Biogene Amine in Lebensmitteln und Biogene Amin-Intoleranz 1. Gliederung 1. Gliederung...1 2. Definition von biogenen Aminen...1 3. Vorkommen und Entstehung von biogenen Aminen...1 4. Wirkung von biogenen Aminen...1 4.1. Entstehung von Biogener Amin-Intoleranz...1 4.2. Biogene Amin-Intoleranz und Medikamente...1 5. Mögliche Ursachen für eine Überbelastung mit biogenen Aminen 3 6. Symptome und mögliche Reaktionen auf biogene Amine...3 7. Diagnose von Histamin-Intoleranz...3 8. Ernährung bei biogener Amin-Intoleranz...3 9. Biogene Amine in Nahrungsmitteln...3 9.1. Fleisch und Wurstwaren...3 9.2. Käse und Milchprodukte...4 9.3. Brot und Backwaren...4 9.4. Fisch und Meeresfrüchte...4 9.5. Obst und Gemüse...4 9.6. Getränke...4 9.6.1. Alkoholhaltige Getränke...4 9.6.2. Nicht alkoholische Getränke...5 9.7. Weitere Lebensmittel mit einem hohen Gehalt an biogenen Aminen 5 10. Küchentipps und allgemeine Hinweise...5 10.1. Frische, wenig gelagerte Lebensmittel bevorzugen...5 10.2. Kochwasser wegschütten...5 10.3. Lebensmittel mit einem geringen Gehalt an biogenen Aminen bevorzugen 5 2. Definition von biogenen Aminen Biogene Amine sind körpereigene Botenstoffe, die bei der Bildung von Abwehrstoffen freigesetzt werden. Sie werden im normalen Stoffwechsel von Tieren, Pflanzen und Mikroorganismen gebildet. Bei manchen Menschen können diese Stoffe allergieähnliche Überempfindlichkeitsreaktionen auslösen. Der wichtigste Vertreter der biogenen Amine ist das Histamin. Außerdem gehören zu dieser Gruppe Tyramin, Phenylethylamin, Serotonin, Dopamin, Tryptamin, Putrescin, Spermidin, Noradrenalin u.a. Einige dieser Amine oder der aus ihnen gebildeten Substanzen wirken beim Menschen als Hormone, bei der Regulation der Blutzirkulation oder als Überträgersubstanzen für das Nervensystem. 3. Vorkommen und Entstehung von biogenen Aminen Biogene Amine kommen in fast allen Lebensmitteln in kleinen Mengen vor. Sie entstehen enzymatisch in Mikroorganismen. Mit mikrobiellen Verfahrenstechniken hergestellte Lebensmittel wie Käse und Bier sind daher reich an biogenen Aminen. Ebenso sind sie in lange gereiften und gelagerten Lebensmitteln, wie Sauerkraut, Rohwurst, Rohschinken, Hartkäse oder Rotwein enthalten. Biogene Amine sind Vorstufen für Aromastoffe und daher für den typischen Geruch und Geschmack dieser Lebensmittel zuständig. Auch beim Verderb von Lebensmitteln steigt durch die Vermehrung der Mikroorganismen der Gehalt bestimmter biogener Amine drastisch an. Doch bereits in unverdorbenem Obst und Gemüse kommen biogene Amine vor. 4. Wirkung von biogenen Aminen 4.1. Entstehung von Biogener Amin-Intoleranz Beim gesunden Menschen werden biogenen Amine je nachdem, ob das Amin eine oder zwei Amingruppen enthält durch Mono- (MAO) oder Diaminoxidasen (DAO) abgebaut. Ein gesunder Mensch produziert diese Enzyme kontinuierlich und gibt sie in den Darm ab. Wird histaminreiche Nahrung gegessen, kann das Histamin im Darm also normalerweise unschädlich gemacht werden. Eine übermäßige Resorption wird verhindert. Dieser Mechanismus scheint bei sensiblen Menschen gestört zu sein. Es können nicht so viele Enzyme produziert werden, wie es für die Verstoffwechselung biogen-aminhaltiger Speisen und Getränke erforderlich wäre. Infolge dessen kommt es zu einer Überlastung des Körpers mit biogenen Aminen. Man spricht dann biogener Amin-Intoleranz. 4.2. Biogene Amin-Intoleranz und Medikamente Eine hohe Aminzufuhr durch Lebensmittel kann bei gleichzeitiger Einnahme bestimmter Medikamente zu Bluthochdruck führen. Tyramin z.b. wird normalerweise im Darm von der Monoaminoxidase (MAO) größtenteils abgebaut. Antihypertonika, Tuberkulostatika und Antidepressiva hemmen aber die MAO, so dass 1
die Tyraminkonzentration im Darm ansteigt und viel mehr Tyramin resorbiert und so vermehrt Noradrenalin aus den sympathischen Nervenenden freigesetzt wird. Eine Blutdruckerhöhung ist dann die Folge (siehe Bild Blutdrucksteigerung durch biogene Amine ). Patienten mit erhöhtem Blutdruck und Patienten, die auf die Einnahme von Antidepressiva angewiesen sind, sind daher durch eine hohe Zufuhr biogener Amine besonders gefährdet. Bild: Blutdrucksteigerung durch biogene Amine am Beispiel von Tyramin Quelle: Erber 2011 Die folgenden Medikamente sind MAO-Hemmer: Citalopram Comtan Concor Cor Dorzohexal comp Elontril Escitalopram Flux Hexal Foradil Gliclazid Hydromorphon Imigran Mirtazapin Metohexal Oxycodon Hexal Paroxetin Repaglinid Sertralin Sopira Stalevo Sumatriptan Terbinafin 2
Tramadol ESP Pharma Tresleen Wellbutrin XR u.a. 5. Mögliche Ursachen für eine Überbelastung mit biogenen Aminen Die häufigste Ursache für eine Überbelastung mit biogenen Aminen ist der Konsum von biogenaminreichen Lebensmitteln (siehe unten). Wirkung von Histaminliberatoren (= Lebensmittel, die das im Körper gebundene Histamin unerwünscht freisetzen können, wie Tomaten, Erdbeeren, Alkohol und scharfe Gewürze). Hemmung der Enzymtätigkeit der Enzyme MAO oder DAO. MAO-Hemmer sind zum Beispiel enthalten in: - Medikamenten (z.b. Antidepressiva, Antihypertonika, Tuberkulostatika u.a., siehe unten) - Muskatnüssen Steigerung der Histamin-Resorption durch zum Beispiel Alkohol 1. Magen-Darm-Infekte oder chronisch-entzündliche Darmkrankheiten. 6. Symptome und mögliche Reaktionen auf biogene Amine Die Beschwerden treten oft unmittelbar bis etwa zwei Stunden nach dem Essen auf und können bis zu einem halben Tag oder länger andauern. Die häufigsten Beschwerden sind: Verdauungsstörungen wie Durchfall, Bauchschmerzen und Übelkeit Hautrötungen, Schwellungen, Urtikaria und Juckreiz Kopfschmerzen, Migräne Atembeschwerden, Verengung der Luftwege Bluthochdruck 7. Diagnose von Histamin-Intoleranz Eliminationsdiät (eventuell mit anschließender Provokation): Sicherster und gebräuchlichster Weg zum Nachweis einer Histamin-Intoleranz! Differentialdiagnose: Ausschluss von Erkrankungen, die ein ähnliches Beschwerdebild hervorrufen. Bluttest (Histamin-Spiegel): Nicht wissenschaftlich anerkannt! Eventuell als zusätzlicher Anhaltspunkt anzusehen. 8. Ernährung bei biogener Amin-Intoleranz Eine sichere Angabe, ob und in welcher Menge biogene Amine in einem Lebensmittel enthalten sind, ist nicht möglich. Der Gehalt in Lebensmitteln ist von verschiedenen variablen Faktoren, wie zum Beispiel Produktionsbedingungen, Hygienefaktoren, Lagerungsdauer und Reifegrad der Lebensmittel, abhängig. Es wird daher niemals möglich sein, biogene Amine völlig vom Speiseplan zu verbannen. Ziel der Ernährung sollte es daher sein, biogen-aminreiche und -freisetzende Lebensmittel auf ein verträgliches Maß einzuschränken, ohne dabei die Grundlagen einer vollwertigen Ernährung zu vergessen. 9. Biogene Amine in Nahrungsmitteln 9.1. Fleisch und Wurstwaren Frisches Fleisch ist in der Regel kaum oder gar nicht mit biogenen Aminen belastet. Zwar ist auch Frischfleisch streng genommen nie ganz "frisch", da Fleisch nach dem Schlachten einige Tage bis zweieinhalb Wochen bei 1 bis 3 C ruhen muss, um genusst auglich zu werden. Diesen Prozess der Fleischreifung nennt man Abhängen. Bei fachgerechter Durchführung entstehen dabei nur unerhebliche Men- 1 Histamin scheint vor allem in Verbindung mit Ethanol die Unbekömmlichkeit mancher Weine auszulösen, die bis zu 22 mg Histamin/l enthalten können. Intoxikationen treten aber erst bei Konzentrationen von 1000 mg/kg auf. Sie äußern sich zum Beispiel durch Kopfschmerzen und Erbrechen. 3
