Einführung in Werkstoffkunde Diffusion, Erholung und Rekristallisation

Ähnliche Dokumente
Einführung in Werkstoffkunde Phasenumwandlungen

14.3 Kornvergrößerungserscheinungen

Einführung in Werkstoffkunde

Einführung in Werkstoffkunde Zustandsdiagramme

5.5 Verfestigungsmechanismen 109. Die Streckgrenze kann näherungsweise nach folgender Beziehung berechnet werden:

ORDNUNG UND UNORDNUNG

Auswirkungen von Wärmebehandlungen

Grenzflächenphänomene. Physikalische Grundlagen der zahnärztlichen Materialkunde 3. Struktur der Materie. J m. N m. 1. Oberflächenspannung

Übung Grundlagen der Werkstoffe. Thema: Verfestigungsmechanismen metallischer Werkstoffe

3. Struktur des Festkörpers

* vollständig mischbares System A-B * Zwei Blöcke der Konzentrationen c1 und c2 werden in Kontakt gebracht

Praktikum Materialwissenschaft II. Wärmeleitung

Einführung in Werkstoffkunde Diffusion, Erholung und Rekristallisation

Springer-Lehrbuch. Werkstoffe. Aufbau und Eigenschaften von Keramik-, Metall-, Polymer- und Verbundwerkstoffen

2 Metallische Werkstoffe

Übung Gitterstrukturen und Kristallbaufehler

Wärmeleitung - Versuchsprotokoll

Institut für Eisen- und Stahl Technologie. Seminar 2 Binäre Systeme Fe-C-Diagramm. Dipl.-Ing. Ch.

TU Bergakademie Freiberg Institut für Werkstofftechnik Schülerlabor science meets school Werkstoffe und Technologien in Freiberg

Plastische Verformung

Allgemeine Chemie für Studierende mit Nebenfach Chemie Andreas Rammo

4.3.2 System mit völliger Löslichkeit im festen Zustand System mit teilweiser Löslichkeit im festen Zustand

Materialdatenblatt. EOS Aluminium AlSi10Mg. Beschreibung

Grenzflächen-Phänomene

Leiterkennlinien elektrischer Widerstand

Werkstoffe der Elektrotechnik im Studiengang Elektrotechnik

TU Bergakademie Freiberg Institut für Werkstofftechnik Schülerlabor science meets school Werkstoffe und Technologien in Freiberg

Temperatur. Gebräuchliche Thermometer

Tropfenkonturanalyse

Der Burgers Vektor

A 1.1 a Wie groß ist das Molvolumen von Helium, flüssigem Wasser, Kupfer, Stickstoff und Sauerstoff bei 1 bar und 25 C?

Umformtechnik. Harald Kugler. Umformen metallischer Konstruktionswerkstoffe. mit 247 Abbildungen, 20 Tabellen, 273 Fragen sowie einer DVD

Was Sie nach der Vorlesung Werkstoffkunde II wissen sollten. Stand Werkstofftechnik

Edelstahl. Vortrag von Alexander Kracht

GDOES-Treffen Berlin Sputterprozess und Kristallorientierung

Wärmelehre/Thermodynamik. Wintersemester 2007

MOL - Bestimmung der Molaren Masse nach Dumas

grundsätzlich Mittel über große Zahl von Teilchen thermisches Gleichgewicht (Verteilungsfunktionen)

Thermische Isolierung mit Hilfe von Vakuum Thermische Isolierung 1

E 2 Temperaturabhängigkeit elektrischer Widerstände

GMB >5g/cm 3 <5g/cm 3. Gusseisen mit Lamellengraphit Gusseisen mit Kugelgraphit (Sphäroguss) (Magensiumbeisatz)

9. Phasengleichgewichte und Zustandsänderungen 9.1 Einkompentige Systeme

Leiter, Halbleiter, Isolatoren

Inhaltsverzeichnis. Vorwort...5

KORROSION. Ist die von der Oberfläche ausgehende Zerstörung metallischer Werkstoffe.

