Landtag von Baden-Württemberg. Antrag. Stellungnahme. Drucksache 14 / 633 28. 11. 2006. 14. Wahlperiode. der Abg. Brigitte Lösch u. a. GRÜNE.



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Transkript:

Landtag von Baden-Württemberg 14. Wahlperiode Drucksache 14 / 633 28. 11. 2006 Antrag der Abg. Brigitte Lösch u. a. GRÜNE und Stellungnahme des Justizministeriums Gesundheitsvorsorge und Infektionsschutz in badenwürttembergischen Justizvollzugsanstalten Antrag Der Landtag wolle beschließen, die Landesregierung zu ersuchen zu berichten, 1. wie sich in den letzten fünf Jahren die Zahl der HIV-, Hepatitis-B- und C- und Lues-Infektionen in den Justizvollzugsanstalten von Baden-Württemberg entwickelt hat (aufgeteilt in Männer/Frauen), und ob diese Erkrankungen bestimmten Betroffenengruppen zuzuordnen sind; 2. seit wann und in welcher Höhe die Landesregierung finanzielle Mittel für eine Hepatitis-B-Impfung in den Justizvollzugsanstalten pro Jahr zur Verfügung stellt, und wie oft und bei welcher Indikation diese Mittel seit Beginn abgerufen werden; 3. ob, und wenn ja unter welchen Voraussetzungen im Strafvollzug eine Hepatitis- C-Kombitherapie durchgeführt wird und wie sich diese Zahl in den letzten fünf Jahren entwickelt hat; 4. ob, und wenn ja wie die Justizvollzugsanstalten gewährleisten und nachweisen, dass es zu keinen Infektionen innerhalb des Vollzugs kommt, insbesondere hinsichtlich der Möglichkeit der anonymen Beschaffung von Kondomen und Desinfektionsmitteln; 5. wie sich die Zahl von Substitutionen bei drogenabhängigen Inhaftierten in den letzten fünf Jahren in den JVAs entwickelt hat aufgegliedert in Substitution vor Haftantritt, Weiterbehandlung oder Abbruch während der Haft und Beginn einer Substitution in Haft; 6. ob, und wenn ja wann das Justizministerium die vom Landesgesundheitsamt schon für das Jahr 2006 vorgeschlagenen zwei Studien (Serokonversionsstudie Eingegangen: 28. 11. 2006 / Ausgegeben: 18. 01. 2007 Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/dokumente 1

in Haft und Studie über die Verbreitung von sexuell übertragbaren Krankheiten bei weiblichen Inhaftierten) durchführt und womit sie die bisherige und evtl. zukünftige Nichtdurchführung begründet; 7. wie das Justizministerium den Vorschlag bewertet, einen Qualitätszirkel der intern und extern an Prävention Beteiligten im Vollzug (Anstaltsärzte, medizinischer und sozialer Vollzugsdienst, Landesgesundheitsamt, Aids-Hilfe und Drogenberatung) einzurichten; 8. ob die Landesregierung vorsieht, die Beratungsarbeit von AIDS-Hilfen für HIV-positiv Inhaftierte sowie das Präventionsangebot der AIDS-Hilfen für Bedienstete sowie Inhaftierte finanziell zu unterstützen. 28. 11. 2006 Lösch, Oelmayer, Sckerl, Rastätter, Untersteller GRÜNE Begründung In baden-württembergischen Justizvollzugsanstalten (JVA) gibt es keine Zahlen bzw. Untersuchungen, die belegen können, ob sich Inhaftierte während ihrer Haftzeit mit Infektionskrankheiten (HIV, Hepatitiden, Syphilis etc.) anstecken oder nicht. Nachweislich herrschen in vielen Haftanstalten eine deutlich erhöhte Hepatitis B-, C- wie auch HIV-Prävalenz. Untersuchungen vom Landesgesundheitsamt belegen, dass rund 70 % aller drogengebrauchenden Inhaftierten eine Hepatitis-C-Infektion haben. Mittlerweile ist eine Hepatitis-C-Infektion mit einer entsprechenden Kombitherapie sehr gut therapierbar und je früher desto besser. Im Strafvollzug wird aber i. d. R. diese Therapie mit Begründung der zu hohen Kosten, einer möglichen Neuinfektion und der zum Teil zu geringen Aufenthaltszeit der Gefangenen in Haft abgelehnt. Mit einer frühzeitigen Therapie werden aber spätere, kostenschwere Folgeschäden von der betroffenen Person (Leberzirrhose, Leberkrebs) abgewendet, aber vor allem kann die geheilte Person niemanden mehr anstecken. Auch eine präventive Hepatitis-Impfung