Computergestützte Gruppenarbeit



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Computergestützte Gruppenarbeit Johann Schlichter Institut für Informatik TU München, Munich, Germany September 2010 Vorlesungsunterlagen (Student Script 1 ) 1 Script generated by Targeteam; Not for general Distribution

Inhaltsverzeichnis 1 Einführung 2 1.1 Ziel der Vorlesung.......................... 2 1.2 Übersicht.............................. 3 1.2.1 Themen der Veranstaltung................. 3 1.3 Literaturübersicht.......................... 6 1.4 Glossar............................... 7 2 Was ist Computergestützte Gruppenarbeit ("CSCW") 12 2.1 Fragestellungen........................... 12 2.2 Trends und Hintergründe...................... 13 2.2.1 Organisationsprobleme................... 13 2.2.2 Motivation zum Einsatz von CSCW............ 14 2.3 Komplementärtechnologien..................... 15 2.3.1 CSCW Technologien.................... 16 2.3.2 Wechselwirkung zwischen CSCW und anderen Bereichen 16 2.4 CSCW Teams in der Praxis - Szenarien.............. 18 2.4.1 Unterstützung von face-to-face Sitzungen......... 18 2.4.2 Unterstützung von Verteilten Elektronischen Sitzungen.. 20 2.4.3 Unterstützung der Gruppenarbeit zwischen den Sitzungen 23 2.5 Beispiele für CSCW-Anwendungsgebiete............. 26 2.5.1 Software Entwurf / Entwicklung.............. 26 2.5.2 Ausbildung und Schulung................. 28 2.5.3 Telekooperation....................... 29 2.5.4 Weitere Beispiele für Gruppenarbeit............ 31 i

INHALTSVERZEICHNIS 2.6 Begriffsklärung........................... 33 2.6.1 Auswahl anderer Begriffe für CSCW........... 33 2.6.2 Definition von CSCW und Groupware........... 34 2.6.3 Weitere Definitionen.................... 35 2.6.4 CSCW als interdisziplinärer Forschungsbereich...... 36 2.6.5 Systeme zur Computergestützten Gruppenarbeit...... 37 2.7 Interpretation von CSCW...................... 38 2.7.1 (CSC)W - work....................... 39 2.7.2 (CS)CW - cooperative work................ 39 2.7.3 (C)SCW - supported cooperative work........... 43 2.7.4 CSCW - computer supported cooperative work...... 44 2.8 Zentrale Aspekte in CSCW..................... 44 3 Klassifizierung von CSCW-Systemen 46 3.1 Fragestellungen........................... 46 3.2 Klassifizierung nach Raum und Zeit................ 46 3.2.1 Verteilung der Gruppenmitglieder............. 47 3.2.2 CSCW Klassifikation in Raum/Zeit - Matrix....... 47 3.3 Klassifizierung nach dem 3K-Modell................ 48 3.3.1 Unterscheidung nach Unterstützungsfunktionen...... 48 3.3.2 Systemklasse - Kommunikation.............. 49 3.3.3 Systemklasse - gemeinsame Informationsräume...... 51 3.3.4 Systemklasse - Workflow Management.......... 51 3.3.5 Systemklasse - Workgroup Computing.......... 52 3.4 Anwendungsklassen........................ 53 4 Grundlegende CSCW-Konzepte 54 4.1 Fragestellungen........................... 54 4.2 Gruppenprozess........................... 54 4.2.1 Beispiel eines Gruppenablaufs............... 54 4.2.2 Begriffsbildung....................... 56 4.2.3 Dynamik des Gruppenprozesses.............. 60 4.3 Charakterisierung synchroner Kooperation............. 61 ii

INHALTSVERZEICHNIS 4.3.1 Eigenschaften synchroner CSCW Anwendungen..... 61 4.3.2 Gliederung synchroner CSCW-Systeme.......... 62 4.4 Gestaltung des gemeinsamen Kontexts............... 65 4.4.1 Einführung......................... 65 4.4.2 Konzept WYSIWIS ("what you see is what I see").... 65 4.4.3 Konzept Telepointer.................... 68 4.4.4 Ebenen der Verknüpfung bzgl. des gemeinsamen Kontexts 68 4.5 Architekturen von CSCW-Systemen................ 69 4.5.1 Kriterien bei der Architekturwahl............. 69 4.5.2 Zentrale Architekturen................... 70 4.5.3 Replizierte Architekturen.................. 73 4.5.4 Generische Kooperationsarchitektur............ 76 4.6 Kontrolle der Nebenläufigkeit................... 78 4.6.1 Motivation......................... 78 4.6.2 Aspekte der Nebenläufigkeit................ 79 4.6.3 Optimistischer Ansatz................... 81 4.6.4 Sperrverfahren....................... 83 4.6.5 Zentrale Kontrolle..................... 84 4.6.6 Verfahren mit wechselnder Kontrolle (Floor-Passing)... 85 4.7 Transformation von Operationen.................. 86 4.7.1 Problemstellung...................... 86 4.7.2 Teilnehmersysteme..................... 87 4.7.3 Interaktionsmodell des Transformations-Verfahrens.... 89 4.7.4 Allgemeiner Ablauf.................... 91 4.7.5 Transformations-Matrix.................. 92 4.7.6 Datenstrukturen....................... 96 4.7.7 Grove-Algorithmus..................... 99 4.8 Unterstützung von Group Awareness................ 101 4.8.1 Eigenschaften von Group Awareness............ 101 4.8.2 Arten von Awareness.................... 102 4.8.3 Awareness Modelle..................... 103 4.8.4 Beispiele für den Einsatz von Awareness......... 104 iii

INHALTSVERZEICHNIS 4.8.5 Orthogonale Klassifizierung................ 105 4.8.6 Basiskonzept für einen Awareness-Modul......... 106 4.9 Community-Support-Systeme................... 110 4.9.1 Arten von Communities.................. 110 4.9.2 Abgrenzung Team - Communities............. 111 4.9.3 Phasen der Interaktion................... 112 4.9.4 Funktionalität von Communityware............ 113 4.9.5 Typen von Communityware................ 114 4.9.6 Social Software....................... 115 5 Systemklasse - Gemeinsame Informationsräume 122 5.1 Fragestellungen........................... 122 5.2 Modi für Kooperation auf gemeinsamer Information........ 123 5.3 IBIS-Methodik........................... 124 5.3.1 Allgemeines........................ 124 5.3.2 Knoten und Verbindungen in IBIS............. 125 5.3.3 Entwicklung eines Argument-Netzwerkes......... 126 5.3.4 Eigenschaften der IBIS-Methodik............. 127 5.4 Zugriffskontrolle für gemeinsame Informationsräume....... 128 5.4.1 Rollenbasierte Zugriffskontrolle.............. 128 5.4.2 Gruppenbasierte Zugriffskontrolle............. 132 5.5 BSCW - Basic Support for Cooperative Work........... 136 5.5.1 Allgemeines........................ 136 5.5.2 Grundkomponenten..................... 137 5.5.3 Architektur......................... 138 5.6 Wissensmanagement in Organisationen.............. 142 5.6.1 Daten-Information-Wissen................. 142 5.6.2 Hintergründe........................ 144 5.6.3 Definition Wissensmanagement.............. 144 5.6.4 Wissenslebenszyklus.................... 145 5.6.5 Beispiel: Accenture..................... 146 5.6.6 CSCW-System phpwiki - WikiWeb............ 147 5.6.7 CSCW-System PHProjekt................. 148 iv

