KÄRNTNER BAUVORSCHRIFTEN ABSTANDSREGELUNGEN 20. November 2007 1) Abstände ( 4 K-BV) Die Abstandsregelung bezieht sich auf oberirdische Gebäude und sonstige bauliche Anlagen. Oberirdische Gebäude und bauliche Anlagen müssen voneinander und zur Grundstücksgrenze einen ausreichenden Abstand haben, sofern sie nicht unmittelbar aneinander gebaut werden. Was ein ausreichender Abstand ist, wird in 4 Abs 2 und 3 K-BV festgelegt. Fehlt ein Bebauungsplan oder wurden in diesem die Abstände nicht (hinreichend) festgelegt, sind insoweit die Bestimmungen der 5 bis 10 anzuwenden. Bestimmungen über die Abstände von Grundstücksgrenzen und von Gebäuden im Sinne des 23 Abs 3 K-BO, welche auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen, ergeben sich also entweder aus 4 bis 10 K-BV oder aus einem Bebauungsplan. Nicht jede in einem Bebauungsplan enthaltene Abstandsregelung kann also die Anordnungen der 4 bis 10 ersetzen. Nach den EB (Erläuternden Bemerkungen) müssen es qualifizierte Abstandsregelungen sein (Inhalt des Bebauungsplanes gemäß 25 GemeindeplanungsG). Die Bestimmung des 25 Abs 7 des Kärntner Gemeindeplanungsgesetzes 1995 normiert Folgendes: Werden Baulinien nicht zugleich mit Bebauungsbedingungen nach Abs 1 lit b ( die bauliche Ausnutzung der Baugrundstücke ) und lit d ( die Geschossanzahl oder die Bauhöhe ) oder mit Festlegungen nach Abs 6 ( wenn es zur Schaffung eines einheitlichen Straßenbildes oder Platzraumes erforderlich ist, ist festzulegen, dass mit den Gebäuden an eine bestimmte Baulinie herangerückt werden muss ) verbunden, so ersetzen sie nicht die Festlegung des Abstandes oberirdischer Gebäude (und auch sonstiger baulicher Anlagen) zur Grundstücksgrenze in einem Bauverfahren nach der K-BO 1996.
2 Wird daher in einem Bebauungsplan nicht hinsichtlich aller Seiten des Grundstückes ein derart qualifizierter Abstand festgelegt, sondern zb nur für zwei Seiten, so gelten hinsichtlich der anderen (zwei) Seiten die Abstandsregelungen der K-BV. 4 Abs 3 K-BV: Der Abstand oberirdischer Gebäude und baulicher Anlagen voneinander und von der Grundstücksgrenze ist nach den Bestimmungen der 5 bis 10 so festzulegen, dass a) jener Freiraum gewahrt bleibt, der zur angemessenen Nutzung von Grundstücken und Gebäuden auf dem zu bebauenden Grundstück und auf den Nachbargrundstücken erforderlich ist, b) eine nach Art des Vorhabens ausreichende Belichtung möglich ist und c) Interessen der Sicherheit und des Schutzes des Ortsbildes nicht verletzt werden. 4 Abs 3 K-BV umschreibt die Zielsetzungen (Interessen), die für die Festlegung von Abständen maßgebend sind. Diese Bestimmung ist vor allem auch dann zur Auslegung heranzuziehen, wenn sich die Frage ergibt, ob gemäß 8 K-BV die Tiefe von Abstandsflächen zu vergrößern oder gemäß 9 K-BV die Tiefe von Abstandsflächen zu verringern ist. Aus 4 Abs 1 erster Satz K-BV kann weder eine normative Anordnung, dass Gebäude zusammengebaut werden müssen, noch eine solche, dass sie in einem ausreichenden Abstand zueinander errichtet werden müssen, abgeleitet werden. Da 4 K-BV keine Vorschrift enthält, die den Zusammenbau von Gebäuden (insbesondere) an der Grundstücksgrenze verhindert, ist es dem Anrainer, sofern nicht ein Bebauungsplan anderes vorschreibt, nach den baurechtlichen Vorschriften nicht verwehrt, an die Grenzmauer eines schon bestehenden Gebäudes anzubauen, und zwar ungeachtet des Umstandes, ob dort Fensteröffnungen vorhanden sind oder nicht (VwGH 11.12.1986, 84/06/0149). Mit der Formulierung in 4 Abs 1 K-BV ( sind anzuordnen ) bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass damit neue Gebäude oder Änderungen der Außenausmaße erfasst sind. Eine bewilligungspflichtige Änderung eines Gebäudes, mit der weder eine Veränderung der Situierung, noch eine Vergrößerung des Bauvolumens verbunden ist, kann in das Nachbarrecht auf Einhaltung der Abstandsfläche nicht eingreifen, weil eine solche Änderung auf die Anordnung des Gebäudes isd 4 Abs 1 K-BV keinen Einfluss hat (VwGH 2.9.1999, 95/05/0269).
