Verband der Kantonschemiker der Schweiz Association des chimistes cantonaux de Suisse Associazione dei chimicicantonali svizzeri Version 12.09.2013 Bestimmung der Kontrollfrequenzen von Trinkwasserversorgungen basierend auf der Ermittlung statischer und dynamischer Kriterien 1. Einleitung 1.1. Rechtliche Grundlage Artikel 56 der Lebensmittel- und Gebrauchsgegenständeverordnung (LGV): Regelmässige und risikobasierte Kontrollen 1 Amtliche Kontrollen werden von den zuständigen Behörden vorgenommen. Sie dienen der Überprüfung, ob das Lebensmittelrecht sowie die Bestimmungen über die Tiergesundheit und den Tierschutz eingehalten werden. 2 Die Kontrollen sind regelmässig und mit angemessener Häufigkeit durchzuführen. Sie erfolgen in der Regel ohne Vorankündigung. 3 Sie werden auf Risikobasis durchgeführt; dabei sind zu berücksichtigen: a. die festgestellten Risiken, die mit Lebensmitteln, Lebensmittelbetrieben, der Verwendung von Lebensmitteln oder den Prozessen, Materialien, Substanzen, Tätigkeiten oder Vorgängen, die Auswirkungen auf die Lebensmittelsicherheit haben können, verbunden sind; b. das bisherige Verhalten der verantwortlichen Personen hinsichtlich der Einhaltung des Lebensmittelrechts; c. die Verlässlichkeit der bereits durchgeführten Selbstkontrollen; d. die Grösse des Betriebs; e. die Informationen, die auf einen Verstoss gegen das Lebensmittelrecht hinweisen könnten. 1.2. Grundlagen VKCS 2007 (389) NKP 2010-14 Food Safety Authority of Ireland: FLEP Berlin 2010 Konzept zur Ermittlung des Risikos eines Lebensmittelbetriebes Entwurf zur Berechnung der Kontrollfrequenzen «Code of Practice on the Risk Categorisation of Food Businesses to Determine Priority for Inspection»; Code of Practice No.1/2000 Verschiedene Ländermodelle der EU (UK, D, NL, HU, IRL) 1.3. Ziele Umsetzung der rechtlichen Grundlage in Art. 56 LGV Bestimmung der Kontrollhäufigkeit einer Trinkwasserversorgung Erarbeitung eines Systems zur gesamtschweizerisch einheitlichen Planung und Durchführung der Inspektionstätigkeit Wirkungsorientierter Vollzug unter ökonomischem Einsatz der Mittel Risiko-Konzept TW_D_V130912 Seite 1 von 12
1.4. Definitionen Statisches Kriterium Grundfrequenz der Kontrolle in Trinkwasserversorgungen. Dynamische Kriterien Elemente, die von Trinkwasserversorgung zu Trinkwasserversorgung variieren und deren Beurteilung bei jeder Kontrolle erfolgen. Die dynamischen Kriterien ermöglichen es, das mit den spezifischen Eigenschaften jeder Trinkwasserversorgung verbundene Risiko zu ermitteln. Maximale Kontrollfrist Die maximale Kontrollfrist ist die maximale Periode vor der nächsten Kontrolle. Sie wird bei jeder Kontrolle neu festgelegt. Die Überprüfungen von angeordneten Massnahmen sind in dieser Frist nicht enthalten und davon unabhängig. 2. Verfahren Die maximale Kontrollfrist zwischen zwei Kontrollen wird aufgrund der statischen und dynamischen Kriterien ermittelt, die mit dem Risiko einer bestimmten Trinkwasserversorgung verbunden sind. Die Berechnungen werden in das Formular «Bestimmung der maximalen Kontrollfrist gemäss statischer und dynamischer Kriterien» (siehe Anhang 1) übertragen. 2.1. Ermittlung der Grundfrequenz Gemäss der statischen Kontrollfrequenz des Bundes für Trinkwasserversorgungen (siehe Anhang 2). 