Health 2.0 E-Health und Web 2.0 als Antwort auf den demografischen Wandel - Gesund in die Gesellschaft des langen Lebens: Kooperation als Chance - Dr. med. Urs-Vito Albrecht, MPH Medizinische Hochschule Hannover, Peter L. Reichertz Institute für Medizinische Informatik der TU Braunschweig und der Medizinischen Hochschule Hannover Carl-Neuberg-Str. 1 30625 Hannover albrecht.urs-vito@mh-hannover.de 27. November 2014 Akademie des Sports, Hannover
Der demografische Wandel Der medizinische und medizinischtechnische Fortschritt sowie die flächendeckende Infrastruktur mit medizinischen, rehabilitativen und pflegerischen Einrichtungen haben dazu beigetragen, dass immer mehr Erkrankungen auch im hohen Alter geheilt, behandelt und gelindert werden können. Hierbei spielen zudem Prävention und Rehabilitation in allen Altersgruppen eine maßgebliche Rolle. http://www.bmg.bund.de/ krankenversicherung/ herausforderungen/ demografischerwandel.html 2/23
Traditioneller Ansatz... Planung und Durchführung von Interventionen in direktem Kontakt mit dem Therapeuten Gespräch mit Anamneseerhebung und Problemidentifizierung Diagnostische und therapeutische Maßnahmen in der Praxis / Klinik, Erfassung von Gesundheitsdaten Beratung zur Prävention von Gesundheitsproblemen Angebote werden nicht immer genutzt oder sind schlicht nicht oder nur schwer erreichbar Fehlen entsprechender Angebote bzw. Therapiemöglichkeiten vor Ort zu aufwendig zeitliche Bindung (sowohl auf Patienten- als auch Versorger-Seite) Verlegenheit Wing RR et al. Benefits of modest weight loss in improving cardiovascular risk factors in overweight and obese individuals with type 2 diabetes. Diabetes Care 2011;34:1481-1486 3/23
... unterstützt durch moderne Technologie Moderne Technologie kann etablierte Angebote nachbilden, aber auch zusätzliche Möglichkeiten bieten viele der vorgenannten Barrieren überwinden helfen... auch die Motivation der Nutzer steigern (Adhärenz)? Möglichkeiten: Telehealth im Sinne des (Remote-) Monitoring etc. AAL-Angebote Interaktiv / aktive Einbindung der Patienten Mobile (Basis-) Kommunikation: Anrufe, SMS, Web-basierte Interventionen Social Media-Ansätze Apps auf Smartdevices (Smartphones, Tablet PCs) Siegel C et al. Contributions of ambient assisted living for health and quality of life in the elderly and care services - a qualitative analysis from the experts perspective of care service professionals. BMC Geriatrics 2014,14:112 4/23
Webbasierte Interventionen Meist Online-Module, die den Teilnehmern ein aus definierten Bestandteilen bestehendes Programm vorgeben Edukative Anteile: Aufklärung, Hintergrundwissen, Tools: Tagebuchfunktionen (Ernährung, Bewegung, Medikamente, sonstige Parameter), Interaktion: Einbindung von Social-Media-Komponenten (Austausch mit anderen Betroffenen in Echtzeit oder über Foren-Funktionen) Vorteile: Teilnehmer können die Inhalte in der für sie angemessenen Geschwindigkeit durcharbeiten bzw. Daten erfassen (Zugangs-) Barrieren werden verringert Mögliche Kostenreduktion? Okorodudu DE, Bosworth HB, Corsino L. Innovative interventions to promote behavioral change in overweight or obese individuals: A review of the literature. Ann Med 2014;7:1-7 5/23
Webbasierte Interventionen Evidenz Webbasierte Interventionen alleine können den direkten Kontakt nicht ersetzen! Werden webbasierte Ansätze mit anderen Maßnahmen, beispielsweise direkter Betreuung durch einen Coach kombiniert, sind sie erfolgreicher als bei alleiniger Nutzung Vermehrte Nutzung korreliert positiv mit Erfolg der Maßnahmen Okorodudu DE, Bosworth HB, Corsino L. Innovative interventions to promote behavioral change in overweight or obese individuals: A review of the literature. Ann Med 2014;7:1-7 6/23
Social Media Im medizinischen Kontext werden Social Media-Angebote häufig auch in schwierigen Lebenssituationen genutzt um sich mit anderen auszutauschen Integriert in Angebote von Gesundheitsdienstleistern Facebook Dieser Trend ist inzwischen auch bei älteren Nutzern angekommen Bekämpfung der Einsamkeit Verbreiten von gesundheitsrelevanten Informationen Aber: Neulinge (unabhängig vom Alter) müssen an die Nutzung herangeführt werden bzw. eine gute Einführung erhalten um die Scheu zu verlieren! Kleist A. Social Media Use of Older Adults: A Mini-Review. Gerontology 2013;59:378-384 7/23