3 2) Abstandsflächen ( 5 K-BV) Die Regelung über die Abstandsflächen in 5 K-BV bezieht sich nur auf Gebäude und nicht auch auf sonstige bauliche Anlagen. Die hier festgesetzten Abstandsflächen sind Mindestabstandsflächen. Für jede Außenwand eines oberirdischen Gebäudes ist eine Abstandsfläche zu ermitteln. Es sind so viele Schattenpunkte für die Ermittlung der Abstandsflächen heranzuziehen, dass durch die Verbindung der Schattenpunkte eine genaue Silhouette der Außenwand, für die diese Abstandsfläche ermittelt wird, wiedergegeben wird. Ob das Gebäude auf einer Ebene oder im geneigten Gelände errichtet wird, ist für die Berechnung der Abstandsflächen ohne Bedeutung. Die Abstandsfläche liegt immer in einer Waagrechten, die beim Fußpunkt der Außenwand ansetzt, also beim Schnittpunkt der Außenwand mit dem projektierten Gelände (VwGH 15.6.1999, 98/05/0052). Projektiertes und gewachsenes Gelände sind nur dann ident, wenn keine Anschüttungen oder Abgrabungen erfolgen. Das projektierte Gelände ist das Gelände, wie es sich nach Fertigstellung des Bauvorhabens darstellen wird. Es ist auch nach der Bauansuchenverordnung darzustellen. Wird also eine Änderung des gewachsenen Geländes beabsichtigt, so hat dies Bestandteil des Baubewilligungsantrages und des geplanten Bauvorhabens zu sein. Die Dicke eines (projektgemäß vorgesehenen) Vollwärmeschutzes an den Außenmauern ist abstandsrelevant, weil der Abstand nicht vom Rohbau, sondern von der projektgemäß fertigen Außenwand zu messen ist. Weiters gelangte der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 22.11.2005, 2004/05/0212, zu dem Ergebnis, dass nach den K-BV Abstandsflächen auch vor Gebäudeecken zu liegen haben. Soferne untergeordnete Vorbauten und Bauteile ( 6 Abs 2 lit a bis d) das Ausmaß von 1,30 m nicht überschreiten, können sie bei der Berechnung der Abstandsflächen unberücksichtigt bleiben.
