Untersuchung der körperlichen Belastung hinsichtlich Abwechslung und Einseitigkeit anhand eines Fallbeispiels zu Lean Production

Ähnliche Dokumente
Ergänzung. zur Berufsgenossenschaftlichen Information (BGI 7011)

Ergonomische Defizite. in der ZSVA

Bewertung physischer Belastungen gemäß DGUV- Information (bisher: BGI/GUV-I 7011) (Anhang 3)

Zusammenhang der Bewertung des Burnout Risikos im Maslach Burnout Inventory und der Ausprägung in der AVEM Risikogruppe B

Was drückt im Büro? Fachtagung: Ein Tag für gesundes und erfolgreiches arbeiten im Büro Referentin: Diana Boden Hannover, 1.

Foto: DGUV. Steh-Sitz-Dynamik. Gesundes Arbeiten im Büro

M. Koch u.a.: Belastungsermittlung im WMS Zeichen: Rubrik Bilder: 3

der Arbeit Arbeit und Gesundheit Sitzen bei SECO Arbeitsbedingungen

Qualitätsbasierter kritischer Review der epidemiologischen Literatur: Karpaltunnelsyndrom und Beruf

Möglichkeiten der Stress- und Burnoutbewältigung in der Prävention und Rehabilitation. Diplomarbeit von Sebastian Mösch

Gefährdungsbeurteilung Beispiele aus dem Humandienstleistungsbereich Vortrag auf der RAK-Sitzung am

Wirbelsäulenbelastungen messen mit CUELA HTR - System

Ein Beispiel aus der Praxis. Risikoscreening für psychische Belastung und Beanspruchung von Mitarbeitern

Kräftigung. Behandlungsziel. praxis. Der XCO-Trainer im Praxiseinsatz. von Markus D. Gunsch. Einleitung. Physiotherapie med

Evaluierung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz

Gute Arbeitsgestaltung in allen Lebensphasen Gesundheit im Betrieb für alle Generationen gemeinsame Veranstaltung des DGB und des HMSI

Ergodynamik bringen Sie Ihren Alltag in Bewegung!

Machbarkeitsstudie und aktuelle Studie des Umweltbundesamtes, DIN 45680

Ready4Health in Gesundheitseinrichtungen- Eine Vernetzung von BGF u. ArbeitnehmerInnenschutz im Rahmen des 58. Österreichischen Kongresses für

Methodenbeschreibung zur Auswahl der Gefragten Berufe Inhalt

18.10 Zeit. Titel Engl. Titel Veranstalter

BASE als Verknüpfung von trainingswissenschaftlichen Konzepten und Arbeitsschutz im Gesundheitsmanagement der Universität Hamburg

Humanisierung der Industriearbeit Von der Fließbandarbeit zur Inselfertigung

Europe Job Bank Schülerumfrage. Projektpartner. Euro-Schulen Halle

Inhaltsübersicht. Verzeichnisse

Bettina Splittgerber Hessisches Ministerium Arbeit, Familie und Gesundheit. GDA-Arbeitsprogramm Sicherheit und Gesundheitsschutz in der Zeitarbeit

ver.di-online-handlungshilfe zur Gefährdungsbeurteilung

Lean Excellence: Führen des Verbesserungsprozesses Dr. Christian Huber Leiter Lean Programm (LOS), LGI Logistics Group International GmbH, Herrenberg

Belastungen und der Arbeits- und Gesundheitsschutz bei Erzieherinnen

Der Inhalt dieses Dokuments ist Eigentum der WITRON Logistik + Informatik GmbH und darf ohne ausdrückliche Erlaubnis weder kopiert noch an Dritte

Multimomentaufnahme. Fachhochschule Köln Campus Gummersbach Arbeitsorganisation Dr. Kopp. Multimomentaufnahme. Arbeitsorganisation

Ergonomie in Motion (EiM) Betriebliches Gesundheitsmanagement

Wie gesund ist Ihr Arbeitsplatz? EvAluIErung EntlAstEt. Arbeitsplatzevaluierung psychischer Belastungen nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG)

