Judgements and Acts. Sprechakte. (zum Großteil übernommen von Manfred Krifkas Folien zum HS Sprechakte und Satztypen, SoSe 2007, HU Berlin)

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Transkript:

Seminar für Sprachwissenschaft Judgements and Acts (zum Großteil übernommen von Manfred Krifkas Folien zum HS und Satztypen, SoSe 2007, HU Berlin) 24.04.13,

Plan 8.5. Brentanos Urteile Franziska Sackmann 15.5. Kuroda (1972) 22.5. Pfingstpause 29.5. Sasse (1987) Maya Velardi 5.6. Rosengren (1997) 12.6 Ebert, Ebert, Hinterwimmer (Ms.) 19.6. Krifka (2001, t.a.) 26.6. Sæbø (2007) Yoshika Okamatsu 3.7. Lambrecht (2000) 10.7. Guitérrez-Rexach (2001) 17.7. Kracht (2011, 2012) Velislava Todorova 24.7. Abschlussdiskussion

Spätestens seit den Arbeiten von Austin (1962): Natürlichsprachliche Äußerungen dienen nicht nur dazu, wahre oder falsche Aussagen zu machen. Mit Äußerungen lassen sich Handlungen vollziehen. a) Ich erkläre hiermit Sansibar den Krieg. b) Ich taufe dieses Schiff auf den Namen Nepomuk. c) Ich entschuldige mich. d) Ich gebe Ihnen mein Wort, dass ich schweigen werde. e) Ich wette fünf Mark, dass es morgen regnen wird. f) Ich beglückwünsche Sie. g) Ich erkläre diese Person hiermit für tot.

sind nicht direkt an bestimmte Satztypen geknüpft Assertion/Behauptung: Du hast mir niemals geholfen. Hast Du mir jemals geholfen? Befehl: Komm sofort her! Ich bestehe darauf, dass Du sofort herkommst. Wirst Du wohl sofort herkommen? Fragen: Wann wird er kommen? Ich würde gerne wissen, wann er kommt. Sag mir, wann er kommt! (rhetorische Frage)

Austin (1962): Konstative vs. Performative Äußerungen Konstative Äußerungen: drücken etwas aus, das wahr oder falsch ist Performative Äußerungen: sonst (können z.b. nicht verneint werden) Performative Äußerungen können unangemessen oder erfolglos sein. Erfolgsbedingungen: Konventionalle Prozedur & Resultat Prozedur muss vollständig und korrekt ausgeführt werden. Beteiligte müssen erforderliche Gedanken/Gefühle/Absichten haben

Austin (1962): Linguistische Kriterien für Performative Markierung durch hiermit/hereby. Ich entschuldige mich hiermit in aller Form. Tempus: Präsenz; im Englischen: kein progressive I (hereby) declare war on Zanzibar. I am declaring war on Zanzibar. Subjekt häufig erste Person, aber nicht notwendigerweise. Ich warne Dich! Du bist hiermit gewarnt! (Beschreibung einer Sprechhandlung) Bildung mittels bestimmter Verben; aber nicht jedes Verb, das eine Sprechhandlung beschreibt kann explizit performativ gebraucht werden. Ich entlasse Sie hiermit. / Sie sind hiermit entlassen. #Ich beschimpfe Sie hiermit./ #Sie werden hiermit beschimpft. Judgements and Acts Seminar SoSe 2013

Austin (1962): Implizite Performative Performative Äußerungen können auch ohne explizite Erwähnung eines entsprechenden Verbs gebildet werden. Ich erlaube Ihnen, nach Hause zu gehen. Sie können nach Hause gehen. Mach die Tür zu! Ich befehle Dir, die Tür zuzumachen Mach die Tür zu, wenn Du willst! Ich erlaube Dir,... Na schön, mach die Tür zu! Ich willige ein,...

Austin (1962): Drei Aspekte/Teilakte Lokutionärer Akt: Akt der Äußerung eines Satzes. Illokutionäre Akt: Akttyp, der durch die Äußerung ausgeführt wird. Perlokutionärer Akt: Akt, der dem beabsichtigten Effekt beim Hörer entspricht. Beispiele (Gruppenarbeit): Gib mir einen Apfel! Es regnet. Du bist ein Idiot!

Austin (1962): Klassifikation Verdiktive: geben einen Befund, eine Entscheidung z.b. beurteilen, diagnostizieren, auslegen, einschätzen Exerzitive: Beruhen auf Machtausübung, Wahrnehmung von Rechten z.b. befehlen, empfehlen, ernennen, verbieten, rügen Kommissive: verpflichten den Sprecher zu einer bestimmten Handlung z.b. versprechen, garantieren, übernehmen, sich erbieten, wetten Expositive: betreffen Aspekte von Äußerungen in der Kommunikationssituation z.b. bestätigen, leugnen, illustrieren, behaupten, versichern, richtigstellen Behabitive (Konduktive): Reaktionen auf das Verhalten von Leuten z.b. entschuldigen, gratulieren, segnen, verfluchen

