29.08.2016 Deutscher Industrie- und Handelskammertag 3 DIHK Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung raumordnungsrechtlicher Vorschriften Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) ist die Spitzenorganisation der 79 Industrie- und Handelskammern (IHKs) in Deutschland und vertritt damit 3,6 Mio. Unternehmen aus Industrie, Handel und Dienstleistungen. Alle deutschen Unternehmen im Inland ausgenommen Handwerksbetriebe, freie Berufe und landwirtschaftliche Betriebe sind per Gesetz Mitglied einer Industrie- und Handelskammer. Der DIHK koordiniert ferner das Netzwerk der 130 Auslandshandelskammern, Delegationen und Repräsentanzen der Deutschen Wirtschaft in 90 Ländern weltweit. Der DIHK bedankt sich für die erneute Möglichkeit zur Stellungnahme zum zweiten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung raumordnungsrechtlicher Vorschriften. Zu begrüßen ist, dass der Gesetzentwurf weiterhin einzelne Ziele, wie die Umsetzung der EU- Richtlinie zur maritimen Raumplanung (MRO-Richtlinie), die Verbesserung der Akzeptanz von Großprojekten, die Berücksichtigung des Klimawandels und der untertägigen/unterirdischen Raumnutzung, verfolgt. Die vorgeschlagenen Regelungen tragen dazu bei, um auf ein bundesweit einheitliches Raumordnungsrecht hinzuwirken. Allerdings sind für die Entwicklung von Wirtschaftsstandorten besonders wichtige Ziele entfallen. Dazu zählen die Aufnahme der digitalen Infrastruktur als Teil der Daseinsvorsorge in den Grundsätzen der Raumordnung und beispielsweise für die Energieversorgung von Unternehmen bedeutsamen - weitere Nutzungen und Funktionen in landesübergreifenden Raumordnungsplänen. Die bundesweite Bereitstellung einer leistungsstarken digitalen Infrastruktur ist aus Sicht der gewerbliche Wirtschaft eine Grundvoraussetzung für die Entwicklung von leistungsfähigen Wirtschaftsstandorten in Deutschland. Denn in Deutschland wurde bereits im Jahr 2012 durch die Digitalisierung ein Wachstumsimpuls von rund 145 Milliarden Euro ausgelöst (Prognos), dies entspricht fünf Prozent des BIP. Verantwortlich dafür sind neue Anwendungen und Dienstleistungen, die ohne leistungsfähige digitale Infrastrukturen nicht möglich wären, wie z. B. Industrie 4.0 oder elektronische Gesundheitsdienstleistungen. Doch gerade der ländliche Raum ist häufig noch unzureichend mit hochleistungsfähigen Internet- Anschlüssen versorgt. Betroffen davon sind auch viele Gewerbegebiete. Anders als viele EU-Mitgliedsstaaten ist der Wirtschaftsstandort Deutschland geprägt von Gewerbeund Industrieunternehmen gerade auch im ländlichen Raum. Dabei gibt es im ländlichen Raum große Disparitäten innerhalb und zwischen verschiedenen Regionen. So zeichnet sich - 1 -
beispielsweise der Bodenseeraum, das Emsland oder der Schwalm-Eder-Kreis durch überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum aus, während andere Teile in Ost- und Westdeutschland nur sehr dünn besiedelt und von Abwanderung in besonderem Maße betroffen sind. Um für gleichen Standortvoraussetzungen in den unterschiedlichen Regionen zu sorgen, ist die Bereitstellung einer flächendeckend funktionsfähigen Infrastruktur und zwar gerade auch der digitalen Infrastruktur unverzichtbar. Der Ausbau der digitalen Infrastruktur erfordert nicht nur erhebliche Investitionen, sondern auch einen nationalen Masterplan, um den Netzausbau regional zusammenzuführen und überall für gleiche Standortvoraussetzungen zu sorgen. Darüberhinausgehend ist die Stärkung der Bundesraumordnungsplanung zum schnelleren und effektiveren Infrastrukturausbau, beispielsweise