Social Media Die Integration von Social Media in Interventionen kann dazu führen, dass Nutzer sich intensiver mit ihrer Gesundheit bzw. mit weiteren E-Health / mhealth / Angeboten auseinandersetzen die Angebote vermehrt nutzen Unterschiedliche Ansätze werden verfolgt Integriert in webbasierte oder sonstige (mobile) Angebote, dort u.a. als Forum, über das sich die Nutzer austauschen Nutzung von üblichen Social Networks, z.b. Facebook, dort zumeist über private Gruppen Aktivierung der Nutzer durch den Austausch mit anderen Betroffenen Brindal E et al. Features Predicting Weight Loss in Overweight or Obese Participants in a Web-Based Intervention: Randomized Trial. J Med Internet Res 2012;14(6):e173 Maher CA et al. Are health behavior change interventions that use online social networks effective? A systematic review. J Med Internet Res 2014;16(2):e40 8/23
Social Media Evidenz Echte Erfolge beim Einsatz sozialer Medien im medizinischen Kontext werden nur in wenigen publizierten Studien gesehen Immerhin: Nutzung dieser Medien wird von vielen positiv gesehen Die eingesetzten Medien werden von vielen Nutzern auch im normalen Alltag eingesetzt und nicht als störend empfunden Insgesamt: Die Kombination aus mehreren Komponenten (mobil, Web, Social Media) macht s! Napolitano M et al. Using Facebook and text messaging to deliver a weight loss program to college students. Obesity 2013;21(1):25-31 Kleist A. Social Media Use of Older Adults: A Mini-Review. Gerontology 2013;59:378-384 9/23
mhealth-basierte Interventionen... nutzen unterschiedlicher (Interaktions-) Level werden in professionellen Umfeld meist in Kombination mit webbasierten Interventionen bzw. direkter Betreuung eingesetzt Zur Verfügung gestellte Funktionen ähneln stark dem, was auch webbasierte Interventionen bieten Tagebuchfunktionen, Informationsbereitstellung, Integration von sozialen Medien Basiskommunikation: Coaching über direkte Kontaktaufnahme bzw. SMS-Nachrichten zur Motivation / Erinnerung / Verstärkung bestimmter Verhaltensweisen Moderate Erfolge, gute Akzeptanz Ungeklärt bleibt aber, wie das optimale Timing (Uhrzeiten) bzw. die ideale Frequenz der versandten Nachrichten bzw. Kontaktaufnahmen aussieht Okorodudu DE, Bosworth HB, Corsino L. Innovative interventions to promote behavioral change in overweight or obese individuals: A review of the literature. Ann Med 2014;7:1-7 10/23
mhealth-basierte Interventionen Mobilgeräte (und evtl. angeschlossener Sensorik) bieten aber noch zusätzliche Unterstützungsmöglichkeiten (Stichwort: Quantified Self): Automatisches Tracken von Bewegung über integrierte Schrittzähler Erfassung von Gesundheitsdaten wie Gewicht, Blutdruck etc. über das Mobilgerät, ohne die Notwendigkeit einer manuellen Erfassung, inkl. Erinnerungsfunktion Zeitnahe Erfassung der Daten am Point of Care Einfacher Zugriff auf zusätzliche Information, z.b. Ernährungsdatenbanken (inkl. Barcode-Scanner) oder sonstige Dienste scheinen (altersübergreifend) in einigen Studien einen positiven Effekt zu haben Wie erfolgreich mobile Interventionen letztlich insgesamt sind, ist schwer zu beurteilen Okorodudu DE, Bosworth HB, Corsino L. Innovative interventions to promote behavioral change in overweight or obese individuals: A review of the literature. Ann Med, 2014, 7, 1-7 Albrecht UV, von Jan U. Medical Apps in Metabolic Endocrine Diseases - Hide and Seek. Therapeutic Advances in Endocrinology and Metabolism. Ther Adv Endocrinol Metab. Apr 2014; 5(2): 23 33 11/23
Vertrauenswürdige Anwendungen sichere Funktionalität hohe Qualität in der Herstellung inhaltliche Validität und Reliabilität hohe Gebrauchstauglichkeit Fehlermanagement, Fehlerkommunikation und Pflege Transparenz des Herstellers in allen Punkten, inkl.: Anwendungsbereich der Anwendung Einschränkungen der Anwendung Autoren und Quellen Datenerfassung, -speicherung und -nutzung Finanzierung und Interessenkonflikte 12/23
