Stabilisierungsmaßnahmen zur Bewältigung der EWU-Staatsschuldenkrise 15. Februar Dr. Bernhard Manzke, Deutsche Bundesbank

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Stabilisierungsmaßnahmen zur Bewältigung der EWU-Staatsschuldenkrise 15. Februar 2012 Dr. Bernhard Manzke, Deutsche Bundesbank

Überblick Der ursprüngliche wirtschaftspolitische Rahmen der EWU Ursachen der Krise Folgen Antworten der Politik auf die Staatsschuldenkrise Geldpolitik, Mitgliedstaaten, Hilfsmaßnahmen von EU/EWU-Staaten und IWF, Reform des Regelwerks der EWU Diskussion verschiedener Vorschläge Seite 2

Der ursprüngliche wirtschaftspolitische Rahmen der EWU: Intention Wie kann Geldwertstabilität gewährleistet werden? Kurzfristiger Anreiz der Politik zu expansiver Geldpolitik: Zeitinkonsistenz-Problem der Geldpolitik, Historische Erfahrung Unabhängige Zentralbank mit klarem Mandat Geldwertstabilität Verschuldungsanreize bei nationaler Geldpolitik in Währungsunion mit weiterhin nationaler Finanzpolitik verschärft Regeln für Finanzpolitik, Marktanreize Wirtschaftspolitischer Rahmen der EWU: 1) Unabhängigkeit der gemeinsamen Geldpolitik, Verbot der monetären Staatsfinanzierung 2) Absicherung durch Anreize zu solider Haushaltspolitik in einzelnen Mitgliedstaaten Seite 3

Der ursprüngliche wirtschaftspolitische Rahmen der EWU: Rechtliche Umsetzung Ziel 1: Unabhängigkeit der ZB; verhindern, dass Schulden über die Notenpresse finanziert werden. Art. 130 AEU-Vertrag: Unabhängigkeit der Zentralbank von Weisungen Art. 127 AEU-Vertrag: Mandat des Eurosystems Art. 123 AEU-Vertrag: Verbot der monetären Staatsfinanzierung Seite 4

Der ursprüngliche wirtschaftspolitische Rahmen der EWU: Rechtliche Umsetzung Ziel 2: Verschuldungsanreize begrenzen und disziplinierende Funktion der Finanzmärkte aufrecht erhalten. Art. 125 AEU-Vertrag: Gegenseitiger Haftungsausschluss ( No-bail-out Klausel) Weder die Gemeinschaft noch Mitgliedsstaaten stehen für die Schulden eines Staates ein. Finanzpolitische Eigenverantwortlichkeit Art. 126 AEU-Vertrag: Fiskalische Konvergenzkriterien und Defizitverfahren (Haushaltsüberwachung im Stabilitäts- und Wachstumspakt konkretisiert). Wesentliche Elemente: Mittelfristiges Ziel eines nahezu ausgeglichenen Haushalts, Defizitkriterium von 3% des BIP, Schuldenstandskriterium von 60% des BIP. Präventiver Arm des SWP Korrektiver Arm Seite 5

Gliederung Der ursprüngliche wirtschaftspolitische Rahmen der EWU Ursachen der Krise Folgen Antworten der Politik auf die Staatsschuldenkrise Geldpolitik, Mitgliedstaaten, Hilfsmaßnahmen von EU/EWU-Staaten und IWF, Reform des Regelwerks der EWU Diskussion verschiedener Vorschläge Seite 6

Ursachen: Schwächen im fiskalischen Rahmen der EWU Regeln grundsätzlich geeignet, solide öffentliche Finanzen zu gewährleisten Wesentlicher Schwachpunkt: politischer Entscheidungsprozess bei Verfehlungen Sünder richten über Sünder Kein Automatismus (Bsp. DE und F 2003) Auch Länder mit unsolider Finanzpolitik stimmberechtigt Viele Sonderregeln Weiterer Schwachpunkt: Präventiver Arm zu unverbindlich. Seite 7