INHALTSVERZEICHNIS 6 Systemklasse - Kommunikation 149 6.1 Fragestellungen........................... 149 6.2 Kommunikation in der Gruppe................... 150 6.2.1 Kriterien zur Kategorisierung............... 150 6.2.2 Grundlegende Kommunikationsarten........... 151 6.3 Austausch semi-strukturierter Information............. 152 6.4 Kollaboratives Filtern........................ 153 6.4.1 Motivation......................... 153 6.4.2 Filtermechanismen..................... 154 6.5 Videokonferenzen.......................... 157 6.5.1 Hintergrund......................... 157 6.5.2 Aspekte von Videokonferenzen.............. 158 6.5.3 Konferenzmanagement................... 161 6.5.4 Mögliche Nutzungsszenarien................ 162 7 Systemklasse - Workflow Management Systeme 164 7.1 Fragestellungen........................... 164 7.2 Einführung............................. 165 7.2.1 Begriffsklärung....................... 165 7.2.2 Ziele von Workflow Management............. 167 7.2.3 Kriterien.......................... 168 7.2.4 Phasen des Workflow Management............ 170 7.2.5 Taxonomie von Workflow Management-Systemen.... 171 7.3 Koordinationsmodelle........................ 174 7.3.1 Koordinationstheorie (nach Malone)............ 174 7.3.2 Taxonomie von Koordinationsprozessen.......... 176 7.3.3 Kunden-Lieferanten-Modell................ 178 7.4 Workflow Modellierung....................... 181 7.4.1 Workflow Modell...................... 181 7.4.2 Aspekt-Orientiertes Workflow-Modell........... 182 7.5 Workflow Ausführung....................... 187 7.5.1 Workflow Management Architektur............ 187 7.5.2 Workflow-Lebenszyklus.................. 190 v

INHALTSVERZEICHNIS 7.6 Workflow Management Coalition.................. 193 7.6.1 Struktur von WfMC.................... 194 7.6.2 WfMC-Referenzmodell.................. 194 7.7 Internet-basiertes Workflow Management............. 196 7.7.1 Allgemeines........................ 197 7.7.2 WF-XML.......................... 197 7.8 Konversationsmodell........................ 199 7.8.1 Menschliche Kommunikation............... 199 7.8.2 Definition Sprech-Akt................... 200 7.8.3 Aufbau eines Sprechakts.................. 201 7.8.4 Konversationsnetzwerke.................. 202 7.8.5 Konversationssysteme................... 204 7.8.6 Coordinator......................... 206 7.8.7 Multiagentensysteme.................... 207 8 Systemklasse - Workgroup Computing 208 8.1 Fragestellungen........................... 208 8.2 Kooperative Dokumentenerstellung................ 209 8.2.1 Definition.......................... 209 8.2.2 Prozessmodell von Flower und Hayes........... 210 8.2.3 Dokumentenerstellung im Team.............. 211 8.3 Verteilte Gruppenditoren...................... 213 8.3.1 Aufbau eines Gruppeneditors............... 213 8.3.2 Sitzungskontrolle...................... 217 8.3.3 Grove (Group Outline Viewing Editor).......... 218 8.3.4 Weitere Gruppeneditoren.................. 219 8.4 Elektronische Unterstützung von Sitzungen............ 219 8.4.1 Motivation......................... 219 8.4.2 Allgemeine Eigenschaften von EMS............ 220 8.4.3 Design-Alternativen für Konferenzzimmer........ 223 9 Entwurf von CSCW - Systemen 226 9.1 Fragestellungen........................... 227 vi

INHALTSVERZEICHNIS 9.2 Akzeptanz von CSCW-Systemen.................. 227 9.2.1 Akzeptanzkriterien..................... 227 9.2.2 Kriterien für virtuelle Teams................ 228 9.2.3 Prinzip der Nahtlosigkeit.................. 229 9.3 Misserfolg von CSCW-Systemen.................. 229 9.3.1 Faktoren für den Misserfolg................ 229 9.3.2 Erfolg des Elektronischen Postsystems.......... 231 9.4 Nutzen und Risken von CSCW................... 231 9.5 Gruppeneinflüsse auf CSCW.................... 232 9.6 Rahmenbedingungen des Groupware-Einsatzes.......... 233 9.7 Entwicklungsmethodik für CSCW-Systeme............ 234 9.7.1 Hintergrund......................... 234 9.7.2 Validierungsprozess von CSCW-Konzepten........ 234 9.7.3 Methoden zum Studium von Gruppen........... 235 9.7.4 Designstrategien in der Praxis............... 238 10 Zusammenfassung 240 vii

INHALTSVERZEICHNIS Prof. J. Schlichter Lehrstuhl für Angewandte Informatik / Kooperative Systeme, Fakultät für Informatik, TU München Boltzmannstr. 3, 85748 Garching Email: schlichter@in.tum.de (URL: mailto:schlichter@in.tum.de) Tel.: 089-289 18654 URL: http://www11.in.tum.de/ 1

Kapitel 1 Einführung 1.1 Ziel der Vorlesung Ziel der Lehrveranstaltung ist die Vorstellung eines Anwendungstyps für den Bereich verteilte, kooperative Anwendungen. Im speziellen werden verschiedene Aspekte der Rechnerunterstützung für Gruppen von Personen diskutiert, die gemeinsam an einem Problem arbeiten, aber möglicherweise räumlich verteilt sind und nicht zeitgleich daran arbeiten. Das Anwendungsgebiet der Telekooperation, das in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen hat, basiert auf den Techniken und Methoden der Computergestützten Gruppenarbeit basiert. Computergestützte Gruppenarbeit (im Englischen wird hier von CSCW = Computer Supported Cooperative Work oder auch groupware gesprochen) ist eine gebietsübergreifende Anwendung. Sie kann u.a. als eine Synergie zwischen den Gebieten verteilte Systeme, Kommunikationstechnologie, Multimedia, Informationswissenschaften, Soziologie und Organisationstheorie gesehen werden. In der Lehrveranstaltung werden die verschiedenen Arten von Kooperation innerhalb einer Gruppe und die dazu notwendigen Unterstützungsmechanismen betrachtet. Es werden zuerst die allgemeinen Konzepte behandelt. Anschließend werden spezielle Aspekte von Gruppenarbeit und deren Unterstützung durch Informatik-Methoden und Technologien vorgestellt. Dabei wird zwischen synchroner und asynchroner Kooperation unterschieden. Die verschiedenen CSCW-Systeme werden anhand ihrer Unterstützung von Kommunikation, Koordination und Kooperation in unterschiedliche Systemklassen eingeteilt: gemeinsame Informationsräume, Kommunikationssysteme, Koordinierungssysteme (Workflow Management-Systeme), und Workgroup Computing. 2

