Geruch: Das muss Ihr Nachbar dulden

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Transkript:

Geruch: Das muss Ihr Nachbar dulden Mit wie viel Geruch muss Ihr Nachbar leben? Darüber gibt es immer wieder Streit. Damit Sie zu Ihrem Recht kommen, sollten Sie diese Gesetze und Urteile kennen. S ie wollen einen neuen Stall bauen oder einen alten einen neuen Stall bauen oder einen alten erweitern? Dann benötigen Sie nicht nur viel Geld, sondern vor allem Geduld und Nerven. ben dem üblichen Ärger mit Behörden müssen Sie sich zu allem Überfluss auch noch auf streitlustige Nach- barn einstellen. Deren Sorge: Mit dem Neu- bzw. Umbau zieht der Gestank in die eigenen vier Wände ein. Ne- Davon sind keinesfalls nur Betriebe in Stadt- nähe betroffen. Auch auf dem Land, im ten Außenbereich, steigt die Zahl derer, die nicht aus der Landwirtschaft stammen und wenig Verständnis für die moderne Tierhaltung aufbringen. Die Probleme häufen sich somit auch dort. sogenann- Dabei gilt für alle das Gebot der Rücksichtnahme. Trotzdem kommt es oft zum handfesten Streit vor Gericht. In der Regel schalten Richter dann Gutachter ein. Diese e schätzen die potenzielle Geruchsentwicklung des Stalles anhand von theoretischen Modellen ab. Dabei berücksichtigen sie bspw. die Hauptwindrichtung, die Stallgröße oder die Geländebeschaffenheit. Heraus kommen sogenannte Geruchsstunden. Das sind die Zeiten, in denen die Anwohner mit einer erheblichen en Geruchsbelästigung rechnen müssen. Lesen Sie dazu auch den Kasten auf der Seite e 46. Für die einen Landluft, für die anderen störender Geruch: Wie Gerüche wahrgenommen werden, ist oft stark subjektiv. Unklare Gesetzeslage: eslage: Die Methoden der Gutachter sind gängige Praxis. Schwieriger ist hingegen die Frage: Was ist den Anwohnern zumutbar und was nicht? Ein eindeutiges Gesetz dazu gibt es leider nicht. Die Richter greifen daher auf verschiedene Regelwerke zurück u. a. auf die Technische Anlei- tung-luft (TA-Luft) oder auf VDI-Richtlinien. n. Darin sind z. B. Mindestabstände e zwischen Ställen und Häusern definiert. Wie viel Geruch aber Anwohner ertragen müssen, wird nur angedeutet. Konkreter 42 top agrar 5/2015

ist hingegen die Geruchs-Immissions- Richtlinie, kurz GIRL. Sie gibt Geruchshäufigkeiten aus Tierhaltungsanlagen vor, mit denen Anwohner leben müssen. Bewohner in Wohn- oder Mischgebieten mutet die GIRL bspw. in einem Zehntel des Jahres (876 Stunden) Gerüche zu. In Gewerbe- und Industrie- sowie in Dorfgebieten liegt das Kontingent sogar bei 15 % der Jahresstunden (1 314 Stunden). Einen Immissionswert für den Außenbereich regelt die GIRL hingegen nicht explizit. In den Hinweisen zu der Richtlinie heißt es aber: Wohnen im Außenbereich ist mit einem immissionsschutzrechtlich geringeren Schutzanspruch verbunden. Ein Grenzwert von 25 % (2 190 Stunden) sei daher akzeptabel. Als Geruchsstunde gilt eine Stunde bereits dann, wenn mind. sechs Minuten lang Geruch wahrgenommen wird. Außerdem dürfen Behörden und Gerichte die GIRL nie ausschließlich anwenden. Sie kann nur ein Kriterium von mehreren sein. In jedem Einzelfall müssen zum Beispiel die Gesamtumstände berücksichtigt werden. Dazu zählen u. a. die Gegebenheiten vor Ort: Wo genau wohnen die Nachbarn auf dem Grundstück? Wo