Nachhaltige Beschäftigungsperspektiven für (Langzeit-)Arbeitslose und geringer Qualifizierte durch betriebsnahe und zielgruppenspezifische Qualifizierung. Zentrale Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt zur Qualifizierungsoffensive der Seehafenwirtschaft
Hintergrund Die Tarifpartner in der Hafenwirtschaft (ZDS und ver.di) haben in Kooperation mit dem Bundesverkehrsministerium und der Bundesagentur für Arbeit eine standortübergreifende Qualifizierungsoffensive für die Seehäfen verabredet, die folgende Eckpunkte enthält: -Es sollten insgesamt 2.800 (Langzeit-)Arbeitslose qualifiziert werden. - Der Bund/ die Agentur für Arbeit stellt finanzielle Mittel bereit. -Die ehemals (Langzeit-)Arbeitslosen werden in tariflich abgesicherte Beschäftigungsverhältnisse übernommen.
Gegenstand unserer Untersuchung Untersucht wurden Rahmenbedingungen der Qualifizierungsoffensive sowie die Wirkung und Funktionalität der Maßnahmen. Die Schwerpunkte der Untersuchung bildeten die Qualifizierungen von (Langzeit-)Arbeitslosen und geringer qualifizierten Beschäftigten zur Fachkraft für Hafenlogistik. Wir haben die zielgruppenspezifische Ausgestaltung dieser Qualifizierungsvariante sowie potentielle Integrationshemmnisse und deren Überwindung untersucht. Ein besonderen Stellenwert wurde dabei dem flankierenden Unterstützungsangebot eingeräumt. Das Projekt Hafenlogistik Bleib dran begleitet die Umschulungswellen über einen Zeitraum von fünf Jahren. Das Forschungsprojekt wurde von der Hans-Böckler-Stiftung gefördert. Projektlaufzeit: 27 Monate, bis April 2012
Übersicht zur empirischen Basis der Untersuchung Mix aus quantitativen und qualitativen Forschungsmethoden u.a. Expertengespräche mit relevanten Akteuren, Interviews mit Umschülern, schriftliche Befragung der Umschüler zur Fachkraft für Hafenlogistik quantitative und qualitative Erfassung der durchgeführten Beratungsprozesse des flankierenden Unterstützungsangebots, Dokumentenanalyse.
Übersicht zur Qualifizierungsoffensive Mit öffentlichen Mitteln durchgeführte Qualifizierungen für Seehafenbetriebe in Hamburg, Bremen/Bremerhaven, Wilhelmshaven und Lübeck
Allgemeine Befunde zur Qualifizierungsoffensive Förderliche Rahmenbedingungen: Die Arbeitsbeziehungen in der Hafenwirtschaft sind durch starke Gewerkschaften/ Betriebsräte geprägt. Dadurch wird die Gestaltung von Win-Win-Situationen durch Management und Interessenvertretung der Arbeitnehmer gefördert. Die engen Kommunikations-und Austauschbeziehungen in der Hafenwirtschaft fördern gemeinsame Qualifizierungs-und Beschäftigungsstrategien. Die Anknüpfung an traditionelle Rekrutierungswege und Zielgruppe. Die entwickelte Weiterbildungsinfrastruktur. Die wechselseitige Nutzenerwartung zwischen Agentur für Arbeit und Hafenwirtschaft. Die konstruktive Zusammenarbeit von Hafenbetrieben und Agenturen/JC.
Allgemeine Befunde zur Qualifizierungsoffensive Erschwerende Aspekte: Die Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Entwicklung. Fehlende Planungssicherheit insbesondere beim Bildungsträger infolge der Wirtschaftskrise hat die Entwicklung von Ausbildungsressourcen beeinträchtigt.
Umschulung von (Langzeit-)Arbeitslosen zur Fachkraft für Hafenlogistik Auswahl/Eignungsverfahren: Mit der Qualifizierung von Problemgruppen des Arbeitsmarktes verbundene und angenommene Risiken führen zu einem intensiven dreistufigen Auswahlprozess. Auswahlquote von insgesamt 19 % ist niedrig. Um das Risiko zu minimieren wird seitens des Unternehmens eine besonders kritische Auswahl getroffen. Vorauswahl in den ersten beiden Stufen aus Unternehmenssicht nicht passgenau, daher zu viele ungeeignete Kandidaten in der dritten Stufe.
Quoten im Auswahlverfahren für die Umschulung zur Fachkraft für Hafenlogistik
Sozialprofil der UmschülerInnen zur Fachkraft für Hafenlogistik Pilotgruppe Bremerhaven/Hamburg und Welle 1 4 Wilhelmshaven (N = 260) Quelle: Agentur für Arbeit Wilhelmshaven und eigene Erhebungen
Sozialprofil der UmschülerInnen zur Fachkraft für Hafenlogistik Pilotgruppe Bremerhaven/Hamburg und Welle 1 4 Wilhelmshaven (N = 260) Quelle: Agentur für Arbeit Wilhelmshaven und eigene Erhebungen.
