Abschlussbericht zum denkmal aktiv -Projekt Am kürzeren Ende der Sonnenallee Relikte des Eisernen Vorhangs im Berliner Südosten. Fiktion und Wirklichkeit einer Grenzsituation im Schuljahr 2013/2014 am Albert-Einstein-Gymnasium Berlin (II-3) 1 Eckdaten s. Arbeitsplan http://denkmal-aktiv.de/wp-content/uploads/arbeitsplan314.pdf 2 Angaben zum Schulprojekt Verbundprojektthema: Unbequeme Denkmale Spuren der Teilung in Berlin: Gefängnis Grenze Durchgangslager: Orte des kalten Krieges in Berlin Schulprojektthema: Am kürzeren Ende der Sonnenallee Relikte des Eisernen Vorhangs im Berliner Südosten. Fiktion und Wirklichkeit einer Grenzsituation Im Umfeld der Geschichts- und Grenzlandschaft des Berliner Südostens setzen sich die Schüler mit unbequemen Denkmalen auseinander sowie am Beispiel von Thomas Brussigs Roman "Am unteren Ende der Sonnenallee" und dessen Verfilmung mit der ambivalenten Rezeption und Interpretation der Grenzsituation in Literatur und Film. Im Rahmen einer Spurensicherung gehen die Schüler auf die Suche nach Mauerrelikten und Grenzmarkierungen aus der Zeit der deutschdeutschen Teilung zwischen Kiefholzstraße und Britzer Zweigkanal und lernen mit der Mauergedenkstätte und der Versöhnungskapelle im ehemaligen Grenzstreifen an der Bernauer Straße Orte der Erinnerung kennen. Das Projekt ist ein Beitrag im Themenfeld Unbequeme Denkmale der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft des Landes Berlin. 3 Vorerfahrungen der Schule / der Projektleitung Weder die Schule noch die Projektleiterin verfügen über Vorerfahrungen im Bereich Erbe/Denkmalschutz. An der deutsch-italienischen Europaschule bieten sich allerdings viele Gelegenheiten zur Teilnahme an städtischen, regionalen, nationalen und internationalen Wettbewerben, Projekten und Veranstaltungen. So hat die denkmal.aktiv betreuende Lehrerin zahlreiche andere Projekte angestoßen und durchgeführt, u.a. die Gründung einer Schülerfirma, performative Vorbereitungen zum Europäischen Sprachentag, Initiierung und Pflege von Schulpartnerschaften. 4 Ziele des Schulprojekts Am Beispiel der Geschichts- und Grenzlandschaft der Berliner Mauer bzw. des Eisernen Vorhangs soll den Schülern die Bedeutung von unbequemen Denkmalen und deren ambivalente Rezeption/Interpretation in Literatur und Film vermittelt werden.
Im Einzelnen sollen die SchülerInnen das schulnahe und im Berliner Kontext besonders bedeutsame Denkmal Mauer vor Ort besichtigen bzw. ihre bisherigen Kenntnisse und Erfahrungen vertiefen, indem sie selbständig Relikte der Mauer ebenso wie Gedenkorte im Berliner Südosten aufspüren ihr Vorgehen selbständig entwickeln und festlegen ihre Arbeit im Verlauf und in den Ergebnissen dokumentieren die Mauer in ihrer historischen Dimension über unterschiedliche Quellen erfassen über fiktionale, graphische und filmische Gestaltungen des Lebens an der innerdeutschen Grenze verschiedene künstlerische Rezeptionen des Mauer- Topos kennenlernen und diese kritisch hinterfragen den schwierigen Umgang mit dem unpopulären Denkmal Mauer nachvollziehen und diskutieren Beschreibung der Projektidee/Zielsetzung DIE GRENZE IN FIKTION UND FILM Leander Haussmanns Film (Drehbuch Thomas Brussig) Sonnenallee und Brussigs Roman Am kürzeren Ende der Sonnenallee vermitteln einen ersten satirisch-humorvollen Blick auf den DDR-Alltag im südöstlichen Teil der Sonnenallee im Ortsteil Baumschulenweg, wo die Menschen in unmittelbarer Nähe der Berliner Mauer lebten. Todesstreifen und Schießbefehl trennten hier diese Straße Berlins in einen längeren Westteil und kürzeren Ostteil, und damit die DDR von der Bundesrepublik. Heute verbindet diese Straße wieder beide Ortsteile Berlin-Neukölln und Baumschulenweg. Sie ist nur etwa vier Kilometer vom Schulstandort des Albert-Einstein-Gymnasiums entfernt und den meisten Schülern als wichtige Verkehrsachse bekannt. DIE GRENZE VOR ORT Schüler/innen des 12.Jahrgangs der Leistungskurse Deutsch, Geschichte