Rückenbeschwerden und Psyche. Was bei der Volkskrankheit Rückenschmerzen wirklich hilft

RECHT AKTUELL. GKS-Rechtsanwalt Florian Hupperts informiert über aktuelle Probleme aus dem Beamten- und Disziplinarrecht

Matilda Steiner, System Line, MES/ABB Automation Day, Modul 10D Wie effizient ist Ihre Produktionsanlage

Rückenbelastungen reduzieren auch bei der Pflege schwerer Menschen. Ergebnisse der Forschungsprojekte der BGW

Informationen zum Thema umfassende Gefährdungsbeurteilung: Psychische Belastungen erkennen und erfassen. FH Südwestfalen, 23.

Arbeitszeit und Gesundheit

Themen für Seminararbeiten WS 15/16

Arbeitsbedingungen in NRW Fokus auf psychische Belastungen und Arbeitszeit

Betriebliches Eingliederungsmanagement - Erfahrungen aus der Praxis

Hausaufgaben für Patienten mit Arthrose Bd. 1

Protokoll zum Versuch: Atwood'sche Fallmaschine

Herausforderungen im Personalcontrolling

1x1. 1x1. der Blutdruckmessung. Premium-Qualität für die Gesundheit

Machen Sie Ihr Unternehmen zukunftssicher!

Interventionskonzept zur Reduzierung der physischen Belastung am Arbeitsplatz Kindertagesstätte

Psychische Belastung am Arbeitsplatz

Deutsche Fassung. Ergonomie - Manuelles Bewegen von Personen im Bereich der Pflege (ISO/TR 12296:2012)

Thomas Heiming. Alter(n)sgerechte Arbeitsgestaltung für Mittelständler demografische Herausforderungen

Nachhaltige Ergonomie für die Logistik

Entwicklung der Gleichgewichtsfähigkeit mit dem Pezziball

Ansätze zur Prävention psychischer Erkrankungen im Betrieb

Motorische Förderung von Kindern im Schulsport

Einführung in die Arbeitswissenschaft

Credit Rating Industry

Ergonomisch richtig arbeiten

Makrem Kadachi. Kriterien für eine simulationskonforme Abbildung von Materialflusssystemen. Herbert Utz Verlag München

Software-Verifikation

Kostenreduktion durch Prävention?

Einlagentherapie für den Rücken?

Von RISKOFDERM zu BEAT

Anlage 3 zur BV Gefährdungsbeurteilung vom der Firma XY. Fragebogen zur Ermittlung psychischer Belastungen (Grobanalyse) Vorbemerkungen:

von Markus Kühn Teil I

2. Datenvorverarbeitung

Rotation. Versuch: Inhaltsverzeichnis. Fachrichtung Physik. Erstellt: U. Escher A. Schwab Aktualisiert: am Physikalisches Grundpraktikum

des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst

7 Belastungsorientierte Job Rotation für eine alternsgerechte Arbeitsorganisation am Beispiel der Logistik

Novellierung der Betriebssicherheitsverordnung

Einbinden der Why-Because-Analyse bei der Untersuchung von Produktsicherheitsmängeln

CHECK-UP KENNZAHLENSYSTEM

Multi-Agent Systems. Agentensysteme. Industry 4.0 Machine Learning. Energy and Smart Grids

Automatisierung vs. Flexibilität. gilt das noch? LogiMAT 2005, 02. Februar 2005, Stuttgart Forum Materialflussautomatisierung

Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes NRW

Beuth Hochschule BEUTH HOCHSCHULE FÜR TECHNIK BERLIN University of Applied Sciences

1x1. der Blutdruckmessung

Einbindung von Betriebsärzten/innen in die Bedarfsanalyse

Erfassung von Übelkeit und Erbrechen bei krebskranken Menschen unter Chemotherapie. Bachelorarbeit Ronja Stabenow SS 2013