4 Überschreiten diese Vorbauten und Bauteile jedoch das Ausmaß von 1,30 m, so ist anstelle der tatsächlichen Außenwand eine gedachte lotrechte Ebene heranzuziehen, die parallel zur Außenwand, jedoch um 1,30 m von der äußersten Begrenzung des Gebäudes in Richtung der tatsächlichen Außenwand anzunehmen ist; es handelt sich hiebei um eine gedachte (gezeichnete) Begrenzungslinie. Ergibt sich aus 5 Abs 1 K-BV eine Tiefe der Abstandsfläche von weniger als 3,00 m, so ist als Tiefe der Abstandsfläche 3,00 m anzunehmen ( 5 Abs 2 K-BV). 3) Wirkung von Abstandsflächen ( 6 K-BV) Die Abstandsflächen stellen eine Bauverbotszone dar, in der nur die ausdrücklich im 6 Abs 2 K-BV angeführten Gebäude und baulichen Anlagen errichtet werden dürfen. Die Gebäude müssen so angeordnet werden, dass auch von den angeführten Ausnahmen abgesehen keine bestehenden Gebäude und baulichen Anlagen in diesen Abstandsflächen zu liegen kommen, weil der Sinn der Abstandsflächen eben ist, dass sie nicht verbaut werden sollen. 6 Abs 2 lit a K-BV: Bauliche Anlagen, die an keiner Stelle mehr als 1,50 m hoch sind, dürfen ohne weitere Prüfung in den Abstandsflächen errichtet werden. 6 Abs 2 lit b K-BV: Ein Gebäude oder eine sonstige bauliche Anlage, die höher als 1,50 m, jedoch nicht höher als 2,50 m über dem angrenzenden projektierten Gelände liegen, dürfen nur dann in den Abstandsflächen errichtet werden, wenn die Voraussetzungen nach Abs 2 lit b aa) bis cc) erfüllt sind. Wesentlich ist der Hinweis, dass die Gebäudegröße annähernd der Größe einer Garage für einen Stellplatz entsprechen muss. Größere Gebäude sind jedenfalls unzulässig und zwar auch dann, wenn die Höhe von 2,50 m nicht überschritten wird. Maßgebend für die Ermittlung der Höhe von Gebäuden und sonstigen baulichen Anlagen, die in den Abstandsflächen errichtet werden dürfen, ist jedenfalls das angrenzende projektierte Gelände. Da das Projekt nur auf dem Baugrundstück errichtet wird, kann mit angrenzenden projektierten Gelände nur das das Vorhaben umgrenzende Gelände gemeint sein (VwGH 27.1.2004, 2001/05/1130).
5 6 Abs 2 lit c K-BV: Dachvorsprünge, Sonnenblenden, Erker, Balkone, Wetterdächer u.ä. bis zu einer Ausladung von 1,30 m. Nach dem Sprachgebrauch wird unter einem Erker ein in der Regel geschlossener, überdachter, vorspringender Teil an Gebäuden verstanden, der unter Umständen über ein Geschoss oder über mehrere Geschosse reichen kann. Dieser Gebäudeteil wird in der Regel nicht vom Boden hochgeführt, sondern ragt dem Gebäude frei vor oder er wird von einem Mauervorsprung oder einer Säule gehalten (VwGH 22.10.1992, 92/06/0096). Weiters wurde durch den Verwaltungsgerichtshof die Rechtsansicht vertreten, dass als Erker oder erkerähnliche Bauteile keinesfalls großflächige, vor die Fassade vorspringende, sondern vielmehr nur Ausbauten zur geringfügigen Vergrößerung eines Raumes verstanden werden. VwGH 27.6.1996, 96/06/0135: Einem Bauteil, der über die gesamte Breite des dahinter liegenden Raumes vor die Fassade vorspringt (Breite: ca 5 m), kann nicht mehr der Charakter eines Erkers oder erkerähnlichen Bauteiles zuerkannt werden. VwGH 4.9.2001, 2000/05/0155: Ein Vorbau mit einer Länge von rd. 8 m und einer Höhe von rd. 7 m, der für die Unterbringung eines Stiegenhauses vorgesehen ist, kann nicht als privilegierter Bauteil im Sinne des 6 Abs 2 lit c K-BV bewertet werden. VwGH 22.11.2005, 2004/05/0212: Eine Außenstiege mit einer max. Breite von 1,20 m an der nördlichen Gebäudefront ist vor dem Hintergrund ihrer Auswirkungen auf die im 4 Abs. 3 K- BV umschriebenen Schutzgüter als untergeordneter Bauteil im Sinne des 6 Abs. 2 lit. c leg. cit. zu qualifizieren, weil diese Bestimmung vergleichbare Ausführungen zulässt (u.ä.) und weil sie eben im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf diese Schutzgüter durchaus einem Balkon vergleichbar ist. 6 Abs 2 lit d K-BV: Überdeckte, seitlich offene oder an einer Längsseite geschlossene und höchstens 2,00 m breite und 2,50 m hohe Zugänge.
