Mit Kurzarbeit durch die Krise

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Transkript:

Kanzlei Merz Ratgeber Mit Kurzarbeit durch die Krise Dieter Merz Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht www.merz-dresden.de Stans Januar 2011

Zur Person: Dieter Merz Geboren wurde Dieter Merz 1957 in Ludwigsburg. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Heidelberg und Mainz absolvierte er sein Referendariat im OLG Bezirk Koblenz. Von 1985 war er als Rechtsanwalt und späterer Partner einer großen Sozietät im Rhein-Main-Gebiet und später als verantwortlicher Partner in Dresden tätig. 2002 fusionierte seine Kanzlei mit mehreren Dresdener Kanzleien. Im Jahr 2009 erfolgte seine Ausgliederung zur Kanzlei Merz in einer Bürogemeinschaft mit Herrn Rechtsanwalt Hans H. Abtmeyer. Dieter Merz ist Gründer von zahlreichen Organisationen, Verbänden und Vereinen und besitzt langjährige Erfahrung als Aufsichtsratsvorsitzender und Gemeinderat. Ferner ist er Herausgeber zahlreicher Fachpublikationen und Ratgeber. Zudem hält er vielfach Fachvorträge, leitet arbeitsrechtliche Workshops und ist Referent im Expertenteam der Dresden International University. 2 Stand Januar 2011

Inhalt I. EINLEITUNG... 5 II. BEGRIFF DER KURZARBEIT... 5 III. VORTEILE DER KURZARBEIT... 5 1) Zielsetzung der Kurzarbeit... 5 2) Vorteile für den Betrieb... 6 3) Vorteile für den Arbeitnehmer... 7 IV. ARBEITSRECHTLICHE REGELUNGEN... 7 1) Einleitung... 7 2) Anordnung von Kurzarbeit durch Betriebsvereinbarung... 7 3) Einseitige Anordnung von Kurzarbeit durch tarifvertragliche Regelungen... 8 4) Anordnung von Kurzarbeit durch einzelvertragliche Regelungen... 9 V. GEWÄHRUNG VON KURZARBEITERGELD... 10 1) Arbeitsrechtliche Vorbedingungen... 10 2) Betriebliche Voraussetzungen... 10 a) Betrieb / Betriebsabteilung... 10 b) Erforderliche Ursachen der Kurzarbeit... 11 c) Vorübergehender Arbeitsausfall... 11 d) Unvermeidbarkeit des Arbeitsausfalls... 12 e) Mindestumfang des Arbeitsausfalls... 13 VI. ANSPRUCHSBERECHTIGTE... 14 1) Persönliche Voraussetzungen... 14 2) Leiharbeitnehmer... 15 Stand Januar 2011 3

VII. RECHTSFOLGEN... 15 VIII. DAUER UND HÖHE DES KURZARBEITERGELDES... 15 1) Bezugsfrist des Kurzarbeitergeldes... 15 2) Höhe des Kurzarbeitergeldes... 16 a) Berechnungsmethode... 16 b) Erläuterung der Berechnungsmethode... 16 c) Pflichten des Arbeitgebers... 18 IX. BESONDERHEITEN IM ARBEITSKAMPF... 18 X. TRANSFERKURZARBEITERGELD... 19 1) Grundsätzliches... 19 2) Voraussetzungen für Transferkurzarbeitergeld... 19 3) Dauer und Höh des Transferkurzarbeitergeldes... 20 XI. ERSTATTUNG VON ARBEITGEBERBEITRÄGEN... 20 XII. VERFAHREN... 21 XIII. ALTERNATIVE BEENDIGUNGSMÖGLICHKEITEN... 22 1) Betriebsbedingte Kündigung... 22 2) Aufhebungsvertrag... 22 3) Ablauf der Befristung... 23 4 Stand Januar 2011

I. Einleitung Durch die bekannte Finanz- und Wirtschaftskrise sind nicht nur die Banken betroffen, sondern auch zahlreiche Betriebe, die mit sinkenden Umsatzzahlen und Auftragsrückgängen zu kämpfen haben. Trotzdem wird immer wieder die Erhaltung der Arbeitsplätze gefordert und dabei häufig auf die Möglichkeit der Kurzarbeit verwiesen. Doch leider kennen nur wenige die Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Kurzarbeit. Kurzarbeit ist im Arbeitsverhältnis ein Ausnahmezustand mit reduzierter Regelarbeitszeit. Hat die Kurzarbeit eine vorübergehende Einstellung der Arbeit zur Folge, wird von sog. Kurzarbeit Null gesprochen. Die Kurzarbeit muss sich dabei nicht unbedingt auf den gesamten Betrieb erstrecken, sondern kann auch nur einzelne Teile eines Betriebes betreffen. Der durch die Kurzarbeit entstehende Verdienstausfall wird durch die Agentur für Arbeit in gewisser Höhe ausgeglichen. Um diese staatlichen Zuschüsse zu erhalten, sind aber zunächst einige arbeits- und sozialrechtliche Voraussetzungen zu erfüllen, die nachstehend erläutert werden. II. Begriff der Kurzarbeit Kurzarbeit bezeichnet die vorübergehende Verkürzung der betriebsüblichen normalen Arbeitszeit, regelmäßig verbunden mit einer entsprechenden Minderung des Arbeitsentgelts der betroffenen Arbeitnehmer. Sie ist ein Mittel, um vorübergehende Auftrags- oder Produktionsschwankungen durch eine spezifische Arbeitszeitregelung zu überbrücken und den betroffenen Arbeitnehmern dadurch die Arbeitsplätze zu erhalten. Bei Vorliegen der gesetzlich bestimmten Voraussetzungen haben die von Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmer Anspruch auf das Kurzarbeitergeld. Das Kurzarbeitergeld ist eine Leistung der Arbeitslosenversicherung und wird durch die Agenturen für Arbeit gezahlt. Sonderformen des Kurzarbeitergelds sind das Saisonkurzarbeitergeld, das in der Schlechtwetterzeit im Baugewerbe gezahlt wird, und das Transferkurzarbeitergeld bei betrieblichen Restrukturierungsprozessen. III. Vorteile der Kurzarbeit 1) Zielsetzung der Kurzarbeit Das Kurzarbeitergeld ist eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung. Es dient dem Arbeitnehmer zur Erhaltung des Arbeitsplatzes und dem Arbeitgeber zur Erhaltung der eingearbeiteten Arbeitskräfte, sobald ein Arbeitgeber seine Arbeitnehmer aus diversen Gründen nicht mehr voll beschäftigen kann. Stand Januar 2011 5