bei Haftantritt wird von den Anstalten nur sehr begrenzt wahrgenommen. Gerade eine Schutzimpfung gegen den leichter übertragbaren Hepatitis-B-Virus könnte Inhaftierte vor einer möglichen Infektion und damit vor kostenschweren Folgeschäden schützen. In einigen JVA wird drogenabhängigen Inhaftierten grundsätzlich keine Substitution angeboten und in anderen JVA werden Inhaftierte, die vor Haftbeginn substituiert wurden, nur kurz oder nicht weiter substituiert. Eine (durchgängige) Substitution in Haft kann Inhaftierte vor einem illegalen intravenösen Drogenkonsum und dessen gesundheitlichen sowie rechtlichen Folgen bewahren. Zudem geraten Substituierte nach Beendigung der Haftstrafe weniger oft wieder in den Kreislauf von Drogenkonsum und Beschaffungskriminalität. Seit Ende 2005 liegen zwei Studiendesigns des Landesgesundheitsamts für eine Serokonversionsstudie in Haft und eine Studie über die Verbreitung von sexuell übertragbaren Krankheiten bei weiblichen Inhaftierten dem Justizministerium vor. Auf dieses Angebot gibt es bisher von Seiten des Justizministeriums keinerlei Reaktion weder eine positive noch negative. Immer wieder beklagen externe Organisationen und Einrichtungen, dass es im Vollzug im Bereich Gesundheitsvorsorge an Vernetzung und Kommunikation (intern extern) fehlt. Gerade die unterschiedliche Sichtweise und Diskussion bezüglich der Belange und Gesundheit von Inhaftierten könnte die Sensibilisierung 2

der Inhaftierten dahin gehend verbessern, dass sie die Angebote der JVA zu Beratung, Aufklärung und Therapie (Substitution, Hepatitis C) vermehrt in Anspruch nehmen. Deshalb ist ein runder Tisch, ein Qualitätszirkel der von Thema Betroffenen notwenig. Die Zuständigkeit für die Präventions- und Betreuungsarbeit der AIDS-Hilfen an baden-württembergischen Justizvollzugsanstalten ist nach wie vor nicht klar innerhalb der Landesregierung zugeordnet. Von Seiten der Landesregierung wird der Arbeit der AIDS-Hilfen in baden-württembergischen JVA große Bedeutung eingeräumt. Aufgrund der zunehmenden finanziellen Problematik bei den AIDS- Hilfe-Vereinen sollte das Justizministerium endlich auch eine Finanzierung der Arbeit in Aussicht stellen. Stellungnahme Mit Schreiben vom 21. Dezember 2006 Nr. JuM 4551/0171 nimmt das Justizministerium zu dem Antrag hinsichtlich der Fragen 3. und 6. bis 8. im Einvernehmen mit dem Ministerium für Arbeit und Soziales wie folgt Stellung: 1. wie sich in den letzten fünf Jahren die Zahl der HIV-, Hepatitis-B- und C- und Lues-Infektionen in den Justizvollzugsanstalten von Baden-Württemberg entwickelt hat (aufgeteilt in Männer/Frauen), und ob diese Erkrankungen bestimmten Betroffenengruppen zuzuordnen sind; Zu 1.: In den letzten Jahren wurden im Landesgesundheitsamt routinemäßig in großer Zahl Seren von Gefangenen auf HIV, Hepatitis A, B und C untersucht. Diese Untersuchungen liefen mit Zustimmung der Gefangenen im Rahmen von Zugangsuntersuchungen zur Abklärung ihres Infektionsstatus. In jedem Jahr werden ca. 10.000 Proben von Gefangenen auf Hepatitis C untersucht. Von 2001 bis jetzt wurden 312 Serokonversionen festgestellt. Ausgehend von ca. 50.000 Proben entspricht das 0,6 Prozent. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Betreffenden zu einem hohen Prozentsatz zwischen den Untersuchungen in Freiheit waren (Haftentlassung, Vollzugslockerung, Hafturlaub) und sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit außerhalb der Justizvollzugsanstalt infiziert haben. Aus den mitgeteilten Zahlen lassen sich demnach die Serokonversionen in Haft weder berechnen noch schätzen. Die Seroprävalenzen für die genannten Infektionserreger sind in den letzten Jahren konstant geblieben. Davon sind vor allem Gefangene betroffen, die zu bestimmten Risikogruppen gehören (intravenös spritzende Drogenabhängige, Homosexuelle). Im Bereich von Lues ist seit einigen Jahren eine gewisse Zunahme zu verzeichnen. Betroffen sind davon vor allem homosexuell praktiziende Gefangene. 