Einschätzung der finanziellen Auswirkungen bei Umsetzung des EuGH-Urteils zum Bereitschaftsdienst

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Transkript:

Einschätzung der finanziellen Auswirkungen bei Umsetzung des EuGH-Urteils zum Bereitschaftsdienst Ergebnisse der DKG-Umfrage vom 13.11.21

2 1. Einleitung Um die möglichen Auswirkungen des EuGH-Urteils vom 3.1.2 (Rechtssache C-33/98) aus Sicht der Krankenhausträger voraus schätzen zu können, hat die Deutsche Krankenhausgesellschaft in Ergänzung zu ersten Hochrechnungen eine Befragung der deutschen Krankenhäuser initiiert. Der Fragebogen wurde an die Mitgliedverbände der DKG versandt und von dort aus in die Krankenhäuser gestreut. 422 zurückgesandte Fragebögen wurden in der Auswertung berücksichtigt. Die Rücklaufquote beträgt ca. 2 Prozent. Der Fragebogen läßt sich in fünf Teile aufgliedern: 1. Zunächst wurden allgemeine Daten des Krankenhauses abgefragt. Sie dienen dazu, am Ende des Fragebogens vorgenommene prozentuale Berechnungen vorzunehmen bzw. nachvollziehen zu können. 2. Anschließend wurden mehrere Fragen zur bisherigen Organisation des Bereitschaftsdienstes gestellt. 3. Weiterhin wurde abgefragt, in welcher Form die Krankenhausträger planen, den Bereitschaftsdienst bei Anwendbarkeit des EuGH-Urteils umzugestalten. 4. Im vorletzten Teil des Fragebogens wurde nach dem daraus resultiertenden Personal- und Finanzmehrbedarf gefragt; dabei wurden die Krankenhäuser um Darstellung der Berechnungsweise gebeten. 5. Abschließend wurde eine offene Frage gestellt, in der die Krankenhäuser aus Ihrer Sicht zentrale Folgen des EuGH-Urteils niederschreiben konnten. Die wichtigsten Ergebnisse der Punkte 2-5 werden im folgenden dargestellt. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft bedankt sich bei allen Krankenhäusern, die durch ihre Beteiligung diese Befragung ermöglicht haben.

3 2. Bisherige Organisation des Bereitschaftsdienstes In diesem Abschnitt des Fragebogens wurde gefragt: nach den Berufsgruppen, die Bereitschaftsdienst leisten, nach der Darstellung der derzeitigen Organisationsform, in welchen Stufen die Bereitschaftsdienste geleistet werden, wie lange ein Bereitschaftsdienst dauert und in welchem Umfang Freizeitausgleich praktiziert wird. Im folgenden wird präsentiert, welche Berufsgruppen Bereitschaftsdienst leisten, wie die bisherige Organisationsform aussieht und in welchem Umfang Freizeitausgleich genutzt wird. 2.1. Bereitschaftsdienstleistende Berufsgruppen Bei der Frage, welche Berufsgruppen derzeit in Krankenhäusern Bereitschaftsdienst leisten, ergibt sich folgendes Bild: Bereitschaftsdienstleistende Berufsgruppen Nennung in Prozent 12 1 8 6 4 2 98,57 69,12 62,23 12,11 1,9,48 7,6 Ärztl. Dienst Funktionsdienst Med.-techn. Di... Pflegedienst Pforte Verwaltung Sonstige Berufsgruppe Die Graphik veranschaulicht, dass in fast jedem befragten Krankenhaus Ärzte Bereitschaftsdienst leisten. Weiterhin leisten in etwa zwei Drittel der befragten Krankenhäuser der Funktionsdienst und der medizinisch-technische Dienst Bereitschaftsdienst. Die anderen Berufsgruppen sind in wesentlich geringerem Umfang vom Bereitschaftsdienst betroffen. Unter der Rubrik "sonstiges war zumeist der technische Dienst oder die EDV-Abteilung aufgeführt.