6 4) Gebäudeanordnung und Abstandsflächen ( 7 K-BV) Die Anordnung des 7 K-BV bezieht sich nur auf oberirdische Gebäude. Eine Überdeckung von Abstandsflächen gegenüberliegender Außenwände ist nur zulässig, wenn es sich um Abstandsflächen innerhalb desselben Baugrundstückes handelt. In diesem Fall dürfen sie einander bis zu ihrer halben Tiefe überdecken. Entsteht dadurch jedoch ein zu geringer Abstand, dann kommt die Regelung des 8 K-BV betreffend die Vergrößerung der Tiefe der Abstandsflächen zum Tragen. Abstandsflächen nicht gegenüberliegender Außenwände, das sind solche, die in einem rechten oder stumpfen Winkel zueinander stehen, dürfen sich immer überdecken. Die Anordnung, dass sich die Abstandsflächen gegenüberliegender Außenwände im Normalfall nicht überdecken dürfen, kann sich nur auf Gebäude beziehen, die nach dem Inkrafttreten der Kärntner Bauvorschriften 1980, also nach dem 1.10.1980, bewilligt worden sind. Gebäude, die vorher bewilligt worden sind, haben keine Abstandsflächen. Eine vergleichbare Situation ergibt sich auch dann, wenn von der Behörde nach 9 K-BV die Abstandsfläche auf Null reduziert wird, sodass sie überhaupt wegfällt. In diesen Fällen kann eine Überdeckung von Abstandsflächen begrifflich ebenfalls nicht mehr eintreten. Im Falle einer teilweisen Verringerung der Tiefe der Abstandsflächen sind die Regelungen des 7 K-BV hinsichtlich der noch verbleibenden Abstandsfläche jedenfalls anzuwenden. Ergibt sich aus dem Umstand, dass Altbauten keine Abstandsflächen haben, die Situation, dass zwischen einem Neubau und einem Altbau ein zu geringer Abstand entstünde, so hat die Behörde nach 8 K-BV die Tiefe der Abstandsfläche im Einzelfall im Baubewilligungsbescheid größer festzulegen. Oberirdische Gebäude sind gemäß 7 Abs 2 K-BV so anzuordnen, dass die Abstandsflächen auf dem Baugrundstück selbst liegen. Eine Ausnahme hievon gewährt nur 7 Abs 3 K-BV hinsichtlich der angrenzenden öffentlichen Verkehrsflächen, welche bis zu ihrer halben Tiefe in die Abstandsfläche einbezogen werden dürfen.
7 Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in seinem Erkenntnis vom 16.3.1993, Zl. 93/05/0041, die Rechtsansicht, dass sich die Beurteilung der Frage, ob in baurechtlicher Hinsicht eine Fläche als öffentliche Verkehrsfläche anzusehen ist, nicht nach der Anwendbarkeit der StVO, sondern danach richtet, ob diese Fläche im Flächenwidmungs- oder Bebauungsplan als öffentliche Verkehrsfläche gewidmet ist. 5) Vergrößerung der Tiefe der Abstandsflächen ( 8 K-BV) a) Allgemeines Die Bestimmungen des 5 K-BV sind Mindestabstandsflächen. Durch die Regelung des 8 K-BV wird daher die Möglichkeit geboten, im Einzelfall im Baubewilligungsverfahren die sich aus 4 bis 7 ergebende Tiefe von Abstandsflächen zu vergrößern. Die Vergrößerung der Tiefe der Abstandsflächen ist eine normative (bescheidmäßige) Anordnung der Baubehörde im Einzelfall. Dies sollte daher im Spruch des Baubewilligungsbescheides auch eindeutig zum Ausdruck kommen und erfordert eine ausreichende und nachvollziehbare Begründung. b) Die Vergrößerung der Tiefe der Abstandsflächen nach 8 Abs 1 K-BV Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Bestimmung des 8 Abs 1 K-BV ist, dass im Hinblick auf die Lage oder Form des Grundstückes oder auf den Verwendungszweck des zu errichtenden Gebäudes und/oder der bestehenden Gebäude die Erforderlichkeit der Vergrößerung der Tiefe der Abstandsflächen im Interesse der Sicherheit (von Personen und/oder Sachen) oder der Gesundheit von Personen oder des Schutzes des Ortsbildes oder zur Gewährleistung eines Lichteinfalles nach 48 Abs 1 erster und zweiter Satz erforderlich ist. Unter bestehenden Gebäuden können nur zulässigerweise errichtete Gebäude verstanden werden.