Gase, Flüssigkeiten, Feststoffe

MATERIALWISSENSCHAFTLICHES PRAKTIKUM

6. Transporteigenschaften von Metallen

Der elektrische Strom

24. Transportprozesse

Kriechfestigkeit: Der Einfluss der Werkstoffauswahl und des Gefüges anhand von Beispielen

Physikalische Grundlagen der Hygrometrie

Vorlesung Anorganische Chemie

Einführung in die Physik I. Mechanik deformierbarer Körper 1. O. von der Lühe und U. Landgraf

Elektrischen Phänomene an Zellmembranen

Klausur Physikalische Chemie für TUHH (Chemie III)

Die Synthese von Festkörperverbindungen: Allgemeines

VI Aufbau mehrphasiger Werkstoffe

Vakuum und Gastheorie

Lehrstuhl Metallkunde und Werkstofftechnik Technische Universität Cottbus

15. Dendritisches Wachstum 15.1 Dendriten: Warum interessant?

70 4. REALE ZUSTANDSDIAGRAMME UND IHRE INTERPRETATION. x 1 x 4 x

Merkmale der Kugelgelenke

Kapitel 2 Thermische Ausdehnung

Differentialgleichungen

Administratives BSL PB

Ideale und Reale Gase. Was ist ein ideales Gas? einatomige Moleküle mit keinerlei gegenseitiger WW keinem Eigenvolumen (punktförmig)

SI-Handbuch Naturwissenschaftliche Grundlagen

Physikalisches Praktikum I. PTC und NTC Widerstände. Fachbereich Physik. Energielücke. E g. Valenzband. Matrikelnummer:

Molzahl: n = N/N A [n] = mol N ist die Anzahl der Atome oder Moleküle des Stoffes. Molmasse oder Molekularmasse: M [M ]= kg/kmol

Physikalisches Praktikum

Direktreduktion: mit Wasserstoff oder CO Eisenerz direkt zu Eisenschwamm (fest) reduzieren

Grundlagen der Chemie Ionenradien

σ ½ cm = m σ ½ 1 nm

Einführung in die Physik I. Schwingungen und Wellen 3

Richtung chemischer Reaktionen, Chemisches Gleichgewicht. Massenwirkungsgesetz

Grundlagen der Chemie Metalle

4. Energetik des Kristallgitters 4.1 Energie und spezifische Wärme

Präsentation der Ergebnisse zur Defektstudie an Cu(In,Ga)Se 2 -Schichten

3 Elektrische Leitung

Thermische Ausdehnung. heißt Volumenausdehnungskoeffizient. Betrachtet man nur eine Dimension, erhält man den Längenausdehnungskoeffizienten

Fahrradrahmen. Fahrradrohrrahmen werden unter anderem aus Titan- oder Stahllegierungen hergestellt.

Wechselwirkung von Ionenstrahlen mit Materie

3.4. Leitungsmechanismen

Christian-Ernst-Gymnasium

Energieumsatz bei Phasenübergang

Brennstoffzellen. Proton-Exchange-Membran-Fuel-Cell (PEM-Brennstoffzellen) Zellspannung: 0,5 bis 1 V (durch Spannungsverluste)

Werkstoffkunde für Ingenieure

Kreisprozesse und Wärmekraftmaschinen: Wie ein Gas Arbeit verrichtet

Was haben wir gelernt?

Physik für Bauingenieure

Thermische Eigenschaften ThermLeit

Um bei p = const. und T = const. ein Mol der Substanz vom Ort x zum Ort x + dx zu transportieren, (3)

C Si Mn P S Cr Ni N. min. - 1, ,0 19,0 - max. 0,2 2,5 2,0 0,045 0,015 26,0 22,0 0,11. C Si Mn P S Cr Ni. min. - 1, ,0 19,0

Innere Reibung von Gasen

Inhalt der VL: 1. Metallbindung 2. Kristalliner Aufbau 3. Kristallbaufehler 4. Schmelzen und Erstarren 5. Isotropie und Anisotropie

Klausur Vertiefungsfach 2: Master

Kinetische Gastheorie

Die Avogadro-Konstante N A

Schwingungen. Harmonische Schwingungen. t Anharmonische Schwingungen. S. Alexandrova FDIBA TU Sofia 1

Transkript:

Einführung in Werkstoffkunde Diffusion, Erholung und Rekristallisation Dr.-Ing. Norbert Hort norbert.hort@gkss.de Magnesium Innovations Center (MagIC) GKSS Forschungszentrum Geesthacht GmbH Inhalte Über mich Einführung Aufbau von Werkstoffen Physikalische und mechanische Eigenschaften Phasenumwandlungen Diffusion, Erholung und Rekristallisation Zustandsdiagramme Werkstoffprüfung Herstellung, Eigenschaften, Verund Bearbeitung Fe Al und Mg Cu und Zn Ti, Ni und sonstige Si Polymere Keramik und Glas Verbundwerkstoffe Werkstoffauswahl Page 2 Thermisch aktivierte Bewegung Die Atome oder Moleküle eines Gitters sind keinesfalls so festgelegt, wie es der Kristallaufbau vermuten lässt. Bei genügend hohen Temperaturen haben die Kristallatome ausreichend Energie, um über Zwischengitterplätze oder in Verbindung mit Leerstellen ihre Plätze zu verlassen und im Gitter zu wandern. Diese thermisch aktivierte Bewegung, bei der es zu einem großen Materialtransport innerhalb des Werkstoffs kommen kann, nennt man Diffusion. Die Diffusion ist einer der bestimmenden Prozesse bei fast allen Festkörperreaktionen, denn über die Diffusion gelangen die Reaktanden erst zueinander. Die möglichen atomaren Diffusionsmechanismen ( = Materietransport im Festkörper) laufen ab über: a) Platztausch [a) Platztausch und b) Ringwechsel b) Ringwechsel lassen sich über mehrere Schritte von c) und d) realisieren] c) Zwischengitterplätze d) Leerstellen nur Betrachtung von c) und d)

Diffusion Diffusion - Transport von Masse durch Atombewegung Mechanismen: Gase & Flüssigkeiten zufällige (Brownsche) Bewegung Festkörper Leerstellendiffusion oder Zwischengitterdiffusion Diffusion Festkörperdiffusion: In einer Legierung wandern Atome von Bereichen hoher Konzentration in Bereich niedriger Konzentration! t=0 t>0 Konzentrationsprofil Konzentrationsprofil Diffusion Selbstdiffusion: In einem reinen Festkörper wandern die Atome ebenfalls: Markierung einiger Atome C A D B Lage nach einer Zeit t C D A B

Diffusionsmechanismen Leerstellen Diffusion: Atome wandern über Leerstellen geschieht mit Substitutionsatomen und Wirtsatomen Geschw. hängt ab von: -- Leerstellenkonzentration -- Aktivierungsenergie für den Platzwechsel Zeit Diffusion - Simulation Simulation von Platzwechseldiffusion über eine Grenzfläche: Platzwechselgeschwindigkeit hängt ab von: -- Leerstellenkonzentration -- Sprungfrequenz Diffusion - Mechanismen Zwischengitterdiffusion kleinere Atome diffundieren auf Zwischengitterplätzen. Position des Zwischengitteratoms vor dem Diffusionssprung Position des Zwischengitteratoms nach dem Diffusionssprung Schneller als Leerstellendiffusion

Diffusion - Prozesse Oberflächenhärtung: -- Kohlenstoff diffundiert in das Eisengitter im Bereich der Oberfläche -- Beispiel: Oberflächengehärtetes Zahnrad. Ergebnis: Die Anwesenheit von C-Atomen härtet Eisen (Stahl). stationäre Diffusion Wie quantifiziert man die Rate oder den Durchsatz bei der Diffusion? mol (oder Masse) diffundiert mol kg J Fluß = oder 2 2 Fläche Zeit cm s m Messungen zur Diffusion ( )( ) s Herstellen eines dünnen Films (Membran) bekannter Oberfläche Herstellen eines Konzentrationsgradienten Messen, wie schnell Atome oder Moleküle durch die Membrane diffundieren M = M l dm diffundierte J Steigung J = = At A dt Masse Zeit Diffusion - Gleichungen Diffusionsgeschwindigkeit ist unabhängig von der Zeit Fluss ist proportional zum Gradienten = dc dx C 1 C 1 C 2 C 2 1. Ficksches Gesetz dc J = D dx x 1 x 2 x D Diffusionskoeffizient dc ΔC C2 C1 falls linear = dx Δx x2 x1

Diffusion und Temperatur Diffusionskoeffizient steigt mit zunehmender Temperatur. D = D o exp Q d RT D = Diffusionskoeffizient [m 2 /s] D = Konstante [m 2 o /s] (Schwingfrequenz) Q d = Aktivierungsenergie [J/mol oder ev/atom] R = allg. Gaskonstante [8,314 J/mol-K] T = absolute Temperatur [K] Diffusion and Temperatur D hängt exponentiell von T ab D (m 2 /s) 10-8 T( C) 10-14 1500 1000 C in γ-fe Fe in γ-fe Fe in α-fe 600 C in α-fe Al in Al 300 D Zwischengitter >> DSubst.-Atom C in α-fe C in γ-fe Al in Al Fe in α-fe Fe in γ-fe 10-20 0.5 1.0 1.5 1000K/T Nicht stationäre Diffusion Die Konzentration der diffundierenden Atomsorte hängt ab von Zeit und Ort C = C(x,t) In diesem Fall verwendet man das zweite Ficksche Gesetz zweites Ficksches Gesetz 2 C C = D 2 t x Zusammenhang zwischen zeitlicher und örtlicher Konzentrationsänderung!

