswahl) 28 Vorbemerkung: Das Medienrecht ist in der heute betriebenen Weite eine verhältnismäßig junge Disziplin und gleichzeitig in fortwährendem Umbruch begriffen. Das betrifft insbesondere den Bereich der audiovisuellen Medien, einschließlich Rundfunk/Fernsehen. Hierfür sind die technische Entwicklung (Vermehrung der Übertragungskapazitäten, Digitalisierung, die Angebotsbreite des Internet etc.) und die daraus sowohl vom nationalen Gesetzgeber als auch von der Europäischen Union gezogenen Konsequenzen, insbesondere auch die (Teil-)Privatisierung der entsprechenden, bisher öffentlich-rechtlich organisierten Dienstleistungen, verantwortlich. Dies hat zur Folge, dass nicht nur die entsprechenden Gesetzessammlungen, sondern auch die einschlägigen (literarischen) Darstellungen häufig kurzfristig ganz oder teilweise nicht mehr aktuell bzw. überholt sind und neue Kommentierungen etc. noch gar nicht zur Verfügung stehen. 22
III. Text- und Literaturübersicht (eine Auswahl) Die nachfolgende Übersicht beschränkt sich deshalb ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit auf diejenigen Werke, die (noch) als hinreichend aktuell angesehen werden können und gleichzeitig geeignet erscheinen, um als sinnvolle Ergänzung dieses Studienbuches bzw. zur Vertiefung und als Nachschlagewerke oder Quelle zu dienen. 29 1. Text- u. Gesetzessammlungen Geppert/Roßnagel, Telemediarecht: Telekommunikations- und Multimediarecht, Textausgabe mit Einführung, 10. Aufl. 2014 oder Fechner/Mayer, Medienrecht, Vorschriftensammlung, 11. Aufl. 2015 Eine von beiden sollte sich jeder Leser dieses Studienbuches anschaffen. Ring, Medienrecht Bundes- und Landesrecht, EU-Recht, Europäisches Recht, Internationale Rechtsquellen -, Vorschriftensammlung, fortlaufend aktualisiert. Die umfassendste Text- bzw. Gesetzessammlung in 4 Loseblatt-Ordnern 2. Zeitschriften Neue Juristische Wochenschrift (NJW) Die "Hauspostille" eines jeden praktizierenden Juristen, enthält auch Berichte und Zusammenfassungen zum Medienrecht und druckt insbesondere die insoweit wichtigen höchstrichterlichen und verfassungsgerichtlichen Entscheidungen vergleichsweise vollständig und zeitnahe ab. Multimedia und Recht (MMR) Computer und Recht (CuR) Kommunikation und Recht (K&R) Zeitschrift für Medien- und Kommunikationsrecht (AfP =Archiv für Presserecht) Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht (ZUM) Media Perspektiven (MP) 3. Lehr- und Handbücher Fechner, Medienrecht, 15. Aufl. 2014 Dörr/Schwartmann, Medienrecht, 5. Aufl. 2014 Petersen, Medienrecht, 5. Aufl. 2010 Ricker/Weberling, Handbuch des Presserechts, 6. Aufl. 2012 23