Theoretische Informatik: Logik, M. Lange, FB16, Uni Kassel: 4.6 Prädikatenlogik ohne Gleichheit Der Sequenzenkalkül 138 Der Sequenzenkalkül Charakterisierung der logischen Schlussfolgerung: Sequenzenkalkül für die Prädikatenlogik Sequenzen sind von der Form Γ=, wobei Γ als Konjunktion und als Disjunktion angesehen wird Sequenz ist gültig, falls alle Interpretation, die alle Formeln in Γ erfüllen, eine Formel in erfüllen Sequenzenkalkül für FO ist Erweiterung des Sequenzenkalküls für Aussagenlogik; alle Axiome und Regeln dessen bleiben bestehen. Noch zu klären: wie geht man mit Quantoren um?
Theoretische Informatik: Logik, M. Lange, FB16, Uni Kassel: 4.6 Prädikatenlogik ohne Gleichheit Der Sequenzenkalkül 139 Kontraktion hier Antezedens und Sukzedens wirklich Multimengen Sequenzenkalkül für FO hat Kontraktionsregeln Γ,ϕ,ϕ= Γ,ϕ= (Kontr L) Γ=,ϕ,ϕ Γ=,ϕ (Kontr R ) in Beweisen manchmal notwendig, Voraussetzungen mehrfach zu benutzen, z.b. in x (P(x) Q(x)) x y.p(x) Q(y)
Theoretische Informatik: Logik, M. Lange, FB16, Uni Kassel: 4.6 Prädikatenlogik ohne Gleichheit Der Sequenzenkalkül 140 Regeln für die Quantoren Wie beweist man intuitiv eine existentielle Aussage x ϕ? Man gibt explizit einen Zeugen (Instanziierung) von x an und beweist ϕ für diesen. Wie beweist man intuitiv eine universelle Aussage x ϕ? Man sagt, dass x beliebig instanziiert ist und beweist ϕ dafür, ohne irgendwelche weiteren Annahmen darüber zu machen. Im Sequenzenkalkül in Sukzedentien: existentiell quantifizierte Variablen durch Grundterme ersetzen universell quantifizierte Variablen durch neue Konstantensymbole ersetzen Vorgehen in Antezedentien dann dual wegen x ϕ x ϕ.
Theoretische Informatik: Logik, M. Lange, FB16, Uni Kassel: 4.6 Prädikatenlogik ohne Gleichheit Der Sequenzenkalkül 141 Die Regeln für Quantoren Γ=,ϕ[t/x] Γ=, x ϕ ( R) Γ,ϕ[t/x] = Γ, x ϕ = ( L) Γ=,ϕ[c/x] Γ=, x ϕ ( R) Γ,ϕ[c/x] = Γ, x ϕ = ( L) wobei c jeweils neues Konstantensymbol ist, welches auf dem Pfad von der Wurzel des Beweises zur aktuellen Sequenz nirgendwo vorkommt t jeweils Grundterm ist!
Theoretische Informatik: Logik, M. Lange, FB16, Uni Kassel: 4.6 Prädikatenlogik ohne Gleichheit Der Sequenzenkalkül 142 Beispiele Sind die folgenden Sequenzen beweisbar? Wie sehen die Beweise / Beweisversuche aus? 1 x (P(x) Q(x)) = x y.p(x) Q(y) 2 x (P(x) P(f (x))) = x.p(x) P(f (f (x))) 3 P(0), x (P(x) P(x + 1)) = xp(x) 4 N(0), x (N(x) N(s(x))), P(0), x (P(x) P(s(x))) = x (N(x) P(x)) beachte: bei (3) und (4) müsste man noch voraussetzen, dass jedes c durch endliche Anwendung von s oder +1 von 0 aus erreichbar ist
Theoretische Informatik: Logik, M. Lange, FB16, Uni Kassel: 4.6 Prädikatenlogik ohne Gleichheit Der Sequenzenkalkül 143 Sinn der Einschränkungen ohne obige Einschränkungen an die Regelanwendungen für Quantoren ist der Sequenzenkalkül nicht korrekt finde jeweils ungültige Sequenzen, die aber beweisbar werden, wenn bei Regel ( R )oder( L )einbeliebiger Term eingesetzt werden dürfte bei Regel ( L )oder( R ) eine Konstante, die bereits verwendet wurde, eingesetzt werden dürfte
Theoretische Informatik: Logik, M. Lange, FB16, Uni Kassel: 4.6 Prädikatenlogik ohne Gleichheit Der Sequenzenkalkül 144 Korrektheit der Regeln Lemma 1: Alle Axiome sind gültig. Lemma 2: Für alle Beweisregeln gilt: wenn alle Prämissen gültig sind, so ist auch die Konklusion gültig. Beweis: Exemplarisch für ( R )und( R ). Fall ( R ): Sei Γ=, x.ϕ nicht gültig. Dann gibt es Interpretation I, sodassi = γ für jedes γ Γ und I = ψ für jedes ψ { x.ϕ}. SeiI =(A,ϑ) und A =(A,τ). Insbesondere gibt es kein a A, sodassa,ϑ[x a] = ϕ. Beachte: Für jeden Grundterm t ist [[t]] A ϑ A. Also gibt es auch keinen Grundterm t, sodassa,ϑ[x [[t]] A ϑ ] = ϕ. Somit widerlegt I die Gültigkeit der Prämisse Γ=,ϕ[t/x] für jeden Term t.
Theoretische Informatik: Logik, M. Lange, FB16, Uni Kassel: 4.6 Prädikatenlogik ohne Gleichheit Der Sequenzenkalkül 145 Korrektheit der Regeln Fall ( R ): Angenommen die Konklusion Γ=, x.ϕ ist ungültig. Dann gibt es Interpretation I =(A,ϑ) mit A =(A,τ), so dass I = γ für alle γ Γ und I = ψ für alle ψ { x.ϕ}. Insbesondere gibt es dann ein a A, sodassa,ϑ[x a] = ϕ. Sei nun c ein neues Konstantensymbol und τ =(τ,c), A wie A, jedochmitc A = a, I =(A,ϑ). Dann widerlegt I die Gültigkeit der Prämisse Γ=,ϕ[c/x]. Beachte: Der letzte Schritt wäre i.a. nicht richtig, falls c in Γ, oder ϕ vorkäme.
Theoretische Informatik: Logik, M. Lange, FB16, Uni Kassel: 4.6 Prädikatenlogik ohne Gleichheit Der Sequenzenkalkül 146 Korrektheit des Sequenzenkalküls Theorem 23 Ist Γ= beweisbar im Sequenzenkalkül, dann ist Γ= gültig. Beweis: Per Induktion über die Höhe h eines Beweises für Γ=. Induktionsanfang, h = 0. Dann ist Γ = Instanz eines Axioms und nach Lemma 1 somit gültig. Induktionsschritt, h > 0. DannwirdaufdieWurzeleine Beweisregel angewandt, die Prämissen P 1 und evtl. noch P 2 hat. Diese sind offensichtlich beweisbar mit Beweisen der Höhe höchstens h 1. Nach der Induktionshypothese sind diese dann gültig. Nach Lemma 2 ist auch die Konklusion gültig.
Theoretische Informatik: Logik, M. Lange, FB16, Uni Kassel: 4.6 Prädikatenlogik ohne Gleichheit Der Sequenzenkalkül 147 Sequenzen von Sätzen Lemma: Seien Γ, Formelmengen mit x frei(ϕ) für alle ϕ Γ. a) Γ=,ψ ist gültig gdw. Γ=, x.ψ gültig ist. b) Γ,ψ = ist gültig gdw. Γ, x.ψ = gültig ist. Beweis: Nur (a), Teil (b) analog. Die Aussage gilt offensichtlich, falls x frei(ψ). Angenommen, Γ=, x.ψ ist ungültig und x frei(ψ). Dannex.I =(A,ϑ) mit A =(A,τ) und I = Γ und I = { x.ψ}. Insbesondere gibt es ein a A, sodass A,ϑ[x a] = ψ. SeiI := (A,ϑ[x a]). Dann widerlegt I die Gültigkeit von Γ=,ψ. Rückrichtung genauso aufgrunddessen nehmen wir an, dass Sequenzen nur aus Sätzen in positiver Normalform bestehen
Theoretische Informatik: Logik, M. Lange, FB16, Uni Kassel: 4.6 Prädikatenlogik ohne Gleichheit Der Sequenzenkalkül 148 Idee des Vollständigkeitsbeweises Vollständigkeit bedeutet: jede nicht-beweisbare Sequenz ist ungültig Ungültigkeit von Γ= leicht zu zeigen: gib A an, so dass A = ϕ für alle ϕ Γ und A = ψ für alle ψ was bedeutet aber Unbeweisbarkeit? wir versuchen einen Beweis zu konstruieren, so dass daraus ein Gegenmodell A gewonnen werden kann Versuch ist unendliche Folge (S 0, K 0, Π 0,κ 0 ), (S 1, K 1, Π 1,κ 1 ),..., so dass S i Sequenzen K i unendliche Liste von Konstantensymbolen Π i endliche Prioritätswarteschlange von Formeln κ i partielle Abbildung; annotiert x ψ in Sukzedentien und x ψ in Antezedentien mit einer unendlichen Liste von