gen an biogenen Aminen, so dass frisch im Laden angeliefertes Frischfleisch in der Regel gut vertragen wird. Eine Ausnahme ist Wildfleisch (Reh, Hirsch, Wildschwein). Dieses wird beim Abhängen einer Milchsäuregärung unterzogen und kann dadurch große Mengen an biogenen Aminen enthalten. Da sich die meisten Bakterien auf der Oberfläche des Fleisches befinden, entstehen die biogenen Amine auch dort. Da sie gut wasserlöslich sind, lassen sich unter fließend kaltem Wasser oder durch Wässern wenigstens die an der Oberfläche befindlichen biogenen Amine wegspülen. Im Zuge der Lagerung oder im Rahmen von Reifungsprozessen können sich in Fleisch allerdings erhebliche Mengen an biogenen Aminen entwickeln. Hiervon betroffen sind in erster Linie getrocknete, geräucherte und gepökelte Wurstwaren (roher Schinken, Salami, Speck usw.). Leicht verderbliche Waren wie Hackfleisch oder Bratwürste entwickeln sogar in kurzer Zeit bedenkliche Histaminwerte. 9.2. Käse und Milchprodukte Frische Milch wird in der Regel gut vertragen, kann aber zu Beginn der Umstellung noch zu Beschwerden führen, da der Darm noch durch die Wirkungen der biogenen Amine gereizt ist. Der Verzehr von Käse und anderen Milchprodukten führt häufig Beschwerden. Besonders lang reifende Käsesorten (je älter desto mehr biogene Amine) können einen extrem hohen Gehalt an biogenen Aminen entwickeln, zum Beispiel Hartkäse wie Parmesan, Bergkäse, Emmentaler, Camembert, Gruyere, Roquefort usw. 9.3. Brot und Backwaren Je länger Hefe und Sauerteig in Backwaren gären durfte, um so höher ist in der Regel auch der Gehalt an biogenen Aminen, d.h. je lockerer und luftiger die Produkte sind, um so schlechter werden sie in der Regel vertragen. Hier hilft nur ausprobieren! 9.4. Fisch und Meeresfrüchte Die meisten Fischprodukte, vor allem Fischkonserven und alle Meeresfrüchte sind histaminhaltig. Zwar ist fangfrischer Fisch genauso wie frisches Fleisch nahezu histaminfrei, neigt aber unter ungünstigen Bedingungen zu raschem mikrobiellem Verderb. Fisch kann also dann bedenkenlos verwendet werden, wenn er absolut fangfrisch ist, oder wenn er unmittelbar nach dem Fang noch auf dem Schiff verarbeitet und sofort tiefgefroren wurde. Die Kühlkette darf während Transport und Lagerung nie unterbrochen worden sein. Außerdem ist es wichtig, dass der Fisch gleich nach dem Fang unter hygienisch einwandfreien Bedingungen gründlich ausgenommen wurde, weil beim toten Fisch die Darmbakterien ins umliegende Gewebe übertreten können. Vor allem Fischsorten aus warmen Gewässern (z.b. Thunfisch) sollten daher direkt nach dem Fang ausreichend gekühlt worden sein, um hohe Mengen an biogenen Aminen ausschließen zu können. Fischkonserven und Schalentiere vermeiden. 9.5. Obst und Gemüse Biogene Amine finden sich häufig in Nahrungsmitteln, die zur Konservierung in Essigmarinaden eingelegt wurden, wie zum Beispiel: Essig- und Gewürzgurken Perlzwiebel Eingelegte Paprika Mixed Pickels usw. Außerdem entstehen biogene Amine in manchen Obst- und Gemüsesorten direkt oder als Nebenprodukt bei der Milchsäure-Gärung. Zu den kritischen Sorten zählen daher: Spinat, Tomaten, Avocados, Aubergine Pilze (Da Pilze relativ leicht verderblich sind, können sowohl bei der Lagerung biogene Amine entstehen) Sauerkraut und andere milchsauer vergorene Gemüse und säfte Bananen, Birnen, Erdbeeren, Himbeeren, Pflaumen, Orangen, Kiwi und Ananas Walnüsse, Erdnüsse 9.6. Getränke 9.6.1. Alkoholhaltige Getränke Alkohol wird in der Regel schlecht vertragen, da dieser nicht nur das körpereigene Histamin freisetzt und die Enzyme Mono- und Diaminoxidase hemmt, sondern zusätzlich die Durchlässigkeit der Darmwand erhöht und somit die Resorption der in dem Getränk vorhandenen biogenen Amine fördert. Diese entstehen außerdem als Nebenprodukt der alkoholischen Gärung. Zu den kritischen Alkoholika zählen besonders Bier und lange gereifter (Rot-) Wein. 4