kommt der Geruch an: nur am Rand des Grundstückes an oder auch tatsächlich in der Wohnung? Deshalb wird beispielsweise in den Gutachten nach Wohnung, Terrasse und Garten unterschieden. Die gute Nachricht: In vielen Fällen haben die Gerichte zugunsten der Landwirtschaft geurteilt, auch wenn die oben genannten Grenzwerte oder Abstände nicht eingehalten wurden. Bei Problemen mit Nachbarn und Behörden kann somit auch ein Blick in Schnell gelesen Immer öfter gibt es Streit um Geruchsbelästigungen. Die Gesetzeslage ist nicht eindeutig. Aber Gerichte haben oft zugunsten der Landwirtschaft entschieden. Im Außenbereich müssen Anwohner in bis zu 25 % der Jahresstunden mit einer Geruchsbelästigung leben. Teilweise sogar mit deutlich mehr. alte Gerichtsakten helfen. Die wichtigsten Entscheidungen für den Außenbereich haben wir daher für Sie zusammengefasst. Auf unserer Internetseite finden Sie außerdem Hinweise für Betriebe mit Ortsrandlagen. Fotos: Höner (2), Heil(2), Einhoff top agrar 5/2015 43

Urteile, die Sie kennen sollten Wenn es dem Nachbarn stinkt, kann es Ärger geben. Dabei haben die Gerichte oft zugunsten der Landwirtschaft entschieden. Vor allem der Bau großer Ställe stößt bei Anwohnern oft auf Gegenwehr. Foto: Höner Andere Maßstäbe für Landwirte Wenn Landwirte gegen den Bau eines Stalles klagen, können andere Maßstäbe gelten, als wenn es sich bei dem Kläger um einen Bürger handelt. So sah es zumindest das Oberverwaltungsgericht Münster. Der Kläger war in diesem Fall ein Hobbylandwirt, der im Außenbereich wohnte und dort Pferde hielt. Der beklagte Landwirt wollte seine Schweinemast auf 1 643 Plätze erweitern und u.a. ein zusätzliches Güllesilo bauen. Ein Gutachter ermittelte eine Geruchsbelastung in rund 20 % der Jahresstunden. Der Hobbylandwirt befürchtete, dass dadurch sein Grundstück erheblich an Wert verliere. Das Oberverwaltungsgericht stellte hingegen klar: Für Nachbarn, die entweder selbst Tiere halten oder früher einmal Tiere gehalten haben und die nach wie vor im Außenbereich wohnen, können höhere Grenzwerte gelten als in der GIRL vorgeschriebenen (Az.: 8 B 762/11). Interessant ist auch ein Urteil des Oberverwaltungsgerichtes in Lüneburg. Ein Hähnchenmäster wollte seine Anlage um rund 40 000 Plätze erweitern. Dagegen klagte ein Nachbar, der ebenfalls Hähnchen mästete (ca. 35 000 Plätze). Der Abstand zwischen dem geplanten Neubau und dem Wohnhaus des Nachbarn betrug 210 m. Ein Gutachter stellte fest: Für 40 % der Jahresstunden mit Geruchsbelastungen war der Kläger selbst verantwortlich. Der Neubau würde lediglich eine Zusatzbelastung von 5 % der Jahresstunden verursachen. Diese Belastung sei im Vergleich zu der aus der Mastanlage des Klägers nachrangig. Das Verwaltungsgericht lehnte die Klage ab. Außerdem sind aus Sicht der Richter in stark landwirtschaftlich geprägten Gebieten höhere Werte als die nach der GIRL zumutbar (Az.: 12 LA 68/09). Abstände sind nicht alles Ein Landwirt wollte zwei Hähnchenställe bauen. Die Abstände der neuen Anlagen zu einem angrenzendem Nachbarhaus betrugen nur 160 m und unterschritten damit die gültigen Richtlinien. Daher klagte der Nachbar vor Gericht. Ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht Oldenburg gab grünes Licht für die Baupläne. Ausschlaggebend war ein Gutachten nach der Geruchs-Immissions-Richtlinie (GIRL). Danach musste der Nachbar nur in 9,7 % der Jahresstunden mit einer Geruchsbelästigung rechnen. Die zulässigen Werte der GIRL für den Außenbereich (25 %) wurden somit unterschritten und die Klage abgelehnt (Az.: 5 A 1375/09). Sogar bei sehr geringen Abständen zwischen einem Stall und dem Nachbarhaus, lehnte ein Gericht die Klage einer Anwohnerin ab. Ein Landwirt im Außenbereich wollte eine Melkhalle mit Melkkarussell neben dem Wohnhaus der Klägerin bauen. Der Abstand betrug lediglich 37 m. Die Nachbarin beschwerte sich vor Gericht und monierte außerdem: Geruchs-Immissionen in bis zu einem Viertel des Jahres (25 %) seien nicht hinnehmbar. Vielmehr müsse in ihrem Fall ein Grenzwert von 15 % angelegt werden. Das Verwaltungsgericht Aachen lehnte das ab. Begründung: Eine Grenze von 15 % sei im Außenbereich viel zu streng. Im Außenbereich habe die Landwirtschaft Vorrang vor dem Wohnen (Az.: 3 L 128/12). 44 top agrar 5/2015

Nachbessern umstritten Kann eine Behörde eine Baugenehmigung erteilen, auch wenn bereits ohne den Neubau die Grenzwerte der GIRL überschritten werden? Ja, meinte das Oberverwaltungsgericht NRW. Im konkreten Fall wollte ein Milchviehhalter seinen Boxenlauftstall erweitern. Dagegen klagte ein Nachbar. Die Geruchsbelastung sei bereits ohne die Erweiterung deutlich zu hoch (63 % der Jahresstunden), argumentierte er. Der Landwirt hielt dagegen: Durch den Neubau sinke die Belastung auf 30 % der Jahresstunden. Gutachter bestätigten das. Den Nachbarn besänftigte das nicht. Schließlich werde der Grenzwert von 25 % für den Außenbereich immer noch nicht eingehalten. Die Richter lehnten die Klage des Nachbarn nichts desto trotz ab. Denn dieser könne nicht daran interessiert sein, an dem schlechteren Status festzuhalten. Deshalb hat der Nachbar dann die Pflicht, geringere Emissionen als bisher zu dulden (Az.: 2 B 141/13). In Niedersachsen hingegen waren sich die Gerichte in der Vergangenheit in diesem Punkt weniger einig. Während das Verwaltungsgericht Hannover (Az.: 4 A 205/12) im Einzelfall solche Verbesserungen anerkennen wollte, sah das Oberverwaltungsgericht Lüneburg (Az.: 1 LA 60/13) dieses nur für immissionsschutzrechtlich genehmigte Ställe vor. Für Anlagen, die dem Baurecht unterliegen, lehnten die Richter eine Überarbeitung der Bauanträge ab. Fremdvermietet oder familiär genutzt? Wird ein Wirtschaftsgebäude im Außenbereich zu Wohnungen umgebaut und an Dritte vermietet, können neue Maßstäbe gelten. Die neuen Mieter müssen in solchen Fällen nicht mehr als in 25 % der Jahresstunden mit Geruchsbelästigungen leben, entschied das Verwaltungsgericht Münster. Nutzt hingegen ein Familien- oder Betriebsangehöriger die Wohnung, sind auch Werte von über 25 % im Außenbereich möglich (Az.: 10 K 1875/11). Ähnlich sahen das die Richter am Oberverwaltungsgericht NRW. Sie waren der Ansicht, dass Landwirte sogar mit einer Geruchsbelästigung von mehr als 50 % der Jahresstunden leben müssen. Das gelte auch für Altenteiler oder weitere Familienangehörige, die auf dem Hof leben (Az.: 10 A 259/08). Foto: Berning In Geruchsgutachten werden immer alle Geruchsquellen auf dem Hof mit einbezogen dazu zählen auch Silo platten.

