Die Mietzinsgestaltung



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Transkript:

LAV Weiterbildungsveranstaltung vom 08. März 2005 Die Mietzinsgestaltung I. Historische Grundlagen 1. Notrechtliche Massnahmen 2. Der BMM 3. Die Totalrevision des Mietrechts II. Missbrauchskontrolle als zentrales Element des Mietrechts 1. Missbrauch als Rechtsbegriff 2. Missbrauchskontrolle nur auf Begehren des Mieters III. Die Grundregel von Art. 269 OR 1. Mietrechtliche Begriffe - Anlagekosten - Fremd- und Eigenkapital - Bruttoertrag und Bruttorendite - Nettoertrag und Nettorendite - Kosten- und Marktmiete - Relative und absolute Anpassungsgründe 2. Angemessenheit des Ertrages nach Art. 269 OR 3. Uebersetzter Kaufpreis IV. Die übrigen Kriterien zur Festsetzung des Mietzinses nach Art. 269a OR 1. Orts- und Quartierüblichkeit 2. Hypothekarzins 3. Mehrleistungen der Vermieterschaft 4. Kostendeckende Bruttorendite bei neueren Bauten 5. Teuerungsausgleich auf dem risikotragenden Kapital 6. Spezialfälle 7. Indexierte und gestaffelte Mietzinse V. Das Verhältnis zwischen den verschiedenen Kriterien der Mietzinsfestlegung 1. Wahl von Anpassungsgründen 2. Kumulierung der verschiedenen Anpassungsgründe 3. Kompensation der verschiedenen Anpassungsgründe VI. Mitteilung und Anfechtung der Mietzinserhöhung VII. Die Heiz- und Nebenkosten Berechnungsbeispiele und Tabellen für Nettorendite, Hypothekarzins und wertvermehrende Investitionen unter www.mietrecht.ch

2 Einleitung Wir befassen uns heute mit den Art. 269 bis 270e OR im zweiten Abschnitt des Mietrechts, der unter dem Titel Schutz vor missbräuchlichen Mietzinsen und anderen missbräuchlichen Forderungen des Vermieters bei der Miete von Wohn- und Geschäftsräumen steht. Das Mietrecht ist in vier Abschnitte aufgeteilt, nämlich den allgemeinen Bestimmungen von Art. 253-268b OR, dem zweiten Abschnitt zum Schutz vor missbräuchlichen Mietzinsen mit den Art. 269-270 e OR, dem dritten Abschnitt über den Kündigungsschutz (Art. 271 - Art. 273c OR) und dem vierten und letzten Abschnitt unter dem Titel Behörden und Verfahren (zu Art. 274 - Art. 274g OR). Am Schluss werden wir noch auf die Nebenkosten eingehen, die im allgemeinen Teil des Mietrechts in Art. 257a und b OR geregelt sind. I. Historische Grundlagen 1. Notrechtliche Massnahmen Das Mietrecht des Obligationenrechts von 1881 beruhte auf dem Grundsatz der Vertragsfreiheit und einer von Staatseingriffen möglichst freien Wirtschaft. Das liberale Model der Vertragsgestaltung wurde im revidierten Obligationenrecht von 1911 übernommen und bildete bis Ende 1970 die ordentliche gesetzliche Regelung des Mietvertrages in den Artikeln 253 ff. aor. Daneben bestand aber praktisch dauernd Notrecht. Der erste Weltkrieg brachte die Lage auf dem Wohnungsmarkt aus dem Gleichgewicht. Das Ausbleiben von Investitionen im Bereich des Wohnungsneubaus führte zu einem Nachfrageüberhang mit markanten Mietzinserhöhungen. Mit einer ersten notrechtlichen Intervention schuf der Bundesrat 1914 als Reaktion darauf die erste Form eines Erstreckungsverfahrens im Mietrecht. Schon drei Jahre später griff der Bundesrat erneut mit Notrecht zugunsten der Mieter ein, und zwar mit dem Beschluss betreffend Schutz von Mietern gegen Mietzinserhöhungen und Kündigungen im Jahre 1917. Es handelte sich dabei um die erste behördliche Mietzinskontrolle. Der Bundesrat verliess damit das vorgegebene liberale Model staatsfreier Vertragsgestaltung, wogegen sich in der damaligen Krisensituation kaum Stimmen erhoben. Bereits ein Jahr später wurde der staatliche Interventionismus verstärkt. Nebst einer ausgeweiteten Mietzinskontrolle wurde der Verkauf der Mietsache während der Vertragsdauer der Mietzinsüberwachung unterstellt. Im umfassenden Bundesratsbeschluss von 1920 unter dem Titel Bekämpfung der Miet- und Wohnungsnot wurden die bisherigen notrechtlichen Erlasse zusammengefasst. Dieser Beschluss hatte bei der Anwendung erhebliche Mängel, die 1926 dazu führten, dass sie ausser Kraft gesetzt wurden. Bis zum Ausbruch des zweiten Weltkrieges unterstanden die Mietverhältnisse wieder ausschliesslich den Bestimmungen des Obligationenrechts von 1911. Die wirtschaftlichen Auswirkungen des zweiten Weltkrieges veranlassten den Bundesrat erneut zu notrechtlichen Interventionen im Mietrecht. Ab 1936 galten allgemeine preisregulierende Massnahmen, die

3 auf die Bekämpfung von Mietzinserhöhungen abzielten. Die Erhöhung der Mieten bedurfte generell einer Bewilligung und unangemessene Mietzinse konnten von den Behörden gesenkt werden. Die während dem zweiten Weltkrieg geschaffenen mieterschutzrechtlichen Noterlasse wurden nach Kriegsende teilweise revidiert, blieben aber weitgehend in Kraft und wurden erst in den 50-ger Jahren schrittweise aufgehoben. 2. Der BMM Bereits in den 60-er und noch ausgeprägter in den 70-er Jahren verschärfte sich der Nachfrageüberhang auf dem Wohnungsmarkt aus konjunkturellen Gründen. Der akute Wohnungsmangel führte zu einem massiven Anstieg der Mietzinsen. 1972 wurde der Mieterschutz in einer Volksabstimmung auf Verfassungsstufe als staatliche Aufgabe verankert. Auf dieser Grundlage trat im gleichen Jahr der Bundesbeschluss über Massnahmen gegen Missbräuche im Mietwesen in Kraft (BMM). Der BMM war bis zur Totalrevision des Mietrechts in Kraft. 3. Die Totalrevision des Mietrechts Am 1. Juli 1990 trat das Bundesgesetz über Missbräuche im Mietwesen mit den Art. 253-274g OR in Kraft, das den bisherigen BMM ersetzte und das vom BMM eingeführte System der Mietzinsanfechtung im wesentlichen übernahm (vgl. Querverweise in der OR Textausgabe Gauch). Die Verordnung zum BMM wurde durch die heute geltende Verordnung über die Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen (VMWG) abgelöst. In diesem Zusammenhang muss die Volksabstimmung vom 18. Mai 2004 erwähnt werden, an der das vom Parlament vorgeschlagene neue Mietrecht verworfen wurde. Dieses neue Mietrecht war die Antwort des Parlamentes auf eine eidgenössische Volksinitiative des Schweizerischen Mieterinnen- und Mieterverbandes, die eine Abkoppelung des Mietzinses von den Hypothekarzinsen vorsah. Das negative Abstimmungsergebnis vom 18. Mai 2004 führte letztlich dazu, dass wir uns in den nächsten paar Jahren weiterhin mit dem seit 1990 geltenden Mietrecht zu befassen haben. Ausgangspunkt der Art 269 und Art. 269a OR ist der missbräuchliche Mietzins. Die Missbrauchskontrolle stellt ein zentrales Element des Mietrechts dar und zwar im Bereich der Mietzinse aber auch der Kündigungen. Im folgenden befassen wir uns kurz mit den Begriffen Missbrauch und Kontrolle. II. Missbrauchskontrolle als zentrales Element des Mietrechts 1. Missbrauch als Rechtsbegriff Der Begriff des Missbrauchs erscheint typischerweise in der Wortzusammensetzung Rechtsmissbrauch. Dabei ist die Regelung von Art. 2 Abs. 2 ZGB zentral, wonach Der offenbare Missbrauch eines Rechts findet keinen Rechtsschutz. Der Sachverhalt des offenbaren Rechtsmissbrauch ist mit der negativen Rechtsfolge verknüpft, dass kein Rechtsschutz gewährt wird. Das Rechtsmissbrauchsverbot von Art. 2 Abs. 2 ZGB stellt zwingendes Recht dar und verpflichtet den Richter, rechtsmissbräuchliches Verhalten von Amtes wegen zu berücksichtigen. Wird ein Recht nur dazu ausgeübt, um einem anderen zu schaden, so wird der Rich-