2. seit wann und in welcher Höhe die Landesregierung finanzielle Mittel für eine Hepatitis-B-Impfung in den Justizvollzugsanstalten pro Jahr zur Verfügung stellt, und wie oft und bei welcher Indikation diese Mittel seit Beginn abgerufen werden; Zu 2.: Seit dem Jahr 2002 werden pro Jahr 40.000 für die Hepatitis-B-Impfung der Gefangenen aus dem Justizhaushalt bereitgestellt. Diese Mittel werden nicht ausgeschöpft, weil die betroffenen Gefangenen daran nur wenig Interesse zeigen und vielfach nicht in die Impfung einwilligen. 3

3. ob, und wenn ja unter welchen Voraussetzungen im Strafvollzug eine Hepatitis- C-Kombitherapie durchgeführt wird und wie sich diese Zahl in den letzten fünf Jahren entwickelt hat; Zu 3.: In den letzten Jahren haben sich die Therapiemöglichkeiten replikativer Hepatitiden entscheidend verbessert. Die Hepatitis-C-Virus-Diagnostik (HCV) im Regierungspräsidium Stuttgart, Landesgesundheitsamt, wurde im Jahr 2002 um die HCV-Genotypisierung erweitert, um den Anstaltsärzten einen zusätzlichen Parameter für eine Therapieentscheidung zu liefern. Bei jeder HCV-Erstdiagnose legt das Regierungspräsidium Stuttgart, Landesgesundheitsamt, dem HCV-Befund ein aktuelles Therapieschema bei. Für die Art der Gesundheitsuntersuchungen und medizinischen Versorgungsleistungen sowie für den Umfang dieser Leistungen und der Leistungen zur Krankenbehandlung haben Strafgefangene dieselben Ansprüche wie gesetzlich Krankenversicherte ( Äquivalenzprinzip ). Unter diesen Voraussetzungen erhalten sie auch die oben genannte Therapie. Über die Entwicklung der Zahl der in den letzten fünf Jahren im Strafvollzug durchgeführten Hepatitis-C-Kombitherapien liegen weder dem Justizministerium noch dem Ministerium für Arbeit und Soziales noch dem Regierungspräsidium Stuttgart, Landesgesundheitsamt, Daten vor. Viele Gefangene haben an einer solchen Therapie kein Interesse (s. o. zu 2.). Hinzu kommt, dass die Therapie mit hohen Nebenwirkungen verbunden ist, wie psychischer Reizbarkeit, Affektinkontinenz und Depressionen. Den Gefangenen ist das bekannt. Die Nebenwirkungen können außerdem die bei Gefangenen vielfach festzustellenden Persönlichkeitsstörungen verstärken. Im Übrigen erfordert die Kombinatstherapie ein hohes Maß an Mitwirkungsbereitschaft. 4. ob, und wenn ja wie die Justizvollzugsanstalten gewährleisten und nachweisen, dass es zu keinen Infektionen innerhalb des Vollzugs kommt, insbesondere hinsichtlich der Möglichkeit der anonymen Beschaffung von Kondomen und Desinfektionsmitteln; Zu 4.: Im Strafvollzug lassen sich wegen verantwortungsloser Verhaltensweisen von Gefangenen Infektionen nicht ausschließen. Das gilt insbesondere für das Tätowieren, für den Gebrauch von Fixerutensilien und sexuelle Kontakte. Das Tätowieren ist im Strafvollzug strikt verboten. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind verpflichtet, Tätowierbestecke zu suchen und einzuziehen bzw. den Gebrauch disziplinarisch zu ahnden. Das wird in der Praxis umgesetzt. Da sexuelle Kontakte grundsätzlich nicht auszuschließen sind, haben die Gefangenen über die Krankenabteilungen die Möglichkeit, diskret und niedrigschwellig Kondome zu erhalten. Außerdem können sie im Wege des Anstaltseinkaufs erworben werden. Die Vergabe von Desinfektionsmitteln an Gefangene, die sich im Vollzug trotz aller Risiken und Schwierigkeiten intravenös Drogen zuführen, kann für den Einzelnen das Risiko von HIV- und Hepatitis-Infektionen vermindern. Es ist aber notwendig, über die Gruppe der aktuell intravenös Drogenabhängigen hinaus die Gesamtheit der Gefangenen und die Interessen der mit ihrer Betreuung befassten Bediensteten mit einzubeziehen. Eine freie Zugänglichkeit von Desinfektionsmaterial könnte für die Gruppe der ganz oder zeitweise abstinenten Gefangenen die Versuchung erhöhen, bei sich bietender Gelegenheit sich doch (wieder) einen Druck zu setzen. Eine Ausgabe von Desinfektionsmitteln könnte in den Augen der Nicht- oder Noch-nicht-Fixer die Gefahr so weit verringern, dass sie sich schließlich in die Zahl der dauerhaft drogenabhängigen Gefangenen einreihen. 4

