Warum sprechen alle nur vom Lärm?

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Transkript:

Page 1 of 5 Zurück zur Ergebnisseite Nächstes Ergebnis Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.11.2011, Nr. 279, S. N2 Warum sprechen alle nur vom Lärm? Die Luftverschmutzung durch Flugzeugabgase ist eine gesundheitliche Gefährdung, die vom Staat bisher nicht ernst genug genommen wird. Von Rafael Dudziak Das Grundgesetz garantiert jedem Bürger in Artikel 2 das "Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit". Ein Recht auf Gesundheit kennt es nicht. Was ist aber Gesundheit? Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat vor vielen Jahrzehnten diesen Begriff als "Zustand körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens" definiert. An dieser Definition hat sich bis heute nichts geändert. Aus der Verknüpfung des Grundgesetzartikels 2 und der WHO-Definition ergibt sich, dass das körperliche und geistige Wohlbefinden des Menschen nicht gestört werden darf. Eine Erkrankung kann ohne eine ursächlich orientierte Behandlung zu einer Gefahr für das Leben werden. Ein Heilerfolg ist grundsätzlich nur durch die Beseitigung der Ursachen der Erkrankung möglich. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Erkrankung durch den Menschen selbst oder durch Umweltbedingungen verschuldet wird. Ein Beispiel für eine selbstverursachte chronische Gesundheitsgefährdung ist das Rauchen. Es hat lange gedauert, bis kein Zweifel mehr darüber bestand, dass die beim Rauchen inhalierten chemischen Verbindungen, die bei der Verbrennung des Tabaks entstehen, zur Verengung der Herzkranzgefäße und der peripheren Gefäße sowie zu einer Zunahme von Lungenkrebs führen. Erst dann hat der Staat zum Schutz der Nichtraucher ein Rauchverbot in Räumen und öffentlichen Gebäuden erlassen mit dem Ziel, die dort Anwesenden vor den Gefahren des Passivrauchens zu schützen. Die Verordnung war ein wichtiger Beitrag für den Erhalt der körperlichen Unversehrtheit von Nichtrauchern. Schon im neunzehnten Jahrhundert erkannte man, dass umwelt- und arbeitsbedingte Faktoren zu typischen Erkrankungen führen können. Dass dies so lange dauerte, lag daran, dass schädigende Noxen manchmal Jahre, sogar Jahrzehnte brauchen, bis sie zum Ausbruch einer Erkrankung führen. So dauerte es Jahrzehnte, bis Asbestose und die Staublungenkrankheit als Erkrankung erkannt wurden. Nachdem die Kausalität zwischen Arbeitsbedingungen und Umweltgift nachgewiesen wurde, konnten Mediziner viele berufsbedingte Erkrankungen durch gezielte präventive Maßnahmen verhindern. Mit zunehmender Anwendung chemischer Stoffe in der Industrie sind neue arbeitsbedingte Erkrankungen identifiziert worden. Allergien, akute sowie chronische

Page 2 of 5 Vergiftungen und/oder Hauterkrankungen, welche bestimmten Chemikalien zugeordnet werden konnten, erforderten wirksame Gegenmaßnahmen. Das führte schließlich zum Erlass einer Verordnung zum Schutz vor Gefahrstoffen, die in ihrer ursprünglichen Fassung am 26. Oktober 1993 veröffentlicht wurde. In dieser Verordnung sind inzwischen jene Stoffe zusammengestellt, von denen bekannt ist, dass sie die Gesundheit eines Menschen akut oder chronisch gefährden können. Den Erkenntnissen, die sich aus weiteren toxikologischen Untersuchungen haben ableiten lassen, ist es zu verdanken, dass die Luftverschmutzung mit gefährlichen Stoffen deutlich abgenommen hat dank Absaugvorrichtungen, Katalysatoren in Kraftfahrzeugen oder Filtern in Schornsteinen von Industrieanlagen. Auch die Luftfahrtindustrie war und ist bemüht, den Ausstoß von Abgasen, insbesondere jener chemischen Verbindungen, die nachweislich toxisch sind, zu reduzieren. Trotzdem ist eine befriedigende Lösung des Problems der Umweltverschmutzung durch Flugzeuge bisher nicht gelungen. liche Untersuchungen, die sich mit dieser Materie beschäftigen, sind leider nicht sehr zahlreich. Universitäre Forschungsinstitute klagen darüber, dass sie zur Durchführung von diesen finanzaufwendigen Projekten keine oder nur geringe Zuwendungen erhalten. So sind in Deutschland die von den Verursachern selbst veröffentlichten Daten der Luftkonzentration schädlicher Stoffe, welche Triebwerke von Flugzeugen erzeugen, die einzigen, auf die Bezug genommen werden kann. Sind sie aber für die anstehenden Fragen von wissenschaftlicher Bedeutung? Bei den meisten Werten handelt es sich um Jahresmittelwerte ohne statistische Angaben, wie etwa im "Lufthygienischen Jahresbericht 2010". Oft ist nicht bekannt, ob die veröffentlichten Ergebnisse dem Qualitätssicherungssystem der "guten Laborpraxis" entsprechen und ob die Messungen wirklich valide sind. Nicht anders verhält es sich mit den im Internet veröffentlichten Angaben des "Bundesamtes für Mensch und Umwelt" über die Luftverschmutzung in Städten. Die von diesem Amt veröffentlichten Mitteilungen über die Messung von Schadstoffen sollen vor allem die Umweltverschmutzung durch am Boden erzeugte Schadstoffe erfassen. Den am 17. Juni 2010 für das Gebiet Frankfurt am Main veröffentlichten Mitteilungen ist zu entnehmen, dass von den zehn vorhandenen Messstationen in Frankfurt vier nie eine Messung durchgeführt haben. Eine weitere Station mit der Bezeichnung DEHE007 (Frankfurt-Niederrad) führte ihre letzte Messung am 31. März 1988 durch. Für weitere vier Stationen wird die letzte Messung mit dem Datum 31. März 1998 angegeben. Die Station DEHE070 (Frankfurt-Höchst) führte nach Angaben im Internet ihre erste und zugleich letzte Messungen am 1. Januar 2005 durch. Das wirft die Frage auf, wofür diese Stationen eigentlich da sind. Messungen der Luftverschmutzung in bewohnten Gebieten, die in niedriger Höhe von startenden und landenden Flugzeugen überflogen werden, sind in Frankfurt am Main noch nie gemacht worden. Die Zunahme des Luftverkehrs in einem so stark bewohnten Gebiet wie Rhein-Main erhöht zwangsläufig die Konzentration von Schadstoffen in der Luft. Das sollte für die Verursacher mit einer Verpflichtung zu