von Energie- oder Verkehrsnetzen, zu unserer Verwunderung eingeschränkt worden. Dabei können Bundesraumordnungspläne einen wichtigen Beitrag leisten, um erforderliche Trassen und Standorte zu sichern. Sie können dazu dienen, die Raumentwicklung der einzelnen Ländern in Bezug auf weitere Ausbauplanungen länderübergreifend abzustimmen, wenn es aus europäischer oder nationaler Sicht erforderlich ist. Dabei sieht das Raumordnungsrecht - nach wie vor vor, dass Bundesraumordnungsplanungen stets mit der Ministerkonferenz für Raumordnung vorher abzustimmen sind. Insofern regen wir an, die nun vorgelegte Beschränkung der Bundesraumordnungsplanung nur auf einzelne, definierte Nutzungen nochmal auf den Prüfstand zu stellen. Weiterhin entschieden abzulehnen sind - aus Sicht des DIHK - allerdings die quantitativen Vorgaben zur Reduzierung der Flächeninanspruchnahme. Vor quantitativen Flächenvorgaben in der Raumordnung muss es zunächst eine valide statistische Flächenerhebung geben. Instrumente, wie ein Flächenmanagement können dann für die bedarfsgerechte Bereitstellung von ausreichenden (Gewerbe)Flächen sorgen. Auch rechtssystematisch haben wir Bedenken gegen den Formulierungsvorschlag, da hier erstmals in den Grundsätzen der Raumordnung detaillierte Vorgaben darüber gemacht werden, wie ein Grundsatz der Raumordnung erreicht werden soll. Dadurch könnten gesamtwirtschaftlich bedeutsame Vorhaben bspw. zur Gewinnung von Rohstoffen oder Energieversorgung verhindert werden, indem den Umwelt- oder Bergrechtlichen Zulassungsverfahren vorenthaltene Abwägung vorweggenommen werden. Wir befürchten überdies, dass die Vorgabe zu einem Hemmschuh für Firmenansiedlungen oder - erweiterungen und damit Investitionen wird, da in der Vergangenheit Vorgaben zur Flächenreduktion häufig zu Lasten der Wirtschaft erfolgten, obwohl die Unternehmen im Bundesgebiet nur rund sieben Prozent der Siedlungsfläche in Anspruch nehmen. Bezüglich dieser und der weiteren Positionen verweisen wir auf unsere DIHK-Stellungnahme zum ersten Entwurf zur Änderung von raumordnungsrechtlichen Vorschriften vom 31.08.2016. - 2 -
Wir beschränken uns in unserer Bewertung auf die nun neu vorgelegten Vorschläge: 1. 2 Grundsätze der Raumordnung (2) Grundsätze der Raumordnung sind insbesondere: 1. Die Versorgung mit Dienstleistungen und Infrastrukturen der Daseinsvorsorge einschließlich der digitalen Infrastruktur, insbesondere die Erreichbarkeit von Einrichtungen und Angeboten der Grundversorgung für alle Bevölkerungsgruppen, ist zur Sicherung von Chancengerechtigkeit in den Teilräumen in angemessener Weise zu gewährleisten; dies gilt auch in dünn besiedelten Regionen. Die soziale Infrastruktur ist vorrangig in Zentralen Orten zu bündeln; die Erreichbarkeits- und Tragfähigkeitskriterien des Zentrale-Orte-Konzepts sind flexibel an regionalen Erfordernissen auszurichten. Es sind die räumlichen Voraussetzungen für die Erhaltung der Innenstädte und örtlichen Zentren als zentrale Versorgungsbereiche zu schaffen. Dem Schutz kritischer Infrastrukturen ist Rechnung zu tragen. Es sind die räumlichen Voraussetzungen für nachhaltige Mobilität und ein integriertes Verkehrssystem zu schaffen. Auf eine gute Erreichbarkeit der Teilräume untereinander durch schnellen und reibungslosen Personen- und Güterverkehr ist hinzuwirken. Vor allem in verkehrlich hoch belasteten Räumen und Korridoren sind die Voraussetzungen zur Verlagerung von Verkehr auf umweltverträglichere Verkehrsträger wie Schiene und Wasserstraße zu verbessern. Raumstrukturen sind so zu gestalten, dass