8 Beispiele für eine Vergrößerung der Tiefe der Abstandsflächen: o Wenn sich das Grundstück in Hanglage befindet und daher die Einhaltung der Mindestabstände eine ausreichende Belichtung von Aufenthaltsräumen nicht gewährleistet, o Wenn das Gebäude in unmittelbarer Nähe von einem Wald errichtet werden soll (aus Interessen der Sicherheit), o Wenn sich im Hinblick auf den Verwendungszweck des Gebäudes Bedenken im Zusammenhang mit einem gesundheitsstörenden Lärm ergeben (im Interesse der Gesundheit). Die Bestimmung des 8 Abs 1 K-BV gewährt dem Nachbarn ein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht. Die Anordnung der Vergrößerung der Tiefe der Abstandsflächen liegt nicht im Ermessen der Baubehörde. Liegen die Voraussetzungen vor, dann hat die Behörde die Abstandsflächen zu vergrößern. c) Die Vergrößerung der Tiefe der Abstandsflächen nach 8 Abs 2 K-BV Ist die Einhaltung der sich aus 4 bis 7 ergebenden Abstände nur möglich, wenn gegenüber dem ursprünglichen Geländeverlauf Anschüttungen durchgeführt werden, so ist gemäß 8 Abs 2 K-BV die Tiefe der Abstandsfläche um sechs Zehntel der Höhe der Anschüttung zu vergrößern. 8 Abs 2 K-BV regelt die Vergrößerung der Tiefe der Abstandsflächen bei Anschüttungen. Diese Bestimmung ist erforderlich, um Umgehungen der Zielsetzungen der Abstandsregelungen zu verhindern. Die Erfahrungen der Praxis haben nämlich gezeigt, dass in vielen Fällen durch die Vornahme von Anschüttungen, die durchaus nicht dem Geländeverlauf entsprechen, eine Verringerung der Abstandsflächen herbeigeführt wurde. 6) Verringerung der Tiefe der Abstandsflächen ( 9 K-BV) a) Allgemeines Der Baubehörde ist es nicht freigestellt, nach freiem Ermessen Abstände zu verringern oder nicht. Die Abstände sind zu verringern, wenn die Voraussetzungen hiefür vorliegen.