Komfortabel und produktiv am Tablet arbeiten

Den Serviceerfolg planen, steuern und messen

Fachbereich Geowissenschaften. Layoutbeispiel einer Bachelorarbeit

Präventionskampagne Denk an mich Dein Rücken

Algorithmic Trading. Johannes Gomolka. Analyse von computergesteuerten Prozessen im Wertpapierhandel unter Verwendung der Multifaktorenregression

5 Selbstkonstruktion und interpersonale Distanz empirische Prüfung

Wie du die Modetro Premium Trainingsbänder effektiv einsetzt, um deine Fitness zu verbessern

Vertiefungsseminar Controlling Projektseminar experimentelle Forschung SS 2008

Checkliste zur Vermeidung ungünstiger Arbeitshaltungen

Trisomie 21: Entstehung - Folgen - Lebenserwartung/-standard - Auftretenswahrscheinlichkeit

Sitzposition im Handbike: Auswirkung auf die Schulterbelastung und die Effizienz

Eine Workflow-Applikation mit InterSystems Ensemble im Rahmen einer DICOM-Modality Worklist. M. Sc. Sebastian Thiele NestorIT GmbH

Auswirkungen des Pendelns auf das subjektive Wohlbefinden

Rückenschmerzen Wenn die Last zu gross wird

Die geänderten Anforderungen an die Gefährdungsbeurteilung nach der Änderung der BetrSichV

P R E S S E I N F O R M A T I O N

The Economics of Higher Education in Germany

Mögliche Themen für Abschlussarbeiten (Zulassungs-, Bachelor- oder Masterarbeiten) bei der Professur für Sport- und Gesundheitspädagogik

TRAMP TRAINER TT AKTIVE REHA-SYSTEME

Martin-Raumkonzepte.de. Martin. Raumkonzepte. fresh ergonomics 2 / Lösungen für Unternehmen planen gestalten realisieren

Transkript:

GfA, Dortmund (Hrsg.) VerANTWORTung für die Arbeit der Zukunft Beitrag B..6 Untersuchung der körperlichen Belastung hinsichtlich Abwechslung und Einseitigkeit anhand eines Fallbeispiels zu Lean Production Michael KELTERBORN, Hans TAVS, Willibald A. GÜNTHNER Lehrstuhl für Fördertechnik, Materialfluss, Logistik, Technische Universität München Boltzmannstraße 5, D-85748 Garching MAN Truck & Bus AG Dachauerstr. 667, D-80995 München Kurzfassung: Die Trennung von Produktions- und Logistiktätigkeiten, welche im Rahmen des Lean Production Ansatzes vorangetrieben wird, ermöglicht Produktivitätssteigerungen. Allerdings kann dies zu monotonen Tätigkeiten und einseitigen Belastungen führen. Im nachfolgenden Beitrag wird exemplarisch untersucht, inwieweit sich durch Trennung von Produktions- und Logistiktätigkeiten die körperliche Belastung verändert. Zur Untersuchung wird ein System vorbestimmter Zeiten mit einem Verfahren zur Untersuchung der Körperhaltung kombiniert. Mithilfe dieses Ansatzes konnte gezeigt werden, dass es aus ergonomischer Sicht sinnvoll sein kann Vormontage- und Kommissioniertätigkeiten nicht zu trennen, da sich hierdurch abwechslungsreichere Arbeitsabläufe ergeben. Schlüsselwörter: Produktionsergonomie, Logistik, Belastung, Abwechslung, Systeme vorbestimmter Zeiten, Lean. Einleitung Die Trennung von Produktions- und Logistiktätigkeiten, welche im Rahmen des Lean Production Ansatzes vorangetrieben wird, verspricht durch Standardisierung, Transparenz und Outsourcing von Nebentätigkeiten Produktivitätssteigerungen. Dies kann allerdings zu monotonen Tätigkeiten und einseitigen Belastungen führen, welche im Widerspruch zu den Anforderungen an ergonomische Arbeitsplätze stehen. Grundsätzliche Konsensmeinung in der Wissenschaft ist, dass abwechselnde Belastung gesundheitsförderlich ist (Wells et al. 007) und die Arbeitszufriedenheit erhöhen kann (Mathiassen 006). Verfahren zur Bewertung der Arbeitsbelastung (z.b. EAWS, LMM) ignorieren diesen Aspekt allerdings, da die zeitliche Abfolge von Tätigkeiten nicht berücksichtigt wird. Zur Beschreibung der zeitlichen Abfolge von Tätigkeiten werden in der Fertigungsplanung Systeme vorbestimmter Zeiten (z.b. MTM) verwendet, welche sich eignen könnten die zeitliche Abfolge ergonomisch zu berücksichtigen (Wells et al. 007; Kelterborn et al. 04). Im nachfolgenden Beitrag wird dieser Ansatz aufgegriffen. Untersucht wird ein für die Automobilindustrie charakteristischer Versorgungsprozesses, bestehend aus Kommissionierung, Vormontage und Bereitstellung. Hierzu wird ein System vorbestimmter Zeiten mit einem Verfahren zur Beschreibung der Körperhaltung kombiniert. Als System vorbestimmter Zeiten wird das MTM System und zur Analyse der Körperhaltung die OWAS Methode verwendet.