1.2. ÜBERSICHT Jede dieser Systemklassen wird ausführlich behandelt. Im Rahmen dieser Lehrveranstaltung werden einige CSCW-Systeme kurz und übersichtsartig vorgestellt. Zum Abschluss werden Bewertungskriterien, Erfahrungen mit bereits realisierten CSCW-Systemen sowie Vorgehensweisen beim Entwurf von CSCW- Systemen behandelt. 1.2 Übersicht 1.2.1 Themen der Veranstaltung In der Lehrveranstaltung werden die folgenden konkreten Themen behandelt: Was ist Computergestützte Gruppenarbeit (CSCW) Motivation für das Anwendungsgebiet, Klärung der Begriffswelt. Dieser Abschnitt behandelt die Hintergründe und die Entwicklung dieses Anwendungsgebietes. Es erfolgt eine Klärung der Begriffswelt und es werden mögliche Lösungsansätze aufgezeigt. Eine Kurzbeschreibung des Themenfeldes ist auch in Wikipedia (URL: http://de.wikipedia.org/wiki/computer_supported_cooperative_work) verfügbar. 3

1.2. ÜBERSICHT Klassifizierung von CSCW-Systemen (Groupware) nach der Raum / Zeit-Dimension sowie eine Unterscheidung nach dem Grad der Unterstützungsfunktion. Dieser Abschnitt diskutiert mögliche Klassifizierungsmodelle von CSCW- Systemen, darunter die Unterteilung nach der Raum / Zeit-Dimension sowie die Unterscheidung nach der Art der Unterstützungsfunktion: Kooperation, Koordination und Kommunikation. Allgemeine, grundlegende Konzepte in CSCW Gruppenprozess, die Gestaltung der gemeinsamen Arbeitsumgebung, Modelle zur Nebenläufigkeitskontrolle zur Steuerung konkurrierender Zugriffe der beteiligten Nutzer, Group Awareness. Dieser Abschnitt präsentiert verschiedene grundlegende CSCW-Konzepte, z.b. Gruppenprozess, die Gestaltung der gemeinsamen Arbeitsumgebung sowie Modelle zur Nebenläufigkeitskontrolle. Letzteres ist insbesondere für die synchrone Kooperation von Bedeutung, wenn mehrere Gruppenmitglieder gleichzeitig auf dasselbe Dokument zugreifen und möglicherweise verändern. Die Nebenläufigkeitskontrolle gewährleistet, dass trotz konkurrierender Zugriffe die gemeinsamen Informationen konsistent gehalten werden. Das Konzept Gruppenprozess stellt ein allgemeines Hilfsmittel für die Modellierung der Gruppenarbeit zur Verfügung. Weiterhin werden Aspekte zur Aktualisierung der Bildschirminhalte (WYSIWIS = "what you see is what I see") und die Verwaltung der gemeinsamen Arbeitsumgebung diskutiert. Group Awareness beschäftigt sich damit, inwieweit die Gruppenmitglieder gewahr sind, was andere Gruppenmitglieder momentan machen bzw. in der Vergangenheit gemacht haben. Systemklasse - Kommunikation unterstützt die explizite Interaktion zwischen den Gruppenmitgliedern; Austausch von semi-strukturierter Information, Konferenzsysteme, z.b. Videokonferenzen. In diesem Abschnitt beschäftigen wir uns mit asynchronen und synchronen Kommunikationssystemen. Im ersten Fall verrichten die Benutzer zwar eine gemeinsame Arbeit, sie sind aber nicht unbedingt gleichzeitig tätig. Echtzeitanforderungen existieren nicht; Beispiele dafür sind Email und Bulletin-Boards. Synchrone Kommunikationssysteme (hier sind die Gruppenteilnehmer zeitgleich aktiv) werden anhand von Videokonferenzen diskutiert. Systemklasse - Gemeinsame Informationsräume 4

1.2. ÜBERSICHT unterstützt die implizite Interaktion zwischen den Gruppenmitgliedern mittels gemeinsamer Information. Wichtige Punkte in diesem Abschnitt sind Strategien zur Bereitstellung/Propagierung von Information innerhalb einer Gruppe und die IBIS Methodik. Systemklasse - Workflow-Management-Systeme unterstützt vor allem die Koordination der Aktivitäten der Gruppenmitglieder; Behandlung von Konversationssystemen als Grundlage für diese Systemklasse. In diesem Abschnitt beschäftigen wir uns mit Workflow-Management- Systemen, die die Ausführung von Gruppenaktivitäten überwachen und steuern, und zwar unter Einhaltung kausaler und temporaler Abhängigkeiten sowie unter Einbeziehung des Ausführungskontexts. Außerdem besprechen wir das Konversationsmodell, das sich aus den Sprechakten der Linguistik ableitet. Systemklasse - Workgroup Computing behandelt Aspekte, die bei der Realzeit-Kooperation zwischen Gruppenmitgliedern auftreten; Beispiele sind Gruppeneditoren und die elektronische Unterstützung von Sitzungen ("meetings"). In diesem Kapitel beschäftigen wir uns mit Kooperationssystemen, bei denen vor allem die Kooperationsunterstützung von Gruppen im Vordergrund steht. Dazu zählen auch Situationen, bei denen die Benutzer eine gemeinsame Arbeit zeitgleich verrichten. Echtzeitanforderungen spielen deshalb eine wichtige Rolle. Man spricht hierbei von synchroner Kooperation zwischen den Gruppenmitgliedern. Dabei ist bei räumlich verteilten Personen besonders der Kommunikationsaspekt von Bedeutung (d.h. Verzögerungen bedingt durch die Übertragung über das Netz müssen berücksichtigt werden). Als Beispielanwendung besprechen wir verteilte Dokumentbearbeitungssysteme (Gruppeneditoren) sowie die Unterstützung von lokalen Konferenzen. Entwurf von CSCW-Systemen behandelt Aspekte für die Akzeptanz von CSCW-Systemen innerhalb von Organisationen sowie Vorgehensweisen zur Realisierung von CSCW- Systemen. In diesem Abschnitt stellen wir uns die Frage, welche Kriterien Einfluss auf den Entwurf von CSCW-Systemen haben, und wie sich die elektronische Unterstützung auf die Gruppenarbeit auswirkt. Eine Reihe dieser Ergebnisse basiert auf Studien und Experimenten mit existierenden CSCW-Systemen in realen universitären oder kommerziellen Umgebungen. 5

1.3. LITERATURÜBERSICHT 1.3 Literaturübersicht Nachfolgende Literatur wird entweder begleitend zur Lehrveranstaltung verwendet oder sie kann als Vertiefung zum Themenbereich dienen. Begleitendes Buch Borghoff U., Schlichter J., "Computer-Supported Cooperative Work - Introduction to Distributed Applications", Heidelberg: Springer-Verlag, 2000 Gross T., Koch M., "Computer-Supported Cooperative Work ", München: OldenbourgVerlag, 2007 siehe verfügbares Online Material (URL: http://www.cscwbook.org/), z. B. Fallstudien Bücher Andriessen, J. H. Erik, "Working with Groupware - Understanding and Evaluating Collaboration Technology", Springer-Verlag, 2003. Jablonski, S., Workflow-Management-Systeme: Modellierung und Architektur. Bonn, Thomson Publishing, 1995. Jablonski, S., M. Böhm, et al., Eds. (1997). Workflow Management - Entwicklung von Anwendungen und Systemen. Heidelberg, dpunkt.verlag. Reichwald, R., Möslein, K., Sachenbacher, H., Englberger, H., Oldenburg, S., "Telekooperation - Verteilte Arbeits- und Organisationsformen", Springer- Verlag, 1998 Schwabe, G., Streitz, N., Unland, R. (Eds.), "CSCW-Kompendium", Springer-Verlag, 2001 Teufel S., Sauter Ch., Mühlherr Th., Bauknecht K., "Computerunterstützung für die Gruppenarbeit", Addison-Wesley, 1995. Winograd T., Flores F., "Understanding Computers and Cognition", Ablex Publishing, 1986. Konferenzbände ACM, "Proc. of the Conf. on CSCW", ACM, Zeitraum 1988-2010 "Proc. of the Conf. on ECSCW (URL: http://www.ecscw.org/)", Springer, Zeitraum 1991-2009 "Proc. of the Conf. on Communities and Technologies", 2003-2009 6