4 ter dem Ansprecher den Schutz völlig versagen; handelt es sich um einen Fall von krassem Missverhältnis der Interessen, so wird für den Richter nicht die völlige Ablehnung des Rechtsschutzes, sondern ein Interessenausgleich im Vordergrund stehen. Das Rechtsmissbrauchsverbot hat die Funktion, den Richter zu ermächtigen, einer Rechtsnorm die Durchsetzung im formellen Sinne in einem bestimmten Einzelfall zu versagen, und statt dessen eine vom formellen Standpunkt abweichende Entscheidung nach Massgabe einer materiellen Richtigkeit zu treffen. Art. 2 Abs. 2 ZGB hat eine normberichtigende Funktion. Der Missbrauchsbegriff im Mietrecht stellt insofern eine Konkretisierung des Rechtsmissbrauchsverbots von Art. 2 Abs. 2 ZGB dar, als auch hier der Richter im Einzelfall zu beurteilen hat, ob eine Missbräuchlichkeit vorliegt, die der Berichtigung bedarf. 2. Missbrauchskontrolle nur auf Begehren des Mieters Das Gesetz selbst legt keine maximal zulässige Mietzinse fest; das Gesetz enthält zudem keine Berechnungsanleitungen für die Zinsgestaltung. Der Abschluss eines Mietvertrages bleibt im Einklang mit dem liberalen Ausgangspunkt des Schweizerischen Privatrechtes der Parteien, womit die Vertragsfreiheit grundsätzlich gewahrt bleibt. Das Gesetz gewährt dem Mieter aber die Möglichkeit, den vertraglich vereinbarten Mietzins durch den Richter daraufhin überprüfen zu lassen, ob er im Sinne des Gesetzes missbräuchlich ist und ob er gegebenenfalls auf das zulässige, nicht mehr missbräuchliche Mass herabzusetzen sei. Der Richter wird erst auf Initiative und entsprechende Klage des Mieters hin tätig. Behörden und Richter haben nicht den Auftrag, die Entwicklung der Mietzinse im Allgemeinen oder die Vereinbarung eines Mietzinses im Einzelfall vor Vertragsschluss zu überprüfen und allenfalls zu genehmigen. Dabei darf allerdings nicht übersehen werden, dass schon allein die Möglichkeit der Missbrauchsanfechtung dazu geführt hat, dass im Bereich der vertraglichen Mietzinsgestaltung nicht mehr von einer liberalen Regelung im eigentlichen Sinne die Rede sein kann. Die von den Gerichten entwickelten Richtlinien für die Bemessung des Mietzinses werden von den Vermieterparteien berücksichtigt, die keinen Rechtsstreit riskieren wollen. 3. Keine Missbrauchskontrolle bei den freien Mieten Die sogenannten freien Mieten unterstehen nicht den Schutznormen der Art. 269-270e OR. Selbst wenn die Mietzinse missbräuchlich sein sollten, können sie vom Gericht nicht korrigiert werden. Das System der freien Mietzinsgestaltung gilt in folgenden Fällen: - Mietverhältnisse für luxuriöse Wohnungen oder Einfamilienhäuser, die mindestens sechs Zimmer aufweisen (Art. 253b Abs. 2 OR und Art. 2 Abs. 1 VMWG); - Mietverhältnisse über Ferienwohnungen, die für drei Monate oder weniger vermietet sind (Art. 253a Abs. 2 OR); - Mietverhältnisse über Immobilien, die weder Wohn- noch Geschäftsräume sind (wie beispielsweise unbebaute Grundstücke, selbständige Parkplätze etc.), und die auch nicht zusammen mit Wohn- oder Geschäftsräumen vermietet sind (vgl. Art. 253a Abs. 1 OR et contrario). Ebenfalls keine Geltung haben die Schutznormen über die Anfechtung missbräuchlicher Mietzinse für subventionierte, d.h. mit öffentlicher Finanzhilfe erstellte Wohnräume (Art. 253b Abs. 3 OR und Art. 2 Abs. 2 VMWG). Bei diesen Wohnräumen werden die Mietzinse