GfA, Dortmund (Hrsg.) VerANTWORTung für die Arbeit der Zukunft Beitrag B..6. Einseitige und wechselnde Belastung Biomechanische Grundlage für die gesundheitsförderliche Wirkung von Abwechslung stellen die unterschiedlichen Mechanismen zur Energieerzeugung im Muskel dar. Kurzzeitige anaerobe Kraftleistungen müssen immer durch eine Erholungsphase ausgeglichen werden (Hartmann et al. 03). Werden den Muskeln keine ausreichende Regenerationsmöglichkeit gegeben kann es sogar zur Schädigung kommen (Visser et al. 006). Wissenschaftlich ist der Effekt von Abwechslung nicht ausreichend untersucht (Wells et al. 007; Mathiassen 006). Nach Wells et al. (007) dürfte dies an der Schwierigkeit liegen zeitbezogene Daten zu aggregieren. Während Menschen sehr gut Tätigkeiten und Aufgaben beschreiben können, ist die Fähigkeit Zeiten und Zeitanteile abzuschätzen deutlich geringer ausgeprägt. Notwendig wären hierfür Daten aus direkten Messungen. Mathiassen (006) sieht als zusätzliche Erschwernis den Mangel einer einheitlichen Definition für Belastungsabwechslung. Allerdings sind aus verwandten Bereichen wissenschaftliche Studien verfügbar, welche die Annahme einer gesundheitsförderlichen Wirkung von Abwechslung unterstützen. So wurde in Laborstudien festgestellt, dass ein Zeitregime mit Unterbrechungen die Ermüdung reduziert, auch wenn sich die Gesamtarbeitsmenge nicht ändert (Sundelin 993). Verschiedene Studien zeigen zudem, dass die Einführung von standardisierten, kurz getakteten Tätigkeiten zu einem Anstieg an Muskel-Skelett Erkrankungen führen kann (Ólafsdóttir 998; Fredriksson et al. 00; Moreau 003). Ansätze, welche zur Quantifizierung von Belastungsabwechslung vorgeschlagen werden (Mathiassen & Winkel 99; Waters et al. 007; Mathiassen 006), sind vielversprechend, beziehen sich aber nur auf eine Belastungsgröße und können noch nicht in eine Risikoeinschätzung überführt werden. Auf Arbeitsplatzebene stehen somit noch keine Methoden zur Untersuchung der Abwechslung zur Verfügung. 3. Untersuchungsmethode In der Untersuchung wird die Versorgung eines Achsmontagebandes mit dem Bremsgestängesteller betrachtet. Dieses Standardbauteil hält bei Verschleiß des Bremsklotzes den Abstand zwischen Bremsscheibe und Bremsklotz konstant. Der Versorgungsprozess besteht aus Kommissionierung, Vormontage und Bereitstellung des Bauteils am Montageband (siehe Abb.). Am ersten Arbeitsplatz (AP.) wird der Bremsgestängesteller fahrzeugbezogen kommissioniert und in der Verbaureihenfolge in einem Spezialbehälter (Sequenzbehälter) abgelegt. Es werden jeweils zwei Bauteile aus dem sortenreinen Behälter entnommen und im Sequenzbehälter abgelegt. Der Mitarbeiter hat an diesem Arbeitsplatz keine Sitzmöglichkeit. Am zweiten Arbeitsplatz (AP.) wird der Bremsgestängesteller in einer verbauortnahen Vormontage eingestellt. Dem Mitarbeiter steht an diesem Arbeitsplatz eine Stehhilfe zur Verfügung. Im Rahmen der Untersuchung wird dieser Ablauf mit dem Szenario verglichen, die Kommissionierung und Vormontage kombiniert in einem Schritt auszuführen (AP ). Dabei wird die Einstellvorrichtung inklusive der Stehhilfe neben dem Sequenzbehälter platziert. Der Mitarbeiter entnimmt jeweils zwei Bauteile, geht zur Einstellvorrichtung, setzt sich auf die Stehhilfe, führt den Einstellvorgang durch und legt die Bauteile anschließend im Sequenzbehälter ab.