9.6.2. Nicht alkoholische Getränke Sie sind nach den derzeitigen Erkenntnissen fast ausnahmslos histaminarm bzw. -frei. Dies gilt auch für Traubensäfte, die als Ausgangsstoff für die Weinherstellung dienen. Eine Ausnahme bilden handelsübliche Apfelsäfte, da sie in der Regel einen kleinen Anteil Birnensaft. Birnen sind wegen ihrem Gehalt an biogenen Aminen eher zu meiden. Abzuraten ist von Gemüsesäften, deren Ausgangsprodukte bei einer Histaminintoleranz-Diät gemieden werden sollten, wie zum Beispiel Tomaten- oder Sauerkrautsaft. Reich an biogenen Aminen sind auch Kakao und heiße Schokolade und schwarzer und grüner Tee. 9.7. Weitere Lebensmittel mit einem hohen Gehalt an biogenen Aminen Weitere kritische Lebensmittel sind: Fermentierte Sojaprodukte (z.b. Sojasauce, Miso, Kimchi, Fischsaucen usw.) Hefe-haltige Lebensmittel (die biogenen Amine sind nicht in der Hefe selbst enthalten, sondern entstehen bei der Hefegärung), Hefe-Extrakt Schokolade, Kakao Weinessig und -haltige Produkte wie Senf Currypulver und andere Gewürzmischungen 10. Küchentipps und allgemeine Hinweise 10.1. Frische, wenig gelagerte Lebensmittel bevorzugen Je frischer ein Nahrungsmittel, umso histaminärmer ist es in der Regel! Daher auf Hygiene bei der Lagerung und Zubereitung der Speisen achten! Da Histamin durch Bakterien entsteht, ist oftmals mangelnde Hygiene für den erhöhten Histamingehalt in Lebensmitteln verantwortlich. Bei der Lagerung und Reifung steigt der Gehalt von biogenen Aminen in Lebensmitteln an. Daher hat alles was geräuchert, vergoren, lange gelagert oder eingelegt ist, einen erhöhten Gehalt an biogenen Aminen. Käse zum Beispiel ist umso histaminreicher je reifer er Käse ist. 10.2. Kochwasser wegschütten Biogene Amine sind temperaturunempfindlich, geschmack- und geruchlos. Sie können weder durch Erhitzen noch durch Tiefkühlen Kochen, Grillen, Braten oder Backen zerstört werden. Der Gehalt biogener Amine in Lebensmitteln kann aber durch Abschütten von Kochwasser oder Konservierungsflüssigkeit vermindert werden, da biogene Amine zum Teil in die Garflüssigkeit übertreten. 10.3. Lebensmittel mit einem geringen Gehalt an biogenen Aminen bevorzugen Histaminarme Lebensmittel sind: Frischkäse, wenig gereifter Käse, junger Gauda, pasteurisierte Vollmilch, Quark, Joghurt. Frisches Obst: Äpfel, Aprikosen, Pfirsiche, Nektarinen, Blaubeeren, Heidelbeeren, Johannisbeeren, Kirschen, Litschi, Mango, Melone, Rhabarber Frisches Gemüse: Grüner Salat, Kohlsorten, rote Beete, Kürbis, Zwiebel, Radieschen, Rettich, Rapunzelsalat, Paprika, Karotten, Brokkoli, Kartoffeln, Gurke, Lauch, Zucchini, Mais, Spargel, Knoblauch, Brokkoli, Blumenkohl Getreide, Teigwaren: Dinkel-, Mais-, Reisnudeln, hefefreies Roggenbrot, Mais-Reis-Knäckebrot, Reis, Haferflocken, Reiswaffeln, Mais-, Reis-, Hirsemehl Milchersatz: Reis-, Hafer-, Kokosmilch Fangfrischer Fisch. Alle nicht-zitrushaltigen Obstsäfte, alle Gemüsesäfte (außer Sauerkrautsaft und andere milchsauervergorenen Säfte) Kräutertee Eigelb Quellen: Kasper H.: Ernährungsmedizin und Diätetik, 9. Auflage, Urban & Schwarzenberg, München 2000. Reichl FX.: Taschenatlas der Toxikologie, 3. Auflage, Thieme, Stuttgart 2009. http://www.dge.de - Website der Deutschen Gesellschaft für Ernährung 2011 http://www.diagnosia.com - Website der Europäischen Medikamentensuche 2011 http://www.landwirtschaft-mlr.baden-wuerttemberg.de Ministerium für Ländlichen Raum, Ernährung und Verbraucherschutz Baden-Württemberg 2011 http://de.wikipedia.org 5