Der Leistungsempfänger ist letztlich der Arbeitnehmer, die Leistung wird über den Arbeitgeber abgewickelt und ausgezahlt. Dass dabei aber auch die Betriebe Vorteile aus der Inanspruchnahme des Kurzarbeitergeldes ziehen, ist durchaus vom Gesetzgeber gewollt. In diesen indirekten Vorteilen besteht der Anreiz für den Arbeitgeber, die Regelung in Anspruch zu nehmen. 2) Vorteile für den Betrieb Als solche Vorteile stellen sich für den Betrieb dar: Die Regelung macht flexibel, der Umfang der Arbeitsausfälle kann durchaus - auch im Laufe des Bezuges - an die tatsächliche Entwicklung der Auftragslage angepasst werden. So kann der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer bei Verbesserung der Auftragslage unmittelbar mehr arbeiten lassen. Hätte er seine Arbeitskräfte zuvor entlassen, würde er nun wieder Zeit und Kosten für die erneute Gewinnung von Arbeitskräften aufwenden müssen. Aufgrund der demografischen Entwicklung zeichnet sich auf dem Arbeitsmarkt ein Mangel an Fachkräften ab. Werden die Arbeitskräfte als Folge eines konjunkturellen Nachfragerückganges entlassen, so ist es fraglich, ob sie bei einer branchenweiten Besserung der Auftragslage tatsächlich erneut vom letzten Arbeitgeber zurückgewonnen werden können. Dies gilt umso mehr, wenn die Besserung auf dem Arbeitsmarkt mit branchenweiten zeitlichen Verschiebungen eintritt und andere Betriebe attraktiver oder schneller sind. Dies ist heute das wichtigste Argument für einen Betrieb, Kurzarbeit einzuführen - alternativ zur Entlassung der Arbeitskräfte. Am Beispiel der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise seit 2008/09 - mit ihren Auswirkungen auf letztlich nahezu alle Bereiche der Realwirtschaft - kann gut abgeleitet werden, wie schwer berechenbar Entwicklungen sein können. Für manche Branchen oder Betriebe traten die Auswirkungen relativ zeitverzögert ein, in anderen Fällen aber auch äußerst kurzfristig und unerwartet. Damit Betriebe relativ schnell am Markt agieren können, sobald die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sich wieder bessern, ist Kurzarbeit in jedem Fall die bessere Alternative. Eine direkte Annahme von attraktiven Aufträgen ist bei Verbesserung der Auftragslage unter Umständen nicht möglich, wenn erst einmal wieder die Arbeitskräfte gesucht und gewonnen werden müssen. Kurzarbeit minimiert Kosten, indem teilweise weiter produziert werden kann und Gewinnungskosten für die Arbeitskräfte entfallen. Kosten, die bei Aufnahme der Produktion mit neu gewonnenen Arbeitskräften anfielen (Anlernung, Störanfälligkeit der Maschinen mit neuen Bedienern etc.), werden so vermieden. 6 Stand Januar 2011

3) Vorteile für den Arbeitnehmer Arbeitnehmer profitieren von der Regelung, weil sie ihren Arbeitsplatz behalten und damit ihre Existenz sichern. Sie behalten den Anschluss an das Arbeitsleben und leiden nicht unter den negativen Folgen der Stigmatisierung durch eine Arbeitslosigkeit. Gerade ältere Arbeitnehmer verfehlen nach einer Entlassung oft die Wiedereingliederung ins Arbeitsleben und sind nicht selten bis zum Renteneinstieg arbeitslos. Dies kann sich unsere Gesellschaft eigentlich gar nicht mehr leisten. Einerseits besteht heute Einigkeit, dass unsere Wirtschaft auf diese erfahrenen Arbeitskräfte überhaupt nicht verzichten kann. Andererseits bringt ein faktisches Ausscheiden aus dem Arbeitsleben etwa 10 Jahre vor dem gesetzlichen Rentenalter die Sozialsysteme an den Rand ihrer Finanzierbarkeit. Das Beibehalten des Arbeitsplatzes bringt daher für den Arbeitnehmer unverzichtbare Vorteile. IV. Arbeitsrechtliche Regelungen 1) Einleitung Ein Arbeitgeber ist grundsätzlich nicht berechtigt, einseitig Kurzarbeit anzuordnen. Die Einführung von Kurzarbeit ist an bestimmte arbeitsrechtliche Voraussetzungen geknüpft und danach nur zulässig, soweit dies in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung vereinbart ist oder die betroffenen Arbeitnehmer zustimmen. Soweit eine tarifliche Regelung nicht besteht, unterliegt die Einführung von Kurzarbeit grundsätzlich der Mitbestimmung des Betriebsrats ( 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG). Ein Mitbestimmungsrecht besteht auch dann, wenn Kurzarbeit vor dem ursprünglich vereinbarten Zeitpunkt wieder aufgehoben werden soll. Dem Betriebsrat steht darüber hinaus ein Initiativrecht bei der Einführung von Kurzarbeit zu, etwa um Arbeitnehmer seines Betriebs vor einer Kündigung zu schützen. Bei Nichteinigung über die Einführung von Kurzarbeit zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber hat auf Antrag einer der Beteiligten die Einigungsstelle zu entscheiden. Ermächtigen weder Tarifvertrag noch Betriebsvereinbarung oder Einzelvertrag zur Einführung von Kurzarbeit, so bleibt bei Verweigerung des Einverständnisses jedes betroffenen Arbeitnehmers nur die Möglichkeit der Änderungskündigung mit voller Entgeltfortzahlung während der Kündigungsfrist. 2) Anordnung von Kurzarbeit durch Betriebsvereinbarung Sofern ein Betrieb Kurzarbeit, wenn auch nur in bestimmten Betriebsabteilungen, einführen möchte, so hat der Betriebsrat, sofern vorhanden, ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der vom Arbeitgeber beabsichtigten Einführung von Kurzarbeit. Die Regelung ist grundsätzlich zu beachten und einzuhalten, anderenfalls besteht die Beschäftigungspflicht während der betrieblichen Arbeitszeit mit der Konsequenz, dass der Arbeitgeber den vollen Lohn zahlen muss. Über den Zeitpunkt und das Ausmaß der Kurzarbeit muss also Stand Januar 2011 7

zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat eine Einigung getroffen werden. Diese Mitwirkungspflicht des Betriebsrates kann auch nicht durch Einzelvereinbarungen mit den Arbeitnehmern umgangen werden. Sofern der Betriebsrat zur Maßnahme der Kurzarbeit positiv zugestimmt hat, handelt es sich um eine Betriebsvereinbarung, die zwingend auf alle Arbeitnehmer anzuwenden und durchzusetzen ist. Dabei ist eine Betriebsvereinbarung aber nur wirksam, wenn die hierzu erforderliche Schriftform einschließlich der Unterschriften der Verhandlungspartner eingehalten wurde. Anderenfalls könnte es sich lediglich um eine bloße Regelungsabrede handeln, die aber gerade nicht den zwingenden Voraussetzungen einer echten Betriebsvereinbarung Rechnung trägt. Zudem muss die Betriebsvereinbarung inhaltlich bestimmt sein. So müssen Beginn und Dauer der Kurzarbeit, die Lage und Verteilung der Arbeitszeit, die Auswahl der von der Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmer oder Abteilungen sowie auch die Zeiträume, in denen die Arbeit ganz ausfallen soll, festgelegt sein. Sofern allerdings eine tarifliche Kurzarbeitsklausel gültig ist, setzt diese der Betriebsvereinbarung sowohl formale als auch inhaltliche Grenzen. 3) Einseitige Anordnung von Kurzarbeit durch tarifvertragliche Regelungen Des Weiteren kann auf Grund tarifvertraglicher Vereinbarung die Möglichkeit der Einführung von Kurzarbeit und deren Voraussetzungen geregelt werden. Dann bildet die tarifvertragliche Vereinbarung die Rechtsgrundlage für den Arbeitgeber auf Grund des Vorliegens der darin bestimmten Voraussetzungen Kurzarbeit anzuordnen. Dabei sind aber oftmals bestimmte Ankündigungsfristen bezüglich der Anordnung von Kurzarbeit zu beachten. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates ist entbehrlich, wenn dies tarifvertraglich ausgeschlossen ist und zudem im Tarifvertrag selbst eine abschließende Regelung über die Anordnung von Kurzarbeit getroffen wird. Erforderlich ist, dass im Tarifvertrag festgelegt werden muss, unter welchen konkreten Voraussetzungen die Anordnung von Kurzarbeit zulässig sein soll, sog. Kurzarbeitsklausel. Derartige vorsorgliche Regelungen können auch individualvertraglich abgeschlossen worden sein. Es reicht sogar aus, wenn im entsprechenden Individualvertrag Bezug auf die tarifliche Kurzarbeitsklausel genommen wird. Insofern findet die Kurzarbeitsklausel sogar auf nicht tarifgebundene Arbeitnehmer Anwendung. Nicht auseichend ist die tarifvertragliche Bestimmung, Die Einführung von Kurzarbeit ist zulässig, da Regelungen über Voraussetzungen, Umfang und Höchstdauer fehlen. Zunächst muss untersucht werden, ob in dem Betrieb ein Tarifvertrag anzuwenden ist und ob dieser eine sogenannte Kurzarbeitsklausel enthält. Der Reihe nach sollte diese Prüfung wie folgt durchgeführt werden: Tarifbindung resultiert in erster Linie aus der Mitgliedschaft des Arbeitgebers im betreffenden Arbeitgeberverband. Dabei muss der Arbeitgeber der Branche und dem räumlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages zuzuordnen sein. 8 Stand Januar 2011