4 2.2. Bisherige Organisationsform Aufgrund der im Detail vielfältigen Formen des Bereitschaftsdienstes, die sich insbesondere zwischen den Berufsgruppen unterscheiden, beschränkt sich die folgende Darstellung auf den ärztlichen Dienst. Diese Berufsgruppe ist am häufigsten vom Bereitschaftsdienst betroffen. Bisherige Organisationsform Nennung in Prozent (Mehrfachnennung möglich) 1 8 6 4 2 78,38 Tradit. Bereitschaftsdienst 24,7 zeitversetzte Dienste m. anschl. BD,48,48 geteilte Dienste m. anschl. BD Sonstiges Organisationsform Der Bereitschaftsdienst wird derzeit überwiegend dergestalt durchgeführt, dass sich an einen Tagdienst von 8 Stunden ein Bereitschaftsdienst anschließt. Der Tagdienst endet in der Regel zwischen 16. Uhr und 16.3 Uhr, gefolgt von einem ca. 16stündigen Bereitschaftsdienst. An einem Freitag schließt sich gewöhnlich nach einer Arbeitszeit bis 14. Uhr ein Bereitschaftsdienst von 17,5 oder 18 Stunden an. Am Wochenende wird in der Regel ein 24-Stunden Bereitschaftsdienst praktiziert. Diese Organisationsform bezeichnen wir als den "traditionellen Bereitschaftsdienst. Etwa ein viertel der befragten Häuser praktizieren einen "modifizierten Bereitschaftsdienst". Hier wird durch zeitversetzte Tagdienste ein späterer Beginn des Bereitschaftsdienstes umgesetzt. Da auf diesem Wege beispielsweise ein regulärer Tagdienst bis 2. Uhr durchgeführt werden kann, reduziert sich damit die Dauer des Bereitschaftsdienstes. Darüber hinaus verringert sich aber auch die Beanspruchung des Arztes während des Bereitschaftsdienstes, da die arbeitsintensiven Zeiten gewöhnlich zu Beginn des Bereitschaftsdienstes liegen. Im Umfang von unter einem Prozent werden geteilte Dienste praktiziert, bei denen ein Arzt beispielsweise vier Stunden am Vormittag und vier Stunden am späten Nachmittag, z.b. von 16. Uhr bis 2. Uhr reguläre Arbeitszeit leistet, um anschließend in den Bereitschaftsdienst zu gehen.

5 2.3. Gewährung von Freizeitausgleich Nutzung des Freizeitausgleiches Nennung in Prozent 1 9 8 7 6 5 4 3 2 1 86,94 JA 13,6 NEIN In fast 9% der befragten Krankenhäuser wird Freizeitausgleich durchgeführt. In we l- cher Form der Freizeitausgleich praktiziert wird, wurde durch eine offene Frage abgefragt. Am häufigsten wird von den Krankenhäusern die Regelung genannt, dass dem Arzt, der Bereitschaftsdienst geleistet hat, nach einem Dienst der Stufe C oder D ein Freizeitausgleich am Folgetag gewährt wird, sofern der Folgetag ein Wochenarbeitstag ist. Dies entspricht der Soll-Regelung der SR 2c des Bundes- Angestelltentarifvertrages (BAT).