2.2. Evaluation des dynamischen Faktors Die Kontrolle wird nach den üblichen Regeln durchgeführt. Der Kontrollbericht umfasst die Elemente, welche zur Evaluation der dynamischen Kriterien dienen. Die Kontrollelemente werden den sechs Beurteilungsbereichen zugewiesen. Im Zweifelsfall wird ein Element dem am besten geeigneten Beurteilungsbereich zugewiesen. Die Elemente jedes Beurteilungsbereichs unterstehen unterstützend der Evaluation der dynamischen Kriterien und den Listen A bis F. Die Elemente und ihre Auswirkungen werden in ihrer Gesamtheit beurteilt und in Zahlenform in die entsprechende Tabelle eingetragen. Die Summe der erhaltenen Noten ermöglicht es, den Faktor zur Berechnung der maximalen Kontrollfrist zu bestimmen. Summe der für jeden Beurteilungsbereich ermittelten Gefahren 6-9 10-13 14-17 18-24 Dynamische Kriterien (Faktor) 1 0.75 0.5 0.25 Risiko-Konzept TW_D_V130912 Seite 2 von 12
2.3. Ermittlung der maximalen Kontrollfrist einer Trinkwassersversorgung Die maximale Kontrollfrist wird aus dem Produkt der Grundfrequenz (statisches Kriterium) und dem dynamischen Faktor (dynamische Kriterien) berechnet. Die Frist wird nach jeder Inspektion bestimmt. Sie kann in Risikobetrieben gekürzt werden. Als maximale Frist zwischen zwei Kontrollen gilt die Grundfrequenz des statischen Kriteriums. Grundfrequenz (statisches Kriterium) Dynamischer Faktor (dynamische Kriterien) 4 4 4 4 1 0.75 0.5 0.25 Maximale Kontrollfrist 4 3 2 1 Konkrete Fristen 4 Jahre 3 Jahre 2 Jahre 1 Jahr Risiko-Konzept TW_D_V130912 Seite 3 von 12
3. Beurteilungshilfe für die dynamischen Kriterien Liste A Liste B Liste C Liste D Liste E Punkte Selbstkontrollkonzept Trinkwasser Prozesse und Tätigkeiten Räumlich-betriebliche Voraussetzungen Überblick, Management und Täuschung 4 inexistent gesundheitsgefährdende chemische oder biologische Kontaminationen jeglichem Hygieneverständnis zuwiderlaufend unmittelbare Beeinträchtigung der Trinkwasserqualität überhaupt nicht sachgerecht überhaupt nicht sachgerecht geordnete Betriebsabläufe massiv beeinträchtigt akute Kontaminationsgefahr Keine Schutzzonen vorhanden *) keine Zusammenarbeit Inkompetenz wiederholte Rückfälle schwerwiegende/absichtliche oder wiederholte Täuschungen 3 wichtige Aspekte fehlen Rückverfolgbarkeit nicht möglich Notfallkonzept fehlt oder ungenügend Mängel mit unmittelbarer Auswirkung auf die Bezüger einzelne gewichtige Mängel Toleranzwertüberschreitungen ohne Gesundheitsgefährdung massive Unsauberkeit systematische Mängel mit unmittelbarer Auswirkung auf Trinkwasser (z. B. unsachgemässe Behandlung) systematische Mängel mit unmittelbarer Auswirkung auf das Trinkwasser ungenügender Unterhalt Aufbewahrung völlig ungenügend ungenügende bauliche Substanz Keine Schutzzonen vorhanden *) geringe Zusammenarbeit beschränkte Kompetenzen Rückfälle gelegentliche Täuschungen 2 noch unvollständig, Vorhandenes aber wesentlich und geregelt kleine Mängel Mängel ohne unmittelbare Auswirkung auf die Bezüger Mängel ohne unmittelbare Auswirkung auf Trinkwasser Mängel ohne unmittelbare Auswirkung auf das Trinkwasser Schutzzonen mit beschränkter Wirkung vorhanden *) kleine Mängel 1 keine Mängel keine Mängel keine Mängel keine Mängel Schutzzonen vorhanden *) keine Mängel Liste F Punkte Bedeutung der Trinkwasserversorgung 3 Trinkwasserversorgungen mit 1'000 m 3 /Tag 2 Trinkwasserversorgungen mit 100 bis < 1'000 m 3 /Tag 1 Trinkwasserversorgungen mit < 100 m 3 /Tag *) 1 Stufe höher für zusätzliche Beeinflussungen (siehe Liste D) Risiko-Konzept TW_D_V130912 Seite 4 von 12