und Kunst arbeiten Relikte und Markierungen des Eisernen Vorhangs in den Berliner Ortsteilen Baumschulenweg und Neukölln zwischen Kiefholzstraße und Britzer Zweigkanal auf. Sie begeben sich auf Spurensicherung in einer einstigen Grenzund Todeslandschaft: im Stadtraum zwischen Kiefholzstraße und Britzer Zweigkanal finden sich Mauerrelikte, Mauerdenkmäler und Erinnerungs- Kunstwerke, Grenzmarkierungen sowie der Berliner Mauerrad-/-wanderweg. DIE GRENZE IN DER HISTORISCHEN WIRKLICHKEIT UND DER KÜNSTLERISCHEN REZEPTION/INTERPRETATION Ein geführter Besuch der Mauer-Gedenkstätte und der Versöhnungskapelle im Grenzstreifen an der Bernauer Straße sowie Auswertung der UNESCO-Memory of the World Dokumente Construction and Fall of the Berlin Wall and the Twoplus-Four-Treaty of 1990 zur historischen Aufarbeitung von Mauerbau und Grenzregime vermitteln zusätzliches Hintergrundwisse, das eine Kontrastierung und kritische Hinterfragung der literarischen Konstruktion der Grenzsituation in Brussigs Roman und Haußmanns Filmkomödie erst ermöglicht.
DIE GRENZE ALS GESCHICHTSLANDSCHAFT UND LERNORT Geplant ist auch die gezielte Informationsbeschaffung über den Iron Curtain Trail und die Stationen des Berliner Mauerwegs durch die SchülerInnen zur Vorbereitung und Durchführung von Rundgängen entlang des ehemaligen Todesstreifens mit Lesung am historischen Ort für die Projektteilnehmer der Verbundschulen und die Zehntklässler des Albert-Einstein-Gymnasiums. Hintergrund Das weltweit bekannteste Bauwerk von Berlin war die 1961 von der DDR als Grenz- und Todesstreifen erbaute und 1989 im Zuge der friedlichen Revolution geöffnete Berliner Mauer. Ihren erhaltenen und geschützten Resten kommt internationale Denkmalbedeutung zu. Der Denkmalkomplex der Berliner Mauer, die die Stadt im Kalten Krieg teilte und den Westteil absperrte, setzt sich zusammen aus rund einem Dutzend unzusammenhängend erhalten gebliebener Mauerreste und -relikte. Sie werden zu einer räumlich-topographisch nachvollziehbaren Einheit zusammengefasst durch den nach 1990 unbebaut belassenen Grenzraum entlang des Mauerverlaufs. Ein Abschnitt dieses erhaltenswerten Grenzraums liegt in den Bezirken Treptow-Köpenick bzw. Neukölln zwischen dem Mauerdenkmal zur Erinnerung an einen 1966 erschossenen Schüler an der Kiefholzstraße und dem Erinnerungszeichen für den 1989 am Britzer Zweigkanal erschossenen Jugendlichen Chris Gueffroy, das letzte Maueropfer. 5 Vorgehensweise, Umsetzung, Erfahrungen Die Hauptarbeit an dem Teilprojekt Grenze-Mauer musste im Wesentlichen während der für die gesamte Oberstufe vorgesehenen Intensivwoche vom 16.-20.September 2013 stattfinden und zum Abschluss kommen, weil sich die teilnehmenden SchülerInnen bereits im Abiturjahrgang und damit in der Vorbereitungsphase für ihre Abschlussprüfung befanden. Diesem Umstand fielen auch die ursprünglich für das Frühjahr 2014 geplanten Führungen für die Teilnehmerinnen der Verbundschulen zum Opfer, die angesichts des erheblichen Arbeitsdrucks der AbiturientInnen nicht mehr stattfanden. Gleiches gilt für die Dokumentation der teilweise sehr qualitätvollen Arbeitsergebnisse, die sich letztlich auf ein kleines Fotobuch beschränkt. Vorab erhielten alle SchülerInnen schon im August 2013 ihr persönliches Exemplar des Brussig-Romans, der als vorbereitende Lektüre zu lesen und mit Fragen bzw. Anmerkungen zu versehen war. Überdies wurden sie gezielt auf Angebote zum Tag des offenen Denkmals am zweiten Sonntag im September unter dem Motto: Jenseits des Schönen und Guten- unbequeme Denkmäler? hingewiesen. Zehn Tage vor Beginn der Intensivwoche der Leistungskurse am Albert- Einstein-Gymnasium im September 2013 wurden im Rahmen eines zweistündigen Arbeitstreffens Wünsche, Interessen, Vorgehensweisen sowie die Einteilung in Arbeitsgruppen (AG Geschichte der Mauer, AG künstlerischliterarische Verarbeitung der Mauer, AG Aktualität der Mauer) diskutiert und Tagespläne im Groben festgelegt.
Intensivwoche Montag Einführungsreferat (weitgehend recycelter Schülervortrag aus dem Geschichts-Kurs): > Geschichte der Berliner Mauer Die Mauer im Roman > Gegenüberstellung von historischer und fiktionaler Mauersituation > Diskussion der Grenzen von Satire Dienstag Haussmann-Film Sonnenallee : Vertiefung der Diskussion bzw. des Problembewusstseins, kritische Würdigung Einrichtung einer Gruppenseite bei Facebook: Miriam Mauer (Miriam ist die weibliche Hauptfigur in Roman und Film, die Mauer das Projektthema der zumeist weiblichen TeilnehmerInnen) Gruppenarbeit: eigenständige Ortsbegehungen, Passanten-Befragungen und Bibliotheksbesuche Mittwoch Abschluss der Gruppenarbeit vor Ort und in Bibliotheken Erlebnisse und Ergebnisse der Gruppenarbeit: Kurzvorträge und Erfahrungsberichte in der Schule > Alltag in der DDR bzw. im Schatten der Mauer (historische Quellen und Passanten- bzw. Anwohnerbefragungen) > Literatur in der BRD und DDR > Jugend in der DDR, Fluchtversuche und Maueropfer Donnerstag Rundgang der gesamten Gruppe entlang des Berliner Mauerwegs in Berlin- Südost: die Gruppen zeigen ihre Orte/Highlights entlang der Mauer > Austausch der bisher gewonnenen Erkenntnisse/Erfahrungen > Kurzvortrag am Gueffroy-Mahnmal: Mauer heute von der Eastside Gallery bis zu Grenz-Mauern in den USA, Irland und Palästina Freitag Besuch der Gedenkstätte Berliner Mauer, anschließend geführte Radtour orientiert am Mauerverlauf durch eine Mitarbeiterin der Gedenkstätte (Frau Mrugowski) November 2013 Vorbereitung der Veranstaltung am 29.11.2013 zur Mauer in der historischen Wirklichkeit und der künstlerischen Rezeption / Interpretation: Lesung und Diskussion in der Aula des Albert-Einstein-Gymnasiums
mit Susanne Buddenberg, Thomas Henseler (Berlin- Geteilte Stadt, Grenzfall, Tunnel 57) und Thomas Brussig (Am kürzeren Ende der Sonnenallee), Moderation der Veranstaltung durch die ProjektteilnehmerInnen. Eingeladen sind alle SchülerInnen des Abiturjahrgangs sowie die ProjektteilnehmerInnen der Verbundschulen Insgesamt wurde dieses denkmal aktiv Projekt von den teilnehmenden SchülerInnen ebenso wie von der Schulöffentlichkeit als eine interessante und nachhaltige Bereicherung des schulischen Alltags angesehen, nicht zuletzt, weil so einmal mehr auf die Nähe und Bedeutung der Berliner Mauer als unbequemem Denkmal verwiesen wurde. Die Projekt-TeilnehmerInnen erarbeiteten sich eigenständig und hoch motiviert einen kenntnisreichen, kritisch-selbständigen Zugang zum außerschulischen Lern- und Denkmalort der Berliner Mauer. Mit der Lesung renommierter AutorInnen in der Aula des Einstein-Gymnasiums und einer lebhaften Diskussion inhaltlicher und künstlerisch-literarischer Fragen fand das Projekt einen fulminanten und dank Thomas Brussigs witzig-satirischer Mauerrezeption auch amüsanten Abschluss.