Tarifbindung besteht aber auch, wenn der Tarifvertrag nach dem Tarifvertragsgesetz für allgemeinverbindlich erklärt wurde und der Betrieb der betreffenden Branche angehört. Tarifbindung besteht auch dann, wenn die Anwendung des Tarifvertrages durch Übernahmeklauseln in jedem einzelnen Arbeitsvertrag vereinbart ist. Eine Tarifklausel im Tarifvertrag ist eine Vorschrift, die sich mit der Einführung von Kurzarbeit beschäftigt. Existiert eine solche Tarifklausel, so muss in ihrem Wortlaut darauf geachtet werden a) in welcher Form die Einführung von Kurzarbeit zugelassen wird und b) in welcher Frist sie eingeführt werden kann. 4) Anordnung von Kurzarbeit durch einzelvertragliche Regelungen Sollte keine tarifvertragliche Regelung oder mangels Betriebsrat (also ein solcher ist erst gar nicht vorhanden) keine Betriebsvereinbarung bestehen, so verbleibt dem Arbeitgeber lediglich die Möglichkeit der einzelvertraglichen Regelung mit den jeweiligen betroffenen Arbeitnehmern. Dass heißt, mit jedem einzelnen Arbeitnehmer müsste eine schriftliche Vereinbarung getroffen werden, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt Kurzarbeit mit einer entsprechenden Kürzung des Entgeltes eingeführt werden kann. Im Prinzip handelt es sich hierbei um eine Änderungsvereinbarung, so dass zeitlich die für das Arbeitsverhältnis geltende Kündigungsfrist einzuhalten wäre. Letztlich wird der alternativ drohende Verlust des Arbeitsplatzes aber als das größere Übel angesehen. Daher kann nach dem Meistbegünstigungsprinzip auch auf die Einhaltung dieser Frist durch den Arbeitnehmer verzichtet werden, also auf diesem Wege relativ schnell Kurzarbeit eingeführt werden. Nach Wegfall der Kurzarbeit gelten automatisch wieder die Arbeitsbedingungen vor deren Einführung. Ein Sonderfall besteht hier allerdings darin, dass eine Kurzarbeitsaufnahme durch die Arbeitnehmer als konkludentes Einverständnis zur Anordnung der Kurzarbeit gewertet werden kann, obwohl eine hierzu erforderliche einzelvertragliche Regelung seitens der Arbeitnehmer noch nicht unterzeichnet ist. Die Arbeitsaufnahme zu Kurzarbeitsbedingungen kann insoweit als stillschweigende Vereinbarung betrachtet werden. Achtung: Sofern Kurzarbeit einmal ausgesprochen wurde, kann dem betroffenen Arbeitnehmer nicht ohne weiteres gekündigt werden. Vielmehr müssen hier neben der erforderlichen Kurzarbeit weitere Gründe hinzu treten, die eine Kündigung rechtfertigen. Der Arbeitgeber sollte sich daher vor Ausspruch von Kurzarbeit darüber im Klaren sein, ob diese den damit verbundenen Zweck in tatsächlicher Weise erfüllen kann. Stand Januar 2011 9

V. Gewährung von Kurzarbeitergeld Die Voraussetzungen für den Anspruch auf Kurzarbeitergeld richten sich sowohl an arbeitsrechtliche Vorbedingungen (wie soeben ausgeführt), den Betrieb, der kollektiv Voraussetzungen erfüllen muss, als auch an den einzelnen Bezieher, der einen individuellen Anspruch haben soll. 1) Arbeitsrechtliche Vorbedingungen Kurz zusammengefasst ist als arbeitsrechtliche Vorbedingung zur Einführung von Kurzarbeit das Vorliegen einer tarifvertraglichen Regelung, eine Betriebsvereinbarung oder eine individualvertragliche Vereinbarung erforderlich. 2) Betriebliche Voraussetzungen a) Betrieb / Betriebsabteilung Nach 171 SGB III muss es sich um einen Betrieb oder um eine Betriebsabteilung handeln, für die Kurzarbeitergeld beantragt werden können. Unter Betrieb ist der Ort der Leistungserstellung (Produktion einschließlich der kaufmännischen Abteilungen) zu verstehen. Nicht maßgebend ist die Rechtsform, die sich im Unternehmensbegriff ausdrückt. Es ist also gleichgültig, ob es sich um ein Einzelunternehmen, eine Personengesellschaft oder eine Kapitalgesellschaft handelt. Selbst verwaltungseigene Betriebe, die genügend verselbstständigt sind und ihre Leistung am Markt anbieten (z. B. Verkehrsbetriebe, Gaswerke...) können zugelassen sein. Die Möglichkeit, dass nur eine Betriebsabteilung für sich zugelassen ist, erleichtert das Erfüllen der Voraussetzungen. So muss die Ursache nur für die Betriebsabteilung vorliegen. Die Mindesterfordernisse (siehe nachfolgend) sind leichter zu erfüllen, weil die Bezugszahl der beschäftigten Arbeitnehmer in der Betriebsabteilung kleiner ist als im gesamten Betrieb. Ebenso ergeben sich Vorteile bei der möglichen Bezugsfrist. Bei Kurzarbeit für nur eine einzige Betriebsabteilung wird die Bezugsfrist nämlich nur für diesen speziellen Betriebsteil verbraucht. Weitere Betriebsteile könnten die Bezugsfrist daher durchaus noch ausschöpfen. Wurde hingegen für den gesamten Betrieb Kurzarbeit beantragt, so ist die Bezugsfrist für sämtliche - also auch alle anderen - Betriebsabteilungen dieses Betriebs verbraucht. Allerdings müssen für die Anerkennung als Betriebsabteilung die entsprechenden betriebsorganisatorischen Voraussetzungen (eigene technische Leitung, eigene Arbeitsmittel, getrenntes Personal, räumliche Trennung, trennbarer Betriebszweck) tatsächlich erfüllt sein. 10 Stand Januar 2011

