Entspricht die medikamentöse Therapie bei Asthma-Patienten mit häufigen Symptomen aktuellen Leitlinien? Sabine Groos, Bernd Hagen, Jens Kretschmann, Lutz Altenhofen Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung in Deutschland
Hintergrund Die Nationale Versorgungsleitlinie Asthma (NVL, 2009) sieht in ihrem Stufenschema zur medikamentösen Langzeittherapie zum Erreichen der Asthmakontrolle die Gabe von inhalativen Glukokortikosteroiden (ICS) und langwirkenden Beta-2-Sympathomimetika (LABA) sowie von kurzwirkenden Beta-2- Sympathomimetika (SABA) als Bedarfsmedikation vor. Eine Langzeittherapie mit oralen Glukokortikosteroiden (OCS) wird wegen der Gefahr schwerer Nebenwirkungen nur in begründeten Einzelfällen empfohlen. Hingegen sollten OCS bei einem Asthma-Anfall verabreicht werden. Das Disease Management Programm (DMP) Asthma erhebt den Anspruch, eine leitliniengemäße Behandlung dieser Patienten zu fördern. Lässt sich dieser Anspruch im Hinblick auf die medikamentöse Versorgung bei Asthma-Patienten mit häufigen Symptomen einlösen? 2
NVL Asthma 2009, 2. Auflage, Version 1.2 (S. 32) 3
Methoden: Datengrundlage: Dokumentationen von erwachsenen Patienten aus DMP Asthma bronchiale in der Region Nordrhein im Zeitraum Juli 2008 bis Juni 2010, für die in jedem der 4 Halbjahre die Asthmasymptomatik dokumentiert wurde und die in mind. einem der 4 Halbjahre unter täglichen o. wöchentlichen Asthma- Symptomen litten. Eingeschlossen wurden Praxen, welche in allen 4 Halbjahren mind. 5 solcher Patienten betreuten Analyse: querschnittliche Darstellung der Verordnungshäufigkeiten von SABA, ICS und LABA in 2010/1 Verlauf der Verordnungshäufigkeiten im Zeitraum 2008/2 bis 2010/1 Darstellung der Varianz zwischen den Praxen im Zeitraum 2008/2 bis 2010/1 4
DMP Asthma bronchiale in Nordrhein Start Juli 2006 Ziel: indikationsgesteuerte und systematische Koordination der Behandlung chronisch Kranker mit Asthma bronchiale dokumentierende Ärzte 4.000 3.500 3.276 3.000 2.500 2.382 3.785 54.528 eingeschriebene Pat. 3.907 80.000 77.034 70.000 60.000 50.000 In 2009: 14.421 Kinder/Jugendliche 62.613 Erwachsene 3.907 Ärzte (410 Kinderärzte, 234 Pneumol.) 28 Pat. pro Praxis Alter (Erw.) : 50,7 ± 16,5 Jahre Erkrankungsdauer (Erw.): 13,2 ± 11,9 Jahre DMP-Teilnahmedauer (Erw.): 19,4 ± 10,4 Mon. 2.000 1.500 1.000 500 0 7.484 2006 27.589 2007 2008 2009 40.000 30.000 20.000 10.000 0 5
Analysiertes Patientenkollektiv* (2010/1): Alter (n = 18.328) Symptomhäufigkeit (n = 18.328) 18 bis 40 Jahre 18,2 täglich 26,5 wöchentlich 30,3 41 bis 60 Jahre 43,8 seltener als wöchentlich 27,3 61 Jahre und älter 38,0 keine 15,9 * Pat.population gemäß Kriterien im Methodenteil 0 20 40 60 80 100 % Erkrankungsdauer (n = 14.558) 0 20 40 60 80 100% Verordnungshäufigkeit bis zu 2 Jahre 2,9 SABA (n=18.288) 80,8 ICS (n=18.283) 80,4 3 bis 6 Jahre 24,4 LABA (n=18.270) 68,4 7 bis 12 Jahre 27,2 OCS (n=18.328) 8,7 13 Jahre und mehr 45,4 ICS + LABA (n=18.240) 61,3 0 20 40 60 80 100 % 0 20 40 60 80 100% 6
Verläufe der Verordnungshäufigkeiten* 100 % SABA ICS 80 78,6 77,9 64,9 80,6 80,3 68,3 LABA ICS + LABA OCS 60 57,1 61,3 40 20 10,1 6,2 0 2008/Q3 2008/Q4 2009/Q1 2009/Q2 2009/Q3 2009/Q4 2010/Q1 2010/Q2 * Pat.population gemäß Kriterien im Methodenteil 7
Mittlere Streubreiten d. Verordnungshäufigkeit (1.075 Praxen) - Patienten mit täglicher o. wöchentlicher Symptomatik* - SABA 2008/2 SABA 2009/1 SABA 2009/2 SABA 2010/1 ICS 2008/2 ICS 2009/1 ICS 2009/2 ICS 2010/1 LABA 2008/2 LABA 2009/1 LABA 2009/2 LABA 2010/1 ICS + LABA 2008/2 ICS + LABA 2009/1 ICS + LABA 2009/2 ICS + LABA 2010/1 OCS 2008/2 OCS 2009/1 OCS 2009/2 OCS 2010/1 Variationskoeffizient 0,2909 0,2892 0,2889 0,2896 0,2643 0,2639 0,2670 0,2656 0,3286 0,3304 0,3269 0,3229 0,4370 0,4369 0,4341 0,4314 1,3518 1,3470 1,3496 1,2825 0 20 40 60 80 100 % Interquartilbereich und Median * Pat.population gemäß Kriterien im Methodenteil 8
Kumulierte Verordnungshäufigkeiten* 2008/2 2010/1 % Patienten pro Praxis mit ICS + LABA 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 0 25 50 75 100 % der Praxen * Pat.population gemäß Kriterien im Methodenteil 9
Fazit: Die Betrachtung der DMP-Daten der Region Nordrhein erlaubt eine differenzierte Darstellung der Versorgungsrealität von Asthma-Patienten, basierend auf einer großen Patientenpopulation. Die Befunde sprechen für eine zunehmende Orientierung der Pharmakotherapie mit ICS und LABA bei Patienten mit häufiger Asthma-Symptomatik an den Vorgaben der NVL im Verlauf des betrachteten Zeitraums. Diese Änderung im Verordnungsverhalten ist möglicherweise eine Folge der regelmäßigen Rückmeldung der Verordnungsziele im Rahmen der halbjährlichen Feedback-Berichte an die am DMP beteiligten Praxen. Fraglich bleibt, in welchem Ausmaß das DMP selbst oder andere Rahmenbedingungen die Entscheidung der Ärzte beeinflusst haben, die Patienten konsequenter medikamentös zu behandeln. 10