5 hoheitlich festgelegt, und sie können nur mit dem Einverständnis der Behörden verändert werden. Eine solche Mietzinskontrolle durch den Bund besteht nach dem Wohnbau- und Eigentumsförderungsgesetz (WEG) erstellten Wohnungen. Die Mietzinse dieser Wohnungen werden im voraus nach einem Zahlungsplan festgelegt. Zusätzlich haben Mieterinnen und Mieter mit niederem Einkommen die Möglichkeit zusätzliche Verbilligungen zu bekommen. Die Mieter von WEG-subventionierten Wohnungen haben die Möglichkeit, den Mietzins sowie die Mietzinsanpassungen beim Bundesamt für Wohnungswesen auf ihre Rechtmässigkeit in einem einfachen und kostenlosen Verfahren überprüfen zu lassen. Die zivilen Gerichte haben in dieser Hinsicht keinerlei Kompetenzen; hier ist allein das Bundesamt für Wohnungswesen zuständig. 4. Anfechtung des missbräuchlichen Mietzinses Bei den Mietverhältnissen über Wohn- und Geschäftsräume überlässt das Gesetz die Initiative zur Ueberprüfung des Mietzinses der Mieterschaft. Dazu hat sich die Mieterschaft rechtzeitig an die Schlichtungsbehörde zu wenden, um eine Ueberprüfung des Mietzinses zu verlangen. Die Anfechtung gilt nur für das betreffende Mietverhältnis. Unterlässt die Mieterschaft die Anfechtung des Mietzinses wird davon ausgegangen, dass sie den geforderten Mietzins akzeptiert. Sie kann sich in einem späteren Zeitpunkt nicht darauf berufen, dass beispielsweise eine andere Mieterschaft der gleichen Liegenschaft vor der Schlichtungsbehörde oder dem Gericht einen günstigeren Mietzins erstritten hat. Um die Mieterschaft vor Repressalien nach einer Mietzinsanfechtung durch die Vermieterschaft zu schützen, besteht während des Anfechtungsverfahrens und in den drei dem Verfahren folgenden Jahren ein Kündigungsschutz, sofern das Verfahren durch Vergleich oder zumindest teilweises Obsiegen der Mieterschaft abgeschlossen worden ist (Art. 271a Abs. 1 d und e OR). Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang auch der strafrechtliche Schutz des Art. 325 bis StGb, der den Vermietern Haft oder Busse androht, die versuchen, die Mieter durch Kündigungsdrohung von einer Mietzinsanfechtung abzuhalten, oder die nach einer Mietzinsanfechtung dem Mieter kündigen. Die Mieterschaft kann sich gegen einen als missbräuchlich erachteten Mietzins zur Wehr setzen durch: - Anfechtung des Anfangsmietzinses (Art. 270 OR) Es genügt, wenn eine der drei aufgezählten Voraussetzungen erfüllt ist. Die Anfechtungsfrist von 30 Tagen beginnt ab Uebernahme der Mietsache; es handelt sich um eine Verwirkungsfrist, die von Amtes wegen zu beachten ist. - Anfechtung einer Mietzinserhöhung (Art. 270b OR) Für eine gültige Mietzinserhöhung schreibt Art. 269d OR zwingend fünf Voraussetzungen vor, die gleichzeitig erfüllt sein müssen: Mitteilung auf dem amtlich genehmigten Formular mit eigenhändiger Unterschrift (Art. 19 Abs. 1 VMWG / Bundesgericht 4C.10/2003, 8. Juli 2003), Begründung der Erhöhung; Einhaltung der Kündigungsfrist und des Kündigungstermins; Beachtung der 10-tägigen Bedenkfrist; Verzicht auf eine Kündigung oder Kündigungsandrohung. Einseitige Mietzinserhöhungen nach Art. 269d OR können nur bei einem auf unbestimmte Dauer geschlossenen Mietverhältnis Anwendung finden. Ein auf eine bestimmte Dauer abgeschlossenen Mietverhältnis endigt mit dessen Ablauf, und der Mietzins kann während der festen Vertragsdauer nicht einseitig abgeändert werden, es sei denn gestützt auf eine im voraus vereinbarte Anpassungsklausel wie indexierte oder gestaffelte Mietzinse (Art. 269b OR und Art. 269c OR). Das Gesetz sieht die Nichtigkeit einer Mietzinserhöhung vor, wenn sie nicht auf dem amtlich genehmigten eigenhändig unterzeichneten Formular angezeigt wird, wenn die Erhöhung nicht oder nicht genügend begründet ist und wenn die Mieterschaft mit der Mitteilung der Erhöhung die Kündigung ausspricht oder androht (Art. 269d Abs. 2 lit. a - c

6 OR). Eine nichtige Mietzinserhöhung muss nicht angefochten werden; die Nichtigkeit der Mietzinserhöhung kann jederzeit geltend gemacht werden. Die Mieterschaft kann eine Mietzinserhöhung innert 30 Tagen, nachdem sie ihr mitgeteilt worden ist, anfechten (Art. 270b Abs. 1 OR). Es handelt sich wiederum um eine Verwirkungsfrist, die von Amtes wegen zu beachten ist. Die Anfechtung muss bei der Schlichtungsbehörde am Ort der gelegenen Sache erfolgen (Art. 23 des Gerichtstandgesetzes GestG). Während des Anfechtungsverfahrens muss die Mieterschaft den alten bisher geltenden Mietzins bezahlen. Die Beweislast für das Vorliegen von Erhöhungsgründen trägt die Vermieterschaft. Wenn vor der Schlichtungsbehörde keine Einigung erzielt wird, obliegt es der Vermieterschaft, innert 30 Tagen das zuständige Gericht anzurufen (Art. 274f Abs. 1 OR). Verzichtet die Vermieterschaft auf die Anrufung des Gerichtes, wird angenommen, dass sie auf die Erhöhung verzichtet. Der Verzicht, das zuständige Gericht anzurufen hat allerdings nicht zur Folge, dass die geltend gemachten Erhöhungsgründe definitiv untergegangen sind. Die Vermieterschaft kann ihre Forderung auf dem amtlichen Formular mit der gleichen Begründung wiederholen, jedoch nicht mehr auf den ursprünglichen Termin, sondern auf den dannzumal nächstmöglichen Kündigungstermin. - Stellung eines Herabsetzungsbegehrens (Art. 270a OR) Das Herabsetzungsverfahren ist zweistufig gegliedert. In einem ersten Schritt muss die Mieterschaft das Herabsetzungsbegehren schriftlich an die Vermieterschaft richten (Art. 270a Abs. 2 OR). Das Herabsetzungsbegehren ist in Franken oder Prozenten zu beziffern und gleichzeitig zu begründen. Von der Vermieterschaft wird erwartet, dass sie innert einer Frist von 30 Tagen nach Erhalt des Herabsetzungsbegehrens dazu Stellung nimmt. Wenn die Vermieterschaft dem Herabsetzungsbegehren nicht Folge leistet (keine oder eine ablehnende Antwort) hat die Mieterschaft ein Verfahren vor der Schlichtungsbehörde einzuleiten. Die Mieterschaft trägt die Beweislast für die Anpassungsgründe. Stellt die Vermieterschaft dem Herabsetzungsbegehren Erhöhungsgründe entgegen oder erhebt sie den Einwand des ungenügenden Ertrages, trägt sie dafür die Beweislast. Kommt es im Verfahren vor der Schlichtungsbehörde zu keiner Einigung, obliegt es der Mieterschaft sich innert 30-tägiger Frist an das Gericht zu wenden. Während des Verfahrens bleibt der Mietzins unverändert (Art. 270e OR). III. Die Grundregel von Art. 269 OR 1. Mietrechtliche Begriffe - Anlagekosten Die Anlagekosten (Art. 15 VMWG) entsprechen der von der Vermieterschaft getätigten Gesamtinvestition für den Erwerb der Liegenschaft oder die Erstellung einer Baute zuzüglich Landerwerbskosten. Die Höhe der ursprünglichen Anlagekosten bleibt während der ganzen Besitzesdauer grundsätzlich gleich. Einzig wertvermehrende Um- oder Ausbauten führen zu einer Erhöhung der Anlagekosten. Die Anlagekosten setzen sich somit zusammen aus: dem tatsächlich bezahlten Kaufpreis, den Beschaffungskosten (Kaufgebühren und Steuern etc.) und den Baukosten für die Erstellung des Mietobjektes. - Fremd- und Eigenkapital