Die weitere Voraussetzung des 171 SGB III, dass mindestens ein Arbeitnehmer beschäftigt sein müsse, kann man getrost überlesen. b) Erforderliche Ursachen der Kurzarbeit Die Einführung von Kurzarbeit erfordert, dass der Arbeitsausfall auf bestimmte, gesetzlich anerkannte Ursachen zurückzuführen ist. Hiernach muss der Arbeitsausfall auf wirtschaftlichen Ursachen oder auf einem unabwendbaren Ereignis beruhen. Auch sonstige im Wirtschaftsbereich liegende Ursachen sind zugelassen (beispielsweise Rohstoffknappheit). Als wirtschaftliche Ursache wird ausdrücklich auch die Veränderung betrieblicher Strukturen genannt, die durch die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung bedingt ist. Diese Ursachen können konjunktureller oder struktureller Art sein. Bei strukturellen Arbeitsausfällen darf es sich aber nicht um rein betriebsorganisatorische Maßnahmen handeln (z.b. betriebliche Umstellungen wegen der Optimierung von Arbeitsabläufen). Vielmehr müssen die Umstellungen durch die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung verursacht sein. Die Umstellung der Produktion wegen veränderten Nachfrageverhaltens wäre zum Beispiel eine zugelassene Ursache. Das aktuelle Beispiel der Auswirkungen der Finanzkrise auf die reale Wirtschaftstätigkeit erfüllt in jedem Falle diese Voraussetzungen. Geht die Nachfrage nach Konsum- oder Investitionsgütern als Folge der weltweiten Krise zurück, so handelt es sich dabei um einen anzuerkennenden Fall. Das gilt auch dann, wenn Betriebe wegen des veränderten Kreditvergabeverhaltens in eine vorübergehende Problemlage geraten. Selbst eine Bank ist nicht grundsätzlich vom Bezug von Kurzarbeitergeld ausgeschlossen, z. B. wenn sie erhebliche Geschäftsrückgänge wegen eines branchenweiten, allgemeinen Vertrauensverlustes zu verzeichnen hat. Dies sieht bei den die Entwicklung verursachenden Banken allerdings anders aus. Denn bei diesen Betrieben dürfte eine weitere Voraussetzung (Unvermeidbarkeit des Arbeitsausfalles) nicht erfüllt sein. c) Vorübergehender Arbeitsausfall Außerdem wird gefordert, dass lediglich ein vorübergehender Arbeitsausfall vorliegt. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit voraussehbar ist, dass in absehbarer Zeit, mit dem Übergang zur Vollarbeit zu rechnen ist. Das ist bei konjunkturellen Arbeitsausfällen, also den zyklischen Ausschlägen regelmäßig der Fall. Einem wirtschaftlichen Abschwung, der auf konjunkturellen Ursachen beruht, wird regelmäßig auch ein Aufschwung folgen. Im Fall der seit 2008 festzustellenden Wirtschaftskrise wird die zeitliche Dauer dieses Ausschlages bislang sogar überwiegend als relativ kurze Phase prognostiziert, so dass diese Voraussetzung in jedem Fall erfüllt ist. Diese Voraussetzung ist immer als Stand Januar 2011 11

Prognose zu beantworten. Selbst wenn es nachher doch länger dauert als zunächst erwartet, ist es dann ausschlaggebend, ob es aus dieser Perspektive vorübergehend ist. d) Unvermeidbarkeit des Arbeitsausfalls aa) Grundsätzliches Der Arbeitsausfall darf ferner nicht vermeidbar sein. An die Vermeidbarkeit des Arbeitsausfalls werden erhebliche Anforderungen gestellt. Der Arbeitgeber muss in einem Betrieb alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen haben, um den Eintritt des Arbeitsausfalls zu verhindern. Der Arbeitsausfall hätte bei sorgfältiger Geschäftstätigkeit nicht abgewendet werden dürfen. Ein Rückgang der Nachfrage aus konjunkturellen Gründen ist unvermeidbar. Ein Arbeitsausfall wegen eklatanter Fehler des Managements eines Betriebes ist dagegen nicht unvermeidbar. Für die mittelbar Betroffenen einer solchen Krise ist der Arbeitsausfall also unvermeidbar, für die Verursacher dagegen nicht. Zur Unvermeidbarkeit gehört auch, dass alles getan wird, um den Arbeitsausfall zu minimieren oder zu beenden. Beispielsweise gehört dazu eine weiterhin aktive Auftragsakquise, zumutbares Arbeiten auf Lager, in Grenzen auch der Abbau von Urlaubsansprüchen sowie ein begrenzter Abbau von Arbeitszeitguthaben. Als vermeidbar gilt ein Arbeitsausfall auch dann, wenn er überwiegend branchenüblich, betriebsüblich oder saisonbedingt ist oder ausschließlich auf betriebsorganisatorischen Gründen beruht. bb) Mittel der Vermeidbarkeit Der Arbeitsausfall darf nicht durch andere Mittel vermieden werden. Zu prüfen ist daher, ob die Kurzarbeit durch die Gewährung von bezahltem Erholungsurlaub ganz oder teilweise verhindert werden kann; dabei sind jedoch Urlaubswünsche der Arbeitnehmer zu berücksichtigen. Ferner ist zu prüfen, ob der Arbeitsausfall durch die Nutzung von flexiblen Arbeitszeitregelungen (z. B. durch Zeitkonten) ganz oder teilweise vermieden werden kann. Eine Nutzung von Arbeitszeitguthaben zum Ausgleich der Kurzarbeit kann von den Arbeitnehmern jedoch nicht verlangt werden, soweit diese Guthaben ausschließlich für eine vorzeitige Freistellung vor einer altersbedingten Beendigung des Arbeitsverhältnisses gedacht sind (z. B. bei Altersteilzeitarbeit) oder nach einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung zum Zwecke der Qualifizierung des Arbeitnehmers bestimmt sind, 12 Stand Januar 2011

vertraglich (Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung, Einzelarbeitsvertrag) ausschließlich zur Überbrückung von Arbeitsausfällen außerhalb der Schlechtwetterzeit (1.12. bis 31.3.) bestimmt ist (Saison-Kurzarbeitergeld) und 50 Stunden nicht übersteigt, zur Vermeidung der Inanspruchnahme von Saison-Kurzarbeitergeld angespart ist und 150 Stunden nicht übersteigt, länger als ein Jahr unverändert bestanden haben oder den Umfang von zehn Prozent der Jahresarbeitszeit des Arbeitnehmers übersteigen. Befristet bis 31.12.2010 wurde durch die Bundesregierung als Maßnahme des "Konjunkturpaket II" jedoch eine Sonderregelung geschaffen: Grundsätzlich müssen zur Vermeidung von Arbeitsausfällen grundsätzlich zulässige Arbeitszeitschwankungen eingesetzt werden. Dieser Grundsatz wurde nun für die Jahre 2009 und 2010 gelockert, was das Verfahren vereinfacht. Die Sonderregelung sieht vor, dass 2009 und 2010 davon abzusehen ist, Minusstunden zur Vermeidung von Kurzarbeit zu verlangen. Dies gilt selbst dann, wenn im Betrieb arbeitsrechtliche Vereinbarungen existieren, die zur Flexibilisierung der Arbeitszeit Minusstunden sowie eine Entgeltvorauszahlung des Arbeitgebers vorsehen. Danach ist in dieser Zeit die Nutzung der Möglichkeit von Minusstunden ausdrücklich keine Voraussetzung für den Bezug von Kurzarbeitergeld. Die Möglichkeit für Arbeitgeber, die Minusstunden zur Vermeidung von Kurzarbeit im Einvernehmen mit der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer freiwillig zu bezahlen, bleibt jedoch erhalten. e) Mindestumfang des Arbeitsausfalls Schließlich muss der Arbeitsausfall einen gewissen Mindestumfang aufweisen. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn im jeweiligen Kalendermonat für mindestens ein Drittel der in dem Betrieb oder der Betriebsabteilung tatsächlich beschäftigten Arbeitnehmer (ohne Auszubildende) jeweils mehr als 10 % des monatlichen Bruttoentgelts ausfällt. Der Mindestumfang des Arbeits- und Entgeltausfalls (ein Drittel Arbeitnehmer/zehn Prozent Entgelt) bezieht sich auf den Betrieb. Dies bedeutet: Sofern die Mindesterfordernisse erfüllt sind, haben auch andere Arbeitnehmer des Betriebs bei individuell geringerem Entgeltausfall Anspruch auf Kurzarbeitergeld. Bei der Berechnung der Zahl der Beschäftigten sind Auszubildende, Kranke, Beurlaubte oder Personen, deren Arbeitsverhältnis ruht (z. B. wegen Wehrdienst), nicht mitzuzählen. Mit dem Gesetz zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland (Konjunkturpaket II) wurden die Zugangsvoraussetzungen für das Kurzarbeitergeld für die Zeit vom 1.2.2009 bis zum 31.12.2010 auch in diesem Bereich erleichtert. In dieser Zeit genügt es für einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld, wenn ein Entgeltausfall von mehr als 10 % für den einzelnen Arbeitnehmer vorliegt. Stand Januar 2011 13