Theoretische Informatik: Logik, M. Lange, FB16, Uni Kassel: 4.6 Prädikatenlogik ohne Gleichheit Der Sequenzenkalkül 149 Annotierte Sequenzen für den Beweisversuch sei also Γ= Sequenz von Sätzen in pos. NF über τ Konstruktion des Beweisversuchs erfolgt induktiv Basisfall: S 0 =Γ= K 0 =(c 0, c 1, c 2,...) unendliche Liste von Konstantensymbolen, dienichtinτ vorkommen Π 0 =(ψ 1,...,ψ m ) Auflistung von Γ T 0 =(t 0, t 1, t 2,...) Aufzählung aller Grundterme über τ K 0 und κ 0 (ϕ) =T 0 für alle entsprechenden ϕ in Γ und Sei (S i, K i, Π i,κ i ) bereits definiert. (S i+1, K i+1, Π i+1,κ i+1 ) erhält man folgendermaßen.
Theoretische Informatik: Logik, M. Lange, FB16, Uni Kassel: 4.6 Prädikatenlogik ohne Gleichheit Der Sequenzenkalkül 150 Konstruktion des Beweisversuchs 1 wähle die in Π i vorderste Formel ϕ, dieinγ i i vorkommt 2 Fallunterscheidung über ϕ x ψ i oder x ψ Γ i :SeiK i = c, L. Wende Regel ( R ) bzw. ( L )mitc an. K i+1 := L, κ i+1 := κ i x ψ Γ i oder x ψ i :Seiκ i (ϕ) =t, L. Wendezuerst (Kontr L )bzw.(kontr R )aufϕ, dann Regel ( L )bzw.( R ) mit t an. K i+1 entsteht aus K i durch Löschen aller Terme, die Konstanten enthalten, welche auch in t vorkommen. κ i+1 := κ i [ϕ L] andere Fälle: Wende entsprechende Regel an. K i+1 := K i, κ i+1 := κ i
Theoretische Informatik: Logik, M. Lange, FB16, Uni Kassel: 4.6 Prädikatenlogik ohne Gleichheit Der Sequenzenkalkül 151 Konstruktion des Beweisversuchs 3 S i+1 =(Γ i+1 = i+1 ) ergibt sich jeweils aus der Regelanwendung. Bei verzweigenden Regeln ( L )und( R ) fahre fort mit einer Prämisse, die nicht zu einem endlichen Beweispfad führt. 4 Π i+1 ergibt sich jeweils so, dass ϕ aus Π i entfernt wird und die neuen Formeln hinten angefügt werden. 5 Enthält Γ i+1 \ Γ i eine neue Formel ϕ der Form x ψ oder i+1 \ i ein ϕ der Form x ψ, sosetzeκ i+1 (ϕ) =T 0.
Theoretische Informatik: Logik, M. Lange, FB16, Uni Kassel: 4.6 Prädikatenlogik ohne Gleichheit Der Sequenzenkalkül 152 Beispiel betrachte ϕ := ( x y.x y f (x) f (y)) x y x f (y) soll(!) besagen eine monotone Funktion kann nicht auf beliebig kleine Elemente abbilden lässt sich = ϕ beweisen? beachte bei Beweisversuch: eine Konstante wird gebraucht, da in der Signatur zunächst keine vorkommen gibt es eine Strukur, die ϕ widerlegt?