7 Als Fremdkapital bezeichnet man den Kredit- bzw. Darlehensbetrag, der in der Regel grundpfandrechtlich sichergestellt ist (Hypothek). Das Eigenkapital ist der von der Vermieterschaft selbst finanzierte Teil der Anlagekosten, also jene Mittel, die die Vermieterschaft aus dem eigenen Vermögen zur Finanzierung der Anlagekosten aufgebracht hat. Das im Mietrecht massgebliche Eigenkapital setzt sich wie folgt zusammen: Kaufpreis inkl. Handänderungskosten (Anlagekosten) - Fremdkapital +Teuerung auf dem Eigenkapital (Art. 269a lit. e und Art. 16VMWG) + eigenfinanzierte wertvermehrende Investitionen (Art. 269a lit. b OR i.v. mit Art. 14 VMWG) = massgebliches Eigenkapital - Bruttoertrag und Bruttorendite Der Bruttoertrag ist die Gesamtheit der Mietzinseinnahmen für das ganze Mietobjekt ohne Akontozahlungen für Heiz- und Nebenkosten, die abgezogen werden müssen. Die Bruttorendite ist auf die kürzeste Formel gebracht, das in Prozenten ausgedrückte Verhältnis der Mietzinseinnahmen zu den gesamten Anlagekosten. Bei einem investierten Gesamtkapital von Fr. 1 Mio und Mietzinseinnahmen von Fr. 70.000.-- pro Jahr beträgt die Bruttorendite 7 %. - Nettoertrag und Nettorendite Der Nettoertrag ist die Gesamtheit der Mietzinseinnahmen abzüglich die Vermieterkosten, bestehend aus den Zinskosten für das Fremdkapital, die Unterhaltskosten im Durchschnitt der letzten drei bis fünf Jahren, dem ausserordentlichen Unterhalt (Ersatzinvestitionen geteilt durch die vermutliche Lebensdauer), die Betriebskosten, die nicht durch die Heiz- und Nebenkosten abgedeckt sind und die Verwaltungskosten. Die Nettorendite ist das in Prozent ausgedrückte Verhältnis des Nettoertrages im Verhältnis zum teuerungsbereinigten Eigenkapital. Bei einem Nettoertrag von Fr. 20.000.-- und einem Eigenkapital von Fr. 300.000.-- beträgt die Nettorendite 6,66%. (Nettoertrag x 100 : 300.000.-- = 6,66%). - Kosten- und Marktmiete Bei der Kostenmiete gilt es zu bestimmen, ob die Vermieterschaft aus ihrer persönlichen Investition keinen übersetzten Ertrag zulasten der Mieterschaft erzielt. Zur Kostenmiete gehören Art. 269 OR (Nettoertrag der Mietsache), Art. 269a lit. b OR (Kostensteigerungen oder Mehrleistungen der Vermieterschaft), Art. 269a lit. c OR (kostendeckende Bruttorendite bei neueren Bauten), Art. 269a lit. d OR ( Zahlungsplan), Art. 269a lit. e (Teuerungsausgleich). Bei der Marktmiete wir der Mietzins durch das Prinzip von Angebot und Nachfrage bestimmt. Daraus ergibt sich der Marktwert der Mietsache. In der Nähe zur Marktmiete liegt das Kriterium der Ort- und Quartierüblichkeit nach Art. 269a lit. a OR. - Relative und absolute Anpassungsgründe Als relative Anpassungsgründe gelten die Kriterien der Kostensteigerung (Art. 269a lit.b OR), Mehrleistungen der Vermieterschaft (Art. 269a lit. b OR) sowie der Teuerungsausgleich auf dem risikotragenden Kapital (Art. 269a lit. e OR), die zwingend einen Vergleich zur letzten Mietzinsfestsetzung verlangen.

8 Eine eigenständige Mietzinsfestsetzung, losgelöst von der Vorgeschichte, das heisst unabhängig von früheren Vereinbarungen der Parteien, erlauben die Ertragsberechnungen nach Art. 269 (Nettorendite) und Art. 269a lit. c (Bruttorendite) sowie Mietzinsbestimmung nach dem Kriterium der Ort- und Quartierüblichkeit. Ausgehend von der Tatsache, dass es absolute und relative Kriterien zur Festlegung des Mietzinses gibt, hat das Bundesgericht zwei Methoden zur Ueberprüfung des Mietzinses entwickelt: die absolute und die relative Methode. Gemäss der absoluten Methode ist zu prüfen, ob der Mietzins an sich missbräuchlich ist. Der Mietzins wird anhand des Ertrages aus der Mietsache überprüft oder mit den orts- oder quartierüblichen Mietzinsen verglichen. Frühere Vereinbarungen und allfällige einseitige Erklärungen der Parteien sind ohne Bedeutung. Gemäss der relativen Methode ist lediglich zu prüfen, ob der Mietzins seit der letzten Mietzinsfestlegung missbräuchlich geworden ist, wobei die Prüfung anhand der Gründe erfolgt, die von den Parteien angerufen werden. Anders gesagt, es wird überprüft, ob die verlangte Mietzinsanpassung im Einklang mit früheren Willensäusserungen der Partei steht, die die Mietzinsanpassung verlangt. 2. Angemessenheit des Ertrages nach Art. 269 OR Nach Art. 269 OR sind Mietzinse missbräuchlich, wenn damit ein übersetzter Ertrag aus der Mietsache erzielt wird. Mit dieser Bestimmung wird die Idee der Kostenmiete als Grundsatz im Gesetz verankert. Dabei ist einzig der Ertrag aus der einzelnen vermieteten Sache, d.h. der fraglichen Wohnung oder des fraglichen Geschäftsraumes massgebend. Aus diesem Grund hat eine anteilsmässige Ertragsberechnung über das jeweilige Mietobjekt zu erfolgen (individuelle, objektbezogene Ertragsberechnung). Das Bundesgericht erachtet eine Rendite auf dem Eigenkapital für zulässig, die den Hypothekarzinssatz für Althypotheken im ersten Rang nicht um mehr als 1/2% übersteigt. Wie eine Nettorenditeberechnung nach Art. 269 OR in einem konkreten Fall vorgenommen werden kann, will ich im folgenden Beispiel zeigen: (Berechnungsbeispiel Nettorenditeberechnung aus www.mietrecht.ch.) 3. Uebersetzter Kaufpreis Nach Art. 269 OR ist ein Mietzins auch dann missbräuchlich, wenn er auf einem offensichtlich übersetzten Kaufpreis beruht. Zur Prüfung, ob ein Kaufpreis offensichtlich übersetzt ist, ist auf den Ertragswert, berechnet auf den orts- oder quartierüblichen Mietzinsen für gleichartige Objekte abzustellen (Art. 10 VMWG).