1.4. GLOSSAR Web-Seite Gesellschaft für Informatik Fachgruppe CSCW (URL: http://wwwfgcscw.in.tum.de/index.html) Groupware: glossary (URL: http://www.usabilityfirst.com/groupware/) (usability first) Workflow Management Coalition (URL: http://www.wfmc.org/) Wikipedia - Computer Supported Cooperative Work (URL: http://de.wikipedia.org/wiki/computer_supported_cooperative_work) 1.4 Glossar Dieses Glossar umfasst einige wichtige Begriffe aus dem Gebiet CSCW und anderen eng verwandten Gebieten. 3K- Modell Agent Kategorisierung von CSCW- Systemen entsprechend ihrer Kommunikations-, ihrer Koordinations-, und ihrer Kooperationsunterstützung. ein Software-Programm, das autonom agieren, auf Ereignisse reagieren und mit seiner Außenwelt (andere Agenten oder den Benutzern) kommunizieren kann. asynchrone Gruppenarbeit die Gruppenmitglieder kooperieren nicht zeitgleich; die Mitglieder kommunizieren nicht in Realzeit, z.b. Email. Awareness Blog Gewahrsein über den Zustand von gemeinsamen Ressourcen und über die Aktivitäten von Personen, mit denen man im Team zusammenarbeitet. siehe Weblog. Client-Server asymmetrische kooperative Verarbeitung durch Softwaresysteme; ein Client ruft einen Server auf (Anforderung), ein Server erbringt den Dienst und liefert die Antwort zurück (Antwort). 7

1.4. GLOSSAR CSCW Computer Supported Cooperative Work; bezeichnet das Forschungsgebiet zur Untersuchung der theoretischen Grundlagen bzw. der Methodologien für Gruppenarbeit und deren Computerunterstützung. CSCW-Systeme bezeichnet Systeme, die Gruppenarbeit unterstützen; deren Realisierung integriert die theoretischen Grundlagen spezifiziert im Rahmen von CSCW; computer-basierte Systeme, die eine Gruppe von Menschen bei ihrer gemeinsamen Aufgabe (Ziel) unterstützen, und die eine Schnittstelle zu einer gemeinsamen Umgebung bereitstellen. Community informelle Gruppierung von Personen, die gemeinsame Interessen, ähnlich gelagerte Ziele oder Arbeitsabläufe haben. Die Community ist dabei nicht an Organisations- oder Unternehmensgrenzen gebunden. Wesentliches Ziel einer Community ist die gegenseitige Unterstützung (meist durch den Austausch von Wissen). Communities (of Practice) stellen informelle Netzwerke dar, die Mitglieder nutzen, um ihre Aufgaben zu erledigen und um ihre Interessen zu befriedigen. Elektronische Sitzungsräume Email Sitzungsräume für face-to-face Sitzungen, die speziell mit Computern ausgestattet sind. Sie bieten oft eine spezielle Unterstützung für Ideen- und Entscheidungsfindung. Verfassen und Versenden elektronischer Briefe an einen oder mehrere Empfänger sowie Zustellung an deren elektronische Briefkästen. Floor control Regelung des Eingaberechts in Konferenzsystemen, d.h. wer darf z.b. momentan Veränderungen in einem Gruppendokument vornehmen oder auf dem gemeinsamen Whiteboard zeichnen. Floor control wird gerne im Zusammenhang von synchronen CSCW-Systemen eingesetzt. Folksonomie Anreicherung von Inhalten im Internet mit Metainformation durch Zuordnung beliebiger Schlüsselwörter (Tags) durch viele unterschiedliche Nutzer; es besteht kein fest vorgegebenes Vokabular. 8

1.4. GLOSSAR Groupware siehe CSCW-Systeme. Gruppeneditor ermöglichen das gemeinsame Editieren auf einem gemeinsamen Dokument durch mehrere Personen. Gruppenprozess spezifiziert die Informationen, die Aktivitäten und die Eigenschaften der elektronisch unterstützten Gruppe und den Rahmen, in dem die Gruppenarbeit stattfindet. Kommunikation Austausch von Information zwischen Kommunikationspartnern. Kommunikationsysteme ermöglichen den expliziten Informationsaustausch zwischen den Gruppenmitgliedern; sie überbrücken vor allem Raum- und Zeitdifferenzen. Konferenzsysteme erlauben den asynchronen und synchronen Austausch von Informationen zwischen den Gruppenmitgliedern. Koordination LAN Abstimmung von wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen Aktivitäten. Local Area Network (lokales Netz). Nebenläufigkeitskontrolle Regelung und Koordinierung konkurrierender Zugriffe mehrerer Personen oder Anwendungen auf gemeinsame Daten, um deren Konsistenz zu wahren. Ontologie Daten- und Regelmodell, das eine Domäne repräsentiert. Operationstransformation ein Mechanismus zur Nebenläufigkeitskontrolle für verteilte, replizierte Informationen. 9

1.4. GLOSSAR Social Software Software, die die soziale Interaktion zwischen Personen unterstützt und daraus Mehrwert für die Beteiligten generiert; es bezieht die Bereiche Informations-, Identitäts- und Beziehungsmanagement ein. Soziotechnisches System Ansatz, bei dem davon ausgegangen wird, dass soziale und technische Systeme gemeinsam und gegenseitig zu optimieren sind, um ein effektives und effizientes Gesamtergebnis zu erzielen. synchrone Gruppenarbeit die Gruppenmitglieder kooperieren zeitgleich; die Mitglieder kommunizieren in Realzeit, z.b. Chat-System. Telekooperation die mediengestützte arbeitsteilige Leistungserstellung zwischen individuellen Aufgabenträgern, Organisationseinheiten und Organisationen, die über mehrere Standorte verteilt sind. Telepointer WAN Weblog Wiki in Konferenzsystemen ausgezeichneter Cursor, der nur zum Verweisen auf Informationen in öffentlichen Fenstern verwendet wird. Wide Area Network (Fernnetz). Kreuzung der Wörter World Wide Web und Log; ist ein auf einer Webseite geführtes und damit öffentlich einsehbares Tagebuch System zum schnellen und einfachen gemeinsamen Aufbau von Web- Seiten durch Ermöglichung des einfachen Editierens der Seiten durch alle Benutzer. Workflow Arbeitsfluss zwischen Teilnehmern gemäß einer vordefinierten Prozedur zur Erfüllung einer Anzahl von Aufgaben. Workflow Management System handhabt die Definition, Verwaltung und Ausführung von Workflows. 10

1.4. GLOSSAR WYSIWIS "what you see is what I see"; regelt die Präsentation des Bildschirminhalts bei synchroner Gruppenarbeit. 11

Kapitel 2 Was ist Computergestützte Gruppenarbeit ("CSCW") Der breite Einsatz von Arbeitsplatzrechnern zusammen mit deren Vernetzung führt seit geraumer Zeit zu Bestrebungen, diese Ressourcen nicht nur zur verteilten Datenverarbeitung zu verwenden, sondern auch kollaboratives Arbeiten zu ermöglichen. In diesem Zusammenhang entstanden Begriffe wie "Computer Supported Cooperative Work", kurz CSCW, oder auch "Groupware". In diesem Abschnitt legen wir Wert auf eine präzise, formale Fundierung und begriffliche Klarheit. Während CSCW das universelle Arbeitsgebiet und die dazugehörigen Forschungsfelder bezeichnet, versteht man unter dem Begriff Groupware (CSCW- System) die entsprechenden Systemlösungen. 2.1 Fragestellungen In diesem Abschnitt werden die folgenden Fragestellungen ausführlich behandelt: Warum hat Computergestützte Gruppenarbeit (CSCW) bzw. Groupware seit einigen Jahren so an Bedeutung gewonnen, und zwar nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch in der Industrie und Verwaltung? Welche Technologien spielen in diesem Bereich eine besondere Rolle? Was sind beispielhafte Anwendungsbereiche, in denen CSCW zur Verbesserung der Gruppenarbeit eingesetzt werden kann? Was sind die wesentlichen Begriffe des Themenbereiches? 12

2.2. TRENDS UND HINTERGRÜNDE 2.2 Trends und Hintergründe Nachfolgend werden einige Gründe für die zunehmende Bedeutung von CSCW behandelt, und zwar aus 2 Perspektiven, nämlich Gründe, die durch Probleme in den Organisationen selbst verursacht werden, und Gründe, die durch die rasante Entwicklung der Technologie bedingt sind. 2.2.1 Organisationsprobleme Nachfolgend werden einige Hauptprobleme aufgelistet, die CSCW adressiert. Probleme in Organisationen starre, hierarchische Organisationsformen: Inflexible, starre Organisationen können oft nur sehr langsam auf Innovationen und neue Marktentwicklungen reagieren. eingeschränkte Kommunikationsmöglichkeiten sowohl innerhalb einer Organisation, als auch zwischen Organisationen: Oft existiert eine streng hierarchische Organisationsstruktur mit sehr abgegrenzten Kompetenzbereichen, die eine zu starke Betonung auf vertikale Kommunikation zu Lasten horizontaler Kommunikation bewirkt. Da bei einer solchen Struktur der Großteil der Kommunikation über den Vorgesetzten läuft, entstehen einerseits oft Zeitverluste bei der Kommunikation, weil jeder auf ihn warten muss, andererseits auch Informationsverluste, die durch möglicherweise unbeabsichtigtes Filtern der weiterzugebenden Information entstehen. Ineffizienz innerbetrieblicher Kooperation: Darunter sind Arbeitsverluste zu verstehen, die durch Koordinationsprobleme, Mangel an Erinnerung, Informationsüberlastung, unvollständige Informationsauswertung/Aufgabenanalyse sowie durch die Dominanz von einzelnen Personen verursacht werden. unzulängliche Informationstechnologie: Die Information ist zwar oft vorhanden, aber für den Benutzer nicht zugreifbar, d.h. es gibt Probleme bei der Lokalisierung der gewünschten Information. Die Verwaltung der Information wird meist auf den Benutzer übertragen, so dass bei ungünstiger Ablage kein Zugriff mehr möglich ist. Suchverfahren, wie z.b. Google Desktop Search, können hier Abhilfe schaffen. Aus diesen Problemen ergeben sich die folgenden Konsequenzen: Die Streichung überflüssiger Hierarchieebenen, der Einsatz schlagkräftiger Gruppen für 13

2.2. TRENDS UND HINTERGRÜNDE einzelne, zeitlich begrenzte Projekte, die dynamische Zuordnung räumlich verteilter Gruppenmitglieder zu den Gruppen und zwar je nach fachlicher Kompetenz. Wichtig sind dabei die Einsetzung von temporären Teams sowie deren Unterstützung durch den Computer. die Flexibilisierung von Organisationen. 2.2.2 Motivation zum Einsatz von CSCW Für den Einsatz von CSCW in Organisationen sprechen sowohl wirtschaftliche als auch technologische Gründe. Wirtschaftliche Gründe Anpassung der hierarchischen Organisationsstrukturen an die technologischen Veränderungen. Integration von horizontalen Querbeziehungen in die hierarchische Organisationsstruktur. Direkte Querbeziehungen zwischen Mitarbeitern paralleler Abteilungen innerhalb einer Firma erlauben schnelleren Informationsfluss und führen zu weniger Informationsverlust. Die Abteilungsleiter sind nicht mehr die einzigen Kommunikationskanäle zwischen den verschiedenen Abteilungen. Einsetzen eines temporären Teams zur zielorientierten Lösung eines Problems; Auflösung des Teams nach Bearbeitung des Problems. Das Ergebnis der Problemlösung kann positiv, aber auch negativ sein. Da sowohl Erfolg als auch Misserfolg immer von der Gruppe als Ganzes verantwortet wird, hat jedes Mitglied der Gruppe ein persönliches Interesse an höchster Effizienz. Ziel des Einsatzes von CSCW: kürzere Entwicklungszeiten von Produkten. schnellerer Informationstransfer. bessere Ausnutzung der Know-How Träger innerhalb des Unternehmens. geringerer Verwaltungsaufwand. 14

2.3. KOMPLEMENTÄRTECHNOLOGIEN Technologische Gründe verbesserte Kommunikation zwischen geographisch verteilten Personen, d.h., wachsende Bedeutung der Bereiche Telekooperation, und Telecommuting. Die Kommunikation insbesondere zwischen entfernten Personen wird unterstützt durch Medien wie Telefon, Fax, Rechnernetze, insbesondere des Internet, und Audio-/Video. Telearbeiten wird in den USA oft Telecommuting genannt. die verschiedenen Technologien sind oft nicht ausreichend integriert, sondern sie existieren separat. Die integrative Nutzung erfolgt durch den Nutzer selbst. CSCW kann hierzu Abhilfe schaffen. Einsatz von CSCW führt zu flexiblen Organisationen Der Einsatz von CSCW und Groupware in Verbindung mit einer Neustrukturierung der Organisation führt zu mehr Flexibilität. Damit wird folgendes erreicht: schneller Informationsfluss und schnelle Entscheidungen. Dies ist bedingt durch kurze Informations- und Entscheidungswege ohne Umwege über überforderte/überlastete Hierarchieebenen. eindeutige Kompetenzen. Durch die neuen Kommunikations- und Kooperationsmöglichkeiten ergeben sich mehr Synergieeffekte hinsichtlich der unterschiedlichen Kompetenzen der Gruppenmitglieder. Auf neue Marktentwicklungen kann so schneller, flexibler und effizienter reagiert werden. höhere Motivation einzelner Mitarbeiter durch mehr Eigenverantwortung, d.h., CSCW und groupware führt insgesamt zu einer Kosteneinsparung und zu einer besseren Nutzung der Ressourcen eines Unternehmens (z.b. von Mitarbeiter). 2.3 Komplementärtechnologien Das Interesse an CSCW entstand Mitte der 80er Jahre. Als Vorläufer können nichtcomputerbasierte Organisationsmittel für Gruppenarbeit (z.b. Flipcharts, Whiteboards, Telefon, Anrufbeantworter), aber auch Bürokommunikation und persönliche Informationsmanager (z.b. Kalendersysteme) betrachtet werden. In der Ära der Bürokommunikationssysteme herrschten proprietäre Software- und Hardware-Systeme vor, denen Integrations- und Anpassungsfähigkeit fehlten. 15