Die weitere Voraussetzung, dass mindestens ein Drittel der Belegschaft von einem solchen Entgeltausfall betroffen sein muss, wird bis Ende 2010 ausgesetzt. Damit entfallen u. a. auch Abgrenzungsschwierigkeiten bei der Anordnung von Kurzarbeit bzw. der Erfüllung der Voraussetzungen in einzelnen Betriebsabteilungen. VI. Anspruchsberechtigte 1) Persönliche Voraussetzungen Der Arbeitnehmer muss schon vor Beginn des Arbeitsausfalles (im Zweifel einen Tag vorher) in dem Betrieb beschäftigt gewesen sein. Das Gesetz macht allerdings Ausnahmen, wenn zwingende Gründe vorliegen. Auch ein neueingestellter Arbeitnehmer kann vom ersten Tag an Kurzarbeitergeld erhalten, wenn er zum Beispiel eine freigewordene Schlüsselposition besetzt. Wenn der Arbeitsvertrag bereits länger vorher vereinbart war, stellt die Vertragstreue einen zwingenden Grund dar. Gleiches gilt für die Rückkehr nach Elternzeit, Wehrdienst oder die Übernahme eines Auszubildenden in ein Arbeitsverhältnis. Kurzarbeitergeld wird nicht gezahlt für gekündigte Arbeitsverhältnisse in der Kündigungsfrist und für aufgelöste Arbeitsverhältnisse, es sei denn es wurde Kündigungsschutzklage erhoben. Die persönlichen Voraussetzungen für das Kurzarbeitergeld erfüllen Arbeitnehmer, die nach Beginn des Arbeitsausfalls eine versicherungspflichtige Beschäftigung fortsetzen oder aus zwingenden Gründen aufnehmen (z. B. trotz Kurzarbeit benötigte Fachkraft oder Rückkehr freigestellter Arbeitnehmer) oder im Anschluss an die Beendigung eines Berufsausbildungsverhältnisses aufnehmen. Arbeitnehmer, die versicherungsfrei beschäftigt sind (z. B. nach Vollendung des 65. Lebensjahrs oder geringfügig Beschäftigte), haben keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld. Vom Anspruch auf Kurzarbeitergeld ausgeschlossen sind auch Arbeitnehmer, die: Krankengeld beziehen; bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit während des Bezugs von Kurzarbeitergeld wird allerdings zunächst das Kurzarbeitergeld fortgezahlt, solange ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall besteht oder ohne den Arbeitsausfall bestehen würde, an einer beruflichen Weiterbildungsmaßnahme teilnehmen und deshalb Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung oder Übergangsgeld beziehen und 14 Stand Januar 2011

bei den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit im Hinblick auf die Aufnahme einer anderweitigen (zumutbaren) Beschäftigung nicht in gebotener Weise mitwirken. Im Übrigen wird eine Mitwirkung der Arbeitnehmer bei Vermittlungshandlungen der Agentur für Arbeit gefordert. Nimmt oder tritt der Arbeitnehmer trotz Rechtsfolgenbelehrung eine ihm von der Agentur für Arbeit angebotene zumutbare Beschäftigung nicht an, ohne hierfür einen wichtigen Grund zu haben, so finden die Regelungen über die Sperrzeit entsprechende Anwendung. 2) Leiharbeitnehmer Bisher war die Zahlung von Kurzarbeitergeld an Leiharbeitnehmer nur eingeschränkt möglich, da der Vergütungsanspruch auch bei Kurzarbeit nicht wie für andere Arbeitnehmer aufgehoben werden konnte. Dies ist nunmehr befristet bis 31.12.2010 möglich, sodass auch die Arbeitnehmerüberlassungsbranche die Kurzarbeitergeldregelungen nutzen kann. VII. Rechtsfolgen Kurzarbeit führt nicht zur Beendigung eines Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnisses, sondern lediglich zu einer zeit- bzw. teilweisen Suspendierung der Arbeits- und Entgeltzahlungspflicht. Der Arbeitnehmer wird von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung entweder ganz oder teilweise befreit, verliert aber gleichzeitig auch seinen entsprechenden Vergütungsanspruch. Als Ausgleich erhält er einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld. Teilweise sehen tarifliche Vorschriften auch Zuschusszahlungen des Arbeitgebers zum Kurzarbeitergeld vor. Sämtliche Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis bleiben demgegenüber unverändert in Kraft. VIII. Dauer und Höhe des Kurzarbeitergeldes 1) Bezugsfrist des Kurzarbeitergeldes Das Kurzarbeitergeld wird grundsätzlich für eine Dauer von sechs Monaten (sog. Regelbezugsfrist) gezahlt. Diese Regelbezugsfrist kann vom Bundesminister für Arbeit und Soziales durch Rechtsverordnung in verschiedenen Stufen verlängert werden. Diese Regelbezugsfrist wurde zum 1.1.2009 zunächst auf 18 Monate verlängert. Mit Änderungsverordnung vom 29.5.2009 wurde die Bezugsfrist für alle Arbeitnehmer, deren Anspruch auf Kurzarbeitergeld bis zum 31.12.2009 entsteht, auf 24 Monate verlängert. Es wird frühestens von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Anzeige über den Arbeitsausfall bei der Agentur für Arbeit eingegangen ist. Stand Januar 2011 15