9 IV. Die übrigen Kriterien zur Festsetzung des Mietzinses Art. 269 OR stellt eine selbstständige Grundregel zur Bestimmung des missbräuchlichen Mietzinses dar. Art. 269a OR dagegen formuliert in einem Katalog Ausnahmen (Sondertatbestände), bei deren Vorliegen die Mietzinse als nicht missbräuchlich zu qualifizieren sind. Mit der Formulierung in der Regel sieht Art. 269a OR die Möglichkeit einer Ausnahme von der Ausnahme vor, das heisst im Sinne einer widerlegbaren Vermutung. Die Missbräuchlichkeit kann trotz Vorliegen eines Sondertatbestandes im Sinne von Art. 269a OR gegeben sein, falls sie unter Bezugnahme auf Art. 269 OR nachgewiesen werden kann. 1. Orts- und Quartierüblichkeit Nach Art. 269a lit. a OR sind Mietzinse in der Regel nicht missbräuchlich, wenn sie im Rahmen der orts- und quartierüblichen Mietzinse liegen. In der Praxis hat diese Bestimmung kaum Anwendung gefunden, da es beinahe unmöglich ist, die vom Bundesgericht vorgeschriebenen fünf wirklich in jeder Hinsicht vergleichbaren Mietobjekte im selben Ort beziehungsweise Quartier zu finden. Die Vergleichbarkeit muss bezüglich Lage, Grösse, Ausstattung, Zustand und Bauperiode gegeben sein und die Vergleichsobjekte dürfen weder in der gleichen Liegenschaft liegen noch den gleichen Eigentümern gehören. Der orts- oder quartierübliche Mietzins ist ein absoluter Mietzinsanpassungsgrund auf der Grundlage der Marktmiete. Er dient in erster Linie zur Festsetzung des Anfangsmietzinses bei der Anfechtung des Anfangmietzinses nach Art. 270 OR. Das Kriterium des orts- oder quartierüblichen Mietzinses ist mit den anderen Kriterien für die Festsetzung des Mietzinses unvereinbar; es kann mit diesen weder kumuliert noch kompensiert werden. Neuere Rechtsprechung dazu: Bundesgericht 4C 176/2003: Mietzinserhöhung für eine 4-Zimmerwohnung in Basel (Eigentümerin Stadt Basel) von Fr. 476.-- auf Fr. 662.-- mit der Begründung Anpassung an die orts- und quartierüblichen Mieten. Auch wenn die Statistik der Basler Mietpreisraster nicht alle in Art. 11 VMWG aufgeführten Merkmale umfasst, darf sie als grober Raster beigezogen werden. Im Einzelfall ist allerdings zu berücksichtigen, ob und wieweit der Wert einer Wohnung vom statistischen Durchschnitt abweicht. Im vorliegenden Fall hat das Bundesgericht die Mietzinserhöhung geschützt, nachdem der statistische Mietzins für vergleichbare 4-Zimmerwohnungen Fr. 1.120.-- betrug. Die Einrede des übersetzten Nettoertrages ist gegenüber der Ort- und Quartierüblichkeit bei Altbauten unzulässig (dazu auch 4C.323/2002). 2. Hypothekarzins Der wichtigste Kostensteigerungsfaktor nach Art. 269a lit. b stellt in der Praxis der Hypothekarzins dar. Eine Erhöhung des Hypothekarzinses erlaubt der Vermieterschaft eine einseitige Mietzinserhöhung, ohne dass sie eine Nettorenditenberechnung anstellen müsste. Aber gleichermassen kann die Mieterschaft die Senkung des Hypothekarzinses zum Anlass nehmen, eine Mietzinsherabsetzung zu verlangen. Die Praxis gewährt in Durchbrechung des Kostenprinzips ohne Rücksicht auf die Höhe des in der Mietsache investierten Fremdkapitalanteils selbst für hypothekarfreie Objekte eine Mietzinsanpassung bei Hypothekarzinsveränderungen. Die Ueberwälzungssätze oder die stan-

10 dardisierten Ueberwälzungssätze sind in Art. 13 VMWG festgelegt. Diesen Ueberwälzungssätzen steht ein ebenfalls standardisiertes Finanzmodel über das Verhältnis zwischen Eigenmitteln (40 %) und Fremdmitteln (60 %) zu Grunde. Sowie die weitere verallgemeinernde Annahme, dass 70 % des Mietzinses für Kapitaldienste bestimmt sind und die verbleibenden 30 % zur Deckung der übrigen Kosten dienen. Die Anpassung an den Hypothekarzinssatz stellt ein relativer Anpassungsgrund dar. Eine Mietzinsanpassung wegen Hypothekarzinsänderung kann mit anderen relativen Anpassungsgründen kumuliert oder kompensiert werden. Beispiel eines Mietverhältnisses, dass per 1. Juni 1999 abgeschlossen worden ist mit einem Nettomietzins von Fr. 1.250.--. Nachdem der Hypothekarzins seither gesunken ist, hat der Mieter die Möglichkeit, gestützt auf Art. 270a OR eine Herabsetzung des Mietzinses zu verlangen. Die Berechnung geht wie folgt vor: (Mietzinsberechnung nach Art. 269a lit. b OR aus www.mietrecht.ch.) 3. Mehrleistungen der Vermieterschaft Unter dem Begriff der Mehrleistung des Vermieters fallen Investitionen für wertvermehrende Verbesserungen oder Vergrösserungen der Mietsache. Nach Art. 14 Abs. 2 VMWG sind Mietzinserhöhungen nicht missbräuchlich, wenn sie den Satz für Verzinsung, Amortisation und Unterhalt per Investition nicht überschreiten. Für die sogenannte umfassende Ueberholung wird dort zudem bestimmt, dass in der Regel 50 bis 70 % der Kosten als wertvermehrende Investitionen gelten. Wird eine am Mietobjekt vorhandene Einrichtung wie zum Beispiel Küchen oder Badeinrichtungen durch eine andere von deutlich besserer Qualität oder Funktion ersetzt, so wird nur durch einen Teil der Investition Mehrwert geschaffen. Und es darf nur dieser Teil auf den Mieter überwälzt werden. Die Mehrleistungen der Vermieterschaft sind ein relativer Mietzinsanpassungsgrund, der mit anderen relativen Anpassungsgründen kumuliert oder kompensiert werden kann. Beispiel: Die Vermieterschaft lässt für Fr. 2 000.-- eine neue Geschirrspülmaschine einbauen, die es in der Küche vorher nicht gab. Angenommene Lebensdauer: 10 Jahre. Bei einem Hypothekarzinssatz von 3,25 % kann die Mietzinserhöhung gemäss Tabelle berechnet werden, in der Lebensdauer, Hypothekarzinssatz, Amortisation und Unterhalt eingerechnet sind. Im vorliegenden Fall ergibt sich ein Ueberwälzungssatz von 13,09 % oder Fr. 262.-- pro Jahr beziehungsweise Fr. 22.-- mehr Mietzins pro Monat. (Beispiel Lebensdauertabelle und Ueberwälzungssätze aus www.mietrecht.ch) (Berechnungsbeispiele von Mietzinsveränderungen nach wertvermehrenden Investitionen aus www.mietrecht.ch). Mietgericht Zürich (mp 1/04 S. 39 ff) und Zivilgerichtspräsident Basel (mp 3/04 S. 158 ff.): Wenn einzelne Renovationsarbeiten als wertvermehrend oder werterhaltend qualifiziert werden können, gelangt der Pauschalansatz von 50-70% Wertvermehrung nicht zur Anwendung, so wenn lediglich zwei Arbeitsgattungen vorliegen, nämlich Brandschutzmassnahmen und Elektroinstallationen im ersten und Renovation von Küche und Bad im zweiten Fall. Die Anpassung des Gebäudes an behördliche Vorschriften stellt keine Wertvermehrung, sondern