Theoretische Informatik: Logik, M. Lange, FB16, Uni Kassel: 4.6 Prädikatenlogik ohne Gleichheit Der Sequenzenkalkül 153 Eigenschaften der Antezedentien Beweisversuch ist so konstruiert, dass wichtige, syntaktische Eigenschaften gelten Lemma 1: Sei Γ 0 = 0, Γ 1 = 1,... Liste von Sequenzen aus oben konstruiertem Beweisversuch. Für alle i gilt: falls ψ 0 ψ 1 Γ i, dann gibt es j mit {ψ 0,ψ 1 } Γ j falls ψ 0 ψ 1 Γ i, dann gibt es j mit ψ 0 Γ j oder ψ 1 Γ j falls x ψ Γ i, dann gibt es j mit ψ[c/x] Γ j für ein c, welches sonst nirgendwo eingesetzt wird falls x ψ Γ i und gibt es für jedes t GT τ ein j mit ψ[t/x] Γ j Beweis: Übung.
Theoretische Informatik: Logik, M. Lange, FB16, Uni Kassel: 4.6 Prädikatenlogik ohne Gleichheit Der Sequenzenkalkül 154 Eigenschaften der Sukzedentien Lemma 2: Sei Γ 0 = 0, Γ 1 = 1,... Liste von Sequenzen aus oben konstruiertem Beweisversuch. Für alle i gilt: falls ψ 0 ψ 1 i, dann gibt es j mit {ψ 0,ψ 1 } j falls ψ 0 ψ 1 i, dann gibt es j mit ψ 0 j oder ψ 1 j falls x ψ i, dann gibt es j mit ψ[c/x] j für ein c, welches sonst nirgendwo eingesetzt wird falls x ψ i und gibt es für jedes t GT τ ein j mit ψ[t/x] j Beweis: Übung.
Theoretische Informatik: Logik, M. Lange, FB16, Uni Kassel: 4.6 Prädikatenlogik ohne Gleichheit Der Sequenzenkalkül 155 Das Gegenmodell sei Γ 0 = 0, Γ 1 = 1,... oben konstruierter Beweisversuch definiere: Φ ant := i N Γ i, Φ suk := i N i konstruiere Herbrand-Struktur H über τ K 0 mittels (t 1,...,t n ) R H gdw. R(t 1,...,t n ) Φ ant Lemma 3: Für alle ϕ Φ ant gilt: H = ϕ Beweis: Per Induktion über ϕ. Induktionsanfang für atomare Formeln offensichtlich. Induktionsschritt folgt sofort aus Lemma 1.
Theoretische Informatik: Logik, M. Lange, FB16, Uni Kassel: 4.6 Prädikatenlogik ohne Gleichheit Der Sequenzenkalkül 156 Vollständigkeit des Sequenzenkalküls Lemma 4: Für alle ϕ Φ suk gilt: H = ϕ Beweis: Ebenfalls per Induktion. Sei ϕ = R(t 1,...,t n ) Φ suk. Dann ist ϕ Φ ant, denn sonst würde der Beweisversuch ein Axiom enthalten. (Beachte: atomare Formeln werden nie gelöscht.) Nach Definition gilt (t 1,...,t n ) R H und somit H = ϕ. Induktionsschritt folgt sofort aus Lemma 2. Theorem 24 Jede gültige Sequenz ist im Sequenzenkalkül beweisbar. Beweis: Sei Γ= unbeweisbar. Dann lässt sich Beweisversuch wie oben beschrieben konstruieren. Betrachte die daraus gewonnene Herbrand-Struktur H. Nach Lemma 3 gilt H = ϕ für alle ϕ Γ. Nach Lemma 4 gilt H = ϕ für alle ϕ. Damit besitzt Γ= ein Gegenmodell und ist somit nicht gültig.
Theoretische Informatik: Logik, M. Lange, FB16, Uni Kassel: 4.7 Prädikatenlogik ohne Gleichheit Unentscheidbarkeit 157 Automatische Beweissuche zur Erinnerung: Beweissuche im Sequenzenkalkül für Aussagenlogik sehr leicht automatisierbar vergleiche: Resolution, DPLL, etc. sind korrekte, vollständige und terminierende Verfahren, umformelnaufentscheidbarkeit zu testen Frage: geht das auch mit FO? Antwort ist nein. gerade gesehen: Sequenzenkalkül ist korrekt und vollständig; automatische und immer terminierende Beweissuche nicht möglich Problem u.a.: wie Quantoren instanziieren?