4. Beurteilungsbereiche Liste A Selbstkontrollkonzept ASPEKTE ANFORDERUNGEN Beschreibungen Gute Verfahrenspraxis (gute Hygienepraxis, gute Herstellungpraxis), HACCP, Leitlinien zur guten Verfahrenspraxis Stellenbeschreibungen/Pflichtenhefte Anlagen Organisation und Verantwortlichkeiten den Betriebsprozessen und -tätigkeiten angepasst, proportional zum bestehenden Lebensmittelrisiko und zum Herstellungsvolumen: - Risikoanalyse nach den Prinzipien des HACCP - Lenkungspunkte festgelegt - Arbeitsanweisungen erstellt - Aufzeichnungen vorbereitet - Korrekturmassnahmen formuliert - Kenntnis des Systems und Einbezug des Personals Notallplan Probenplanung festgelegt zweckentsprechend erstellt, wo nötig zweckentsprechend Rückverfolgbarkeit vorhanden, effizient Dokumentation des Konzepts vorhanden, angepasst Wirksamkeit des Systems Entwicklung, Verbesserung, Anpassung, Korrektur Konzept zur Behandlung von Reklamationen Information der Bevölkerung festgelegt zweckentsprechend festgelegt zweckentsprechend Risiko-Konzept TW_D_V130912 Seite 5 von 12
Liste B Trinkwasser ASPEKTE ANFORDERUNGEN Charakterisierung der Wassers den Anforderungen entsprechend Untersuchungsergebnisse alle gesetzlichen Anforderungen eingehalten (Zusammenfassung über 3 Jahre) Risiko-Konzept TW_D_V130912 Seite 6 von 12
Liste C Prozesse und Tätigkeiten ASPEKTE ANFORDERUNGEN Gewinnung sachgerecht Aufbereitung sachgerecht, auch in Ausnahmesituationen Aufbewahren/Transportieren vor nachteiliger Beeinflussung geschützt Wartung/Unterhalt Reinigung regelmässig fachgerecht sachgerecht und zielgerichtet Räume, Netz, Gerätschaften sauber Steuerung sachgerecht Schulung durchgeführt sachgerecht dokumentiert Personalhygiene umgesetzt Überwachung entsprechend dem Selbstkontrollkonzept Aufzeichnungen, Dokumentation geordnet vollständig sachgerecht Zugang zu Gebäuden und Räumen vorhandene Regelung umgesetzt Risiko-Konzept TW_D_V130912 Seite 7 von 12
Liste D Räumlich-betriebliche Voraussetzungen ASPEKTE ANFORDERUNGEN Wasser und Arbeitsbereiche getrennt Arbeitsabläufe nicht behindert Zirkulation gewährleistet Bauliche Anforderungen Erneuerung und Entwicklung geplant leicht zu reinigen Dimensionierung zweckmässig ausreichend filtriert Be- und Entlüftung gesichert Beleuchtung angemessen kein Zugang für Schmutz und Ungeziefer Fenster, Türen, Ab- und Überläufe gesichert, siphoniert Baulicher Zustand keine augenfälligen Mängel sachgerecht Einrichtungen keine Kontaminationsgefahr Netztrennung sichergestellt tauglich, gegen Ausfälle gesichert Desinfektionseinrichtungen Positionierung richtig Trübungsüberwachung mit Verwurfsmöglichkeit, unabhängig von Stromversorgung Reinigungsutensilien geordnet, zielgerechtes Sortiment vorhanden leicht zugänglich Probenahmemöglichkeit Positionierung zweckmässig mit Ablauf Schmutz- und Meteorwasserentsorgung vorhanden, Schmutzwasser