Die Bezugsfrist läuft kalendermäßig ab, sie verlängert sich, wenn innerhalb der Bezugsfrist für einen zusammenhängenden Zeitraum von mindestens einem Monat kein Kurzarbeitergeld gezahlt worden ist, um diesen Zeitraum. Die Bezugsfrist wird in vollen Monaten, in denen Kurzarbeitergeld bezogen wird, aufgebraucht. Bei einer Unterbrechung von drei oder mehr Kalendermonaten beginnt grundsätzlich eine neue Bezugsfrist ( 177 SGB III), d. h. der Arbeitsausfall ist auch erneut anzuzeigen. Die zum 1.7.2009 in Kraft getretenen Neuregelungen zur Beitragserstattung beim Kurzarbeitergeld (vgl. Abschnitt 5) sehen jedoch vor, dass auf Antrag des Arbeitgebers auch bei einer Unterbrechung der Kurzarbeit von drei und mehr Monaten innerhalb der Bezugsfrist keine neue Anzeige des Arbeitsausfalls bei der Agentur für Arbeit erforderlich ist ( 421t Abs. 1 Nr. 4 SGB III). Wird ein entsprechender Antrag gestellt, läuft die Bezugsfrist ohne Unterbrechung für den gesamten bewilligten Bezugszeitraum weiter. Rechenbeispiel: In einem Betrieb wird seit 1.3.2008 bis zum 31.8.2008 (6 Monate) Kurzarbeitergeld bezogen. Ab dem 1.9. arbeitet der Betrieb voll. Ab 1.12.2008 setzt erneut Kurzarbeit ein. Da 3 Monate vergangen sind, setzt eine neue Bezugsfrist von 24 Monaten ein, ohne dass die vorherige Bezugszeit noch angerechnet wird. 2) Höhe des Kurzarbeitergeldes a) Berechnungsmethode Die Bestimmung der Höhe des Kurzarbeitergeldes ist in der Praxis unproblematischer, als es zunächst nach dem Gesetzeswortlaut den Anschein hat. Es gilt: Nettoentgelt aus Sollentgelt./. Nettoentgelt aus Istentgelt = Nettoentgeltdifferenz Leistungssatz (60 % oder 67 %) = Kurzarbeitergeld Die Nettoentgeltdifferenz errechnet sich aus dem Unterschiedsbetrag zwischen dem Bruttoarbeitsentgelt, das der Arbeitnehmer ohne den Arbeitsausfall und vermindert um Entgelt für Mehrarbeit in dem Anspruchszeitraum erzielt hätte und dem Bruttoarbeitsentgelt, das der Arbeitnehmer in dem Anspruchszeitraum tatsächlich erzielt hat. Entsprechend der Entgeltersatzquote von 60 % oder 67 % errechnet sich aus der Differenz zwischen dem eigentlichen Arbeitsentgelt (Sollentgelt) und dem tatsächlichen Entgelt (Istentgelt) die Leistungshöhe für den betreffenden Monat. b) Erläuterung der Berechnungsmethode Die Höhe des Kurzarbeitergeldes richtet sich nach dem pauschalierten Nettoentgeltausfall. Das Kurzarbeitergeld beträgt danach für Arbeitnehmer mit einem Kind im Sinne des Steuerrechts 67 Prozent, für die übrigen Berechtigten 60 Prozent der sog. Nettoentgeltdifferenz. 16 Stand Januar 2011

Diese Nettoentgeltdifferenz bezeichnet einen Unterschiedsbetrag zwischen dem pauschalierten Nettoentgelt aus dem Sollentgelt und dem pauschalierten Nettoentgelt aus dem Istentgelt. Sollentgelt ist das Bruttoarbeitsentgelt, das der Arbeitnehmer im Anspruchszeitraum (Kalendermonat) ohne den Arbeitsausfall erzielt hätte. Dies ist grundsätzlich das regelmäßige laufende Arbeitsentgelt einschließlich etwaiger Zulagen, jedoch ohne Entgelte für Mehrarbeit und ohne Einmalzahlungen. Bei stark schwankendem Arbeitsentgelt (z. B. Akkordlohn) ist ein Referenzentgelt maßgebend, das der Arbeitnehmer in den letzten drei Kalendermonaten vor Einführung der Kurzarbeit im Betrieb durchschnittlich erzielt hat. Eine Beschäftigungssicherungsvereinbarung führt aber nicht zum Nachteil der Leistungshöhe. Arbeitnehmer, die im Zuge einer tariflichen oder betrieblichen Vereinbarung zur Beschäftigungssicherung ihre Arbeitszeit reduziert bzw. auf Arbeitsentgelt verzichtet haben, sind im Falle der Kurzarbeit bei der Leistungsberechnung nicht benachteiligt. Ihr Kurzarbeitergeld wird nicht auf der Grundlage der reduzierten Arbeitszeit bzw. des reduzierten Arbeitsentgelts berechnet. Vielmehr wird es auf der Basis des Entgelts bemessen, das sie ohne die Vereinbarung zur Beschäftigungssicherung verdient hätten. Eine vergleichbare Regelung gilt für die Bemessung des Arbeitslosengelds für den Fall späterer Arbeitslosigkeit. Diese Sonderregelung ist befristet bis 31.12.2010. Istentgelt ist das im Anspruchszeitraum tatsächlich erzielte Bruttoentgelt (wiederum ohne Einmalzahlungen). Das Istentgelt erhöht sich jedoch um Entgelte, die aufgrund von Mehrarbeit im jeweiligen Kalendermonat erzielt wurden, aus anderen als aus wirtschaftlichen Gründen ausgefallen sind (z. B. unbezahlter Urlaub) oder der Kurzarbeiter aus einer anderen, während des Bezugs von Kurzarbeitergeld neu aufgenommenen Erwerbstätigkeit erzielt hat. Sollentgelt und Istentgelt sind auf den nächsten durch 20 EUR teilbaren Betrag zu runden. Das dem Sollentgelt und dem Istentgelt jeweils zuzuordnende pauschalierte Nettoentgelt ergibt sich, indem das jeweilige Bruttoentgelt um gesetzlich bestimmte Entgeltabzüge vermindert wird. Dabei sind - wie beim Arbeitslosengeld - als Abzüge zugrunde zu legen: eine Sozialversicherungspauschale in Höhe von 21 % des jeweiligen Bruttoentgelts, die Lohnsteuer nach Maßgabe der jeweiligen Lohnsteuerklasse und der Lohnsteuertabelle, die sich nach dem vom Bundesministerium für Finanzen bekannt gegebenen Programmablaufplan in dem Jahr ergibt, in dem der Anspruch entstanden ist, und der Solidaritätszuschlag ohne Berücksichtigung von Kinderfreibeträgen. Stand Januar 2011 17