Einbau Montageband GfA, Dortmund (Hrsg.) VerANTWORTung für die Arbeit der Zukunft Beitrag B..6 3 Kommissionierung Gestängesteller sequenzieren Vormontage Gestängesteller einstellen Sequenzbehälter Anlieferbehälter Einstelllehre Einstellvorgang Abbildung : Versorgungsprozess Bremsgestängesteller Der Arbeitsablauf wurde mithilfe dem MTM- System und der OWAS Methode beschrieben. Das MTM Verfahren ermöglicht die Modellierung eines manuellen Arbeitsablaufs unter Verwendung von standardisierten Grundbewegungen, welchen Zeiten zugeordnet sind. Das OWAS Verfahren codiert die Körperhaltung mithilfe von 4 möglichen Rückenhaltungen, 3 Armhaltungen, 7 Beinhaltungen und 3 Gewichtskategorien (Karhu et al. 977). Den Haltungen und möglichen Kombinationen ist jeweils ein Risikoindex zugeordnet. Das einfach anzuwendende Verfahren wird auch von aktuellen Motion-Capturing-Systemen zur Beschreibung und Analyse der Körperhaltung verwendet (z. B. CUELA: Glitsch 004; Gudehus 009). 4. Ergebnis Die Zeit für einen Grundzyklus hat sich von s (AP., für Stück) und 0s (AP., für Stück) auf 4s (AP, für Stück) erhöht. Die Produktivität, gemessen in Arbeitszeit pro Bauteil, verändert sich damit nur geringfügig. Allerdings stellt die Erhöhung der Zykluszeit von 3s respektive 0s auf 4s eine ergonomische Verbesserung dar, da Zykluszeiten unter 30s als hoch repetitiv und damit belastend zu bewerten sind (Silverstein et al. 986). Abb. zeigt die Auswertung der Körperhaltungen. Rücken: An AP. befindet sich der Mitarbeiter zu 38 % der Zeit in gebeugter und gedrehter Haltung (4) und erreicht damit Aktionskategorie 3 (Gesundheitsgefährdend, Maßnahmen zur Abhilfe sollten so schnell wie möglich ergriffen werden). An AP befindet sich der Mitarbeiter nur noch zu % in dieser Haltung, wodurch sich die Aktionskategorie um eine Stufe auf (Gesundheitsgefährdung möglich, Maßnahmen zur Abhilfe sollten in naher Zukunft ergriffen werden) verbessert. Beine: Während an Arbeitsplatz. der Mitarbeiter die ganze Zeit über steht und geht, sitzt der Mitarbeiter an Arbeitsplatz. durchgehend. Beides ist nicht optimal, besser wäre eine Abwechslung zwischen gehen, stehen und sitzen. Der Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (Berger 009) schlägt ein