2.3. KOMPLEMENTÄRTECHNOLOGIEN 2.3.1 CSCW Technologien CSCW ist im Kontext einer Reihe verschiedener Technologien zu sehen. Die folgende Abbildung zeigt eine Auswahl der wichtigsten Technologien, die die Entwicklung von CSCW und Groupware beeinflusst haben. 2.3.2 Wechselwirkung zwischen CSCW und anderen Bereichen Zwischen der computergestützten Gruppenarbeit und einer Reihe anderer Themenbereiche besteht eine enge Wechselwirkung und Beeinflussung: Verteilte Systeme Gruppenteilnehmer sind oft hinsichtlich Raum und Zeit verteilt, d.h., Dezentralisierung von Daten, Kontrolle und Bearbeitung (der Problemlösung); Die Konsistenz des globalen Systemzustandes kann durch geeignetes Beobachten und Manipulieren der lokalen Systemparameter erreicht werden. 16

2.3. KOMPLEMENTÄRTECHNOLOGIEN Informationsmanagement Nutzung des Hypertext-Konzepts zur Strukturierung und Verteilung von Information. Multimedia Nutzung der unterschiedlichen Medien zur Darstellung von Information, aber auch zur verbesserten Interaktion zwischen den Gruppenteilnehmern. Ein Beispiel für den Einsatz von Multimedia im Kontext von CSCW sind Videokonferenzen, die eine face-to-face ähnliche Interaktion auch zwischen räumlich getrennten Gruppenmitgliedern ermöglichen. Kommunikation Austausch von Information zwischen entfernten Gruppenteilnehmern. geeignete Kommunikationsprotokolle, effiziente Ausnutzung der Bandbreite, erlaubte Informationsträgertypen. Ziel: die Kommunikation zwischen entfernten Personen ist so effizient zu gestalten wie zwischen Personen in einem gemeinsamen Raum. Mensch-Maschine Interaktion Ausdehnung von Benutzerschnittstellen auf Schnittstellen für Gruppen; dies erfordert Mehrbenutzer-Fähigkeit, da mehrere Personen simultan an den gemeinsamen Informationen arbeiten; in CSCW führt dies auch zur Mensch-Maschine-Mensch Interaktion. zunehmend werden auch mobile Endgeräte, z.b. PDA oder Smartphone, als Benutzerschnittstelle zum CSCW-System berücksichtigt. Künstliche Intelligenz Automatisierung von Gruppenaktivitäten durch Computerprogramme, z.b. durch sogenannte Agenten. heuristischer oder lernender Ansatz, um das unterschiedliche Verhalten von verschiedenen Gruppen bzw. Gruppenmitgliedern zu integrieren. semantische Interpretation der Informationen, z.b. für automatische Terminvereinbarung. Soziologie Gruppenarbeit involviert Menschen, d.h., CSCW erfordert die Untersuchung, wie sich Menschen innerhalb einer Gruppe verhalten; Berücksichtigung der Rollenverteilung in der Gruppe. Auswirkungen von CSCW auf das Verhalten der Einzelnen. 17

2.4. CSCW TEAMS IN DER PRAXIS - SZENARIEN Organisationstheorie Gruppenarbeit findet meist im Kontext einer oder mehrerer Organisationen statt, d.h., es existiert eine Wechselwirkung zwischen Organisation und CSCW. Bei der Einführung eines CSCW-Systems müssen deshalb die Organisationsstrukturen berücksichtigt werden. 2.4 CSCW Teams in der Praxis - Szenarien Es werden eine Reihe verschiedenartiger CSCW Teams vorgestellt, und zwar anhand von Szenarien und deren Computerunterstützung. Der Bereich erstreckt sich dabei von passiver Unterstützung, z.b. Laptops zur Unterstützung von Sitzungen, bis hin zur aktiven Unterstützung (Beispiel: der Computer ist aktiver Gegner / Partner in einem Spiel; er ersetzt die Funktionalität eines Menschen bzw. Moderators). 2.4.1 Unterstützung von face-to-face Sitzungen Face-to-face Sitzungen sind Diskussionsrunden, bei denen die Teilnehmer zur selben Zeit an einem Tisch sitzen, d.h. Teilnehmer befinden sich räumlich und zeitlich am selben Ort. Notizunterstützung In vielen Sitzungen gibt es 2 ausgezeichnete Rollen, die von einer oder auch von zwei verschiedenen Personen übernommen werden: moderieren des Diskussionsfortgangs (Moderator ("facilitator")). notieren der Diskussionsinformation, z.b. auf Papier oder Tafel (Protokollführer). Mit Hilfe eines PC s oder Tablet-PC s kann der Protokollführer die Informationen der Diskussion elektronisch erfassen und an die Wand projizieren. Die Informationen sind sofort für alle Teilnehmer verfügbar. Am Ende der Sitzung sind die gesamten Diskussionsnotizen sofort für alle Gesprächsteilnehmer verfügbar (kein nachträgliches Aufschreiben, bzw. Eintippen der Information); das Vergessen von essentieller Information wird unterbunden. 18

2.4. CSCW TEAMS IN DER PRAXIS - SZENARIEN Direkte Computerunterstützung von Sitzungen Alle Gruppenmitglieder arbeiten während einer Sitzung direkt mit einem Rechner. Jeder Gesprächsteilnehmer erhält seinen eigenen PC/Laptop. Die Teilnehmer sind halbkreisförmig um einen gemeinsamen großen Bildschirm angeordnet. PC Monitore werden im gemeinsamen Konferenztisch versenkt, damit weiterhin Sichtkontakt zwischen den Teilnehmern besteht (Abbildung zeigt Ocean Lab (URL: http://www.ipsi.fraunhofer.de/concert/index_en.shtml?downloads/software/dolphin) der Fraunhofer IPSI, Darmstadt). Über andere Entwurfsmöglichkeiten hinsichtlich der Ausstattung eines Konferenzzimmers werden in der Vorlesung später noch weitere Ansätze vorgestellt werden. 19

2.4. CSCW TEAMS IN DER PRAXIS - SZENARIEN Die Information an der Projektionswand ist vom Bildschirm eines oder mehrerer PC s abgeleitet. Die Gesprächsteilnehmer arbeiten entweder privat an ihrem eigenen PC oder projizieren eine Teilmenge bzw. ihren ganzen Bildschirm auf die gemeinsame Projektionswand. Die Diskussion wird zum Teil mündlich, durch Gesten oder mittels der Daten geführt, die mit Hilfe der PC s erstellt werden. Der PC des Sitzungsleiters kann eine spezielle Funktionalität haben, d.h. er steuert, welche Daten auf der Projektionswand erscheinen, welcher Teilnehmer auf Daten zugreift bzw. sie verändert. 2.4.2 Unterstützung von Verteilten Elektronischen Sitzungen In dieser Kategorie ist der Computer ein integraler Teil der Sitzungsunterstützung ("Computer Conferencing"). Die Gruppenteilnehmer sind typischerweise räumlich verteilt. Gemeinsamer Bildschirm und Audio Verbindung Hier findet ein zeitgleiches Betrachten und Bearbeiten von gemeinsamer Information durch geographisch verteilte Gruppenteilnehmer statt. Die Interaktion der Gruppenteilnehmer wird durch Audio-Unterstützung verbessert. 20