11 eine Mangelbehebung dar. Bei einzelnen wertvermehrenden Arbeiten dürfen auch weitere Kosten, die in direktem Zusammenhang dazu stehen, als wertvermehrend überwälzt werden. Nicht dazu gehören Nachbar- und Mieterentschädigungen für die Störungen durch die Bauarbeiten oder Anwaltskosten, die nur indirekt im Zusammenhang mit der Renovation entstanden sind. 4. Kostendeckende Bruttorendite bei neueren Bauten Diese Bestimmung soll zu Investitionen im Baubereich ermutigen und verhindern, dass die Neubautätigkeit durch die Missbrauchgesetzgebung gedämpft wird. Sie erlaubt der Vermieterschaft, die Erstellungs- oder Erwerbskosten einer neueren Liegenschaft vollumfänglich auf den Mietzins umzuschlagen, selbst wenn ein derartiger Mietzins bedingt durch die hohen Anlagekosten nicht unbedingt marktgerecht ist. In der Praxis bedeutet dies aber, dass der Vermieter wegen ungenügender Nachfrage die Wohnung zu einem Mietzins anbieten muss, der keine kostendeckende Bruttorendite ergibt. In solchen Fällen wird die kostendeckende Bruttorendite (Art. 269a lit. c OR) regelmässig vorbehalten (Mietzinsvorbehalt nach Art. 18 VMWG), damit im Laufe der Zeit der Mietzins an das kostendeckende Niveau angeglichen werden kann. Es handelt sich um einen absoluten Mietzinsanpassungsgrund, der die Anwendung anderer Mietzinsanpassungsgründe ausschliesst. Als neuere Bauten gelten Gebäude die nicht älter als 10 Jahre sind. Zulässig ist ein Satz in der Grössenordnung von maximal 2 % über dem marktüblichen Hypothekarzinssatz im 1. Rang. Beispiel: Eine Liegenschaft mit Anlagekosten von einer Million Franken weist Mietzinseinkünfte von Fr. 75 000.-- aus. In diesem Fall beläuft sich die Bruttorendite auf 7,5 %, was nicht mehr zulässig wäre. Im Moment liegt die obere Grenze bei 5,25 %. 5. Teuerungsausgleich auf dem risikotragenden Kapital (Art. 269a lit. e OR) Die Teuerung ist gemäss Art. 16 VMWG aufgrund des BIGA-Index zu berechnen und darf höchstens zu 40 % der festgestellten Steigerung auf den Mieter überwälzt werden. Beim Teuerungsausgleich handelt es sich um einen relativen Mietzinsanpassungsgrund der mit anderen relativen Faktoren kumuliert oder kompensiert werden kann (vgl. dazu Berechnungsbeispiel Mietzinsberechnung nach Hypothekarzinsänderung) 6. Spezialfälle - Zahlungsplan Art. 269a lit. d OR Seit Inkrafttreten des neuen Mietrechts im Jahre 1990 ist vom Zahlungsplan kaum Gebrauch gemacht worden. - Empfehlungen in Rahmenmietverträgen Art. 269a lit. f OR Es gibt nur im Kanton Waadt zwei (allgemeinverbindlich erklärte) Rahmenmietverträge. - Umsatz- oder einkommensabhängiger Mietzins

12 Bei Mietverträgen über Geschäftsräume kommen in der Praxis, insbesondere im Bereich der Gastronomie oder Verkaufsläden, Mietzinsregelungen vor, wonach die Höhe des Mietzinses vom Umsatz der Mieterschaft aus ihrer Geschäftstätigkeit abhängig ist. Die Doktrin und Rechtsprechung lassen derartige Mietverhältnisse wegen des Grundsatzes der Vertragsfreiheit zu. Ebenso zulässig sind vom Einkommen abhängige Mietzinse, solange sie jedenfalls den zulässigen Ertrag gemäss Art. 269 OR nicht übersteigen. 7. Indexierte und gestaffelte Mietzinse Indexmietzinse sind in Art. 269b OR und Art. 17 VMWG geregelt. Danach gilt, dass eine Indexmiete nur bei Mietverträgen gültig ist, die auf eine feste Dauer von mindestens fünf Jahren abgeschlossen worden sind und bei denen als Index der Landesindex der Konsumentenpreise vorgesehen ist. Die Indexierung stellt grundsätzlich einen ausschliesslichen Anpassungsgrund dar. Eine Koppelung, die zum Beispiel eine Mietzinserhöhung bei Erhöhung der Hypothekarzinse vorsieht, wäre unzulässig. Der Mietzins kann jeweils im vollen Umfang der Indexsteigerung angepasst werden. Die Staffelmiete ist in Art. 269c OR geregelt. Dort wird als zwingende Voraussetzung vorgeschrieben, dass der Mietvertrag für mindestens drei Jahre abgeschlossen sein soll, und dass der Mietzins höchstens einmal jährlich um einen in Franken festgelegten Betrag erhöht wird. Andere Anpassungsgründe sind ausgeschlossen. V. Das Verhältnis zwischen den verschiedenen Kriterien der Mietzinsfestlegung 1. Wahl von Anpassungsgründen Die Vermieterschaft muss Mietzinserhöhungen begründen. Ebenso hat eine Mieterschaft, die eine Mietzinsherabsetzung verlangt, diese zu begründen. Diese Begründung ist insofern von Bedeutung, als sie erlaubt, die Berechtigung der Mietzinsanpassung zu überprüfen und zu entscheiden, ob sie angefochten werden soll oder nicht. Die Vermieterschaft ist an die Erhöhungsgründe gebunden; umgekehrt ist auch die Vermieterschaft an die Gründe gebunden, die sie im gerichtlichen Verfahren zur Begründung der Mietzinsherabsetzung anführt. Im Laufe eines Verfahrens kann die Partei, die eine Anpassung verlangt, in der Regel keine Gründe mehr anrufen, die sie anfänglich nicht genannt hat. Mietzinserhöhungen: Grundsätzlich darf die Vermieterschaft eine Mietzinserhöhung nur mit relativen Anpassungsgründen begründen; eine Ueberprüfung erfolgt in Anwendung der relativen Methode.