Arme Beine Rücken GfA, Dortmund (Hrsg.) VerANTWORTung für die Arbeit der Zukunft Beitrag B..6 4 Verhältnis von 60% Sitzen, 30% Stehen und 0% Gehen vor. AP kommt dieser Verteilung mit 63% Sitzen, 0% Stehen und 7% Gehen sehr nahe. Dies stellt somit eine weitere wesentliche Verbesserung der Ergonomie dar. Arme: Arbeit über Schulterhöhe kommt an keinem der Arbeitsplätze vor, so dass sich keine Unterschiede zwischen AP., AP. und AP ergeben. [%] 5 0 5 0 5 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 90 95 00 3 4 [%] 5 0 5 0 5 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 90 95 00 3 4 5 6 7 [%] 5 0 5 0 5 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 90 95 00 3 AP. AP. AP 6% 79% 76% 0 6 % 3 % 38% 5% % 0 00% 63% 8% 0 0% 9% 0 7% 00% 00% 00% 3 4 Rücken OWAS Haltungskodierung (Karhu et al. 977) 3 4 5 6 7 Beine 3 Arme Aktionskategorie Aktionskategorie Aktionskategorie 3 Aktionskategorie 4 Abbildung : Körperhaltung und Zeitanteile nach Arbeitsplatz 5. Diskussion Das Ergebnis zeigt exemplarisch, dass es aus ergonomischer Sicht sinnvoll sein kann Vormontage und Kommissionierung an einem Arbeitsplatz zu kombinieren. Hieraus ergibt sich ein längerer Grundzyklus, was aus ergonomischer Sicht grundsätzlich positiv zu bewerten ist. Weiterhin ist es möglich, dass sich durch die Kombination eine abwechslungsreichere Kombination an unterschiedlichen Haltungen ergibt. Im untersuchten Beispiel ergab die Kombination eines Steharbeitsplatzes mit einem Sitzarbeitsplatz eine ergonomisch günstige Verteilung von Sitzen, Stehen und Gehen. Abwechslung zwischen verschiedenen Körperhaltungen ist für die anderen Körperpartien ebenso anzustreben (u.a. Hartmann et al. 03; Sämann 970). Sämann (970) schrieb hierzu Es soll ein Haltungswechsel möglich sein, damit die Belastung alternierend von verschiedenen Muskelgruppen aufgenommen werden kann. Keine Haltung ist so vollkommen, dass sie über längere Zeit eingenommen werde kann. Mithilfe des vorgestellten Ansatzes ist es möglich, bereits in der Planungsphase die Zeitanteile der verschiedenen Körperhaltungen zu bestimmen. Zur Vereinfachung und Objektivierung der Interpretation wäre in diesem Zusammenhang eine Abwechslungskennzahl nützlich. Der Ansatz des Haltungsverteilungskoeffizient (HVK) stellt eine einfache Möglichkeit hierfür dar und wird im Folgenden kurz