Searle (1969): Gelingensbedingungen Detailierte Analyse der Gelingensbedingungen von n S zu H: "Ich verspreche V" Preparatory Conditions: S beabsichtigt V S glaubt, V zu können S glaubt, dass er V nicht ohnehin ausgeführt hätte Sincerity Conditions: S glaubt, dass H will, dass S V ausführt S will sich der Verplichtung zu V unterwerfen Essential Conditions: S und A verstehen die Äußerung S und A befinden sich in normalem Konversationskontext

Searle (1969): Vier Teilakte Zusätzlich zu Austin's Teilakten: Propositionale Akte: Akt der Referenz auf ein Objekt und der Eigenschaftszuschreibung. Zusammenspiel zwischen propositionalem und illokutionärem Akt nach dem Schema F(p), wobei F Anzeige der illokutionären Kraft (illocutionary force) Satzmodus (Stenius, 1967) p Proposition Satzradikal (Stenius, 1967)

Searle (1969): Klassifikation Wichtiger Aspekt bei Searles Klassifikation: Anpassungsrichtung (direction of fit). word- to- world fit: Äußerung passt sich den Umständen an. world- to- word fit: Umstände passen sich der Äußerung an. double fit/world- to- word- to- world fit: gegenseitige Anpassung null/emtpy fit: keine Anpassung

Searle (1969): Klassifikation Repräsentative verpflichten S auf die Wahrheit der ausgedrückten Proposition. Der Grad der Verpflichtung kann variieren (vermuten, sagen, schwören ). Zusätzliche Dimensionen wie Sprecherinteresse (sich beschweren ) oder Diskurszustand (z.b. entgegnen, beantworten ). Direktive Versuch von S, eine Handlung von H hervorzurufen (fragen, befehlen). Stärke kann variieren: vorschlagen, nahelegen ). Kommissive verpflichten S auf eine zukünftige Handlung (versprechen, drohen, anbieten ). Stärke kann variieren: versprechen, garantieren

Searle (1969): Klassifikation Expressive drücken einen psychischen Zustand aus: danken, entschuldigen, begrüßen, gratulieren Deklarationen führen zu einem Wechsel eines Zustands einer Entität im Gefüge gesellschaftlicher Institutionen: taufen, einstellen, befördern Repräsentative word- to- world Direktive world- to- word (durch H) Kommissive world- to- word (durch S) Expressive Deklarationen keine beidseitig

Indirekte Dadurch, dass auf unterschiedliche Weise ausgedrückt werden können, scheinen sie manchmal von einem anderen als dem offensichtlichen Typ zu sein sie sind indirekte : Können Sie mir das Salz reichen? scheinbar: Frage tatsächlich: Aufforderung/Befehl Jemand müsste mal das Fenster schließen! scheinbar: Behauptung tatsächlich: Aufforderung/Befehl Reaktion des Hörers nur auf direkten Sprechakt unangemessen: S: "Können Sie mir das Salz reichen?" A: #"Ja, klar kann ich das, es steht ja direkt vor mir." S: "Jemand müsste mal das Fenster schließen!" A: #"Stimmt, es ist viel zu kalt, und ich sitze sogar direkt daneben!"

Indirekte Reaktion auf indirekten Akt/beide Akte angemessen: S: "Können Sie mir das Salz reichen?" A: Reicht S das Salz (und sagt "Ja") S: "Jemand müsste mal das Fenster schließen!" A: Schließt das Fenster (und sagt "Stimmt, es ist viel zu kalt") Explizite Markierung des indirekten Akts möglich: Können Sie mir bitte das Salz reichen? Jemand müsste bitte mal das Fenster schließen!

und Sprechaktadverbiale Es gibt Ausdrücke, die den Sprechakt selbst zu modifizieren scheinen. In etwa: Ganz im Vertrauen, der Boss ist ein Idiot. Im Ernst, lese dieses Buch! Zusammengefasst, sind was Tolles. IM_VERTRAUEN(ASSERT)(IDIOT(BOSS)) Das unterscheidet Sie von Satzadverbialen, die eine Einstellung bzgl. der Proposition ausdrücken: Der Boss ist leider ein Idiot ASSERT(IDIOT(BOSS)) und S bedauert IDIOT(BOSS)

und logische Operationen können auch Ziel logischer Operatoren sein: Ich verspreche, zu kommen. PROMISE(COME) Ich verspreche, nicht zu kommen. PROMISE(NOT(COME)) Ich verspreche nicht, zu kommen. NOT(PROMISE(COME)) Die Hinteranderausführung von n kann als Konjunktion gesehen werden. Ich werde Jochen besuchen, aber wird er auch da sein? ASSERT(I- VISIT- JOCHEN) & QUEST(JOCHEN- IS- AT- HOME)

Grundlagenliteratur Austin, John L. (1962). How to do Things with Words. Oxford Judgements and Acts Seminar SoSe 2013 Sadock, Jerry (1974). Towards a linguistic theory of speech acts. Academic Press: New York. Searle, John R. (1969). Speech acts. An essay in the philosophy of language. Cambridge: Cambridge University Press. Stenius, Eric (1967). Mood and Language- Game. Synthese 17(1), 254 274. Vanderveken, Daniel (1990). Meaning and speech acts. Volume I: Principles of language use. Volume II: Formal semantics of success and satisfaction. Cambridge: Cambridge University Press.