Situation und Entwicklung der letzten 25 Jahre in Friedrichshain / Kreuzberg und Neukölln

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Transkript:

Situation und Entwicklung der letzten 25 Jahre in Friedrichshain / Kreuzberg und Neukölln Nach Beendigung der Ausbildung 1980 an der Landespolizeischule versah ich meinen Dienst in der Einsatzbereitschaft 51 der Polizeidirektion 5. Die Berliner Hausbesetzerkrawalle, in Kreuzberg wurden in den folgenden vier Jahren das Hauptbetätigungsfeld meiner polizeilichen Arbeit in Form von geschlossenen Einsätzen. Für einen Berufsanfänger keine leichter Einstieg, da von dem polizeilichen Gegenüber ein großes Gewaltpotential gegenüber den eingesetzten Polizeibeamten ausging. Meine damaligen Vorstellungen einer polizeilichen Arbeit gingen ursprünglich in eine andere Richtung. Die während der Ausbildung vermittelten theoretischen Themenkomplexe fanden nur in den seltesten Fällen eine praktische Anwendung. Es folgte eine dienstliche Verwendung im Streifendienst Verbrechensbekämpfung (StrD VB) des Abschnitts 51 sowie im Jugendgruppengewaltkommissariat Dir 5 VB III/1 Operative Gruppe Jugendgewalt (OGJ) der Polizeidirektion 5, über einen Zeitraum von 16 Jahren. Eine Zeit, die mich und meine polizeiliche Arbeit bis zum heutigen Tag prägen - und nicht zuletzt auf Grund der Tatsache, dass Täter und Opfer von Straftaten mit mir älter geworden sind. Viele Bereiche in Kreuzberg und Neukölln hatten/haben seit Jahrzehnten einen schlechten Ruf: hohe Kriminalität, Jugendbanden mit festen Gruppenstrukturen, ein hoher Ausländeranteil, überproportionaler Anteil von Empfänger staatlicher Transferleistungen usw., wurden und werden mit den Gebieten assoziiert.

In den ersten Gesprächsrunden mit Bürgerbeteiligung wurde von Anwohnern und Geschäftstreibenden geäußert, das Recht selber in die Hand nehmen zu wollen. Viele Anwohner aus den Problemkiezen hatten den Eindruck, dass die Polizei nicht tätig wird. Bei unseren ersten Arbeitstreffen mit den vor Ort tätigen öffentlichen und freien Trägern wurde schnell erkannt, dass eine Problembewältigung nur mit einer gemeinsamen, engen und langfristigen Zusammenarbeit möglich ist. Es wurde für viele Bereiche eine gemeinsame Strategie der Problembewältigung gefunden, deren Wurzeln noch heute erkennbar sind (dies war für sich, aufgrund der unterschiedlichen Interessen schon eine Kraftanstrengung). In vielen Bereichen der Bezirke Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln sind immer mehr Bewohner nicht mehr bereit, die bestehenden Verhältnisse bzw. Störenfriede zu ignorieren. Viele der damaligen Beteiligten, welche sich sehr stark für ein verbessertes Wohnumfeld einsetzten, sind noch heute in ihrem Kiez aktiv. Beteiligte sind hinzugekommen, die mit anderen Themenkomplexen/-schwerpunkten maßgeblich dazu beigetragen haben bzw. weiterhin dazu beitragen, dass sich das subjektive Sicherheitsempfinden verbessert hat. Deutlich wird die Entwicklung einer jahrelangen, engen und vertraulichen Zusammenarbeit und Vernetzung der unterschiedlichen Interessen- /Berufsgruppen wie z.b. im Zusammenhang mit dem Netzwerk MyFest

in Kreuzberg und im Bereich des Rollbergviertel in Neukölln, welche im nachfolgenden Vorträgen dargestellt werden. Zusammenfassend ist zu sagen, dass eine Vernetzung mit zivilgesellschaftlichen Akteuren eine Strategie darstellt, die den vielschichtigen Konflikten moderner Gesellschaften begegnet. Repression als alleinige öffentlich sichtbare polizeiliche Strategie gelangt in einer immer komplexer werdenden Gesellschaft an ihre Grenzen. Ein kurzer Blick in die Zukunft Die aktuellen Problemanalysen auf sozialräumlicher Ebene haben nochmals verdeutlicht, dass Strategien zur Reduzierung von Gewalt und Kriminalität sowohl sektoral wie regional weiterhin mit hoher Priorität zu behandeln sind. Eine Fortführung und Weiterentwicklung bereits bestehender Ansätze der Gewalt- und Kriminalitätsprävention muss im Vordergrund stehen. Es ist geboten, entwickelte Ansätze zu qualifizieren und auszubauen. Mit dem Einrichten der Präventionsbeauftragten in den Direktionen und in den Abschnittsbereichen ist schon jetzt in vielen Bereichen eine Professionalisierung in der Präventionsarbeit erkennbar. Im Zusammenhang mit der Präventionsarbeit, Vernetzung und Kooperation ist aber noch in vielen Bereichen ein Bewusstseinswandel erforderlich, der nicht nur individuell, sondern auch

gesamtgesellschaftlich notwendig ist. Innerhalb der Polizei stellen die erkennbaren Entwicklungen weiterhin eine große Herausforderung dar, die nicht immer leicht zu bewältigen sind. In den Bezirken Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln bestehen jedoch bereits viele Aktivitäten, um sich professionell miteinander zu vernetzen. Dabei werden die vorhandenen Ressourcen optimal gebündelt und möglichst effektiv eingesetzt. Qualifizierte Präventionsmaßnahmen müssen weiterhin auf der Grundlage von Problem-, Defizit- und Ressourcenanalysen im Rahmen bezirklicher Präventionsstrukturen entwickelt werden. Dabei ist eine langfristige, institutionenübertgreifende und nachhaltige Präventionsarbeit anzustreben. Eine kiezorientierte Präventionsarbeit aller Beteiligten ist als sinnvoll anzusehen. Sie muss sich auf die Lebenslagen und bedingungen sowie auf das Sicherheitsgefühl der Kiezbewohner beziehen, da im Bezug auf Gewalt und Kriminalität diese im Kiez für die Bewohner am ehesten erfahrbar ist. Gerade bei der kiezorientierten Präventionsarbeit ist ein Aufwachsen in gegenseitigem Respekt, unter Wahrung der Rechte und Pflichten von Kindern und Erziehungsberechtigten, eine grundlegende Voraussetzung einer gelingenden Sozialisation. Es liegt insbesondere in der Verantwortung der Erziehungsberechtigten sowie Kita, Schule und Jugendhilfe, dafür Sorge zu tragen, dass Erziehungsprozesse erfolgreich verlaufen. Wenn die Gefahr besteht, dass dies nicht gelingt, bekommt

die Präventionsarbeit ihren spezifischen Stellenwert, da sie alle Verantwortlichen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben unterstützt. Bei Jugendlichen und Heranwachsenden nichtdeutscher Herkunft stellt die Belastung im Hinblick auf die Ausübung von jugendtypischen Straftatbeständen eine zunehmende Gefahr für die Integration in die Gesellschaft dar. Eine nicht unerhebliche Ursache sind hierfür die sozialen Lagen der Betroffen, der Familien, der Stadtteile und der Kiezbereiche. Migrations- und kulturbedingte Faktoren können die Probleme in diesem Bereich verstärken. Hier sind verstärkte Maßnahmen zur Reduzierung von Gewalt und Kriminalität unverzichtbar.