9 Die Verringerung der Tiefe der Abstandsflächen ist eine normative (bescheidmäßige) Anordnung der Baubehörde im Einzelfall. Dies sollte daher im Spruch des Baubewilligungsbescheides auch eindeutig zum Ausdruck kommen und erfordert eine ausreichende und nachvollziehbare Begründung. Eine Verringerung der Tiefe von Abstandsflächen auf Grund von Bestätigungen von Anrainern, dass sie mit einer Verringerung der Abstandsflächen einverstanden sind, ist nicht zulässig! b) Die Verringerung der Tiefe der Abstandsflächen nach 9 Abs 1 K-BV 9 Abs 1 K-BV bietet die Möglichkeit in Gebieten, in denen beim vorhandenen Baubestand die Abstandsflächen nicht den Bestimmungen der 4 bis 7 entsprechen, die Abstandsflächen zu verringern, wenn Interessen der Sicherheit nicht entgegenstehen und insgesamt ein den öffentlichen Interessen zumindest in gleicher Weise wie bisher entsprechender Zustand beibehalten wird. Unter dem vorhandenen Baubestand sind die zulässigerweise errichteten baulichen Anlagen zu verstehen. Der Begriff vorhandener Baubestand ist dahin zu verstehen, dass damit der in dem Bereich, in welchem das Bauvorhaben realisiert werden soll, bestehende Baubestand gemeint ist. Das können mehrere oder auch viele (rechtmäßig bestehende) Bauwerke sein, aber auch mangels Einschränkung des Gesetzes ein solches einzelnes Bauwerk (VwGH 20.9.2005, 2004/05/0185). Wenn sowohl auf der Liegenschaft des Bauwerbers als auch auf der Liegenschaft des Nachbarn Gebäude baubehördlich bewilligt sind, die die nunmehr vorgesehenen Abstände nicht einhalten, ist bei einer Aufstockung nur zu prüfen, ob die Voraussetzungen des 9 Abs 1 K-BV vorliegen (VwGH 30.5.2000, 96/05/0212). Welche Kriterien hat die Baubehörde bei der Prüfung der Frage, ob durch das beantragte Bauvorhaben ein den öffentlichen Interessen zumindest in gleicher Weise wie bisher entsprechender Zustand beibehalten wird, zu berücksichtigen: Nach den EB stand für den Gesetzgeber im Vordergrund, dass keine durch die 4 bis 7 K- BV festgeschriebenen Abstände insbesondere in einer für die Anrainer beeinträchtigenden
10 Weise verringert werden dürfen, als dies durch einen bereits bestehenden zulässigen Bauzustand der Fall ist. Das Vorhaben ist insbesondere unter dem Gesichtspunkt des 4 Abs 3 K-BV zu prüfen. Der Lichteinfall darf also nicht kleiner werden, als dies schon bisher der Fall war, es sei denn, die Vorgaben der 4 bis 7 K-BV sind, soweit sie den Lichteinfall betreffen, noch nicht erreicht. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21.5.2007, Zl. 2006/05/0064: Der Verwaltungsgerichtshof vertritt darin die Rechtsansicht, dass 9 Abs 1 K-BV nicht auf im Zusammenhang mit der Einhaltung der Abstandsfläche bestehende subjektiv-öffentliche Nachbarrechte Bezug nimmt, sondern allein auf die Unschädlichkeit des Vorhabens in Hinblick auf öffentliche Interessen abstellt. Hinsichtlich der durch den Beschwerdeführer geltend gemachten Verringerung des Lichteinfalles war daher im Rahmen der allein auf öffentliche Interessen gerichteten Prüfung auf die gesetzlichen Bestimmungen zu achten, die in diesem Zusammenhang die Wahrung der öffentlichen Interessen sichern. Diesbezüglich hat die belangte Behörde zu Recht auf die Bestimmung des 48 Abs 1 K-BV (Anordnung der Wohnungen) verwiesen. Die Wahrung des Ortsbildes zählt zwar nicht zu den subjektiv-öffentlichen Rechten eines Nachbarn. Im Rahmen des Prüfungskalküls, ob die Voraussetzungen des 9 Abs 1 K-BV (keine Verschlechterung der öffentlichen Interessen) vorliegen, kommt dem Nachbarn aber das Recht darauf zu, dass die Verringerung der Tiefe der Abstandsflächen nur dann vorgenommen wird, wenn ein den öffentlichen Interessen am Schutz des Ortsbildes zumindest in gleicher Weise wie bisher entsprechender Zustand beibehalten wird. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des 9 Abs 1 K-BV ist nicht mehr zu prüfen, ob die Voraussetzungen des 9 Abs 2 K-BV gegeben sind (VwGH 30.5.2000, 96/05/0212). c) Die Verringerung der Tiefe der Abstandsflächen nach 9 Abs 2 K-BV Gemäß 9 Abs 2 K-BV ist die Tiefe der Abstandsflächen überdies zu verringern, wenn das Vorhaben, obwohl es der Größe und Form des Grundstückes angepasst ist, ohne Verringerung der Tiefe der Abstandsflächen nicht errichtet werden könnte und wenn a) im Hinblick auf die Lage und Form des Grundstückes sowie eine zweckmäßige Bebauung und den Verwendungszweck des Gebäudes keine Interessen der Gesundheit oder der Sicherheit oder des Schutzes des Ortsbildes verletzt werden,
11 b) bei auf dem eigenen oder auf benachbarten Grundstücken bestehenden sowie auf dem eigenen Grundstück zu errichtenden Gebäuden, die Aufenthaltsräume enthalten, ein Lichteinfall im Sinne des 48 Abs 1 erster und zweiter Satz nicht verhindert wird, c) eine der Größe und Form von unbebauten benachbarten Grundstücken entsprechende Errichtung von Gebäuden bei Einhaltung der sich aus 4 bis 7 ergebenen Abstände nicht verhindert wird und d) eine nach einem Bebauungsplan mögliche Verbauung von unbebauten Nachbargrundstücken bei Einhaltung der sich aus 4 bis 7 ergebenden Abstände nicht verhindert wird. Eine Bauführung muss also, obwohl das Bauvorhaben der Größe und Form des Grundstückes angepasst wurde, ohne Verringerung der Tiefe von Abstandsflächen überhaupt unmöglich sein. Die Regelung des 9 Abs 2 K-BV geht davon aus, dass die Verringerung der Tiefe der Abstandsflächen nicht die Regel, sondern die Ausnahme sein soll und vorerst Lösungen gesucht werden müssen, die eine Bauführung bei Einhaltung der Abstandsflächen ermöglichen. Der Verwaltungsgerichtshof hat ausgeführt, dass für die Zulässigkeit der Verringerung der Tiefe der nach den K-BV vorgesehenen Abstandsflächen nicht von einer zweckmäßigen Bebauung unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Gesichtspunkte auszugehen ist. Weiters hat die Behörde bei der Prüfung der Voraussetzungen des 9 Abs 2 Einleitungssatz K-BV nicht zu beurteilen, inwiefern genau die im Plan ausgewiesene Größe für den Verwendungszweck erforderlich wäre (VwGH 24.2.1998, 97/05/0251). Die Bestimmungen des 9 Abs 2 lit c und d K-BV nehmen insbesondere auf mögliche Bauführungen auf Nachbargrundstücken Bedacht. Der Grundsatz Wer zuerst kommt, mahlt zuerst soll weitestgehend ausgeschaltet werden. Spätere Bauführungen auf Nachbargrundstücken unter Einhaltung der Abstandsregelungen sollen gewährleistet sein. 7) Abstand bei baulichen Anlagen ( 10 K-BV) Auch bei baulichen Anlagen, die keine Gebäude sind, können Interessen beeinträchtigt werden, die durch die Vorschreibung von Mindestabständen geschützt werden sollen.
12 Die Regelung des 10 Abs 1 K-BV ist subsidiär, dh sie findet nur insofern Anwendung, als sich nicht im Hinblick auf die Regelungen der 4 bis 7 konkrete Abstände für diese bauliche Anlage ergeben. Ein derartiger Abstand ergibt sich jedenfalls dann, wenn es sich um die Ausnahmen nach 6 Abs 2 K-BV handelt. Die Bestimmung des 10 Abs 2 K-BV regelt die Ermittlung der Abstände für bauliche Anlagen, deren äußeres Erscheinungsbild dem eines Gebäudes ähnlich ist. Für diese Anlagen ist normiert, dass dieselben Regelungen gelten wie für Gebäude. Eine bauliche Anlage, deren äußeres Erscheinungsbild dem eines Gebäudes ähnlich ist, wäre etwa ein Aussichtsturm oder ein Silo (EB).