13 Nur ausnahmsweise kann sich die Vermieterschaft direkt auf einen absoluten Anpassungsgrund berufen und zwar dann, wenn - ein gültiger Vorbehalt nach Art. 18 VMWG im Mietvertrag besteht - die Erhöhung des Mietzinses nach der Entlassung aus der behördlichen Mietzins- kontrolle erfolgt - eine Liegenschaft während des Mietverhältnisses verkauft oder erbrechtlich auf einen neuen Eigentümer übergeht - eine Staffel- oder Indexmiete ausläuft. Mietzinsherabsetzung: Ein Mietzinsherabsetzungsbegehren ist nach der relativen Methode zu beurteilen. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut von Art. 270a Abs. 1 OR, wonach die Mieterschaft eine Herabsetzung des Mietzinses verlangen kann, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass die Mietsache der Vermieterschaft wegen einer wesentlichen Aenderung der Berechnungsgrundlagen, vor allem wegen einer Kostensenkung, einen übersetzten Ertrag verschafft. Die Vermieterschaft kann aber in diesem Fall die Einrede erheben, dass der Ertrag aus der Mietsache (Art. 269 OR) ungenügend sei, oder dass die kostendeckende Bruttorendite bei einer neueren Baute nicht erreicht sei oder schliesslich, dass der herabgesetzte Mietzins unter den orts- oder quartierüblichen Mietzins zu liegen käme. 2. Kumulierung der verschiedenen Anpassungsgründe Wenn eine Partei den Mietzins anpassen will, kann sie sich gleichzeitig auf mehrere relative Anpassungsgründe berufen. Eine Kumulierung ist insbesondere bei den Anpassungsgründen der Kostensteigerung (Art. 269a lit. b OR), Mehrleistungen der Vermieterschaft (Art. 269a lit. b OR) und dem Teuerungsausgleich (Art. 269a lit. e OR) möglich. Beispiel: Die Vermieterschaft erbringt wertvermehrende Investitionen, die eine Mietzinserhöhung von 5 % rechtfertigen; wegen des Anstiegs des Hypothekarsatzes kann der Mietzins um weitere 2 % erhöht werden, und unter dem Titel Teuerungsausgleich kommt eine Erhöhung von 1 % hinzu: der Mietzins darf insgesamt um 8 % angehoben werden. Absolute Anpassungsgründe dürfen miteinander nicht kumuliert werden. Bei der Mietzinsfestsetzung beziehungsweise Erhöhung muss die Vermieterschaft zwischen dem Anpassungsgrund des Ertrages aus der Mietsache (Art. 269 OR), der kostendeckenden Bruttorendite (Art. 269a lit. c OR) und den orts- oder quartierüblichen Mietzinsen (Art. 269a lit. a OR) wählen. Eine Mietzinserhöhung der Vermieterschaft, welche mit mehreren sich gegenseitig ausschliessenden absoluten Anpassungsgründen begründet wird, ist nichtig. Absolute Anpassungsgründe können nicht zusammen mit relativen Anpassungsgründen angerufen werden. Beim Anpassungsgrund des Ertrages aus der Mietsache (Art. 269 OR) wird dem Teuerungsausgleich und der Entwicklung der Unterhaltskosten bereits Rechnung getragen. Indexierte Mietzinse können lediglich mit Mehrleistungen der Vermieterschaft kumuliert werden.

14 Die Staffelung der Mietzinse stellt eine ausschliessliche Art der Mietzinsanpassung dar, bei der eine Kumulierung oder Kombination mit anderen Anpassungsgründen ausgeschlossen ist. 3. Kompensation der verschiedenen Anpassungsgründe Relative Anpassungsgründe können sich gegenseitig kompensieren. In der Praxis steht der Fall im Vordergrund, bei welchem dem Senkungsanspruch des Mieters infolge einer Hypothekarzinssenkung Gegenansprüche des Vermieters wegen des Anstiegs der Unterhalts- und Betriebskosten und wegen der Teuerung entgegenstehen (vgl. Fallbeispiel Mietzinsbestimmung aufgrund Hypothekarzinsveränderung). Absolute Anpassungsgründe können nicht kompensiert werden. Absolute Anpassungsgründe und relative Anpassungsgründe können nicht kompensiert werden. VI. Mitteilung und Anfechtung der Mietzinserhöhung Die Mitteilung der Mietzinserhöhung ist in Art. 269d OR geregelt. Danach kann der Vermieter den Mietzins jederzeit auf den nächstmöglichen Kündigungstermin erhöhen. Er muss dem Mieter die Mietzinserhöhung mindestens zehn Tage vor Beginn der Kündigungsfrist auf einem genehmigten Formular mittteilen und begründen. Die Mietzinserhöhung ist nichtig, wenn der Vermieter sie nicht mit einem vorgeschriebenen Formular persönlich unterschrieben mitteilt, sie nicht begründet oder mit der Mitteilung die Kündigung androht oder ausspricht. Art. 19 VMWG enthält sämtliche Angaben, die das Formular zur Mietzinserhöhung enthalten muss. Die Anfechtung des Mietzinses ist in den Art. 270 OR (Anfechtung des Anfangsmietzinses), und in Art. 270b OR (Anfechtungs- und Mietzinserhöhungen während des Mietverhältnisses) geregelt. VII. Heiz- und Nebenkosten Das Thema Nebenkosten wird in den Art. 257a OR und Art. 257b OR sowie in den Art. 4 bis 8 der VMWG ausführlich und detailliert geregelt. Aus diesen Bestimmungen ergeben sich folgende Schlussfolgerungen. Nebenkosten, die im Mietvertrag nicht ausdrücklich als separat zu bezahlende Nebenkosten ausgeschieden sind, dürfen dem Mieter nicht belastet werden, sie gelten als im Mietzins inbegriffen. Auch eine allgemeine Formulierung wie zum Beispiel sämtliche Nebenkosten gehen zu Lasten der Mieter, reicht nicht aus, um diese Kosten der Mieterschaft zu überbinden. An die Anforderung, dass die Nebenkosten klar ausgeschieden werden müssen, werden hohe Massstäbe gesetzt. Unklarheiten gehen in der Regel zu Lasten der Vermieterschaft, die den Vertrag aufgesetzt hat. Will die Vermieterschaft während des laufenden Mietverhältnisses gewisse Nebenkosten aus dem Mietzins herausnehmen und separat verrechnen, kommt dies einer Mietzinserhöhung gleich, wenn die Vermieterschaft nicht gleichzeitig den Nettomietzins entsprechend senkt.