6 3. Umgestaltung des Bereitschaftsdienstes Umgestaltung (Mehrfachnennungen möglich) Nennung in Prozent 1 8 6 4 2 81,24 8,55 5,7 11,16,71 Schichtdienst modifizierter BD Rufbereitschaft gar nicht sonstige Umgestaltung Organisationsform Der weit überwiegende Teil von knapp 82% der befragten Krankenhäuser geht davon aus, dass bei Anwendbarkeit des EuGH-Urteils ein Schichtsystem einzuführen ist. Genauere Angaben zur Ausgestaltung des Schichtsystems werden nur teilweise gemacht. Dies liegt nach unserer Einschätzung zum einen daran, dass die Anwendbarkeit des EuGH-Urteils in Deutschland weiterhin völlig offen ist. Die Einführung alte r- nativer Arbeitszeitmodelle (z. B. Schichtdienste) ist zudem ein langwieriger und komplexer Prozess, in den die betroffenen Berufsgruppen und Mitarbeitervertretungen integriert werden müssen. Zum anderen kommt hinzu, dass für die Krankenhäuser nicht absehbar ist - selbst wenn die Geltung des EuGH-Urteils antizipiert wird, ob und ggf. welche Veränderungen im Arbeitszeitgesetz und in den Tarifverträgen folgen würden. Der künftige Handlungsspielraum für eine Umgestaltung der Arbeitsorganisation ist somit unsicher. Von den 81,24%, die sich für die Umgestaltung in einen Schichtdienst aussprechen, erwägen rund ein viertel explizit die Umgestaltung in ein 3-Schichtmodell. Weiterhin wird über die Umgestaltung von Bereitschaftsdiensten niedriger Stufen in Rufbereitschaft nachgedacht. Hierbei handelt es sich um 5,4% der befragten Krankenhäuser. 8,4% erwägen einen modifizierten, d.h. in der Regel verkürzten Bereitschaftsdienst, der dann mit zeitversetzten Tagdiensten einhergeht. Unter der Rubrik "sonstige Umgestaltung, die 11,16% der Krankenhäuser angaben, wird zumeist die Einstellung zusätzlichen Personals benannt, ohne dass Vorstellungen über eine genaue Umgestaltungsform bestanden.

7 4. Finanzielle und organisatorische Auswirkungen bei Anwendbarkeit des EuGH-Urteils In diesem Abschnitt werden sowohl der sich bei Anwendung des EuGH-Urteil in Deutschland ergebende Mehrbedarf an Personal als auch die finanziellen Auswirkungen präsentiert. Bei der Darstellung der finanziellen Auswirkungen hatten die Krankenhäuser die Vorgehensweise der Berechnung darzulegen. Die Krankenhäuser gingen dabei nach dem Berechnungsschema vor, dass zunächst der Personalmehrbedarf bei Einführung einer EuGH-konformen Arbeitszeitgestaltung ermittelt und die daraus resultierenden Kosten errechnet wurden. Von diesen Kosten wurde der Betrag abgezogen, der sich durch Wegfall der Bereitschaftsdienstvergütung ergibt. Das Ergebnis sind insofern die Netto-Mehrkosten bei einer verpflichtenden Umsetzung des EuGH- Urteils. 4.1. Personalmehrbedarf Mehrbedarf Personal Steigerung in Prozent 3 25 2 15 1 5 24,36 Ärzte 1,95 übrige Stellen Berufsgruppe Den Berechnungen der Krankenhäuser zu Folge wird es zu einem Mehrbedarf an ärztlichem Personal von etwa 24% kommen. Bundesweit sind in Krankenhäusern etwa 11. Ärzte 1 (Vollkräfte) beschäftigt. Dies bedeutet, dass insgesamt ca. 27. zusätzliche Ärzte benötigt würden. Im Bereich der übrigen Stellen melden die Krankenhäuser einen Mehrbedarf von ca. 2 %. Auf der Grundlage der Daten des Statistischen Bundesamtes waren im Jahr 1999 im Bereich der übrigen Stellen etwa 726. Personen 2 beschäftigt. Die befragten Krankenhäuser prognostizieren somit hochgerechnet einen Mehrbedarf von etwa 14. Stellen (Vollkräfte). Die Stellenmehrung im nicht-ärztlichen Bereich wird 1 Vgl. Statistisches Bundesamt, Fachserie 12, Reihe 6.1, Grunddaten der Krankenhäuser und Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen, 2, S. 44. 2 Vgl. ebenda.