Zusammenfassung Diffusion schneller für... gestörte Kristallstrukturen Werkstoffe mit sekundären Bindungen kleine diffundierende Atome Werkstoffe mit geringer Dichte Diffusion langsamer für... dichtest gepackte Gitter Werkstoffe mit kovalenten Bindungen große diffundierende Atome Werkstoffe mit hoher Dichte Erholung und Rekristallisation Wärmebehandlung nach Kaltumformung Eine Stunde Wärmebehandlung senkt Rp, Rm und erhöht A. Effekte der Kaltumformung werden wieder rückgängig gemacht! Zugfestigkeit (MPa) Temperatur (ºC) 100 200 300 400 500 600 700 600 60 Zugfestigkeit 50 500 40 400 300 Erholung Dehnung Rekristallisation 30 20 Dehnung (%) Kornwachstum 3 Behandlungsschritte von Interesse!!

Erholung Kennzeichen der Erholung ist die Annäherung der physikalischen Eigenschaften des Werkstoffs an seine Eigenschaften vor der Verformung, z.b. auch durch Relaxation von Eigenspannungen. Es kommt einerseits zur Annihilation von Leerstellen und Versetzungen entgegengesetzten Vorzeichens, sowie andererseits zur Umlagerung von Versetzungen gleichen Vorzeichens in eine energetisch günstigere Lage (Polygonisation). Annihilation Polygonisation Rekristallisation Durch Bestrahlung mit energiereichen Teilchen, durch Kaltverformung, durch Abschrecken sowie durch Wachstumsstörungen bei der Kristallisation werden in ein Kristallgitter Defekte eingebaut, die die freie Enthalpie G des Werkstoffs erhöhen. Kaltverformung - aufgebrachte Energie wird zu ca. 5% in Form von Versetzungen (Metalle: typischerweise 10 15 pro m 2 = 2 MJ/m 3 ) und anderen Gitterbaufehlern im Werkstoff gespeichert, der Rest wird in Wärme umgesetzt. Der Werkstoff hat aber das Bestreben, durch Ausheilen von Gitterdefekten die freie Enthalpie herabzusetzen. Bei einer Temperaturauslagerung eines zuvor plastisch verformten Werkstoffs kommt es deshalb zu charakteristischen Veränderungen der Defektkonzentration und -verteilung, sowie der Korngröße. A) Kaltverformtes Metall B) Erholung C) Rekristallisation D) Kornwachstum Rekristallisation Es bilden sich neue Körner, die: -- eine geringe Versetzungsdichte haben -- klein sind -- die Kaltverformungskörner aufbrauchen. 0,6 mm 0,6 mm 33% kalt verformtes Messing Neue Körner nach 3 Sek. bei 580 C.

Rekristallisation alle kaltverformten Körner sind aufgebraucht. 0,6 mm 0,6 mm nach 4 Sekunden nach 8 Sekunden Rekristallisationstemperatur TR TR = Rekristallisationstemperatur = Temperatur des schnellsten Eigenschaftswechsels Tm => TR 0,3-0,6 Tm (K) Wegen Diffusion Anlassdauer TR = f(t) kürzere Dauer => höheres TR Höherer % Kaltverformung => geringere TR Verformungsverfestigung Reine Metalle haben kleinere TR wegen der einfacheren Versetzungsbewegung Einfacher in reinen Metallen => kleinere TR Rekristallisationstemperaturen Die folgende Tabelle führt Rekristallisationstemperaturen (95% rekristallisiert innerhalb einer Stunde) einiger Metalle an: Rekristallisationstemperatur ( C) Al technische Reinheit 200 hochrein -50 Cu 180 80 Fe 480 300 Ni 600 300 Die Umformung metallischer Werkstoffe wird in Bezug zu T r eingeteilt in: Kaltumformung T < T r Defekte nehmen zu, eine Verfestigung tritt ein Warmumformung T > T r Rekristallisation bei gleichzeitiger Verformung dynamische Rekristallisation