Die Beträge der pauschalierten Nettoentgelte werden - anders als beim Arbeitslosengeld - durch Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales jeweils für ein Kalenderjahr festgesetzt. Darüber hinaus wurden die Anspruchsvoraussetzungen (der Zugang zum Kurzarbeitergeld) erleichtert und die Betriebe anteilig oder ganz von den Sozialversicherungsbeiträgen aus dem Kurzarbeitergeld entlastet. Nach einer seit 1.7.2009 geltenden Neuregelung werden dem Arbeitgeber die Beiträge zur Sozialversicherung für die ab 1.1.2009 durchgeführte Kurzarbeit ab dem siebten Monat des Bezugs von Kurzarbeitergeld (frühestens also ab Juli 2009) grundsätzlich in voller Höhe pauschaliert erstattet. c) Pflichten des Arbeitgebers Der Arbeitgeber hat das Kurzarbeitergeld kostenlos zu errechnen, an den Arbeitnehmer auszuzahlen und unter Vorlage einer Abrechnungsliste bei der Agentur für Arbeit zu beantragen. Der Antrag ist für den jeweiligen Anspruchszeitraum innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten zu stellen. Die Agentur für Arbeit kann zur Prüfung der Angaben Einsicht in die Betriebsunterlagen nehmen oder Betriebsprüfungen durchführen, bei grob fahrlässig oder vorsätzlich unzutreffenden Angaben ist der Arbeitgeber schadensersatzpflichtig. Darüber hinaus kann dies als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße von bis zu 1.500 EUR geahndet werden. IX. Besonderheiten im Arbeitskampf Die Arbeitsverwaltung ist bei Arbeitskämpfen zur Neutralität verpflichtet. Durch die Gewährung von Kurzarbeitergeld darf deshalb nicht in Arbeitskämpfe eingegriffen werden. Insoweit gelten die Vorschriften über das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld bei Arbeitskämpfen entsprechend. Bei Arbeitsausfällen von Arbeitnehmern, die unmittelbar am Arbeitskampf beteiligt sind (Streik oder Aussperrung), ruht ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld. Bei Arbeitnehmern, die nur mittelbar (aufgrund von Fernwirkungen) von einem Arbeitskampf betroffen sind, kommt die Zahlung von Kurzarbeitergeld in Betracht, wenn sie nicht dem fachlichen Geltungsbereich des umkämpften Tarifvertrags zuzuordnen sind. Der Anspruch ruht aber dann, wenn der Arbeitnehmer mittelbar betroffen ist und der Arbeitskampf stellvertretend für ihn geführt wird. Arbeitgeber, in deren Betrieb ein Arbeitskampf stattfindet, haben hierüber der Agentur für Arbeit bei Ausbruch und Beendigung des Arbeitskampfs unverzüglich Anzeige zu erstatten. 18 Stand Januar 2011

X. Transferkurzarbeitergeld 1) Grundsätzliches Das Transferkurzarbeitergeld ist eine Sonderform des Kurzarbeitergelds und bildet zusammen mit der "Förderung der Teilnahme an Transfermaßnahmen" ein eigenständiges Leistungssystem bei betrieblichen Restrukturierungsprozessen. Das Transferkurzarbeitergeld unterscheidet sich von dem allgemeinen Kurzarbeitergeld und von dem Saison-Kurzarbeitergeld hauptsächlich in den Fördervoraussetzungen. Anders als die beiden anderen Leistungsarten dient es nicht dem Erhalt von Arbeitsplätzen, sondern soll bei schwerwiegenden betrieblichen Strukturveränderungen einen sozialverträglichen Personalabbau ermöglichen. Gleichzeitig soll die Zeit des Leistungsbezugs genutzt werden, um die Vermittlungs- und Eingliederungsaussichten der von Arbeitslosigkeit bedrohten Arbeitnehmer zu verbessern. 2) Voraussetzungen für Transferkurzarbeitergeld Ein Anspruch auf Transferkurzarbeitergeld setzt voraus, dass die Arbeitnehmer von einem dauerhaften unvermeidbaren Arbeitsausfall mit Entgeltausfall betroffen sind, betriebliche und persönliche Voraussetzungen erfüllt sind und der Arbeitsausfall der Agentur für Arbeit angezeigt worden ist. Ein dauerhafter Arbeitsausfall im Sinne der Regelung liegt vor, wenn infolge einer Betriebsänderung Beschäftigungsmöglichkeiten für Arbeitnehmer nicht nur vorübergehend entfallen sind, d. h. die bisherigen Arbeitskapazitäten auf absehbare Zeit nicht mehr benötigt werden. Die betrieblichen Voraussetzungen sind erfüllt, wenn in einem Betrieb (oder einer eigenständigen Betriebsabteilung) Personalanpassungsmaßnahmen aufgrund einer Betriebsänderung durchgeführt werden und die von dem Arbeitsausfall betroffenen Arbeitnehmer in einer betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit zusammengefasst werden. Die bisher für einen Anspruch auf Strukturkurzarbeitergeld einschränkende Voraussetzung einer "Strukturkrise", die eine Betriebsänderung nach sich ziehen musste, entfällt, sodass das Transferkurzarbeitergeld zur Begleitung aller betrieblichen Restrukturierungsprozesse zur Verfügung steht. Die persönlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Transferkurzarbeitergeld knüpfen an die allgemeinen Regelungen des Kurzarbeitergeldes an, fordern jedoch zusätzlich, dass der betroffene Arbeitnehmer - grundsätzlich vor der Überleitung in die betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit - an Stand Januar 2011 19

einer Maßnahme zur Feststellung der Eingliederungsaussichten teilgenommen hat. Durch dieses sog. "Profiling" sollen die Betroffenen in die Lage versetzt werden, ihre Perspektiven und Chancen auf dem Arbeitsmarkt selbst einzuschätzen und sich ggf. auch gegen den Eintritt in eine betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit und für alternative Fördermöglichkeiten, etwa in einer Transfermaßnahme (Arbeitsförderung), auszusprechen. Dem Aktivierungsansatz des Transferkurzarbeitergelds entsprechend wird der Arbeitgeber verpflichtet, ggf. über Dritte neue Arbeitsplatzangebote zu erschließen und den betroffenen Arbeitnehmern Vermittlungsvorschläge zu unterbreiten. Sofern sich in dem vorgeschalteten Profiling Qualifizierungsdefizite ergeben, soll der Arbeitgeber frühzeitig geeignete Maßnahmen zur Verbesserung der Eingliederungsaussichten anbieten; hierzu kann auch eine sechsmonatige Beschäftigung zum Zwecke der Qualifizierung bei einem anderen Arbeitgeber gehören. Der Anspruch auf Transferkurzarbeitergeld ist ausgeschlossen, wenn die Arbeitnehmer nur vorübergehend in einer eigenständigen Einheit zusammengefasst werden und anschließend auf einen anderen Arbeitsplatz im gleichen Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens bzw. Konzerns übernommen werden sollen. 3) Dauer und Höh des Transferkurzarbeitergeldes Die Dauer des Transferkurzarbeitergeldes ist auf zwölf Monate begrenzt. Zur Leistungshöhe und zum Leistungsverfahren sowie zur Sozialversicherung der Leistungsbezieher gelten die Regelungen des allgemeinen Kurzarbeitergelds entsprechend. Arbeitgeber, die das Transferkurzarbeitergeld für betriebliche Restrukturierungsprozesse nutzen, sind verpflichtet, der zuständigen Agentur für Arbeit jeweils zum Stichtag 30. Juni und 31. Dezember eines Jahres Daten über die Struktur der betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit, die Zahl der darin zusammengefassten Arbeitnehmer sowie Angaben über die Altersstruktur und die Integrationsquote der Bezieher von Transferkurzarbeitergeld zuzuleiten. XI. Erstattung von Arbeitgeberbeiträgen Das "Konjunkturpaket II" sieht für Arbeitgeber, in deren Betrieb Kurzarbeit stattfindet, Entlastungen vor. Befristet für die Jahre 2009 und 2010 gilt eine Sonderregelung ( 421t Abs. 1 Nr. 1 SGB III): Der Beitragsteil, der vom Arbeitgeber allein zu zahlen ist (also für die Differenz von Ist- und Sollentgelt) wird zu 50 % von der Agentur für Arbeit erstattet. Die Erstattung erfolgt auf Antrag des Arbeitgebers monatsweise. Der Erstattungsbetrag errechnet sich pauschal, indem der Beitrag pauschal mit 21 % ( 133 Abs. 1 Satz 2 SGB III) des Bruttoentgeltes angesetzt wird. Durch diese Kostenentlastung der Arbeitgeber sollen die Arbeitnehmer in Beschäftigung gehalten und nicht entlassen werden. 20 Stand Januar 2011