8 hauptsächlich den medizinisch-technischen Dienst und den Funktionsdienst (vgl. Kapitel 2.1.) betreffen. Insgesamt müßten also in Krankenhäusern mindestens 41. neue Beschäftigte (Vollkräfte) nach der Umsetzung des EuGH-Urteils eingestellt werden. 4.2. Steigerung der Personalkosten Die Berechnungen der Kankenhäuser ergeben, dass bei Umsetzung des EuGH- Urteils zum Bereitschaftsdienst die Personalkosten durchschnittlich um 5,5 Prozent steigen. Bei bundesweiten Personalkosten im Krankenhaus von ca. 67,854 Mrd. DM 3 im Jahr 1999 bedeutet dies, dass die Personalkosten im Krankenhaus bundesweit um 1,75 Milliarden Euro pro Jahr steigen würden. Um Rückschlüsse über die Personalkostensteigerungen gemessen an der Größe eines Krankenhauses ziehen zu können, wurde eine Aufteilung nach Bettenklassen vorgenommen. Personalkostensteigerung in % 14 12 1 8 6 4 2 Durchschnittliche Personalkostensteigerung nach Bettenklassen insgesamt 5,5 unter 5 12,82 5-99 8,4 1-149 4,38 5,14 5,65 6,22 15-199 2-249 25-299 Bettenklassen 3-399 4,81 4,51 4-599 6-999 3,64 3,6 1 und mehr Die Graphik veranschaulicht, dass die Personalkosten bei Umsetzung des EuGH- Urteils insbesondere in kleinen Krankenhäusern bis 99 Betten überdurchschnittlich steigen würden. Danach nimmt die durchschnittliche Personalkostensteigerung stark ab und steigt wieder bis zu der Größenklasse bis 299 Betten an. In den Bettenklassen ab 3 Betten liegen die durchschnittlichen Personalkostensteigerungen unter dem Durchschnitt und sinken mit steigender Bettenklasse bis auf 3,6 % in der Klasse über 1 Betten. 3 Vgl. Stat. Bundesamt, Fachserie 12, Reihe 6.3: Kostennachweis der Krankenhäuser 1999, S. 12.

9 5. Sonstige Aspekte Zum Abschluss des Fragebogens wurde eine offene Frage gestellt, in der auf weitere Aspekte hingewiesen werden konnte. 161 Krankenhäuser haben diese Frage beantwortet. Die Aspekte werden nach Häufigkeit der Nennungen aufgeführt. Rekrutierung des entsprechend qualifizierten Personals (71 Nennungen) Es wird von Seiten der Krankenhausträger als sehr schwierig bis unmöglich bezeichnet, das bei Umsetzung des EuGH-Urteils benötigte, adäquat qualifizierte Personal zu gewinnen. Teilweise ist es Krankenhäusern bereits jetzt - insbesondere in den neuen Bundesländern und in ländlichen Regionen - unmöglich, vakante Positionen zu besetzen. Dies betrifft insbesondere Assistenzarztstellen, a- ber auch Vakanzen insbesondere im OP-Funktionsdienst. Zum Teil wird auch die Stellenbesetzung im medizinisch-technischen Dienst bereits jetzt als problematisch angesehen. Die Befürchtungen gehen teilweise soweit, dass bei Umsetzung des EuGH-Urteils der Betriebsablauf und damit die Patientenversorgung gefährdet sei. Einkommensverluste der Ärzte (17 Nennungen) Die Einkommensverluste der Ärzte werden als erheblich dargestellt. Es wird darauf hingewiesen, dass die fehlende Bereitschaftsdienstvergütung dazu führt, dass der Urlaubs- und Krankheitsaufschlag geringer wird. Vereinzelt wird in diesem Zusammenhang auf die aus Einkommenseinbußen während des Erwerbslebens resultierende Minderung der Rentenbezüge und der Zusatzversorgung verwiesen. Verlagerung von Tätigkeiten in den Nachtdienst (14 Nennungen) Hier wird insbesondere die Verlagerung von administrativen Arbeiten in den Nachtdienst thematisiert. Vereinzelt gehen Überlegungen soweit, einen ärztlichen Schreibdienst vollkommen abzuschaffen und diese Aufgabe den Ärzten zu übertragen. Zum Teil wird eine Verlängerung der OP-Zeiten in Betracht gezogen. Refinanzierung (12 Nennungen) Die Krankenhausträger weisen darauf hin, dass die Refinanzierung gewährleistet sein muss. Sonst sei eine Umsetzung des EuGH-Urteils allein wirtschaftlich nicht möglich. Weitere Aspekte sind: Fachübergreifende Dienste (8 Nennungen) Verlängerung der Weiterbildungszeit (6 Nennungen) Mangelnde Akzeptanz von Schichtdiensten, insbesondere 3-Schichtmodellen bei Ärzten Zahlung von Wechselschicht-/Schichtzulagen und Nachtzuschlägen/zusätzliche Urlaubstage Qualitätsverlust der ärztlichen Arbeit. Dieser Aspekt wird insbesondere im Bereich der psychiatrischen Arbeit betont. In diesem Bereich sei das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient von besonderer Bedeutung. Häufig wechselnde ärztliche Betreuung wird auch im somatischen Bereich als kontraproduktiv bewertet.