Arme Beine Rücken GfA, Dortmund (Hrsg.) VerANTWORTung für die Arbeit der Zukunft Beitrag B..6 5 vorgestellt. Der HVK quantifiziert die Abweichung von einer anzustrebenden Verteilung der Körperhaltung nach folgender Formel: HVK = k (p n= n q n )² () mit: k = Anzahl Kategorien für entsprechende Körperregion p = tatsächlicher Anteil der Haltung q = Anteil aus Zielverteilung Entsprechend der Zielstellung können unterschiedliche Verteilungen als Zielstellung angenommen werden. Für die Untersuchung wurde als anzustrebende Verteilung vorgegeben, dass jede Körperhaltung vorkommen soll und dass der Zeitanteil an dieser Körperhaltung umso größer ist, je weniger belastend eine Körperhaltung ist. Hierzu wurde die Grenze zwischen Aktionskategorie und aus der OWAS Methode normiert (siehe Abb. 3) Der HVK für AP. ist mit 0,6 am niedrigsten, da hier der Zeitanteil an der kritischen Haltung 4 (gebeugt und gedreht) am geringsten ist. Für die Beine zeigt der Haltungsverteilungskoeffizient, dass sowohl an AP. (HVK Beine: 0,55) mit Steh- /Geharbeit als auch an AP. (HVK Beine: 0,7) mit Sitzarbeit eine einseitige Haltung vorliegt, während sich der Ablauf an AP (HVK Beine: 0,337) abwechslungsreicher darstellt. Für die Arme ergibt sich kein Unterschied, da an keinem der drei Arbeitsplätze Arbeit über Schulterhöhe auftritt. Haltungsverteilungskoeffizient 0,9 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0, 0, 0 Rücken Beine Arme AP. 0,347 0,55 0,33 AP. 0,6 0,7 0,33 AP 0,9 0,337 0,33 Zugrundeliegende Zielverteilung Grenze zwischen Abgeleitete Körperhaltung Aktionskategorie und Sollverteilung nach OWAS Methode Gerade 00% 00%/,55 =65% Gebeugt 30% 30%/,55=9% 3 Gedreht 0% 0%/,55=3% 4 Gebeugt + gedreht 5% 5%/,55=3% Normierungsfaktor 55% Sitzen 90% 90%/3,=9% Stehen 80% 80%/3,=6% 3 Stehen auf einem Bein 30% 30%/3,=0% 4 Kauern, beide Knie gebeugt 5% 5%/3,=% 5 Kauern, ein Knie gebeugt 5% 5%/3,=% 6 Knien 0% 0%/3,=6% 7 Gehen oder Bewegen 80% 80%/3,=6% Normierungsfaktor 30% Beide Arme unter Schulterhöhe 00% 00/,5=67% Ein Arm auf/über Schulterhöhe 30% 30/,5=0% 3 Beide Arme auf/über Schulterhöhe 0% 0/,5=3% Normierungsfaktor 50% Abbildung 3: Ableitung einer abwechslungsreichen Haltungsverteilung aus der OWAS Methode und Auswertung des Haltungsverteilungskoeffizienten nach () Der Haltungsverteilungskoeffizient zeigt für das Untersuchungsbeispiel ein aussagekräftiges Ergebnis und könnte generell als Kennzahl zur Beschreibung von Belastungsabwechslung hilfreich sein, wobei folgende Einschränkungen zu berücksichtigen sind. Erstens muss die Sollverteilung sinnvoll gewählt werden, da der HVK die Abweichung hiervon bestimmt. Zweitens unterscheidet der HVK nicht hinsichtlich Abfolge und Dauer der eingenommen Haltungen, sondern berücksichtigt nur die summierten Zeitanteile in einer Haltung. Zur Berücksichtigung dieses Aspektes sind weitere Kennzahlen notwendig, eine Möglichkeit hierfür ist der von uns vorgeschlagene Variationskoeffizient (Kelterborn et al. 05). Drittens muss berücksichtigt werden, dass die OWAS Methode an sich Anwendungsgrenzen