Nimmt ein Arbeitnehmer, der sich in Kurzarbeit befindet, an beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen teil, so erstreckt sich die Erstattung des zusätzlichen Arbeitgeberbeitrages auf 100 %. Die Weiterbildungsmaßnahme darf die Rückkehr auf die regelmäßige Wochenarbeitszeit oder die Erhöhung der Arbeitszeit aber nicht verhindern. Der Antrag auf die Beitragserstattung wird gemeinsam mit dem Antrag auf Erstattung des Kurzarbeitergeldes gestellt. XII. Verfahren Es muss grundsätzlich unterschieden werden zwischen der Anzeige der Kurzarbeit und dem Antrag auf Kurzarbeitergeld (Abrechnungsliste). Die Anzeige befasst sich in erster Linie mit den Umständen, die zur Einführung von Kurzarbeit führen, dem Umfang der Kurzarbeit und mit den arbeitsrechtlichen Voraussetzungen. Hierbei sind das Vorliegen eines erheblichen Arbeitsausfalls und die betrieblichen Voraussetzungen für das Kurzarbeitergeld glaubhaft zu machen. Die Anzeige ist eine materielle Voraussetzung. Ohne sie erwächst gar kein Anspruch. Zulässig ist, dass die Wirksamkeit der Anzeige mit Beginn des Monats einsetzt, in dem sie erstattet wird. Von dieser Regelung zum Monatsbeginn abgesehen, gibt es allerdings keine rückwirkende Leistung. Die Anzeige selbst muss, um wirksam zu sein, mit einer Stellungnahme der Betriebsvertretung zur Einführung der Kurzarbeit versehen sein. Dies bezieht sich insbesondere auf die vorher geschilderten arbeitsrechtlichen Voraussetzungen. In bestimmten Fällen kann die Anzeige auch allein durch den Betriebsrat erfolgen. Zuständig für die Anzeige ist die Agentur für Arbeit, in deren Bezirk der Betriebssitz (Ort der Leistungserstellung) liegt. In jedem Falle ist sinnvoll, rechtzeitig vor Einführung der Kurzarbeit mit der zuständigen Agentur für Arbeit in Verbindung zu treten, so dass auch die Anzeige rechtzeitig erstattet werden kann. Der Antrag auf Kurzarbeitergeld ist ebenfalls schriftlich bei der Agentur für Arbeit zu stellen, in deren Bezirk die für den Betrieb zuständige Lohnstelle liegt. Antragsberechtigt sind nur die Anzeigeberechtigten, nicht hingegen die anspruchsberechtigten Arbeitnehmer. Im Antrag sind die Namen, Anschriften und Sozialversicherungsnummern der Arbeitnehmer mitzuteilen, für die Kurzarbeitergeld beantragt wird. Der Antrag ist innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten zu stellen. Die Frist beginnt mit dem Ablauf des Kalendermonats, in dem die Tage der Kurzarbeit liegen. Reicht der maßgebliche Kurzarbeitszeitraum über mehr als ein Kalendermonatsende hinaus, so beginnt die Frist einheitlich erst mit dem Ablauf des letzten Kalendermonats, für den Kurzarbeitergeld beantragt wird Stand Januar 2011 21

XIII. Alternative Beendigungsmöglichkeiten Mit Kurzarbeit soll trotz fehlender Beschäftigungsmöglichkeiten im Betrieb ein Personalabbau vermieden werden. Dies gelingt jedoch nicht immer. Viele Unternehmen erkennen bereits während der Kurzarbeit, spätestens aber nach dem Ablauf der Bezugsfrist, dass die Wirtschaftslage eine Anpassung des Personalbestands an die Auftragslage erfordert. Personalabbau wird durch Kurzarbeit nicht ausgeschlossen. 1) Betriebsbedingte Kündigung Vor allem kommen in der aktuellen wirtschaftlichen Situation betriebsbedingte Kündigungen in Betracht. Voraussetzung ist der Wegfall des Arbeitsplatzes, so dass in absehbarer Zeit kein Beschäftigungsbedarf mehr besteht. Nicht entscheidend sind die finanziellen oder wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens an sich! Solange Beschäftigungsbedarf vorhanden ist, sind keine betriebsbedingten Kündigungen zulässig. Der Arbeitgeber kann aber durch innerbetriebliche organisatorische Entscheidungen auf wirtschaftliche Probleme reagieren und damit Arbeitsplätze abbauen. Ferner darf kein anderer geeigneter Arbeitsplatz im Unternehmen frei sein. Wurde ein geeigneter freier Arbeitsplatz übergangen, ist eine betriebsbedingte Kündigung unverhältnismäßig und unwirksam. Sind vom Wegfall des Arbeitsplatzes mehrere vergleichbare Arbeitnehmer betroffen, muss der Arbeitgeber nach sozialen Kriterien auswählen, wen er kündigt (sog. Sozialauswahl). Die Kriterien sind: Lebensalter, Betriebszugehörigkeit, Unterhaltsverpflichtungen und (ggf.) Schwerbehinderung. 2) Aufhebungsvertrag Personalabbau kann aber z. B. auch durch den Abschluss von Aufhebungsverträgen durchgeführt werden. Zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags benötigt der Arbeitgeber keine juristisch überprüfbaren Gründe, aber das Einverständnis des Arbeitnehmers. Dieses besteht häufig nur dann, wenn eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes bezahlt wird. Die Abfindungssumme ist frei verhandelbar. Von Arbeitnehmern wird vielfach die sog. "Faustformel" in Höhe eines halben Monatsgehalts pro Beschäftigungsjahr gefordert. Da der Arbeitnehmer mit einem Aufhebungsvertrag freiwillig seinen Arbeitsplatz aufgibt, kann er Arbeitslosengeld in der Regel erst nach einer Sperrzeit beanspruchen. Der Arbeitnehmer muss auf dieses Risiko vom Arbeitgeber hingewiesen werden, wenn deutlich wird, dass nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Arbeitslosengeld bezogen werden soll. Eine allgemeine Hinweispflicht besteht jedoch nicht. Da der Aufhebungsvertrag das Arbeitsverhältnis unmittelbar beendet, muss keine Kündigung ausgesprochen werden und nicht der Kündigungsschutz beachtet werden. 22 Stand Januar 2011

3) Ablauf der Befristung Schließlich besteht die Möglichkeit, befristet eingestellte Mitarbeiter nicht in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu übernehmen oder z. B. Arbeitsplätze nicht wieder zu besetzen, deren Stelleninhaber aus Altersgründen oder durch Eigenkündigung ausgeschieden sind. Die Nichtverlängerung befristeter Arbeitsverhältnisse muss grundsätzlich durch den Arbeitgeber weder dem Arbeitnehmer mitgeteilt noch begründet werden. Der Arbeitsvertrag endet bei wirksamer Befristung zum vereinbarten Beendigungszeitpunkt, wenn dieser im Kalender bestimmbar ist. Ist ein Arbeitsvertrag jedoch zweckbefristet, muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer spätestens zwei Wochen vor Beendigung die Zweckerreichung mitteilen. Dieter Merz Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht Stand Januar 2011 23

Wichtiger Hinweis: Der Inhalt ist nach besten Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der in ihm behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen. Dieter Merz Comeniusstraße 109 01309 Dresden Rechtsanwalt Fon 0351.31 841-21 Fachanwalt für Arbeitsrecht Fax 0351.31 841-10 Mail merz@abtmeyer-merz.de Web www.merz-dresden.de 24 Stand Januar 2011