5. wie sich die Zahl von Substitutionen bei drogenabhängigen Inhaftierten in den letzten fünf Jahren in den JVAs entwickelt hat aufgegliedert in Substitution vor Haftantritt, Weiterbehandlung oder Abbruch während der Haft und Beginn einer Substitution in Haft; Zu 5.: Entgegen der Begründung des Antrags ist die Substitution im baden-württembergischen Justizvollzug flächendeckend möglich. Grundlage ist die Verwaltungsvorschrift vom 1. Juli 2002 über die Substitution im Justizvollzug (Die Justiz S. 404). Das gilt für die Fortsetzung einer in Freiheit begonnenen Substitution, für eine ausschleichende Substitution und für den Beginn einer Substitution vor der Haftentlassung, um das Risiko von Drogenunfällen oder Drogentod bei nicht gewohnten Drogen zu minimieren. Im Übrigen wird auf die Stellungnahme des Justizministeriums zum Antrag der Abg. Birgit Kipfer u. a. SPD (Drucksache 13/3817) Bezug genommen. Zahlenangaben in der gewünschten Aufgliederung liegen dem Justizministerium nicht vor. 6. ob, und wenn ja wann das Justizministerium die vom Landesgesundheitsamt schon für das Jahr 2006 vorgeschlagenen zwei Studien (Serokonversionsstudie in Haft und Studie über die Verbreitung von sexuell übertragbaren Krankheiten bei weiblichen Inhaftierten) durchführt und womit sie die bisherige und evtl. zukünftige Nichtdurchführung begründet; Zu 6.: Grundsätzlich ist die Durchführung von Studien in Justizvollzugsanstalten aus fachlicher Sicht sinnvoll. Aufgrund der derzeitig begrenzt zur Verfügung stehenden finanziellen und personellen Ressourcen stellt sich jedoch die Frage, inwieweit zu Gunsten von projektbezogenen Untersuchungen zur Klärung wichtiger Fragestellungen die bisher laufenden routinemäßigen Eingangsuntersuchungen der Insassen zurückgenommen könnten. Die über die Jahre hinweg unveränderten Ergebnisse der Eingangsuntersuchungen zeigen die hohe Relevanz von HBV-, HCV- und HIV-Infektionen bei Insassen der Strafanstalten zwar auf. Eine Gefährdungsanalyse bzw. eine Entwicklung von speziell auf bestimmte Zielgruppen der Gefangenen abgestimmten Präventionsmaßnahmen ist anhand dieser Ergebnisse jedoch nur beschränkt möglich. Der Prävention und Gesundheitsförderung kommt nach wie vor eine zentrale Bedeutung im Rahmen der Gesundheitspolitik zu. Das Ministerium für Arbeit und Soziales hat sich unter Mitwirkung des Regierungspräsidiums Stuttgart, Landesgesundheitsamt, mit den Sozialversicherungsträgern in Baden-Württemberg darauf verständigt, im Rahmen einer Neuakzentuierung der Prävention die Prävention und Gesundheitsförderung in Baden-Württemberg gemeinsam weiter voranzubringen. Hierzu haben die Beteiligten gemeinsame Handlungsschwerpunkte und prioritäre Themenbereiche definiert und diese durch Präventionsziele weiter konkretisiert. Im Hinblick auf die Prävention sexuell übertragbarer Krankheiten wurde die Zielgruppe Kinder und Jugendliche als prioritär festgelegt. Unter anderem wird zunächst eine Studie zur Häufigkeit von Chlamydien-, Neisserienund Papillomavirusinfektionen bei Mädchen und jungen Frauen zwischen 14 und 25 Jahren durchgeführt. In diesem Zusammenhang wurde die Studie über die Verbreitung von sexuell übertragbaren Krankheiten bei weiblichen Inhaftierten zurückgestellt. Zur HCV-Serokonverterstudie liegt dem Justizministerium seit Juni 2006 eine vom Regierungspräsidium Stuttgart, Abteilung Landesgesundheitsamt, vorbereitete Projektskizze vor. Ihr steht das Justizministerium grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber. Bei einer Erörterung auf Arbeitsebene haben sich freilich beträchtliche methodische Schwierigkeiten ergeben, weil die Gefangenen oftmals Vollzugslockerungen erhalten und sich die Konversionen in Freiheit ereignen. Das Landesgesundheitsamt hat darauf hingearbeitet, diese Fehlerquelle konzeptionell auszuschließen. Im Ergebnis kommen nur Gefangene in Betracht, die mindestens ein Jahr ununterbrochen im geschlossenen Vollzug verbringen und einer mehrmaligen Blutuntersuchung zustimmen (Erstuntersuchung, nach drei Monaten, nach sechs Monaten und nach einem Jahr). Hierzu werden Gefangene nur be- 5

reit sein, wenn sie sicher davon ausgehen können, dass ein positives Ergebnis der Anstalt nicht bekannt wird. Es wird nicht leicht sein, dem organisatorisch Rechnung zu tragen. Unter diesen Voraussetzungen liegt es beim Landesgesundheitsamt, ein ausführliches Studiendesign zu entwerfen und dieses der zuständigen Ethikkommission vorzulegen. 7. wie das Justizministerium den Vorschlag bewertet, einen Qualitätszirkel der intern und extern an Prävention Beteiligten im Vollzug (Anstaltsärzte, medizinischer und sozialer Vollzugsdienst, Landesgesundheitsamt, Aids-Hilfe und Drogenberatung) einzurichten; Zu 7.: Die beim Ministerium für Arbeit und Soziales angesiedelte Arbeitsgruppe AIDS- und STD-Prävention, der neben Vertreterinnen und Vertretern der AIDS-Hilfen, der Gesundheitsämter, der HIV-Schwerpunktpraxen, kirchlicher Organisationen und des Regierungspräsidiums Stuttgart, Landesgesundheitsamt, auch Vertreter verschiedener Ressorts angehören, wurde inzwischen um Vertreter des Justizministeriums erweitert. In dieser Arbeitsgruppe findet zum einen der für die Fachkräfte der AIDS-Hilfen und der Gesundheitsämter vor Ort wichtige Informations- und Fachaustausch mit der Landesebene statt. Zum anderen initiiert und begleitet die Arbeitsgruppe Maßnahmen zur Qualitätssicherung und konkrete Präventionsvorhaben sowie die Vorbereitung und Durchführung von Studien, beispielsweise auch in Justizvollzugsanstalten. Ein Großteil der Anstaltsärztinnen und Anstaltsärzte, die im Übrigen durchweg über die Fachkunde Suchtmedizin verfügen, nimmt bereits an externen Qualitätszirkeln Suchttherapie auf örtlicher Ebene teil. Anstaltsinterne Qualitätszirkel müssten sich an die drogenpolitischen Vorgaben der Landesregierung halten. Außerdem darf die Einführung neuer Gremien die Arbeit an und mit den Gefangenen nicht beeinträchtigen. 8. ob die Landesregierung vorsieht, die Beratungsarbeit von AIDS-Hilfen für HIV-positiv Inhaftierte sowie das Präventionsangebot der AIDS-Hilfen für Bedienstete sowie Inhaftierte finanziell zu unterstützen. Zu 8.: Die dem Ministerium für Arbeit und Soziales nach dem Staatshaushaltsplan für den Bereich AIDS verfügbaren Haushaltsmittel werden nach wie vor zur Finanzierung der 13 AIDS-Hilfe-Vereine und einer weiteren Einrichtung in Freiburg verwendet, um das geschaffene Netz von Beratungs- und Betreuungseinrichtungen nicht in seinem Bestand zu gefährden. Die Förderung der AIDS-Hilfen wurde in den Stellungnahmen des Ministeriums für Arbeit und Soziales zu den Anträgen der Abgeordneten Andreas Hoffmann u. a. CDU betreffend die Situation der AIDS-Hilfe-Gruppen in Baden-Württemberg (Landtagsdrucksache 13/3656) sowie der Abgeordneten Brigitte Lösch u. a. GRÜNE betreffend der HIV-Neuinfektion und HIV-Prävention in Baden-Württemberg (Landtagsdrucksache 13/4799) ausführlich dargestellt; hierauf darf verwiesen werden. Einer Praxisumfrage zufolge besteht an einem Präventionsangebot der AIDS-Hilfen für Bedienstete im Justizvollzug kein erkennbares Interesse. Eine finanzielle Unterstützung für Programme mit Gefangenen wird angesichts der bekannten Situation der öffentlichen Haushalte auf absehbare Zeit nicht möglich sein. Dr. Goll Justizminister 6