die Verkehrsbelastung verringert und zusätzlicher Verkehr vermieden wird. Aus den eingangs erläuterten Gründen fordern wir, die digitale Infrastruktur als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge gerade auch im Hinblick auf dünn besiedelte Regionen in die Grundsätze der Raumordnung aufzunehmen. Weiterhin gilt es den dafür erforderlichen Ausbau- und Versorgungsstandards zu berücksichtigen. Der DIHK schlägt deshalb folgende Formulierung vor: einschließlich eines flächendeckenden terrestrischen Glasfasernetzes Gerade zur (Gesundheits)Versorgung der Bevölkerung in dünn besiedelten ländlichen Räumen sind leistungsfähige digitale Infrastrukturen erforderlich. 2. 9 Beteiligung bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen (1) Die Öffentlichkeit sowie die in ihren Belangen berührten öffentlichen Stellen sind von der Aufstellung des Raumordnungsplans zu unterrichten; beiden ist frühzeitig Gelegenheit zur Stellungnahme zum Entwurf des Raumordnungsplans und zu seiner Begründung zu geben. Die öffentlichen Stellen sind aufzufordern, Aufschluss über diejenigen von ihnen beabsichtigten oder bereits eingeleiteten Planungen und Maßnahmen sowie über deren zeitliche Abwicklung zu geben, die für die Planaufstellung bedeutsam sein können. Gleiches gilt für weitere ihnen vorliegende Informationen, die für die Ermittlung und Bewertung des Abwägungsmaterials zweckdienlich sind. - 3 -
(2) Der Öffentlichkeit sowie den in ihren Belangen berührten öffentlichen Stellen ist frühzeitig Gelegenheit zur Stellungnahme zum Entwurf des Raumordnungsplans, zu seiner die Begründung und im Falle einer durchgeführten Umweltprüfung zum Umweltbericht zu geben. Dazu sind die in Satz 1 genannten sowie, weitere nach Einschätzung der für den Raumordnungsplan zuständigen Stelle zweckdienliche Unterlagen sowie im Falle einer durchgeführten Umweltprüfung der Umweltbericht sind für die Dauer von mindestens einem Monat öffentlich auszulegen. Ort und Dauer der Auslegung sind mindestens eine Woche vor Beginn der Auslegung öffentlich bekannt zu machen; dabei ist unter Angabe einer angemessenen Frist, die zumindest der Auslegungsfrist entspricht, darauf hinzuweisen, dass Stellungnahmen abgegeben werden können. Die abgegebenen Stellungnahmen sind zu prüfen; denjenigen, die Stellungnahmen abgegeben haben, ist nach Bekanntmachung oder Verkündung des Raumordnungsplans Einsicht in das Ergebnis der Prüfung zu ermöglichen. Bei der Beteiligung nach den Sätzen 1 bis 3 sollen elektronische Informationstechnologien ergänzend genutzt werden. Die zuständige Stelle gewährleistet durch organisatorische und technische Maßnahmen, dass die verwendete elektronische Informationstechnologie vor fremden Zugriffen gesichert und genutzt wird; dabei sollen solche technischen Systeme und Bestandteile eingesetzt werden, die dem aktuellen Stand der Technik entsprechen. (3) Wird der Planentwurf nach Durchführung der Verfahrensschritte nach den Absätzen 1 und Absatz 2 inhaltlich dergestalt geändert, dass dies zu einer erstmaligen oder stärkeren Berührung von Belangen führt, so ist der geänderte Teil erneut auszulegen; in Bezug auf die inhaltliche Änderung ist erneut Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Dauer der Auslegung und die Frist zur Stellungnahme können angemessen verkürzt werden. Die Beteiligung nach den Sätzen 1 und 2 kann auf die von der Änderung betroffene Öffentlichkeit sowie auf die in ihren Belangen berührten öffentlichen Stellen beschränkt werden, wenn durch die Änderung des Planentwurfs die Grundzüge der Planung nicht