15 Neue Nebenkosten muss die Vermieterschaft auf dem offiziellen Formular für Mietzinserhöhungen mitteilen. Das amtliche Formular muss zehn Tage vor Beginn der vertraglichen Kündigungsfrist bei den Mietern eintreffen. Die beabsichtigte Aenderung kann frühestens auf Ende der nächsten Kündigungsfrist in Kraft treten. Die Mieterschaft kann die Erhöhung innert 30 Tagen ab Erhalt der Mitteilung bei der zuständigen Schlichtungsbehörde für Mietverhältnisse als missbräuchlich anfechten. Erfolgt die Einführung neuer Nebenkosten ohne Formular, oder fehlt eine Begründung, so ist sie nichtig. Im Mietvertrag können nicht beliebige Kosten als Nebenkosten vereinbart werden. Zulässig ist nur die Ueberwälzung von Betriebskosten und von öffentlichen Abgaben, die beim üblichen normalen Gebrauch der Mietsache anfallen oder sich daraus ergeben. Zulässige Nebenkosten sind: Heizung, Treppenhausreinigung, Hauswartslohn und - aufwendungen, Wasser und Warmwasser, Gartenpflege, allgemeine Beleuchtung für Treppenhaus etc., Stromkosten für Belüftung und Klimaanlagen, Abonnementsgebühren für Kabelfernseher und Radio, Liftkosten, Kanalisation, Abfuhrwesen. Unzulässige Nebenkosten sind: alle öffentlichen Lasten und Abgaben, die mit dem Mietobjekt als solches verbunden sind wie Grundsteuern, öffentliche Abgaben, Anschlussgebühren, Gebäudeversicherungsprämien, Grundpfandzinsen, Trottoir- oder Strassenbeiträge. Diese Kosten sind im Mietzins inbegriffen. Ebenfalls nicht in der Nebenkostenabrechnung erscheinen dürfen Kosten für Erstellung, Reparaturen, Unterhalt und Amortisation des Mietobjektes. In den meisten Mietverträgen sind Akontozahlungen vereinbart, über die der Vermieter einmal jährlich abrechnen muss. Je nachdem ergibt sich für den Mieter eine Nachzahlung oder Rückvergütung. Bei dieser Abrechnungsart entspricht die Zahlung genau den tatsächlichen Kosten. Es ist aber auch zulässig, anstatt des Akontosystems die Bezahlung von Nebenkostenpauschalen zu vereinbaren. Diese sind dann auf der Basis von Durchschnittswerten von drei Jahren zu berechnen und dürfen sich längerfristig nicht zuweit von den tatsächlichen Kosten entfernen. Die Vermieterschaft darf der Mieterschaft nur die tatsächlichen Kosten in Rechnung stellen; sie darf bei der Abrechnung der Nebenkosten keinen Gewinn erzielen. Wenn eine Liegenschaft an mehrere Mietparteien vermietet ist, müssen die Nebenkosten auf die verschiedenen Parteien aufgeteilt werden, was auf zwei Arten erfolgen kann. - Auf der Grundlage einer individuellen Abrechnung, die vom effektiven Heiz- und Warmwasserverbrauch jeder Mietpartei ausgeht. - Aufgrund eines Verteilerschlüssels. Auch bei verbrauchsabhängigen Heizkostenabrechnungen werden allerdings nicht die gesamten Heizkosten aufgrund des individuellen Verbrauchs verteilt. Die Grundkosten (in der Regel 40 bis 50 % der Heizkosten) werden wie bei anderen Heizkostenabrechnungen nach der Grösse der Wohn- oder Geschäftsräume aufgeteilt. Wird keine verbrauchsabhängige Heizkostenabrechnung erstellt, so sind die Heizkosten nach einem sachlich begründeten und gerechten Schlüssel den Mietparteien aufzuerlegen. Meist werden die Heizkosten entsprechend dem Kubikinhalt oder der Grundfläche der beheizten Räume verteilt. Der gleiche Schlüssel kommt in der Regel auch bei der Warmwasserversorgung zum Zug. Die Vermieterschaft hat die Heizkosten für nicht vermietete Wohn- und Geschäftsräume selber zu tragen.

16 Auf Verlangen kann die Mieterschaft in sämtliche Belege der Nebenkostenabrechnung Einsicht nehmen. Die Verteilung der Nebenkosten, die unabhängig von der Grösse des Mietobjektes anfallen, die sogenannten neutralen Kosten müssen nach Anzahl Wohnung und nicht nach der Grösse der Wohnung unter den Mietparteien aufgeteilt werden. Zu den neutralen Kosten gehören TV- und Radiogebühren, Treppenhausreinigung, Gartenunterhalt, Hauswart, Allgemeinstrom, das heisst Strom für die Beleuchtung von Gemeinschaftsanlagen, Betrieb gemeinschaftlich benutzter Maschinen wie Waschmaschine und Tumbler. Bei der Erstellung des Verteilungsschlüssels hat die Vermieterschaft einen gewissen Spielraum zum Abweichen von der absolut gerechten Verteilung. Sie kann - um den recht grossen Aufwand für die Erstellung der Abrechnung in Grenzen zu halten - Vereinfachungen vornehmen und muss nicht auf jeden Einwand eintreten. Nur wenn die objektive Gerechtigkeit stark verletzt wird, kann eine Aenderung des Verteilungsschlüssels verlangt werden. Die Akontozahlungen und die Pauschalzahlungen verjähren innert fünf Jahren, das heisst der Vermieter kann solche Nebenkosten nur während fünf Jahren vom Ende der Abrechnungsperiode an gerechnet nachverlangen. Die gleiche Verjährungsfrist gilt für die Saldoforderung aus der jährlichen Nebenkostenabrechnung. Liegt die Nebenkostenabrechnung vor, weist sie aber Fehler oder Unregelmässigkeiten auf, kann die Mieterschaft zuerst einmal Berichtigung verlangen. Wird diesem Ersuchen nicht stattgegeben, so kann sie den unbestrittenen Teil der Abrechnung bezahlen und es damit der Vermieterschaft überlassen, für den Restbetrag den Rechtsweg zu beschreiten. Wenn die Mieterschaft allerdings für den bestrittenen Teil eine Zahlungsfrist unter Androhung der Kündigung bei Nichtbezahlung setzt, sollte die Mieterschaft zahlen und die Schlichtungsbehörde anrufen zur Feststellung der Missbräuchlichkeit der Nebenkostenabrechnung. Das Gesetz sieht dazu keine Frist vor. Hat die Mieterschaft irrtümlich zuviel bezahlt, muss sie innerhalb eines Jahres ab Kenntnis des Irrtums ihren Rückforderungsanspruch geltend machen, spätestens aber innert zehn Jahren seit der Zahlung. Anwendbar sind die Art. 63 und 67 OR. (gemäss neuerer Tendenz in Lehre und Rechtsprechung ist aber der Rückforderungsanspruch zuviel bezahlter Akontozahlungen vertraglicher Natur, das heisst die Verjährungsregelung richtet sich nach Art. 127 OR) Selbstverständlich steht auch die Möglichkeit der Verrechnung mit dem Mietzins offen, wobei auch hier wieder das oben Gesagte zur Kündigungsandrohung gilt. Neuere Rechtsprechung: Zivilgericht Basel Stadt vom 11.04.2003 (mp 3/03 S. 111 ff.) und Zivilgericht Val-de-Ruz NE vom 05.01.2004 (mp 1/04, S. 24 ff.) Im ersten Fall ging es um monatliche Akontozahlungen von Fr. 120.-- und eine Nachforderung von über Fr. 3.000.--. Im zweiten Fall waren monatliche Aktontozahlungen von Fr. 150.-- vereinbart; nachgefordert wurden Fr. 1.429.--. Der Mieter darf darauf vertrauen, dass die vereinbarten Akontozahlungen ungefähr den tatsächlichen Kosten entsprechen. Im ersten Fall entschied das Gericht, die Nebenkostennachfor-

17 derung - offenbar in Anlehnung an die Praxis zum Kostenvoranschlag im Werkvertrag - um 80% zu kürzen. Im zweiten Fall lauteten die Ueberlegungen des Gerichts wie folgt: Soweit der Vermieter bei Vertragsschluss weiss oder wissen muss, dass die vereinbarten Akontozahlungen zu tief sind und zu einer Nachzahlung in der Nebenkostenabrechnung führen, liegt eine absichtliche Täuschung vor. Der Richter erhöht rückwirkend die Akontozahlungen entsprechend den dem Vermieter bekannten tatsächlichen Kosten und reduziert den Nettomietzins entsprechend.