mit ARA-Anschluss erstellt und in Rechtskraft erwachsen Schutzzonen und -reglemente Schutzzone in Gelände markiert regelmässige Kontrollen durchgeführt und dokumentiert Oberflächenwasser Mögliche Beeinflussungen *) schlechte Filterleistung des Bodens, Karstgebiet Quellwasser aus einer geologischen Frakturzone *) Sie beeinträchtigen u. a. die Wirkung der Schutzzonen städtische Agglomerationen, Industrie, Strassen und führen zu einer entsprechend höheren Einstufung (siehe 3. Beurteilungshilfe für die dynamischen Kriterien) Deponie, Abwasser Landwirtschaft Risiko-Konzept TW_D_V130912 Seite 8 von 12
Liste E Überblick, Management und Täuschung ASPEKTE ANFORDERUNGEN Historie betreffend Betrieb: Inspektionen, Analysen usw. kein besonderer Rückfall zufriedenstellende Analysenergebnisse Umsetzung der geforderten Massnahmen (Reinigungen, Arbeiten, Dokumentation) Massnahmen umgesetzt Fristen eingehalten Überblick über das Management spezifische Kompetenzen der Verantwortlichen Mitwirkung und Zusammenarbeit mit den Behörden Meldungen an die Behörden bei Problemen im Zusammenhang mit der Lebensmittelsicherheit Offensichtliche Täuschung oder Täuschung infolge von Unkenntnis keine vorsätzlich falschen Auskünfte zur Trinkwasserversorgung Risiko-Konzept TW_D_V130912 Seite 9 von 12
Liste F Bedeutung des Betriebes ASPEKT grosse Trinkwasserversorgungen ANFORDERUNGEN Trinkwasserversorgungen mit 1'000 m 3 /Tag mittelgrosse Trinkwasserversorgungen Trinkwasserversorgungen mit 100 bis < 1'000 m 3 /Tag kleine Trinkwasserversorgungen Trinkwasserversorgungen mit < 100 m 3 /Tag Anmerkung: Sofern die Abgabemenge nicht bekannt ist, wird von einem mittleren Verbrauch pro Einwohner und Tag von 321 L ausgegangen (Quelle: SVGW Wasserstatistik W15001, Statistische Erhebungen der Wasserversorgungen in der Schweiz, Betriebsjahr 2011, Ausgabe 2012). Risiko-Konzept TW_D_V130912 Seite 10 von 12
Anhang 1: Bestimmung der maximalen Kontrollfrist gemäss statischer und dynamischer Kriterien Bestimmung der maximalen Kontrollfrist gemäss statischer und dynamischer Kriterien Inspektions-Nr.:... Trinkwasserversorgung:... Adresse:... PLZ, Ort:... Inspektion vom: Verantwortliche Person:... STATISCHES KRITERIUM Grundfrequenz 1 2 4 8 Trinkwasserversorgung x EVALUATION DER DYNAMISCHEN KRITERIEN DYNAMISCHES KRITERIUM A Selbstkontrollkonzept B Trinkwasser C Prozesse und Tätigkeiten D Räumlich-betriebliche Verhältnisse E Überblick, Management und Täuschung F Bedeutung des Betriebs 4 3 2 1 Dynamische Kriterien Grundfrequenz (statisches Kriterium) Multiplikationsfaktor (dynamisches Krit.) Summe 6 bis 9 10 bis 13 14 bis 17 18 bis 24 Maximale Kontrollfrist Faktor 1 0.75 0.5 0.25 4 X = Frist bis zur nächsten Kontrolle Dokument erstellt durch:... Datum:... Risiko-Konzept TW_D_V130912 Seite 11 von 12
Anhang 2: Statische Kontrollfrequenz des Bundes für Trinkwasserversorgungen PRIMARY KEY NAME-DE NAME-FR NAME-IT Frequenz / fréquence / frequenza E Trinkwasserversorgungen Systèmes d'approvisionnement en eau potable Sistemi di approvvigionamento d'acqua potabile E1 Trinkwasserversorgungen Systèmes d'approvisionnement en eau potable Sistemi di approvvigionamento d'acqua potabile 4 Risiko-Konzept TW_D_V130912 Seite 12 von 12