GfA, Dortmund (Hrsg.) VerANTWORTung für die Arbeit der Zukunft Beitrag B..6 6 unterliegt. Sie ermöglicht die Haltung des gesamten Köpers mit geringem Aufwand zu erfassen, ist dafür allerdings relativ grob. Dies gilt insbesondere für die Arme, bei welchen nur zwischen über und unter Schulterhöhe unterschieden wird. Für Logistiktätigkeiten mit dominanten Ganzkörperbewegungen (z.b. Stehen, Gehen, Bücken, Strecken) ist die Methode gut geeignet. Für Montagebewegungen mit dominanten Hand-Arm Bewegungen kann die OWAS Methode allerdings zu ungenau sein. Mithilfe des vorgestellten Ansatzes wurde gezeigt, dass es aus ergonomischer Sicht sinnvoll sein kann Vormontage- und Kommissioniertätigkeiten nicht zu trennen. Die verwendete Methodik ist einfach anzuwenden und wäre insofern auch in der industriellen Praxis anwendbar. Allerdings ist hierfür eine weitere Erprobung und Validierung notwendig. 6. Literatur Berger H, Caffier G, Schultz K, Trippler D (009): Bewegungsergonomische Gestaltung von andauernder Steharbeit. Handlungsanleitung zur Beurteilung der Arbeitsbedingungen. Fredriksson K, Bildt C, Hägg G, Kilbom Å (00) The impact on musculoskeletal disorders of changing physical and psychosocial work environment conditions in the automobile industry. International Journal of Industrial Ergonomics 8:3 45. Glitsch U (004) Untersuchung der Belastung von Flugbegleiterinnen und Flugbegleitern beim Schieben und Ziehen von Trolleys in Flugzeugen. Sankt Augustin: BIA (BIA-Report / Berufsgenossenschaftliches Institut für Arbeitsschutz - BIA, 004,5). Gudehus T C (009): Entwicklung eines Verfahrens zur ergonomischen Bewertung von Montagetätigkeiten durch Motion-Capturing. Dissertation. Kassel: Kassel Univ. Press. Hartmann B, Ellegast R P, Spallek M (03): Arbeitsbezogene Muskel-Skelett-Erkrankungen. Ursachen, Prävention, Ergonomie, Rehabilitation. Heidelberg, München [u.a.]: Ecomed Medizin Kelterborn M, Jeschke V, Meissner S, Intra C, Günthner W A (05) Elimination of non-value-adding operations and its effects on exposure variation at an order picking workplace. Contemporary Ergonomics and Human Factors 05 (In Druck). Kelterborn M, Burghart C, Kraul R, Intra C, Günthner W A (04) Zeitliche und ergonomische Bewertung in der Kommissionierung. Industrie Management 30:4-44. Karhu O, Kansi P, Kuorinka I (977) Correcting working postures in industry: A practical method for analysis. Applied Ergonomics 8:99 0. Mathiassen S E (006) Diversity and variation in biomechanical exposure: What is it, and why would we like to know? Applied Ergonomics 37:49 47. Mathiassen S E, WinkeI J (99) Quantifying variation in physical load using exposure-vs-time data. Ergonomics 34:455 468. Moreau M (003) Corporate ergonomics programme at automobiles Peugeot-Sochaux. Applied Ergonomics 34:9 34. Ólafsdóttir H, Rafnsson V (998) Increase in musculoskeletal symptoms of upper limbs among women after introduction of the flow-line in fish-fillet plants. International Journal of Industrial Ergonomics :69 77. Sämann W (970) Charakteristische Merkmale und Auswirkungen ungünstiger Arbeitshaltungen. Band 7 von Arbeitswissenschaft und Praxis: Beuth. Silverstein B A, Fine L J, Armstrong T J (986): Hand wrist cumulative trauma disorders in industry. In: Occupational and Environmental Medicine 43:779 784. Sundelin G (993) Patterns of electromyographic shoulder muscle fatigue during MTM-paced repetitive arm work with and without pauses. International archives of occupational and environmental health, 64: 485-493. Visser B, van Dieën, Jaap H (006) Pathophysiology of upper extremity muscle disorders. Journal of Electromyography and Kinesiology 6: 6. Waters TR, Lu M-L, Occhipinti E (007) New procedure for assessing sequential manual lifting jobs using the revised NIOSH lifting equation. Ergonomics 50:76 770. Wells R, Mathiassen S E, Medbo L, Winkel J (007) Time A key issue for musculoskeletal health and manufacturing. Applied Ergonomics 38:733 744.