Page 3 of 5 besonderer Sorgfalt verbunden sein. Das umso mehr, als sich in der wissenschaftlichen Literatur der letzten 20 Jahre gut gesicherte Berichte über die Zunahme von Erkrankungen der Lunge und des Herzens sowie der Sterblichkeit in den durch Start- und Landephasen betroffenen Gebieten mehren. Untersuchungen in Los Angeles, in die über 200 000 in der Nähe des internationalen Flughafens wohnende Menschen einbezogen worden sind, haben erschreckende Ergebnisse gebracht. In einer bereits 1993 erschienenen Veröffentlichung wird beschrieben, dass lärmbedingte Todesfälle im Vergleich zu den nicht vom Flugbetrieb gestörten Gebieten signifikant zunahmen. Mehr als 60 Menschen mehr pro Jahr starben in der "Los Angeles Airport Area" zwischen 1970 und 1980 allein infolge der Lärmbelastung. Eine Studie aus dem Jahr 2004 berichtet über die Zunahme von Lungenerkrankungen bei Kindern und älteren Menschen in der Nähe des Flughafens Bourgas (Bulgarien), allerdings ohne auf die ursächlichen Faktoren einzugehen. Neueste wissenschaftliche Untersuchungen weisen zunehmend auf gesundheitliche Gefahren hin, die durch die Langzeiteinwirkung von Schadstoffen in der Luft verursacht sind und zum Tode führen können. Diese Gefahr wird inzwischen, im Vergleich zur Lärmeinwirkung, als noch größer eingestuft. Aus dem "Department of Engineering" der Universität Cambridge und dem "Department of Aeronautics and Astronautics" des Massachusetts Institute of Technology erschien im August 2010 eine Publikation, deren Autoren sich mit den Folgen der Luftverschmutzung durch Flugzeugabgase beschäftigen. Sie berichten, dass jedes Jahr weltweit etwa 8000 Menschen durch Flugzeugabgase sterben. Durch Feinstaub, Stickoxide und andere Stoffe ist das Leben der Betroffenen im Durchschnitt um 7,5 Jahre verkürzt worden. Die in der Start- und Landephase über die Turbinen der Triebwerke mit großer Geschwindigkeit freigesetzten Schadstoffe sind inzwischen qualitativ und quantitativ erfasst. Es sind chemische Verbindungen und Partikel, die durch die große Verdünnung in der Luft weder sichtbar noch geruchsintensiv sind. Sie erreichen schnell die Bodenschichten der überflogenen Gebiete und werden von den Einwohnern eingeatmet, ohne dass diese es merken. Aus der Anflughöhe, der Landegeschwindigkeit und dem Kraftstoffverbrauch der einzelnen Flugzeuge kann berechnet werden wie viele dieser Schadstoffe täglich ausgestoßen werden. Es sind Tonnen, die über einer Stadt wie Frankfurt und Umgebung jährlich in die Luft abgegeben werden, und auf den Boden fallen. Nicht alle Stadtgebiete sind gleichmäßig betroffen. Je niedriger die Flughöhe, desto größer die Konzentration der Stoffe in der Luft. Zu den als besonders aggressiv auf die Luftwege und Alveolen (Lungenbläschen) einwirkenden Stoffen gehören Schwefeldioxide, Schwefeloxide, Stickstoffoxid und Stickstoffdioxid sowie aus diesen Verbindungen durch die Triebwerke entstehende Aerosole, unter anderem auch Schwefelsäure und Salpetersäure. Sie sind alle in der Gefahrenstoffverordnung erfasst. Als volatile Stoffe oder Staubpartikel werden sie bis in die kleinen Bronchien und Luftbläschen der Lunge eingeatmet. Dort können sie bei noch gesunden

