Zur aktuellen Situation der sonderpädagogischen Förderung in Mecklenburg-Vorpommern Dipl.- Päd. Cornelia Fittje 1
UN Behindertenrechtskonvention Artikel 24 Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung. Um dieses Recht ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit zu verwirklichen, gewährleisten die Vertragsstaaten ein inklusives Bildungssystem auf allen Ebenen. 2
Situation auf Bundesebene: Deutschland hat eine der höchsten Sonderbeschulungsraten in Europa 2009 im Bundesdurchschnitt 81,6% der Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf in Sonderschulen In Mecklenburg-Vorpommern 2008 77,3% Europaweit 15% 3
Ergebnis der Sonderbeschulung: 77,2 % der Sonderschüler verlassen die Schule ohne Abschluss (davon 56,1% lernbehinderte Schüler) Nur 2% aller Förderschüler machen den mittleren Schulabschluss, nur 0,28% Hochschulreife oder Fachhochschulreife 4
Unterschiedliche Ansätze der Bundesländer: Umsetzung in Niedersachsen verschoben In Bayern Kooperationsklassen eingerichtet In Bremen 45% integrative Beschulung (Lernen, Sprache, Verhalten), auch im Oberschulbereich In SH, HH, HB und Berlin Wahlfreiheit In Mecklenburg-Vorpommern Förderbereich Lernen für das 1.Schuljahr 5
Kosten oder Einsparpotential? Personal wird kostenneutral verlagert Für Schüler mit körperlichen oder Sinnesbehinderungen sind Barrierefreiheit und Hilfsmittel notwendig Einsparpotential bei den Fahrtkosten Ggf. zusätzlicher Assistenz-Bedarf 6
Mecklenburg-Vorpommern im Vergleich: Sonderpädagogischer Förderbedarf (2009): Bundesweit: 6,1% Mecklenburg-Vorpommern: 12,7% (Europaweit: 5,5%) Schüler ohne Hauptschulabschluss (2007/2008) Bundesweit: 10,2 % Mecklenburg-Vorpommern: 15,2 % 7
Differenziert in einzelne Förderbereiche: Förderschwerpunkt Sprache 1,4% (0,7%) Förderschwerpunkt Lernen 6,4% (2,8%) Geistige Entwicklung 2% (1%) Emotionale/soziale Entwicklung 1,8 % (0,7%) (Bundesdurchnitt in Klammern) 8
Gründe für die hohe Förderquote: Weite Definition von Förderbedarf Versagen der allgemeinen Schule bei der Förderung leistungsschwacher Schüler Fachliche Defizite bei der Diagnostik Sinkende Schülerzahlen Teilzeitregelung Mangelnde vorschulische Prävention (Prof. Bodo Hartke, Uni Rostock) 9
Umsetzung in MV: Im neuen Schuljahr keine ersten Klassen in allgemeinen Förderschulen Schüler mit Förderbedarf im Bereich Lernen wohnortnah in Regelschulen/DFK Antrag auf sonderpädagogische Förderung erst nach mehrmonatiger Förder- und Beobachtungszeit 10
Zentraler diagnostischer Dienst: an den Schulämtern eingerichtet Diagnostik-Teams aus Schulpsychologen und Sonderpädagogen landesweit gleiche Verfahrensweise einheitliche Testverfahren 11
Individuelle Förderplanung: Individueller Förderplan für jeden Schüler mit SPF, halbjährliche Fortschreibung Entsprechende Lernangebote, Unterrichtsplanung und durchführung Dokumentation notwendiger Unterstützung, Fördermaßnahmen und Entwicklungsfortschritte 12
Lehrerfortbildungen: Seit Schuljahr 2008 Organisation von Fortbildungskursen durch Schulämter z.b. Individuelle Förderplanung Teilleistungs- und Lernstörungen Allgemeine Entwicklungsverzögerung(DFK) Förderschwerpunkt sozial-emotionale Entwicklung 13
Weitere Planung: Zunächst Inklusion bei definitionsabhängigen Behinderungen (Lernen, Sprache, Verhalten) Bei medizinisch bedingten Diagnosen (Hören, Sehen, motorische Entwicklung) langer Prozess notwendig 14
Modellprojekt Rügen Als Modellregion integrative Grundschule flächendeckend Auch Förderbedarf Sprache und sozialemotionale Entwicklung Keine Alternativangebote 15
Kritik an der Umsetzung der Inklusion: 1. Grundsätzliche Ablehnung der Integration in der sonderpädagogischen Versorgung 2. Ablehnung der konkreten Umsetzung 3. Kritik, weil die Inklusion nicht ausreichend umgesetzt wird 16
1. Allgemeine Kritik an Integration und Inklusion: Angst vor Sonderrolle und Ausgrenzung Überforderung der Schüler Verlust des Schutzraums Sonderschule Mangelnde individuelle Förderung Überforderung der Lehrer durch zieldifferenten Unterricht 17
2. Ablehnung konkreter Umsetzung in MV: Klassengröße bleibt unverändert Keine zusätzliche Vertretungsorganisation Schulung der Regelschulpädagogen Späte Diagnostik Keine Wahlfreiheit Zu wenig sonderpädagogische Förderung 18
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3. Unzureichende Umsetzung Kostenintensivere Inklusion für körperlich und sinnesbehinderte Kinder wird zurückgestellt Inklusion für Kinder mit geistiger Behinderung wird gar nicht angestrebt 20
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!