2.4. CSCW TEAMS IN DER PRAXIS - SZENARIEN Jeder Gesprächsteilnehmer sitzt in seiner eigenen Umgebung (z.b. in seinem eigenen Büro). Er ist mit den anderen Sitzungsteilnehmern über eine Audioleitung (z.b. Konferenzschaltung über Telefon oder über VOIP - Voice over IP) und über eine Datenleitung (LAN oder WAN) verbunden. Jeder Teilnehmer hat einen PC auf seinem Schreibtisch. Jeder Bildschirm zeigt die identische Information. Veränderungen auf einem Bildschirm werden auf alle anderen Bildschirme propagiert, d.h. es gilt das Prinzip WYSIWIS ("what you see is what I see") (nicht zu verwechseln mit WYSIWYG "what you see is what you get"). Weiterhin gibt es eine Abschwächung von WYSIWIS: WYSIWIMS = "what you see is what I may see". Audio Daten "irc" (internet relay chat) ist ein Beispiel für eine textuelle Echtzeitkommunikation in Gruppen. Voraussetzung: eine existierende Datenleitung zwischen den PC s der Gruppenteilnehmer. Moderne Videokonferenzsysteme integrieren bereits Daten, Audio und Video in einen zu übertragenden Strom; damit wird die Synchronisation zwischen den drei Medien erleichtert. vernünftige Antwortzeiten. Diese sind abhängig von der Art der Verbindung; u.u. ist die Replikation von Information notwendig, d.h. Dokumente werden lokal kopiert, um die Zugriffszeiten zu verbessern. Asynchrone Computer-Konferenz Dieser Ansatz basiert auf einer Erweiterung des elektronischen Postsystems ("Email"). Während Email normalerweise Person-zu-Person orientiert ist, benötigt eine asynchrone Computer Konferenz ("computer conferencing") ein Email System für eine Gruppe von Personen. Die notwendige Technologie ist heute bereits verfügbar, z.b. Gruppen als Adressaten oder Verteilerlisten. 21

2.4. CSCW TEAMS IN DER PRAXIS - SZENARIEN verteiltes Computersystem store forward asynchron Agenten als Sitzungsteilnehmer Ein Computerprogramm fungiert als Teilnehmer einer Gruppendiskussion. Es kann spezielle Funktionen übernehmen, z.b. Festhalten von Diskussionsinformation, Liefern von Information auf Anfrage, Filtern von relevanter Information. Diese Rolle könnte von einem Agenten übernommen werden. Wir definieren hier Agent als ein Software-Programm, das autonom agieren, auf Ereignisse reagieren und mit seiner Außenwelt (mit anderen Agenten oder den Benutzern) kommunizieren kann. Die Sitzung kann als face-to-face Meeting, als Tele/Videokonferenz, oder als asynchrone Computerkonferenz stattfinden. 22

2.4. CSCW TEAMS IN DER PRAXIS - SZENARIEN Gefahr: Big Brother überwacht den Meetingsfortschritt ("Computer notiert die Aktivität der einzelnen Gruppenmitglieder in der Diskussion", d.h. "schläft ein Teilnehmer oder beteiligt er sich aktiv an der Diskussion? "). 2.4.3 Unterstützung der Gruppenarbeit zwischen den Sitzungen Kalender Management für Gruppen Das CSCW-System übernimmt die Verwaltung eines elektronischen Kalenders für die Gruppenmitglieder. Termine einzelner Mitglieder werden in den gemeinsamen Kalender eingetragen. Die Kalenderinformation erleichtert die Koordination bei der Festlegung von geeigneten Sitzungsterminen oder Planungen für die Projektfertigstellung (Berücksichtigung der Urlaubstage). gemeinsamer Kalender Mon Die Mit Don Fre Sam/Son 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 gemeinsame Schnittstelle Benutzer Alle Gruppenmitglieder müssen ihre Termine eintragen, sonst ist ein Planungssystem basierend auf Kalenderinformation wertlos. Durch die Verwendung von PDAs (Personal Digital Assistant) wird eine doppelte Kalenderführung (auf Papier und elektronisch) überflüssig. Gefahr: Rechner überwacht die Terminplanung der einzelnen Personen (Datenschutz). Heute findet sich Kalenderfunktionalität in den meisten Office Produkten. Jedoch wird die Koordination von Terminen meist nic ht automatisch abgewickelt. I.a. können keine Termine ohne Rückfrage in die Kalender anderer 23

2.4. CSCW TEAMS IN DER PRAXIS - SZENARIEN Nutzer eingetragen werden. Der Hauptnutzen der Kalender ist die Sichtbarkeit für alle - meist mit Funktionen zu Terminvorschlägen (Versand via E-mail und explizite Zustimmung durch die Empfänger). Doodle (URL: http://www.doodle.ch/) ist ein freies web-basiertes System, um Umfragen bei der Findung eines gemeinsamen Termins durchzuführen. Teilnehmer tragen ihre Verfügbarkeit über das Web ein; online kann verfolgt werden, für welchen Termin die Teilnehmer stimmen. Verfassen von Dokumenten durch eine Gruppe Ein Gruppe von räumlich verteilten Personen arbeitet gemeinsam am selben Dokument, z.b. Verfassen von Paragraphen, Überarbeiten von Informationen, Anfügen von Randbemerkungen. Ziele von group authoring sind die Verkürzung der Zeit, die für die Erstellung des Dokumentes notwendig ist, und die Verbesserung der Qualität des Dokuments. Nicht jedes Gruppenmitglied schreibt einen eigenen Abschnitt, sondern alle Mitglieder sind am gesamten Dokument beteiligt. Dadurch soll ein konsistentes Dokument erreicht werden (kein Stil - oder Informationsbruch). Problem: bei parallelem Arbeiten am gemeinsamen Dokument müssen Modifikationen eventuell synchronisiert und serialisiert werden, damit sich ein konsistentes Dokument ergibt. Wikipedia: gemeinsames Erstellen einer frei zugänglichen Enzyklopädie durch die Internetnutzer. Das Projekt Wikipedia (URL: http://de.wikipedia.org/wiki/wikipedia) verwendet die 24

2.4. CSCW TEAMS IN DER PRAXIS - SZENARIEN Wiki-Technik (URL: http://de.wikipedia.org/wiki/wiki) als Werkzeug für die Zusammenarbeit zwischen Autoren. Wikis sind Websites, die es jedem Internetnutzer erlauben, ohne weitere Anmeldung mitzuarbeiten. Jeder kann darin neue Artikel schreiben oder bestehende verbessern. Spontane Interaktion - Elektronischer Flur Dieses Szenario modelliert spontane, ungeplante Meetings, die im Büroflur oder beim Kaffeeautomaten stattfinden (Meetings dieser Art unter Nutzung der sozialen Flächen sind oft wichtige Informationsquellen). Der Elektronische Flur basiert auf unterschiedlichen Kommunikationsmedien, wie Daten, Audio und Video. Ein Beispiel ist der Xerox Video Link zwischen Portland, Oregon und Palo Alto, California. An beiden Orten wurde jeweils ein Raum eingerichtet, zwischen denen 24-Stunden lang eine Video/Audio/Datenleitung ständig verfügbar ist. Beide Räume sind vergleichbar mit einem Raum, in dem eine Kaffeemaschine steht, der die informelle Kommunikation fördert. Personen treten in den Raum ein und sehen, ob im 2. Raum am anderen Ort eine Person ist, mit der sie eine informelle Diskussion beginnen wollen. Daten Netz Daten Audio Audio Video Video Unterstützende Technik ist ähnlich zu Tele/Video/Computerkonferenz, jedoch das Hauptgewicht des elektronischen Flurs basiert auf spontaner, informeller Interaktion. Beispielsysteme sind Cruiser, Montage (Sun). 25