Obergrenze oder doch nicht? Foto: Heil Bewohner im sogenannten Außenbereich müssen rund ein Viertel des Jahres (25 % der Jahresstunden, 2 190 h) mit einer erheblichen Geruchsbelastung leben. Es bleibt aber umstritten, ob es sich dabei um eine Maximalgrenze handelt oder ob Anwohner im Einzelfall höhere Werte akzeptieren müssen. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf toleriert z. B. keinen zusätzlichen Geruchsbeitrag, wenn die Vorbelastung schon die Grenzwerte erreicht (Az.: 3 K 6274/09). Ebenso Je höher der Abluftschacht, desto weniger störende Gerüche gibt es. kri tisch sieht das auch das Oberverwaltungs gericht Niedersachsen (Az.: 1 ME 128/12). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof war weniger streng: In seinem Urteil hielten die Richter einen zusätzlichen Geruchsbeitrag für akzeptabel, obwohl die Vorbelastung bereits bei 37 % der Jahresstunden lag (Az.: 22 ZB 13.692). Ähnlich urteilte auch das Oberverwaltungsgericht Lüneburg zum Neubau einer Biogasanlage. Gutachter stellten fest, dass durch das Biokraftwerk die Geruchsbelastung für die Landwirte nur etwa 0,4 % anstieg. Aufgrund der geringen zusätzlichen Geruchsbelästigung von deutlich unter 2 % (sog. Irrelevanz) lehnten die Richter die Klage ab (Az.: 12 ME 51/10). Wohnhaus in Splittersiedlung Im Außenbereich gibt es sogenannte Splittersiedlungen. Obschon diese ortsähnliche Züge aufweisen, müssen deren Bewohner höhere Geruchsbelastungen akzeptieren als solche in Städten und Orten. So urteilte zumindest das Oberverwaltungsgericht Schleswig. Ein Landwirt in einer Splittersiedlung wollte seinen Sauen- in einen Mastschweinestall umbauen. Dagegen klagten die Bewohner einer Doppelhaushälfte. Ein Gutachter kam zu dem Ergebnis: Im schlechtesten Fall müss ten die Kläger in 18 % der Jahresstunden mit einer Geruchsbelästigung leben. In dem Verfahren trug der Nachbar umfang reiche Argumente gegen die Erweiterung vor: So behauptete er, auch im Außenbereich gelte für Splittersiedlungen ein Grenzwert von 15 % und nicht wie sonst üblich von 25 %. Der Geruch von Mastschweinen sei zudem ekelerregend und übelkeitsauslösend. Eine Nachbarin sei bereits durch die Ammoniakbelastung erkrankt. Auch handele es sich um ein Kurgebiet, das besonderen Schutz erfordere. Das Oberverwaltungsgericht sah die Sache so: Das Wohnen in einer Splittersiedlung, das sogenannte nichtprivilegierte Wohnen im Außenbereich, ist weniger schutzwürdig als in Dorf - ge bieten. Ein Geruchswert von mehr als 15 % sei also akzeptabel für den Kläger. Die Art des Geruches (Stichwort: ekel erregend) würde darüber hinaus bereits über die Gewichtungsfaktoren in der GIRL berücksichtigt (Az.: 1 LW 6/10). Foto: Naumceski HEFT + Unsere Autorin Sonja Friedemann, Rechtsanwältin und Geschäftsführerin des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Münster in NRW. Was müssen Betriebe in Stadtrandnähe beachten und welche Urteile gibt es dazu? Das finden Sie in unserer Rubrik Heft+ im Internet: www.topagrar.com Vorsicht bei Gutachten Wenn Sie von einer Behörde aufgefordert werden, ein Geruchsgutachten für einen Bauantrag einzureichen, sollten Sie folgendes beachten. Die Gutachter schätzen eine Geruchsbelastung anhand von theoretischen Modellen ab. Dazu gehört zum Beispiel die Ausbreitungsrechnung. Die zählt zwar zu den einfachen Methoden, kann aber bis zu 10 000 kosten. Wenn der Gutachter dann zu dem Ergebnis kommt, dass eine Maximalbelastung vorliegt, steht eine Vor- Ort-Begehung an. Insgesamt können die Gutachten mit mehreren Zehntausenden von Euros zu Buche schlagen und zu welchem Ergebnis der Gutachter kommt, ist ungewiss. Die Kosten stehen somit oft in keinem Verhältnis zu den Investitionskosten des Stalles. Lassen Sie daher am besten ein Vorgutachten erstellen. Dazu schätzen die Gutachter anhand von Formeln die notwendigen Abstände ein, die nötig sind, um die Geruchsbelastung der Anwohner in Grenzen zu halten. Die Schätzungen sind sehr konservativ, das heißt: Halten Sie die ermittelten Abstände ein, können Sie fast sicher sein, dass ein ausführliches Gutachten für Sie positiv ausfällt. Wenn das Vorgutachten allerdings nicht zu Ihren Gunsten ausfällt, sehen Sie am besten von einer weiteren Planung ab. Suchen Sie sich einen von den Nachbarn weiter entfernten Standort, bauen Sie einen Luftwäscher ein und/oder planen Sie höhere Abluftschächte ein. 46 top agrar 5/2015