Ursachen: Finanzpolitik Staatsschulden (in % des BIP) 120 100 80 60 40 20 Haushaltssaldo und Staatsschulden der Euro-Länder 1999-2007 Europäische Fiskalregeln von EWU-Ländern schon vor Krise sehr häufig nicht eingehalten Schuldenquote > 60%, nicht hinreichend rückläufig. Defizitquote > 3%. Oft beide Referenzwerte gleichzeitig verletzt. Überschreitungen nur selten durch Ausnahmeklauseln gerechtfertigt. Mittelfristiges Haushaltsziel selten erreicht. In vielen Ländern ungünstige Ausgangsposition. In Krise massive Verschlechterung durch Automatische Stabilisatoren 0-9 -6-3 0 3 Haushaltssaldo (in % des BIP) Konjunkturpakete Bankenstützungsmaßnahmen Veränderte Einschätzung des Wachstumspotenzials Seite 8

Ursachen: Finanzkrise/Finanzstabilität 25 Auswirkung der Finanzmarktstützung 2007-10 Schulden kumuliert 2007-10, Saldo Durchschnitt 2008-10 Schulden Defizit IE; 7,6 1,2 Grund für Stützung von Finanzinstituten: Drohender Zusammenbruch des Finanzsystems Belastungen jedoch schwierig zu erfassen (Garantien, Vermögenspositionen). Anstieg der Schuldenquote in PP 20 15 10 5 0,9 0,6 0,3 0,0 Senkung/Anstieg der Defizitquote in PP Folgen: Umfangreiche Umwandlung von privaten in öffentliche Schulden. Teils massive Haushaltsbelastung (Schuldenquote, Defizitquote). Zum Teil selbst Staaten überfordert (Irland). Umkehrte Wirkungsrichtung: von öffentlichen Finanzen auf Finanzstabilität. 0 CY SI FR IT GR ES AT PT EA BE LU NL DE IE -0,3 Weiterer Mangel am ursprünglichen Rahmen: Auswirkungen von Zahlungsunfähigkeit eines Staates auf Finanzstabilität nicht hinreichend berücksichtigt (Nicht-Haftungs-Klausel nicht glaubwürdig). Seite 9

Ursachen: Gesamtwirtschaftliche Ungleichgewichte Immobilienpreisblasen Hohe Leistungsbilanzdefizite Letztere nicht problematisch, wenn zurückzuführen auf unterschiedliche Entwicklungsstände, divergierende Konjunkturzyklen, demographische Entwicklung aber kritisch zu bewerten, wenn Ausdruck übermäßigen Konsums (privat und/oder öffentlich) -> Ursachenanalyse wichtig Starker Einfluss auf öffentliche Finanzen, wenn Korrektur erfolgt Seite 10

Ursachen: Gesamtwirtschaftliche Ungleichgewichte Preisliche Wettbewerbsfähigkeit in Krisenländern bis Krisenbeginn z.t. drastisch gesunken GR erst 2001 in EWU eingetreten Nach 2007 unterschiedliche Entwicklung Irland: deutliche Verbesserung Spanien, Portugal (Italien): Stabilisierung Griechenland: Weitere deutliche Verschlechterung Seite 11

Ursachen: Gesamtwirtschaftliche Ungleichgewichte 15 Nationale Leistungsbilanzsalden im Euro-Raum (2007, % des BIP) 10 5 0-5 -10-15 -20 GR CY PT ES MT SK IE SI FR IT BE AT FI DE NL LU Quelle: Europäische Kommission Herbst 2011 Seite 12

Ursachen: Statistik in % des BIP 18 15 12 9 6 3 Griechenland: Gemeldete Defizite - Erstmeldung vs. Stand im Herbst 2011 Gute Statistiken Voraussetzung für wirksame Haushaltsüberwachung Griechenland besonders negatives Beispiel: Für jedes Jahr Revision der ersten Defizitmeldung nach oben erforderlich. Kreative Buchführung, problematisch vor allem einmalige Defizitminderung zulasten künftiger Haushalte: Übernahme von Pensionsverpflichtungen Verkauf zukünftiger Steuereinnahmen 0 Erstmeldung Stand Herbst 2011 Hinweis: Seit der Reform des SWP 2005 wird im präventiven Arm das strukturelle Defizit zugrundegelegt. Seite 13

Ursachen: Interdependenzen Staatsfinanzen Finanzstabilität Finanzkrise Kreditausfälle Einschränkung der Kreditvergabe, Vertrauensverluste Abschwung Realwirtschaft Seite 14