1 6. Fazit Bereits unmittelbar nach Bekanntwerden des EuGH-Urteils zum Bereitschaftsdienst hatte die DKG eine erste Schätzung zu den Kostenauswirkungen im ärztlichen Bereich vorgenommen. Es wurden Mehrkosten in Höhe von,5-1 Mrd. Euro pro Jahr prognostiziert. Abgesichert auf einer breiteren empirischen Basis (422 Rückmeldungen der Krankenhäuser) muss nunmehr hochgerechnet auf die Gesamtheit der deutschen Krankenhäuser von jährlichen Mehrkosten i.h.v. 1,75 Milliarden Euro ausgegangen we r- den. Erstmals sind nun auch die finanziellen und personellen Auswirkungen für die nichtärztlichen Berufsgruppen berücksichtigt. Die Umfrageergebnisse zeigen, dass die Anzahl der zusätzlich benötigten Ärzte noch höher liegt als bisher geschätzt. Bei der Umsetzung des EuGH-Urteils müßten 27. zusätzliche Ärzte zur Verfügung stehen. Hinzu kommen weitere 14. Beschäftigte hauptsächlich im medizinisch-technischen Dienst und Funktionsdienst, sodass insgesamt mindestens 41. Vollkräfte zusätzlich rekrutiert werden müssten. Die Umfrage läßt folgende Schlußfolgerungen zu: 1. Falls das Bundesarbeitsgericht zu der Entscheidung kommt, dass das EuGH- Urteil zum Bereitschaftsdienst in Deutschland Anwendung findet, muss die Refinanzierung der zusätzlichen Personalkosten gesichert sein. Aus den bisherigen Budgets der Krankenhäuser können diese hohen zusätzlichen Kosten nicht fina n- ziert werden. 2. Sollte diese Voraussetzung vom Gesetzgeber geschaffen werden, verbleiben dennoch gravierende Probleme in der Personalrekrutierung, die kurz- und mittelfristig nicht bewältigt werden können. 27. zusätzliche Ärzte sind auf dem Arbeitsmarkt derzeit nicht vorhanden und werden kurz- und mittelfristig auch nicht zur Verfügung stehen. Ebenso stehen die benötigten Fachkräfte im Funktionsund Medizinisch-technischen Dienst auf dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung. Da dann bei Umsetzung des EuGH-Urteils in Deutschland an zentralen Positionen im Krankenhaus in großem Umfang vakante Stellen nicht mehr besetzt we r- den könnten, würde es insbesondere in den neuen Bundesländern und in ländlichen Regionen, die bereits jetzt Probleme in der Personalrekrutierung haben, zu einer Gefährdung der Betriebsabläufe und damit der Patientenversorgung kommen. 3. Dieses Szenario würde durch die Bestrebungen der Gesundheitspolitik, mittels der Novellierung der ärztlichen Approbationsordnung die Studentenzahlen in der Humanmedizin zu senken, nochmals verschärft. 4. In erster Reaktion auf das EuGH-Urteil wurden als negative Effekte des Fortfalls von Bereitschaftsdiensten u.a. die Verlängerung der ärztlichen Weiterbildungszeit, massive Einkommenseinbußen der Betroffenen und eine verschlechterte Betreuungskontinuität der Patienten signalisiert. Diese Effekte werden durch die Umfrageergebnisse bestätigt.

11 Die Deutsche Krankenhausgesellschaft wird auf Basis dieser Umfrageergebnisse den Dialog mit der Politik und den zuständigen Ministerien sowie betroffenen Verbänden, Arbeitgebervertretern und Gewerkschaften fortsetzen und intensivieren. Düsseldorf 21. März 22