berührt werden. Wir begrüßen ausdrücklich die verpflichtende Einführung der ergänzenden Nutzung von elektronischen Informationstechnologien. Dies entspricht einer langjährigen Forderung der IHK- Organisation. Gleiches gilt für die Rückmeldeverpflichtung bzw. fortlaufende Information über den Fortgang des Planungsverfahrens und die ergänzende Nutzung von elektronischen Informationstechnologien. Für die bestmögliche Transparenz von Planungsverfahren wäre es für die Träger- und Öffentlichkeitsbeteiligung von Vorteil, wenn die Raumordnungspläne über das jeweilige Verfahren hinausgehend, im Internet zugänglich gemacht werden, so dass sie jederzeit eingesehen werden können. - 4 -
3. 17 Raumordnungspläne für die deutsche ausschließliche Wirtschaftszone und für den Gesamtraum (2) Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur kann im Einvernehmen mit den fachlich betroffenen Bundesministerien für bestimmte Nutzungen und Funktionen Raumordnungspläne für das Bundesgebiet länderübergreifende Raumordnungspläne für den Hochwasserschutz sowie für Standortkonzepte für Häfen und Flughäfen als Grundlage für ihre verkehrliche Anbindung im Rahmen der Bundesverkehrswegeplanung als Rechtsverordnung aufstellen. Voraussetzung ist, dass dies für die räumliche Entwicklung und Ordnung des Bundesgebietes unter nationalen oder europäischen Gesichtspunkten erforderlich ist. Die Beratungs- und Unterrichtungspflicht nach 24 Absatz 1 und 4 ist zu beachten. Das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung führt mit Zustimmung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur die vorbereitenden Verfahrensschritte zur Aufstellung der Raumordnungspläne durch. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur beteiligt bei der Planaufstellung die Bundesministerien und stellt das Benehmen mit den Ländern und den angrenzenden Staaten her. Der DIHK hält daran fest, dass es für die gesamte gewerbliche Wirtschaft sehr zu begrüßen wäre, wenn der Bund durch diese Novelle des Raumordnungsgesetzes die Möglichkeit erhält, durch Bundesraumordnungsplanungen zur besseren Planung und Koordinierung von bundesweiten Infrastrukturnetzen beizutragen. So könnte die bundesweite Koordinierung Raumplanung einen wichtigen Beitrag zum Ausbau der Stromnetze leisten, der für die Versorgungssicherheit der Wirtschaft in Zeiten der Energiewende von entscheidender Bedeutung ist. Selbstverständlich dürfen diese nur in enger Abstimmung mit den Ländern erfolgen, wie der Verweis auf 24 ROG zeigt und die Bundesraumordnung sollte sich auf bundes- und europaweit bedeutsame Nutzungen beschränken. Auch sollten vorhandene Raumordnungspläne nicht nachträglich in Frage gestellt werden. 4. 23 Beirat für Raumentwicklung (2) Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur beruft im Benehmen mit den zuständigen Spitzenverbänden in den Beirat Vertreter aus der Wissenschaft und der Praxis aus Bereichen mit relevanten Bezügen zur räumlichen Entwicklung des Bundesgebietes. Die hier gewählte Formulierung lässt weiterhin offen, ob die Wirtschaft in Zukunft noch am Beirat für Raumordnung zu beteiligen ist. Wir regen ausdrücklich an, die raumbezogenen Belange der - 5 -
gesamten gewerblichen Wirtschaft bei den Diskussionen über die Raumplanung des Bundes nicht außer Acht zu lassen und schlagen deshalb folgende Formulierung vor: in den Beitrag Vertreter aus Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft einzubeziehen. (T. Fuchs, Referatsleiterin für Stadtentwicklung, Planungsrecht, Bauleitplanung und nationale Verbraucherpolitik, DIHK e.v.) - 6 -