2.5. BEISPIELE FÜR CSCW-ANWENDUNGSGEBIETE 2.5 Beispiele für CSCW-Anwendungsgebiete Im folgenden werden kurz einige Beispiele für Anwendungsgebiete vorgestellt und deren Eigenschaften diskutiert. 2.5.1 Software Entwurf / Entwicklung Es bietet sich an, dieses Gebiet mit Hilfe von Groupware zu unterstützen, da Informationen bereits elektronisch erzeugt und verwaltet werden (z.b. Programmcode). Die Gruppenmitglieder arbeiten bereits mit Computer, d.h. es existiert keine technologische Angstschwelle. Das Hauptgewicht der Kooperation in diesem Anwendungsgebiet liegt auf dem Transfer von Informationen, z.b. Systemanforderungs-Dokumente, Quellcode, Testdaten etc. Die Kooperation erfolgt zum Teil asynchron und zum Teil synchron. CSCW und Software Engineering verfolgen unterschiedliche Strategien zur Organisation kooperativer Arbeit: Software Engineering: Formalismen und Methoden zur Strukturierung des Softwareprozesses. CSCW: Verbesserung des Informationsaustausches und der Kooperation in der Gruppe. Sowohl die Kooperation auf der Makroebene als auch die Kooperation auf der Mikroebene kann durch CSCW unterstützt werden: Makroebene: Zusammenarbeit verschiedener Fachabteilungen. Unterstützung der Zusammenarbeit zwischen der Fachabteilung, die die Analyse des existierenden Systems und die Anforderungen (Pflichtenheft) für das zukünftige System zusammenstellt, und der technischen Fachabteilung, die die technische Realisierung, d.h., Entwurf, Implementierung und Test, durchführt. Mikroebene: Zusammenarbeit innerhalb einer Gruppe. CVS dient zur Versionsverwaltung gemeinsam bearbeiteter Programmquellen. Ein Beispiel für die Kooperation auf der Mikroebene ist die Zusammenarbeit innerhalb einer Implementierungsgruppe, die einen Softwaremodul entwirft, implementiert und testet. Animation CVS 26

2.5. BEISPIELE FÜR CSCW-ANWENDUNGSGEBIETE Link zu Information Nachfolgend werden mögliche Phasen des Softwareprozesses und anwendbare CSCW Systeme kurz aufgelistet; es werden nicht alle Phasen eines Softwareprozesses vorgestellt. Phase CSCW-System Anforderungskatalog erstellen System zum Generieren von Ideen und Entscheidungen ("Group Decision Support System" GDSS) Grobentwurf erstellen (High-Level Design) System für synchrone, verteilte, elektronische Sitzungen (Computer Conferencing) Detailentwurf erstellen (Detailed Designface Elektronisch unterstützte face-to- Sitzung Implementierung Gruppeneditor ("multi-user editor"): mehrere Benutzer können zur gleichen Zeit denselben Sourcecode editieren Dokumentation Gruppeneditor für gemeinsames Schreiben ("joint authoring") Installation System für synchrone, verteilte, elektronische Sitzungen (Desktop Computer Conferencing) Computer Supported Cooperative Software Engineering Kombination von CASE ("Computer Aided Software Engineering") und CSCW CSCSE ("Computer Supported Cooperative Software Engineering"). Anforderungen: Entwickler sollen gemeinsame Sichten und Bearbeitungsmöglichkeiten auf Entwicklungsdokumente haben (Entwurfsdokumente, Quelltext, etc.). Unterstützung von synchroner und asynchroner Zusammenarbeit; notwendig ist dabei die Konsistenzhaltung der Software Module und Entwurfsdokumente. Kooperatives Testen; Fehlersuche in Gruppen ist effizienter als individuelles Testen. 27

2.5. BEISPIELE FÜR CSCW-ANWENDUNGSGEBIETE Entwickler sollen sowohl kooperativ als auch unabhängig voneinander eigene Entwicklungspfade beschreiten können. Wissen (in der Gruppe) über das gemeinsame Ziel, die aktuellen Tätigkeiten der anderen Gruppenmitglieder und den Beziehungen zwischen den eigenen Änderungen und der Arbeit anderer Projektmitarbeiter (siehe Group Awareness (siehe Seite 101)). 2.5.2 Ausbildung und Schulung Eine Gruppe besteht aus einem Tutor/Dozent und einer Reihe von Schülern und Schülerinnen. Ziel der Kooperation ist Transfer von Informationen und Fertigkeiten. Die Kooperation ist üblicherweise synchron, z.b. in einem elektronischen Klassenzimmer (derselbe Ort) oder über ein verteiltes, elektronisches Klassenzimmer (virtuelles Klassenzimmer). Die Kommunikation ist strukturiert, z.b. durch Ausbildungsplan; dieser ist dynamisch veränderbar entsprechend den Fähigkeiten der involvierten Schüler. Kooperation findet auf zwei Ebenen statt: Kooperation zwischen den Lernern. Kooperation zwischen Lehrer und Lernern. Integrierte Lernumgebung Die integrierte Lernumgebung besteht aus einem privaten, einem organisationsbezogenen und einem globalen Informationsraum sowie den gemeinsamen Arbeitsbereichen der Lerngruppen. Sie stellt folgende Funktionen zur Verfügung: 28

2.5. BEISPIELE FÜR CSCW-ANWENDUNGSGEBIETE Zugriff auf Informationsraum, Suchfunktionen, Markierungen, Erstellung privater Anmerkungen. Elektronische Lerngruppen erhalten jeweils eine gemeinsame elektronische Arbeitsumgebung. globaler Informationsraum (WWW,...) Skripten guided Tours Aufgaben Lösungen gemeinsame Arbeitsumgebung (Lerngruppen) Duden Studienordnung Dokumente Glossar Organisations- Informationsraum Nachrichten Historie Einstellungen Verweise Dokumente Anmerkungen privater Informationsraum Lernumgebung 2.5.3 Telekooperation Definition: Telekooperation ist die mediengestützte arbeitsteilige Leistungserstellung zwischen individuellen Aufgabenträgern, Organisationseinheiten und Organisationen, die über mehrere Standorte verteilt sind. Telekooperation wird oft mit Telearbeit bzw. Heimarbeit gleichgesetzt. Vvon seinem Potential her geht jedoch Telekooperation weit über die Heimarbeit hinaus. Telekooperation überwindet räumliche und zeitliche Grenzen. CSCW ist ein essentieller Teil zur Realisierung von Telekooperation-Szenarien in realen, aber auch virtuellen Unternehmen. Im Gegensatz zu Telekommunikation berücksichtigt Telekooperation auch die handelnden Personen. Dimensionen der Telekooperation Unterscheidung zwischen Telearbeit, Telemanagement und Teledienste 29