Ursachen: Zusammenfassung Staatsschuldenkrise hat eine Reihe von Ursachen mit unterschiedlicher Ausprägung in einzelnen Krisenländern: Finanzpolitisches Regelwerk leistete laxer Umsetzung Vorschub ungünstige Ausgangsposition Mangelhafte Statistiken Fehlentwicklungen (zu) spät erkannt Finanzmarktstützung wegen Sorge um Finanzstabilität Belastung der öffentlichen Haushalte Umgekehrt belastet mangelnde fiskalische Tragfähigkeit Finanzstabilität Korrektur gesamtwirtschaftlicher Ungleichgewichte Rückwirkungen auf öffentliche Finanzen Gefahr steigender Zinsen hatte an Abschreckungswirkung verloren keine ausreichende Disziplinierung der Finanzpolitik Seite 15

Gliederung Der ursprüngliche wirtschaftspolitische Rahmen der EWU Ursachen der Krise Folgen Antworten der Politik auf die Staatsschuldenkrise Geldpolitik, Mitgliedstaaten, Hilfsmaßnahmen von EU/EWU-Staaten und IWF, Reform des Regelwerks der EWU Diskussion verschiedener Vorschläge Seite 16

Folgen: Entwicklung der öffentlichen Haushalte in den Krisenstaaten und DE in % des BIP Haushaltssaldo 2007-2011 0-4 -8 Portugal Italien -12 Deutschland Griechenland Spanien Irland -16 2007 2008 2009 2010 2011 Quelle: Europäische Kommission, Herbst 2011 Seite 17

Folgen: Entwicklung der öffentlichen Haushalte in den Krisenstaaten und DE in % des BIP 180 Staatsschulden 2007-2011 160 140 120 100 80 Deutschland Griechenland Portugal Italien Irland 60 40 Spanien 20 2007 2008 2009 2010 2011 Quelle: Europäische Kommission, Herbst 2011 Seite 18

Folgen: Entwicklung der Renditen für Staatsanleihen in der EWU in % p.a. 18 Rendite auf 10-jährige Staatsanleihen 16 14 12 10 8 6 4 D EWU\D EWU FR BE GR IE NL PT ES FI AT IT 2 0 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 Seite 19

Gliederung Der ursprüngliche wirtschaftspolitische Rahmen der EWU Ursachen der Krise Folgen Antworten der Politik auf die Staatsschuldenkrise Geldpolitik, Mitgliedstaaten, Hilfsmaßnahmen von EU/EWU-Staaten und IWF, Reform des Regelwerks der EWU Diskussion verschiedener Vorschläge Seite 20

Antworten: Geldpolitik Geldpolitik trägt durch eine Reihe von Maßnahmen zur Entspannung bei: Zinssenkungen Geldpolitische Sondermaßnahmen (u.a. Programm zum Ankauf von Staatsanleihen) Geldpolitik kann jedoch nicht die Ursachen der Krise beheben: Kein Ersatz für notwendige finanz- und wirtschaftspolitische Reformen in den Krisenländern. Maßnahmen nur im Einklang mit Mandat, Preisstabilität zu gewährleisten strikte Trennung der Verantwortungsbereiche von Geld- und Fiskalpolitik geboten. Seite 21

Antworten: Finanz- und Wirtschaftspolitik in den einzelnen Krisenstaaten 8 6 4 2 0-2 -4-6 Änderung der Primärsaldoquote (strukturell) Ursachen für Staatsschuldenkrise liegen in jeweiligen Ländern -> Lösung daher insbesondere auf nationaler Ebene Strukturelle Reformen, um Wachstumspotenzial zu erhöhen Fiskalische Konsolidierungsmaßnahmen Gegebenenfalls Verbesserung Finanzmarktregulierung und Bankenaufsicht DE GR IE IT PT ES 2008 2009 2010 2011 Quelle: Europäische Kommission, Herbst 2011 Seite 22