DIE perfekte App gibt es nicht 1. Apps machen nicht was sie sollen: 2. Apps machen mehr als sie sollen: Versprochene Funk.onalitäten stehen nicht zur Verfügung oder funk.onieren nicht wie sie sollen Technische Unzulänglichkeiten Problema.scher Inhalt Programmierfehler, fehlerhaee Umsetzung Probleme bei der Bedienung Beeinträch.gung des Nutzers selbst, seiner Daten, oder seiner Umgebung (reicht von Frustra.on bis hin zu Gefährdung) Die App enthält Funk.onen, die nicht für ihren Einsatzzweck nö.g sind Datensammlung Datenspeicherung Datenübertragung Datenverarbeitung Verletzung der Persönlichkeitsrechte des Nutzers und/oder der Rechte derjenigen, mit denen er interagiert (z.b. unerwünschte Werbung basierend auf persönlichen Profilen, Tracking) Albrecht UV. Trustworthy Medical Apps - 8. Sitzung des Ausschusses "Telematik" der Bundesärztekammer, 22. August 2013, Berlin 13/23
Einschätzung der Vertrauenswürdigkeit Kriterien Inhalt App- Status Ist die App ein Medizinprodukt entsprechend der regulatorischen Vorgaben oder besteht eine alterna.ve Zer.fizierung? Zweck Ist der Zweck der App klar und verständlich beschrieben? Funk=on Ist die Funk.onsbeschreibung ausführlich, verständlich und entspricht die Funk.onalität den Anforderungen? Risiken und Limits Sind Risiken und Limits der App in Bezug auf die medizinischen und technischen Aspekte beschrieben? Verlässlichkeit der Inhalte Werden die Autoren und ihre Qualifika.onen benannt? Werden Informa.onsquellen angegeben und sind diese verlässlich? Bestehen Interessenkonflikte, welche die Inhalte beeinflussen können? Datenschutz und Privatsphäre Haben Nutzer Kontrolle über ihre Daten, welche wann gespeichert werden und werden sie darüber informiert, wie sie die Datensammlung beeinflussen können? Kann die App auch ohne Angaben von persönlichen Daten genutzt werden und erfolgt die Angabe von Daten freiwillig? Wurden adäquate Maßnahmen zur Gewährleistung des Datenschutzes während Datenerhebung, Speicherung und Sendung vorgenommen und werden die Nutzer über ihre Rechte aufgeklärt? Impressum Ist die dargebotene Informa.on ausreichend, um den Hersteller/Herausgeber zu iden.fizieren und zu kontak.eren? Albrecht UV. Transparency of Health-Apps for Trust and Decision Making J Med Internet Res 2013;15(12):e277. URL: http://www.jmir.org/2013/12/e277/ 14/23
Fazit 1. Die perfekte Lösung für alle Nutzergruppen gibt es nicht... Erfolg entsprechender (durch Technik unterstützter) Interventionen: Kurzfristig: Interventionen (Web/mobil) oft sehr erfolgreich Mittel- bis langfristig: nur moderate Erfolge 2....aber mobil sollte sie sein Studien, die echte (dauerhafte(re)) Erfolge vermelden, beschreiten meist Wege, die für die Nutzer nur wenig Aufwand bedeuten und überall nutzbar sind bzw. mehrere Zugangswege bieten mhealth! Aufklärung, Information, Kommunikation mit dem Arzt, Interaktion mit anderen Betroffenen, Tagebuchfunktion, auch auf dem Smartphone Vergleichsweise bequem, mögliche Zeitersparnis Kostenersparnis? Verbesserte Adhärenz? Akzeptanz? 15/23
Fazit 3. Einbeziehen von Erkenntnissen aus dem EbM-Bereich 4. Weitere Studien nötig: Eingeschränkte Vergleichbarkeit durch Heterogenität der unterschiedliche publizierter Studien Gerade im mobilen Bereich aktuelle Entwicklungen berücksichtigen! Viele Studien beziehen sich auf USA (Übertragbarkeit EU/D?) 5. Nutzungsbarrieren senken: Eingeschränkter Zugriff / Nutzbarkeit für bestimmte Patientengruppen? (GUI-Design, Verfügbarkeit Handy / Computer / Internetzugang, ) von verbesserter Usability profitieren ALLE Nutzergruppen, nicht nur Ältere; verbesserte Akzeptanz bei Beachtung entsprechender Grundsätze Zur Akzeptanz auf professioneller Seite sollte auch auf eine Erstattungsfähigkeit entsprechender Maßnahmen hingewirkt werden 16/23
6. Interdisziplinär zum Ziel Becker S, Miron-Shatz T,Schumacher N,Krocza J, Diamantidis C, Albrecht UV! mhealth 2.0: Experiences, Possibilities, and Perspectives! JMIR mhealth uhealth 2014;2(2):e24! URL: http:// mhealth.jmir.org/ 2014/2/e24/! doi:10.2196/mhealth. 3328! 17/23