Primäre Rekristallisation Läßt sich die Energie durch Erholungsprozesse nicht mehr weiter minimieren, so beginnt ein Wachstum defektarmer Körner in Bereiche mit hoher Versetzungsdichte. Die Triebkraft dieser primären Rekristallisation ist die weitere Minimierung der Versetzungsdichte. Die Rekristallisation verläuft ähnlich einer Phasenumwandlung in zwei Stufen: - der Keimbildung und - dem Keimwachstum defektfreier, bzw. defektarmer Kristallgitterbereiche. Die Keimbildung erfolgt häufig durch Ausbauchen von Großwinkelkorngrenzen aufgrund unsymmetrischer Auflösung von Subkorngrenzen. ρ 0 = hohe Defektdichte ρ 1 = niedrige Defektdichte Die Keimbildung geht auch häufig von Korngrenztripelpunkten oder Ausscheidungen aus, da dies Orte hoher Verformung (und damit Defektkonzentration) sind. Primäre Rekristallisation Kennzeichen der primären Rekristallisation ist somit die Bewegung von Korngrenzen, so dass stark verformtes Gefüge durch fehlstellenarmes Gefüge mit niedrigerer freier Enthalpie ersetzt wird. Unterhalb einer Mindestverformung (1-5% bei den meisten Metallen) wird keine Rekristallisation beobachtet, da die Defektdichte nicht ausreicht. mittlere Korngröße t = const. ε c Verformungsgrad ε Sekundäre Rekristallisation Nach Abschluß der primären Rekristallisation setzt Kornvergröberung ein. Als Triebkraft dient die in den Korngrenzen gespeicherte Grenzflächenenergie, die durch Kornwachstum verringert wird. (Das Verhältnis Fläche zu eingeschlossenem Volumen wird mit wachsendem Korndurchmesser kleiner). Sowohl die Rekristallisationsgeschwindigkeit als auch die Endkorngröße hängen von der Temperatur und dem Verformungsgrad ab. t = const. mittlere Korngröße Glühtemperatur Bei gleich langer Glühdauer gilt: je höher die Versetzungsdichte im Ausgangsgefüge (Verformungsgrad), um so niedriger liegt die Rekristallisationstemperatur.

Sekundäre Rekristallisation Die Korngröße der primär rekristallisierten Kristalle ist umso kleiner, je höher die Versetzungsdichte war. (Faustregel: die kleinste durch primäre Rekristallisation erreichbare Korngröße ist ~ 1 μm). Bei hohen Temperaturen ist die primäre Rekristallisation rasch beendet und es kann zu heterogenem Kornwachstum kommen. Dieses wird durch die Behinderung verschiedener Korngrenzen durch Ausscheidungsteilchen, ungünstige Orientierung etc. hervorgerufen, so dass nur wenige Kristalle über einen großen Bereich wachsen können. Es entsteht ein sehr inhomogenes Korngefüge, das sich im Allgemeinen negativ auf die Werkstoffeigenschaften auswirkt. Inhomogenes Gefüge Kornwachstum Nach längerer Zeit wachsen große Körner aus den kleinen. Warum? Oberflächenenergie der Korngrenzen wird reduziert. 0,6 mm 0,6 mm Nach 8 s, 580ºC Nach 15 min, 580ºC Tertiäre Rekristallisation Tertiäre Rekristallisation tritt z.b. in dünnen Blechen auf, in denen stark unterschiedliche Oberflächenenergien bestimmter Kristallflächen zu einem bevorzugten Wachstum von zur Oberfläche günstig orientierten Kristallen führen kann. Hierdurch können ausgeprägte Texturen wie z.b. Walztexturen oder die Goss-Texturen in Fe-Si Transformatorblechen entstehen. a) b) a) Gefüge mit nicht-ausgerichteten Kristalliten, Werkstoff ist quasi-isotrop b) Gefüge mit ausgerichtete Kristalliten, Werkstoff hat Textur und ist anisotrop

Rekristallisationsdiagramm Aus der Kenntnis der Temperatur- und Verformungsgradabhängigkeit des Rekristallisationsverhaltens eines Werkstoffs können Rekristallisationsdiagramme erstellt werden, die zur gezielten Einstellung einer bestimmten Korngröße benutzt werden. Die Rekristallisation spielt auch in nichtmetallischen Werkstoffen eine wichtige Rolle: Graphit mit hoher Defektkonzentration durch Bestrahlung im Reaktor dünne Halbleiterschichten mit Aufdampfdefekten verformte Kunststoffe