Antworten: Kurzfristige Rettungsmaßnahmen Merkmale Griechenland - Hilfe (1. Programm Mai 2010) EFSM (Mai 2010) EFSF (ursprüngliche Version, Juni 2010) EFSF (geänderte Version, Okt. 2011) ESM (voraus. Mitte 2012) IWF Volumen 110 Mrd ca. 60 Mrd 440 Mrd 780 Mrd (726 Mrd ) 700 Mrd k. A. Max. Hilfsvolumen 110 Mrd (30 Mrd IWF) = ca. 250 Mrd 440 Mrd ; mit Hebel bis 1 Bn 500 Mrd = Finanzierung Durch EWU-MS Anleihen der EU EFSF- Anleihen EFSF- Anleihen ESM- Anleihen Durch MS Sicherung - EU- Haushalt Garantien der MS Garantien der MS Garantien, Kapital = Gläubigerstatus k. A., faktisch Vorrecht k. A. k. A. k. A.; bei He - bel faktisch nachrangig Vorrecht; (Anleihekäufe?) In der Praxis Vorrecht Instrumente Bilaterale Kredite Kredit Kredit erweitertes Instrumentarium erweitertes Instrumentarium Kredit Zinsaufschlag (Basispunkte) 300/400 (200/300) 300/400 jetzt nahe 0 300/400 jetzt nahe 0 Verwaltungs kosten Verwaltungs kosten 300/400 Seite 23

Kurzfristige Rettungsmaßnahmen Ziel: Drohenden Zahlungsausfall eines EWU-Landes abwenden, wenn Finanzstabilität im Euroraum gefährdet ist. Grundtendenzen: Verlagerung von der bilateralen Ebene auf die europäische Ebene (Institutionalisierung) Hilfsvolumen erhöht Instrumentarium ausgeweitet Zinsaufschläge reduziert (gegenwärtig praktisch abgeschafft) Seite 24

Instrumente von EFSF (und ESM) Hilfskredite Ziel: Liquiditätssicherung Wichtig: Zinsaufschläge Primärmarktkäufe: Ziel: Kontakt zu Kapitalmarkt erhalten/wieder herstellen Wichtig: nur als Substitut für Hilfskredite Vorsorgliche Programme: Hilfe schon vor erschwertem Kapitalmarktzugang Ziel: Signal an Kapitalmarktakteure Wichtig: Konditionalität nicht unterlaufen, angemessene Zinsaufschläge Sekundärmarktkäufe (auch für Nicht-Programmländer): Ziele: liquide Märkte und angemessene Renditen sichern wg Finanzstabilität, Anreize zur weiteren Finanzierung von Staaten durch Kapitalmärkte Problem: Konditionalität (auch für Nicht-Programmländer), wenig effektiv Kredite zur Rekapitalisierung von Finanzinstituten (auch für Nicht-Programmländer) Ziel: Ansteckungseffekte mindern Wichtig: Nur an Staaten (nicht direkt an Finanzinstitute), Konditionalität. Seite 25

Hilfsprogramm Griechenland Start: Mai 2010 Auslöser: Drastische Abwärtskorrektur der Defizitquote im Oktober 2009 und nachfolgende Verschlechterung der Finanzierungsbedingungen. Umfang: 110 Mrd 80 Mrd von EWU-Ländern (ohne Slowakei, Ausstieg von Irland und Portugal), 30 Mrd IWF. Davon bereits ausgezahlt: 73 Mrd (Restsumme der EWU-Staaten soll über EFSF ausgezahlt werden). Programmdauer: 3 Jahre (bis Mai 2013) Konditionen: Strukturelle Reformen, Haushaltskonsolidierung (Defizitquote bis 2014 unter 3%); Überwachung durch IWF, Europäische Kommission und EZB. Zinsaufschläge: im Frühjahr 2011 Senkung um 100 BP in Aussicht gestellt. Seite 26

Hilfsprogramm Irland Start: Dezember 2010 Auslöser: Drastischer Verschlechterung der Haushaltslage infolge von Korrektur gesamtwirtschaftlicher Ungleichgewichte und Stützungsmaßnahmen für den Bankensektor; nachfolgende Verschlechterung der Finanzierungsbedingungen. Umfang: 85 Mrd (einschl. Bankenstützung) Eigene Mittel 17,5 Mio, EFSM und IWF jeweils 22,5 Mrd, EFSF 17,7 Mrd, andere EU- Staaten 4,8 Mrd. Davon bereits ausgezahlt: knapp 38 Mrd Programmdauer: 3 Jahre (bis Dez 2013) Konditionen: Reformen der Gesamtwirtschaft und im Finanzbereich, Haushaltskonsolidierung (Defizitreduzierung von 32,4% 2010 auf 3% 2015); Überwachung durch IWF, Europäische Kommission und EZB. Seite 27

Hilfsprogramm Portugal Start: Mai 2011 Auslöser: Scheitern Konsolidierungs- und Reformpaket März 2011, Ansetzen von Neuwahlen und nachfolgende weitere Verschlechterung der Finanzierungsbedingungen. Umfang: 78 Mrd EFSM, EFSF und IWF jeweils 26 Mrd Bereits ausgezahlt: 38,4 Mrd Programmdauer: 3 Jahre (bis Mai 2014) Konditionen: Reformen der Gesamtwirtschaft und Haushaltskonsolidierung (Defizitreduzierung von 9,1% 2010 auf 2,3% 2014); Überwachung durch IWF, Europäische Kommission und EZB. Seite 28

Kurzfristige Rettungsmaßnahmen - Bewertung Grundsätzlich: Erstes Hilfspaket für Griechenland und EFSF, EFSM vertretbar wegen Risiken für Stabilität der Währungsunion Jedoch: Fundamente der EWU angegriffen; noch verstärkt durch Reduzierung der Zinsaufschläge Erweiterung des Instrumentenkastens (Gefahr: Abschwächung der Konditionalität) Finanzielle Hilfen kaufen nur Zeit: Eigentliche Ursachen der Krise müssen in Angriff genommen werden. Daher: Rettungsmaßnahmen von Anfang an mit Reformen in den Krisenstaaten und Änderungen des finanz- und wirtschaftspolitischen Rahmens der EWU verknüpft. Seite 29

Reform des fiskalischen Rahmens der EWU: Vorbeugung Änderungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts (in Kraft): Stärkere Rolle für Schuldenkriterium, aber zahlreiche Ausnahmen: Defizitkriterium bei niedrigen Schuldenquoten sogar gelockert. Sanktionsmechanismus leicht verbessert: Abstimmung mit umgekehrter qualifizierter Mehrheit bei einigen Verfahrensstufen, finanzielle Sanktionen bereits im vorbeugenden Arm. Bewertung: Insgesamt zu zaghaft; Wirksamkeit hängt weiter von politischem Willen zur strikten Anwendung ab. Verfahren bei gesamtwirtschaftlichen Ungleichgewichten (in Kraft): 2-stufiges Verfahren: 1) Frühwarnsystem; 2) Empfehlungen zur Korrektur der Fehlentwicklungen. Bewertung: Grundsätzlich sinnvolle Ergänzung zum SWP, sollte aber auf Problemfälle konzentriert werden, die auch Risiken für andere Länder bergen; gesamtwirtschaftliche Feinsteuerung vermeiden. Euro-Plus-Pakt (in Kraft): Ziele: Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigung, fiskalische Tragfähigkeit, Finanzstabilität, Koordinierung der Steuerpolitik Politischer Charakter, keine Sanktionen Seite 30

Reform des fiskalischen Rahmens der EWU: Vorbeugung Fiskalpakt Zwischenstaatliches Recht (nicht alle EU-Staaten) Nationale Haushaltsregeln: Strukturell (fast) ausgeglichene Haushalte Automatisch startender Korrekturmechanismus Klagemöglichkeit Stärkerer Sanktionsautomatismus Bewertung: Hängt von Konkretisierung (Korrekturmechanismus, Anpassungspfad) und Umsetzung und Anwendung auf nationaler Ebene ab Geht möglicherweise nur wenig über existierende Vereinbarungen hinaus Keine Durchgriffsrechte der europäischen Ebene Schritt in richtige Richtung, aber rechtfertigt keine deutliche Ausweitung der Gemeinschaftshaftung Seite 31

Reform des fiskalischen Rahmens der EWU: Krisenbewältigung ESM Fakten zum dauerhaften Krisenbewältigungsmechanismus Maximales Darlehensvolumen (einschließlich EFSF-Finanzhilfen): derzeit 500 Mrd., Genehmigtes Eigenkapital: 700 Mrd. (davon 80 Mrd. einzubezahlen) Instrumente wie EFSF Zinsen: Finanzierungs- und Verwaltungskosten. Haftung: IWF vorrangig, private Gläubiger nachrangig gegenüber ESM-Krediten. Beteiligung privater Gläubiger ähnlich wie bei IWF, Umschuldungsklauseln ab 1. Januar 2013 verpflichtend. Bewertung ESM kann dazu beitragen, Gefahren für Finanzstabilität im Euroraum zu begrenzen. Jedoch: Anreize zu soliden Staatsfinanzen gemindert Auflagen, Kontrolle, Zinsaufschläge für alle Instrumente entscheidend! Bevorrechtigter Gläubigerstatus von ESM-Krediten wichtiger Schutz der Steuerzahler sollte auch für Primär- und Sekundärmarktkäufe gelten. Seite 32

Reform des fiskalischen Rahmens der EWU: Flankierung Stärkung der Finanzstabilität Potentieller Konflikt zwischen Finanzstabilität und Nicht-Haftungsklausel/Einbeziehung des Privatsektors, wenn ein Land zahlungsunfähig wird. Möglichkeit der Einbeziehung des Privatsektors jedoch wichtig, um disziplinierende Funktion der Finanzmärkte aufrecht zu erhalten. Stärkung der Finanzstabilität auch bei Zahlungsunfähigkeit eines EWU-Staats durch Reform von Regulierung und Aufsicht: Voraussetzung für glaubhafte Privatsektorbeteiligung. Insolvenzordnung für Staaten: Klarheit über Ablauf verringert Unsicherheit an Finanzmärkten, kann Folgen von Staatsbankrott abmildern. Verbesserung der nationalen Statistiken bereits erste Schritte in Angriff genommen: Bei Manipulationen der nationalen Statistiken können Sanktionen ergriffen werden. Stärkeres Augenmerk auf Unabhängigkeit der nationalen Statistikinstitute. Seite 33

Gliederung Der ursprüngliche wirtschaftspolitische Rahmen der EWU Ursachen der Krise Folgen Antworten der Politik auf die Staatsschuldenkrise Geldpolitik, Mitgliedstaaten, Hilfsmaßnahmen von EU/EWU-Staaten und IWF, Reform des Regelwerks der EWU Diskussion verschiedener Vorschläge Seite 34

Konsistenter Rahmen für die Währungsunion Neben Reformen in Krisenländern, Stärkung der Finanzstabilität, Statistik konsistenter Rahmen unabdingbar für nachhaltige Stabilität in der EWU Bei grundsätzlicher Beibehaltung ursprünglichen Rahmens (fiskalische Eigenverantwortlichkeit, Nicht-Haftungsklausel) Handlungsbedarf angesichts 1) Unzulänglichkeiten im ursprünglichen Rahmen und 2) zunehmendem Ungleichgewicht zwischen Haftung und Kontrolle in der Währungsunion. Was können Bestandteile eines konsistenten Rahmens sein? Haushaltsregeln mit Biss (umfassende Krisenvorbeugung). Permanenter Krisenlösungsmechanismus: nur als letztes Mittel. Anreize zu soliden Staatsfinanzen und eigenverantwortlichem Handeln: Zinsaufschläge. Haftung und Kontrolle in Einklang bringen: Finanzielle Hilfen unter strenger Konditionalität, bei Nichteinhaltung i) angemessene europäische Durchgriffsrechte (nationale Budgetsouveränität wird aufgehoben - Verfassungsänderung erforderlich) oder ii) Einstellung der Hilfe (Finanzmarktstabilität durch adäquaten Rahmen sicherstellen). Disziplinierende Funktion der Finanzmärkte: Beteiligung privater Gläubiger. Seite 35

Eurobonds? Deutliche Ausweitung der Gemeinschaftshaftung nur bei Eingriffsmöglichkeiten Strikte Haushaltsregeln Werden von mit weitgehenden Eingriffsrechten ausgestatteter zentraler Ebene durchgesetzt Nur dann auch Eurobonds vertretbar, aber: Verlust nationaler Budgetsouveränität politisch durchsetzbar? Bei Budgetsouveränität nach wie vor auf nationaler Ebene setzen Eurobonds falsche Anreize nicht zur Lösung der Krise geeignet Wichtige Disziplinierung der Staatshaushalte über die Finanzmärkte geht verloren. Massives Ungleichgewicht zwischen Haftung und Kontrolle zur Folge haben. Gleichzeitige Einführung angemessener Haushaltsregeln inkl. Eingriffsrechte in nationale Budgetsouveränität jedoch mehr als fraglich. Einführung zudem mit erheblichen rechtlichen Problemen verbunden: Nicht-Haftungs-Klausel auf europäischer Ebene; Verfassungsänderungen auf nationaler Ebene (auch in DE). Seite 36