Page 4 of 5 Menschen zu Hustenreiz und Entzündungen des Bronchialsystems führen. Bei bereits Vorgeschädigten können schwere Atembeschwerden auftreten. Bei Patienten mit Allergien, chronisch obstruktiven Ventilationsstörungen und Asthma bronchiale kann es sogar zu Erstickungsanfällen und zum Tode kommen. Als besonders gefährdet werden auch Kinder mit Allergien und Asthma bronchiale genannt. Die Industrie ist verpflichtet, in Betrieben und Räumen mit erhöhten Konzentrationen gefährlicher Schadstoffe die dort Tätigen zu schützen. Für spezielle Schutzanzüge, Masken mit Filter und sonstige Schutzmaßnahmen werden Millionen Euro ausgegeben. Menschen, über deren Köpfen jeden Tag Hunderte von Flugzeugen starten und landen und die der Emission von Schadstoffen ausgesetzt sind, hilft bisher niemand. Stickstoffoxide, die das Ergebnis von Reaktionen des durch die Triebwerke angesaugten Stickstoffes sind und deshalb in höheren Konzentrationen auftreten, werden als besonders störend und besonders pathogen beschrieben. In einer Studie des norwegischen Institutes für Meteorologie und des Zentrums für Untersuchungen des internationalen Klimas und Umwelt ("Cicero") wird mit einer jährlichen Zunahme des Ausstoßes von Stickstoffdioxid bis 2050 um jeweils acht Prozent gerechnet. Der globale Ausstoß anderer Stoffe wie Schwefeloxide, Kohlenmonoxid und die Bildung von Ozon ist wesentlich geringer als der des Stickstoffoxides oder Stickstoffdioxides. Auch deren Auswirkungen auf die Gesundheit sind unter konkreten Bedingungen kaum untersucht worden. Die Betroffenen sind auf diese Gefahren weder von den Verursachern noch von Landes- oder Regionalpolitikern hingewiesen worden. Auch die Gesundheitsbehörden haben sich zu diesen Problemen nicht geäußert. Alle sprechen vom Lärm, während Gefahren, die von den Schadstoffen ausgehen, kaum erwähnt werden. Messungen in den betroffenen Gebieten sind bisher nicht gemacht worden, und sie sind, nach allem, was in Erfahrung gebracht werden konnte, bisher auch nicht geplant. So können die Verursacher des chronischen Desasters und jene, die von Amts wegen sich mit diesem Problem hätten beschäftigen müssen, die vorgetragenen Erkenntnisse ignorieren und als übertrieben oder unzutreffend kritisieren. Es kann Jahre dauern, bis es zum endgültigen Nachweis der hier beschriebenen Zusammenhänge kommt. Inzwischen werden, immer mehr Flugzeuge landen und starten. Die Luftverschmutzung kann überwacht werden und wenn sie für den Menschen gefährlich wird, müssen die Ursachen beseitigt werden. Es ist die Pflicht des Staates, das Recht seiner Bürger auf körperliche Unversehrtheit zu schützen. Rafael Dudziak ist Mediziner und war lange Jahre Direktor der Klinik für Anästhesiologie am Universitätsklinikum in Frankfurt am Main. Bildunterschrift: Es brummt immer mehr: Mit der Landung des Airbus "Konrad Adenauer" mit Kanzlerin Merkel wurde die neue Landebahn Nordwest in

Page 5 of 5 Frankfurt eröffnet. Foto Thomas Lohnes Alle Rechte vorbehalten Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main Vervielfältigungs- und Nutzungsrechte für F.A.Z.-Inhalte erwerben Sie auf www.faz-rechte.de Zum Seitenanfang Artikel Veröffentlichungsdatum 30.11.2011 Quelle Ressort Seitenüberschrift Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.11.2011, Nr. 279, S. N2 Natur und Natur und Drucken Speichern Nach ähnlichen Artikeln suchen Land Deutschland Internationales Sachgebiet Medizin Umweltschutz Thema Luftverschmutzung Toxikologie. Gifte. Vergiftungen. Grundsätzliches. Umweltbedingte Erkrankungen Suchen