Ausgewählte Befunde zur Konzeption und zum Verlauf der Umschulung zur Fachkraft für Hafenlogistik Eine enge Verknüpfung von Theorie und Praxis ist förderlich für den Lernprozess, aber aufgrund der großen Anzahl der UmschülerInnen nicht immer umsetzbar. Die theoretische Ausbildung durch Hafenpraktiker erleichtert insbesondere eher praktisch veranlagten UmschülerInnen das Lernen. Die Philosophie jeder soll mitgenommen werden (durch individuelle Förderung und Organisation von Lerngruppen) geht auf. Das Lernen in heterogenen Gruppen erweist sich als positiv -insbesondere für den Lernerfolg von Teilnehmern mit höherer Lernschwelle (Lerngruppen, Anreiz). Die Umschulung hat in den jeweiligen Erwerbsbiographien einen unterschiedlichen aber gleichermaßen zentralen Stellenwert (Nachholende Qualifizierung, Umkehr eines Dequalifizierungsprozesses und Karriereorientierung).
Ausgewählte Befunde zur Konzeption und zum Verlauf der Umschulung zur Fachkraft für Hafenlogistik Die Belastungen der Umschüler durch lange Fahrzeiten und unsichere Finanzierung sind zum Teil extrem. Häufig haben Probleme der Umschüler eher strukturelle statt persönliche Ursachen. Integration in den Betrieb: Die Identifikation mit dem Unternehmen und den zukünftigen Arbeitsaufgaben hat einen hohen Stellenwert ( Hafen passt ) für die UmschülerInnen. Das flankierende Unterstützungsangebot entlastet Unternehmen und Agentur, mindert das Risiko von Abbrüchen und leistet Übersetzungsarbeit bei der betrieblichen Integration.
Das Flankierende Unterstützungsangebot durch Hafenlogistik Bleib dran Organisationsberatung Beteiligung an der Entwicklung und Durchführung der Auswahlverfahren Aufbau von Kommunikationsstrukturen kontinuierliche Prozessoptimierung Moderation bei Konflikten Coaching der Ausbilder Begleitung der Umschulung Eignungsfeststellung: Kompetenz- und Potenzialerfassung Förderdiagnostik: Förderplan Individuelle ganzheitliche Begleitung Lern- und Bildungsbegleitung sowie Kompetenzentwicklung Nachhaltige betriebliche Integration
Relative Häufigkeit von Beratungsgesprächen nach Rechtskreisen in % (N = 260)
Relative Häufigkeit der Beratungsbedarfe nach Themen und Rechtskreisen in % (N = 260)
Umschulungsergebnisse (N = 260) Anzahl der Qualifizierung Anzahl der Erfolgsquote der Umschulung zu abgebrochen bestandenen betrieb-lichen Beginn der Prüfungen Integration Maßnahme Pilotgruppe Bremerhaven/ Hamburg 39 4 35 35(90%) 1. Welle Wilhelms-haven 64 3 60 58(91%) 2. Welle Wilhelmshaven 64 2 61 61(95%) 3. Welle Wilhelmshaven 37 2 35 35(95%) 4. Welle Wilhelmshaven 56 2 53 50(89%) Gesamt 260 13 244 239(92%)
Fazit Die Qualifizierungsoffensive E.. aus arbeitsmarktpolitischer Perspektive: Gelungene Integration in Beschäftigung in Verbindung mit Qualifizierung und betrieblichen Kooperationspartnern. Nachhaltigkeit der Beschäftigung. Die Akteure haben bezüglich der Qualifizierungen flexibel auf veränderte wirtschaftliche Rahmenbedingungen reagiert. Aufwendiger Auswahlprozess und Auswahlquote zeigen aber auch Grenzen auf. Das ambitionierte Ziel von 75 % Langzeitarbeitslosen wurde zwar verfehlt, aber die Erwerbsbiographien der UmschülerInnen verweisen insgesamt auf eine bedarfsgerechte Praxis der Berücksichtigung.
E aus betriebspolitischer Perspektive: Unternehmen verfolgen primär wirtschaftliche Interessen. Qualifiziertes Personal als Wettbewerbsvorteil. Entlastung von Qualifizierungskosten. Wirtschaftliche Interessen lassen sich mit gesellschaftspolitischen Interessen verknüpfen. Imagegewinn Mit dem Auswahlverfahren und der Beratung/Begleitung durch Bleib dran werden mit der Qualifizierung vermeintlicher Problemgruppen des Arbeitsmarktes vermutete Risiken kontrolliert.
E aus integrationspolitischer Perspektive: Beratung und Begleitung durch Bleib dran haben aus Sicht der beteiligten Akteure einen wichtigen Beitrag für den erfolgreichen Verlauf der Qualifizierung geleistet. Die Konzeption des Projektes geht weit über eine sozialpädagogische Betreuung der UmschülerInnen hinaus und umfasst neben einer ganzheitlichen Begleitung der UmschülerInnen die Beratung des Unternehmens sowie Prozessoptimierung und Schnittstellenmanagement. Ein entsprechendes Beratungs-und Begleitungsangebot sichert nicht nur den Qualifizierungserfolg ab, sondern kann u. E. auch die Kooperationsbereitschaft von Unternehmen für besonders beschäftigungswirksame betriebsnahe Qualifizierungsmaßnahmen von (Langzeit-)Arbeitslosen erhöhen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit