Association of the Scientific Medical Societies in Germany

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Transkript:

Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften Association of the Scientific Medical Societies in Germany AWMF S Arbeitskreis Ärzte und Juristen Referate der Sitzung des Arbeitskreises Ärzte und Juristen am 19. und 20. März 2004 in Würzburg unter der Leitung von Prof. Dr. med. W. J. Bock Geschäftsstelle office: Moorenstr. 5, Geb. 15.12 (Heinrich-Heine-Universität) D-40225 Düsseldorf Tel. (0211) 31 28 28 FAX (0211) 31 68 19 e-mail: awmf@awmf.org AWMF online: http://awmf.org Begrüßung und Einführung: Prof. Dr. med. W. J. Bock, Düsseldorf 1. Thema: Stammzellen in der Medizin Gewebezüchtung aus Stammzellen: Prof. Dr. A. Haverich, Hannover Folie 1 Folie 2 Folie 3 Folie 4 Protokoll Arbeitskreis Ärzte und Juristen - 19.und 20. März 2004 - Seite 1

Folie 5 Folie 6 Folie 7 Folie 8 Folie 9 Folie 10 Folie 11 Folie 12 Protokoll Arbeitskreis Ärzte und Juristen - 19.und 20. März 2004 - Seite 2

Folie 13 Folie 14 Folie 15 Folie 16 Folie 17 Folie 18 Folie 19 Folie 20 Protokoll Arbeitskreis Ärzte und Juristen - 19.und 20. März 2004 - Seite 3

Folie 21 Folie 22 Folie 23 Folie 24 Folie 25 Folie 26 Folie 27 Folie 28 Protokoll Arbeitskreis Ärzte und Juristen - 19.und 20. März 2004 - Seite 4

Folie 29 Folie 30 Folie 31 Folie 32 Folie 33 Folie 34 Folie 35 Folie 36 Protokoll Arbeitskreis Ärzte und Juristen - 19.und 20. März 2004 - Seite 5

Folie 37 Folie 38 Folie 39 Folie 40 Folie 41 Folie 42 Folie 43 Folie 44 Protokoll Arbeitskreis Ärzte und Juristen - 19.und 20. März 2004 - Seite 6

Folie 45 Folie 46 Folie 47 Folie 48 Folie 49 Folie 50 Folie 51 Folie 52 - Adulte Stammzellen / Stammzellen aus Nabelschnurblut: Prof. Dr. med. P. Wernet, Düsseldorf Manuskript lag zum Zeitpunkt der Drucklegung des Protokolls noch nicht vor und wird ggf. nachgereicht. Protokoll Arbeitskreis Ärzte und Juristen - 19.und 20. März 2004 - Seite 7

- Verwendung von Stammzellen aus juristischer Sicht: Prof. Dr. H.-L. Schreiber, Göttingen I. Das Potential der Stammzellen liegt nicht nur in der Forschung, sondern auch in der Regeneration von Geweben und Organen bis hin zur Klonung eines Menschen. Rechtlich problematisch ist dabei im wesentlichen die Gewinnung und Verwendung embryonaler Stammzellen. Was sind Stammzellen? Stammzellen finden sich im Menschen vom Beginn der Embryonalentwicklung an bis über den Tod hinaus (DFG, Forschung mit humanen embryonalen Stammzellen, 2003, S.7 ff.). Stammzellen sind Zellen, die nicht ausdifferenziert sind und aus denen durch Teilung wiederum eine undifferenzierte, aber differenzierungsfähige Zelle entstehen kann. Sie finden sich in verschiedenen Gewebetypen und sind abhängig vom Alter des Menschen in ihrer Art und Anzahl. Stammzellen besitzen verschiedene Formen und Fähigkeiten, die oftmals nicht miteinander vergleichbar sind. So unterscheidet sich ihr Differenzierungs- und Entwicklungspotential. Dies liegt daran, dass sich einige Stammzellarten im Laufe ihrer Entwicklung in einem gewissen Grad auf eine bestimmte Gewebeart spezialisieren. Das hat zur Folge, dass die spezialisierten Stammzellen nur noch einen vorprogrammierten Aufgabenbereich ausführen können. Sie sind zwar noch undifferenziert, aber bereits spezialisiert. Daher nennt man sie unipotente Stammzellen. Pluripotent sind Zellen, die sich in mehrere verschiedene Gewebearten differenzieren können. Im Gegensatz dazu steht omnipotent, was soviel wie allseits entwicklungsfähig bedeutet. Pluripotent sind insbesondere adulte, erwachsene Stammzellen aus dem Knochenmark, die zur Regeneration der Blutzellen fähig sind. Eine besondere Art sind die sogenannten embryonalen Stammzellen, Zellen des frühen Embryos, die bis zu einem bestimmten Entwicklungsstadium in der Embryonalentwicklung existieren. Sie sind im Frühstadium der Embryonalentwicklung totipotent. Diese Zellen können nicht nur jede Gewebeform bilden, sondern sich zu einem kompletten Organismus entwickeln. Daher werden sie als totipotent bezeichnet. Diese Fähigkeit lässt jedoch mit zunehmender Entwicklung des frühen Embryos nach. Eine weitere Quelle für die Gewinnung von Stammzellen sind Tumore. Die aus den Tumoren gewonnenen Stammzellen (bei den sogenannten Teratomen und den Terato-Karzinomen) haben die Eigenschaft der Pluripotenz, man nennt sie die embryonalen Carzinomzellen (EC-Zellen). Diese tumoralen Stammzellen werden gegenwärtig zur Therapie bei Schlaganfall verwendet (Gearhart, Potential der Stammzellforschung, in: Humane Stammzellen, BMBF, S. 13). Auch Feten besitzen Stammzellen. Solch fetales Gewebe nutzte man bereits in den 70er und 80er Jahren, um die Symptome der Parkinson-Krankheit zu lindern. Embryonale Stammzellen haben zwei wichtige Eigenschaften. Sie sind, nach einem Stadium der frühen Embryonalentwicklung, pluripotent, können sich also in eine unbegrenzte Zahl von verschiedenen Geweben differenzieren, weiter haben sie die Fähigkeit zur Selbsterneuerung. Das heißt, diese Zellen haben die Fähigkeit, im Labor sich fast unbegrenzt selbst zu reproduzieren (Rohwedel, Gewinnung und Verwendung, in: Humane Stammzellen, Hauskeller, 2002, S.18 ff.). Diese Selbstreproduktionsfähigkeit nimmt zwar zunehmend im späteren Stadium der Embryonalentwicklung ab, dennoch bewirkt sie, dass embryonales Gewebe nicht ständig neu gewonnen werden und auch nicht ständig Embryonen verbraucht werden müssen. Embryonale Stammzellen existieren von der Befruchtung an, dann sind sie noch totipotent. Nach etwa 4 5 Tagen verlieren sie die Totipotenz. Dies ist allerdings umstritten. Denn lässt man embryonale Stammzellinien in vitro sehr dicht wachsen, bilden sich sogenannte Embryoid-Bodies. Dies sind Zellverbände, die den Embryonen äußerlich sehr ähneln. Bei der Züchtung dieser Embryoid-Bodies konnte sogar die Bildung von embryonalen Keimblättern beobachtet werden (Beier, Potential der Stammzellforschung, in: Humane Stammzellen, BMBF, S. 65). Da dieses Phänomen allerdings nur unter bestimmten Bedingungen auftritt, kann gegenwärtig nicht generell von einer Totipotenz embryonaler Stammzellen ausgegangen werden. Kann hingegen die Totipotenz nicht ausgeschlossen werden, so stellt sich die Frage der Verwendbarkeit von Stammzellen zur Stammzellforschung. Denn läge Totipotenz vor, könnten aus diesen Stammzellen Menschen generiert werden. Es gibt im wesentlichen zwei Quellen der Gewinnung von Stammzellen. Die erste bilden Embryonen im Präimplantationsstadium. Das sind Embryonen, die bei in-vitro-fertilisation entstehen. Man hat sie als Reserven tiefgekühlt gelagert. Sie kommen von Paaren, die diese Embryonen nicht mehr dazu nutzen wollen, um Kinder zu bekommen. Diese sogenannten überzähligen Embryonen sollen mit Einverständnis des Paares zur Forschung verwendet werden. Als zweite Quelle können unter geeigneten Bedingungen aus der Nabelschnur sogenannte Vorläuferzellen gewonnen werden, aus denen man durch eine spezielle Züchtungstechnik embryonale Stammzellen gewinnt. Das Besondere an den embryonalen Stammzellen ist zunächst ihre Undifferenziertheit und die Fähigkeit, sich zu einer Vielzahl von Zelltypen zu entwickeln. Vor allem besitzen sie die Fähigkeit, einen Defekt in einem anderen Menschen aufzuspüren, sich dort anzulagern und die entsprechenden Zellen neu zu bilden, so dass eine Regeneration eines bestimmten Organs, das erkrankt ist, eintritt. Beim im Oktober 2003 stattgefundenen Kongress der American Heart Assosiation in Orlando/Florida ist von einem Boom der Stammzelltherapie und ihren aufsehenerregenden Erfolgen beim Herzinfarkt berichtet worden (Müller-Jung, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 12.10.03). Die embryonalen Stammzellen sind aufgrund ihrer mangelnden Spezialisierung auch besser als die adulten Stammzellen zur Grundlagenforschung geeignet. Die Wissenschaft benötigt daher die embryonalen Stammzellen zum Erkenntnisgewinn (Wobus, Entwicklungs- und Differennzierungspotential von Stammzellen, in: Humane Stammzellen, BMBF, S. 82). Auch adulte Stammzellen nicht für jede Art der Organgewinnung bzw. Heilung tauglich. Die beschränkte Entwicklungsfähigkeit der adulten Stammzellen und ihr Alter sie haben das gleiche genetische Alter wie der Stammzellspender sprechen gegen die Verwendung adulter Stammzellen zur Geweberegeneration. Denn adulte Stammzellen sind den gleichen Umwelteinflüssen und den gleichen Umweltbelastungen, ausgesetzt und unterliegen auch gewissen Alterungsprozessen, so dass nicht nur ihre Vermehrungsfähigkeit nachlässt, sondern genetische Störungen Protokoll Arbeitskreis Ärzte und Juristen - 19.und 20. März 2004 - Seite 8

gewissen Alterungsprozessen, so dass nicht nur ihre Vermehrungsfähigkeit nachlässt, sondern genetische Störungen vermehrt vorhanden sind, anders als bei embryonalen Stammzellen. Die rechtliche und ethische Problematik der Verwendung embryonaler Stammzellen liegt darin, dass bisher ein Eingriff zu ihrer Gewinnung in den menschlichen Embryo diesen irreversibel schädigt. Man könnte theoretisch eine Zelle von einem Embryo im Vierzellstadium (wenn er noch totipotent ist) abspalten und nur eine Zelle verwenden. Das Problem dabei ist allerdings, dass diese eine Zelle wiederum einen neuen Menschen generieren könnte. Aus dieser einen Zelle können zwar dann Stammzellen entnommen werden, dennoch führt diese Entnahme zum Absterben des Embryos. Darin liegt die rechtliche und ethische Problematik der Verwendung embryonaler Stammzellen. Dürfen embryonale Stammzellen aus Embryonen gewonnen und dann verwendet werden? II. In Deutschland ist die Herstellung gesetzlich verboten, es ist aber erlaubt, im Ausland entstandene embryonale Stammzellen zu importieren und zu verwenden. (1) Im Jahre 2002, verabschiedete der Deutsche Bundestag nach intensiver Diskussion das Stammzellgesetz vom 28.06.2002 (BGBl 2002, S. 2277). Nicht die Herstellung, aber der Import von humanen embryonalen Stammzellen aus dem Ausland ist nun unter strengen Auflagen erlaubt. Erforderlich ist zunächst eine Genehmigung für ihre Einfuhr und Verwendung. Ferner wird vorausgesetzt, dass die Herstellung im Einklang mit dem Landesrecht des Exportlandes steht. Die Herstellung muss vor dem 01. Januar 2002 erfolgt sein. Durch diese Stichtagregelung des 4 Abs. 2 Nr. 1 soll sichergestellt werden, dass zum Zwecke des Imports humaner embryonaler Stammzellen nach Deutschland eine Herstellung und Tötung weiterer Embryonen vermieden wird (Taupitz, in: GenTechnik und Recht, 2002, S. 11). Die Embryonen dürfen nicht zum Zwecke der Stammzellgewinnung hergestellt worden sein, sondern bezweckt muss ursprünglich gewesen sein, eine Schwangerschaft herbeizuführen. Für die Überlassung der Embryonen zur Stammzellgewinnung darf ferner kein Entgelt oder geldwerter Vorteil versprochen oder gewährt werden, Einfuhr oder Verwendung der embryonalen Stammzellen dürfen sonstige gesetzliche Vorschriften, insbesondere des Embryonenschutzgesetzes nicht entgegenstehen ( 4 II 2 in Verbindung mit 6 Stammzellgesetz). 5 Stammzellgesetz verlangt weiter, dass eine Forschung nur durchgeführt werden darf, wenn sie hochrangigen Forschungszielen oder der Entwicklung diagnostischer, präventiver oder therapeutischer Verfahren zur Anwendung beim Menschen dienen und nach dem anerkannten Stand von Wissenschaft und Technik die vorgesehenen Forschungsfragen nicht durch andere Versuche geklärt werden können. (2) Unter diesen Voraussetzungen ist in Deutschland zwar die Verwendung menschlicher Embryonen zum Zwecke der Herstellung von Stammzellen nach wie vor verboten, jedoch dürfen unter den genannten Voraussetzungen im Ausland gewonnene vor dem Stichtag entstandene embryonale Stammzellen nach Deutschland importiert werden. Die hier strafbare Herstellung embryonaler Stammzellen erscheint angesichts der Importerlaubnis ein seltsam anmutender Kompromiss. Hat Deutschland die Moral und die anderen Länder machen die Arbeit? Ist dies ethisch und rechtlich verantwortbar? Jedenfalls erscheint es fraglich, ob nicht die Verwendung von Stammzellen, die zwar nach ausländischen Recht zulässig aus Embryonen gewonnen werden, nicht doch in Deutschland rechtswidrig ist. Denn auch das Stammzellgesetz, welches den Import erlaubt, könnte verfassungswidrig sein. Dies wäre der Fall, wenn die Verwendung verwaister Embryonen zur Stammzellgewinnung mit den Grundsätzen der Verfassung nicht im Einklang stehen würde. Auch wenn eine Verfassungswidrigkeit abzulehnen wäre, so fühlt man sich an das amerikanische Beweisverbot The fruit of the poisonous tree erinnert: Die Frucht des verbotenen Baumes soll hier genutzt werden, denn in Deutschland dürfen keine Embryonen zur Stammzellgewinnung verwendet werden. Eine Strafbarkeit ist aber nicht gegeben, wenn ein Forscher sich ins Ausland begibt und dort Stammzellen aus einem Embryo gewinnt. Ein Kauf embryonaler Stammzellen verstößt nicht gegen 4 II Nr. 1c Stammzellgesetz, solange für die Überlassung der Embryonen kein Entgelt gewährt oder versprochen wird. Die Eltern der überzähligen Embryonen dürfen kein Entgelt für die Zurverfügungstellung ihrer Embryonen erhalten. Ein Widerspruch bleibt demnach zwischen Importerlaubnis und Herstellungsverbot in Deutschland bestehen. In Deutschland darf genutzt werden, was in Deutschland bei Strafe herzustellen verboten ist. III. Die rechtliche Diskussion findet auf zwei verschiedenen Ebenen statt. Einmal sind es die Vorschriften des Stammzellgesetzes und des 1990 bereits erlassenen deutschen Embryonenschutzgesetzes, zum anderen die grundlegenden verfassungsrechtlichen Aspekte die lebhaft debattiert werden. Die verfassungsrechtliche Diskussion ist überaus kontrovers und im Wesentlichen davon abhängig, wie die Rechtsbegriffe Mensch und Menschenwürde verstanden werden. Art. 1 GG bestimmt: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Ihre Achtung und ihr Schutz wird zur Verpflichtung aller staatlichen Gewalt erklärt (Art. 1 I Satz 2). Bei der Frage der Ausgestaltung des Menschenwürdeschutzes steht dem deutschen Bundestag allerdings ein Spielraum offen (Heun, JZ 2002, 517, 523 f.; Taupitz, NJW 2001, 3433, 3440). (1) Das gegenwärtige Embryonenschutzgesetz (BGBl I v. 13.12.1990, S. 2746 ff.) verbietet in Deutschland die Herstellung embryonaler Stammzellen. Nach 2 I Embryonenschutzgesetz ist die Herstellung von Stammzellen aus dem Embryo in Deutschland in Übereinstimmung mit dem Stammzellgesetz untersagt, wenn die Entnahme der embryonalen Stammzellen aus dem Embryo zu einem nicht seiner Erhaltung dienenden Zweck geschieht (dazu Höfling, Zeitschrift für Medizinische Ethik, 2001, S. 277 f.). Das Klonierungsverbot des 6 I Embryonenschutzgesetz greift allerdings bei der Klonierung von Stammzellen nicht ein, denn Stammzellen sind, wenn sie sich im Stadium der Pluripotenz befinden, keine Embryonen im Sinne des Embryonenschutzgesetzes mehr. Embryonen im Sinne des Embryonenschutzgesetzes sind vielmehr nur Zellen im Stadium der Totipotenz, die bei den Stammzellen nicht mehr vorhan- Protokoll Arbeitskreis Ärzte und Juristen - 19.und 20. März 2004 - Seite 9

den ist. Eine Analogie des Klonverbotes des 6 auf die Stammzellklonierung verbietet sich, da dies ein Verstoß gegen das Analogieverbot des Art. 103 II Grundgesetz darstellen würde. 6 Embryonenschutzgesetz verlangt für die Annahme des Klonverbotes, dass ein Embryo mit der gleichen Information entsteht, also ein vollständiger Embryo. Pluripotente Stammzellen sind allerdings keine Embryonen mehr (vgl. dazu 8 I Embryonenschutzgesetz) (Schroth, in: Fuat F. Oduncu u.a., Stammzellforschung und therapeutisches Klonen, S. 249 ff.). (2) Verlassen wir nun die Ebene des sog. einfachrechtlichen Embryonenschutzgesetzes und begeben wir uns auf die Ebene des Verfassungsrechts. Ausgangspunkt für den Streit ist vor allem die Frage, ob Embryonen Menschenwürde (Art. 1 I GG) haben und ob voll umfänglicher, nicht einschränkbarer Schutz menschlichen Lebens gemäß Art. 2 II GG entsteht. Das Grundgesetz selbst regelt den Status des Embryos nicht ausdrücklich. Beim Entstehen des Grundgesetzes fand die Aufnahme des ungeborenen Lebens in Art. 1 und Art. 2 keine Mehrheit im parlamentarischen Rat. Dabei ging es in der Sache um den Schwangerschaftsabbruch. Verfassungsrechtlich nicht entschieden ist der grundrechtliche Status des Embryos außerhalb des Mutterleibes. Beide Abtreibungsentscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes zur sogenannten Fristenlösung beziehen sich nur auf den Embryo im Mutterleib (so BVerfGE 88, 203 und BVerfGE 39, 1). Das Bundesverfassungsgericht hat im zweiten Abtreibungsurteil vom 28.5.93 bewusst offen gelassen, ob das menschliche Leben bereits mit der Verschmelzung von Ei und Samenzelle vor der Nidation im Mutterleib geschützt ist. Es hat aber ausdrücklich festgestellt, dass sich der Embryo nicht erst zum Menschen, sondern als Mensch entwickelt (BVerfGE 88, 203, 252, vgl. auch BVerfGE 39, 1, 37). Das Gericht hat entschieden, dass ein Lebensschutz jedenfalls nach der Nidation, also dem 14. Tag nach der Empfängnis besteht. Es hat allerdings nicht geklärt, ob Menschenwürde und damit voll umfänglicher Lebensschutz dem Embryo bereits mit der Verschmelzung von Ei und Samenzelle zukommt. Die wohl überwiegende Meinung bejaht absoluten Lebensschutz von diesem Zeitpunkt an (so neuestens wieder Starck, Menschenwürde von Anfang an: Der Embryo ist ein Wer, kein Was, in: Die Welt, vom 1.11.2003). Diese Ansicht muss sich jedoch einen Wertungswiderspruch zum derzeitig bestehenden Abtreibungsrecht, insbesondere auch zu straffreier Nutzung von Nidationshemmern (Wolfrum, Juristische Aspekte der Stammzellforschung, in: Das Magazin, 12. Jahrgang, Nr. 2, 2001 S. 17 ff.) entgegenhalten lassen. Durch Abtreibung und Verwendung von Nidationshemmern wird die Entwicklung von Embryonen abgebrochen, die in ihrem Entwicklungsstadium weiter vorangeschritten sind, als ein Embryo im Stadium der möglichen Nutzung für die Stammzellforschung. Der Lebensschutz des Embryos wird insoweit aufgehoben durch Abwägung seiner Lebensinteressen mit den Interessen der Mutter. Dagegen wird vor allem eingewendet, dass eine Vergleichbarkeit nicht anzunehmen sei. Vielmehr erfolge ja die Abtreibung wegen des Schwangerschaftskonfliktes (vgl. dazu Taupitz, ZRP 2002, 111, 113). Hiergegen wird vor allem vorgebracht, dass das Lebensgrundrecht des Embryos aufgrund der bestehenden Abtreibungsregelungen und des Schwangerschaftkonfliktgesetzes keineswegs absolut sei. Folge dieser Nichtabsolutheit sei, dass ein Eingriff in das Leben des Embryos als solcher nicht verfassungswidrig sein könne (so Taupitz, NJW 2001, 3433, 3437). Auch kann man aufgrund eines einfachen Gesetzes in das Grundrecht auf Leben eingreifen, sodass der Lebensschutz bereits im Grundgesetz selbst nicht uneinschränkbar sei. Wenn Art. 2 II Satz 3 einen Eingriff in das Lebensgrundrecht aufgrund einfachen Gesetzes erlaube, dann müsse auch Embryonen per Gesetz der absolute Lebensschutz entzogen werden können. Setzt man allerdings den Lebensschutz mit dem absolut und einschränkungslos garantierten Schutz der Menschenwürde gleich (so Starck, Herdegen u.a.), dann stellt jeder Eingriff in das Leben des Embryos eine Verletzung seiner Würde dar. Ist die Würde des Embryos verletzt, so ist der Eingriff verfassungswidrig und der Gesetzgeber ist zum Erlass eines Verbotes der Embryonennutzung gezwungen. Folgt man dieser Ansicht, so ist jegliche Verwendung embryonaler Stammzellen ein Verstoß gegen die Würde des Menschen. Konsequenterweise müssten die Vertreter dieser Ansicht das Stammzellgesetz für verfassungswidrig halten IV. Die entscheidende Frage ist zunächst, wann menschliches Leben beginnt. Hier werden verschiedene Antworten gegeben. Einige Autoren sind der Ansicht, dass menschliches Leben erst mit der Geburt beginnt, andere stellen auf die Nidation ab, wiederum andere auf die Befruchtung. Diese Frage aber beantwortet die Verfassung nicht ausdrücklich. In der notwendigen Auslegung der Begriffe Leben und Mensch wird vor allem auf ethische Grundsätze abgestellt. Einige argumentieren vom biologischen Status des Embryos her und versuchen biologisch klar definierte Grenzen für den Lebensbeginn zu finden. So wird u.a. die Bildung des Neuralrohrs in der Embryogenese als Kriterium für den Lebensbeginn genannt. Andere wiederum stellen auf die Nidation ab. Die Nidation ist wohl kein zulässiges Kriterium. Angesichts der bald zu erwartenden Möglichkeit einen Embryo außerhalb des Mutterleibes zu entwickeln, scheint die Nidation kein Kriterium zu sein. Allerdings könnte der späteste Zeitpunkt der Nidation, also spätestens 14 Tage nach der Vereinigung von Ei und Samenzelle, eine Zäsur sein. Man versucht festzustellen, was menschliches Leben bedeutet. Die Theorie beantwortet die Frage nach dem Beginn des menschlichen Lebens unterschiedlich. So gibt es Ethiker wie Norbert Hoerster und Peter Singer und Juristen wie Merkel, die menschliches Leben erst ab der Geburt bejahen. Ihre utilitaristischen Ansätze gehen davon aus, dass Mensch nur ist, wer Träger von Interessen sein kann. Dies setzt eine Wahrnehmungsfähigkeit und ein gewisses Bewusstsein voraus. Bei Kleinstkindern wird man dergleichen kaum annehmen können. Andere operieren mit dem sogenannten PIK-Argument. PIK steht dafür, dass der Embryo bereits eine Potentialität hat ( P ), sich zu einem menschlichen Wesen zu entwickeln. Identität ( I ) steht dafür, ob der Embryo eine eigene vollständige Individualität besitzt, Kontinuität ( K ) ist der Gesichtspunkt, ob er sich zu einem Menschen kontinuierlich ohne qualitative Brüche bereits entwickle. Protokoll Arbeitskreis Ärzte und Juristen - 19.und 20. März 2004 - Seite 10

Allen drei Gesichtspunkten stehen gewichtige Einwände gegenüber. Die Potentialität besagt, der Embryo sei potentiell ein Mensch, somit sei ihm Grundrechtsschutz zuzuschreiben. Gegen dieses Potentialitätsargument wird vor allem vorgebracht, dass kryokonservierte Embryonen im Vorkernstadium die gleiche Potentialität besitzen, wie ein befruchteter Embryo. Somit könne die Potentialität nicht Grund sein, einem Embryo einen Rechtsstatus zukommen zu lassen. Andererseits kann man auch die Potentialität nicht allein von äußeren Faktoren abhängig machen. Man kann nicht dem Embryo durch Zugriff von außen sozusagen die Potentialität nehmen, um ihm dann den Lebensschutz zu verwehren. Was Individualität und Identität angeht, so existiert von der Kernverschmelzung an ein neues genetisch definiertes individuelles Leben (so Classen, DVWBL 2002, 141, 143; Höfling, Zeitschrift für Medizinische Ethik, 47, (2001) 277, 281), daher müsste der Embryo geschützt werden. Gegen diese Aussage wird eingewandt, dass eine Teilung des Embryos noch möglich sei. Spaltet man nach der Kernverschmelzung im Vorkernstadium eine Zelle ab, so entsteht auch daraus ein vollständiger neuer Embryo. Dieser Vorgang findet z.b. auch bei der Zwillingsbildung statt. Dies ist freilich kein gravierendes Argument gegen individuelles Leben. Das Kontinuitätsargument geht davon aus, dass der menschliche Entwicklungsprozess ein einheitlicher, kontinuierlicher Vorgang ist, ohne qualitative Einschnitte. Das Kontinuitätsprinzip besagt hingegen nicht, dass das Fehlen von qualitativen Einschnitten nicht die Notwendigkeit oder die Möglichkeit widerlegt, differenzierende Abgrenzungen vorzunehmen (Heun, JZ 2002, 517, 520). Andererseits wird der Einwand vorgebracht, dass die Nidation eine wesentliche Rahmenbedingung ist, um Kontinuität überhaupt zu bewirken. Ohne die Einnistung des Embryos im Uterus entsteht kein Mensch. Dieser Einschnitt ist aber eher willkürlich. Somit scheinen die sog. PIk -Argumente keine zwingende Lösung zu sein, noch sind sie konsequent. Die Frage bleibt offen, ob man einen Embryo, der nicht implantiert werden würde und keine Entwicklungsmöglichkeit hat, zu wichtigen Forschungs- und Heilungszwecken nutzen kann. Wird durch eine Nutzung des Embryos als Stammzell-Reservoir der Embryo herabgewürdigt? Wird damit wie behauptet die Menschenwürde im Sinne von Art. 1 der Verfassung verletzt? Wann aber liegt eine solche Verletzung vor? Darüber gibt es eine lebhafte Diskussion. Als Kriterium wird die von Dürig in Anlehnung an Kant entwickelte Objektformel verwendet. Die Menschenwürde sei betroffen, wenn der Mensch zum Objekt, zu einem bloßen Mittel, zur vertretbaren Größe herabgewürdigt wird (Dürig, AÖR 81 (1956), S. 117 ff.; Schreiber, Die Würde des Menschen eine rechtliche Fiktion?, a.a.o., S. 231, 241). Nach Kant darf ein Mensch niemals zu Zwecken anderer, sondern nur als Zweck an sich selbst behandelt werden (Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 61). Der Mensch soll vor Instrumentalisierung bewahrt werden. Fordert der Würdeschutz des Embryos, ihn dem Absterben preiszugeben oder tiefgekühlt auf Dauer zu verwahren, statt dass aus ihm embryonale Stammzellen gewonnen werden, die für Forschung oder zur Therapie verwendet werden? Den Tiefgekühlten fehlt jede Entwicklungschance. Teilweise wird aus dieser Situation gefolgert, dass der Embryo wie ein Verstorbener kein Leben hat, da er nicht selbständig überleben kann (so: Kloepfer, JZ, S 417 ff.; Schwarz, Kritische Viertelsjahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft, 2001, S. 182 ff.). Die Objektformel kann nach dem Verständnis des Bundesverfassungsgerichts lediglich die Richtung angeben, in der Fälle der Verletzung der Menschenwürde gefunden werden können. Der Mensch ist nicht selten Objekt der gesellschaftlichen Verhältnisse und des Rechts. Eine Verletzung der Menschenwürde kann darin allein nicht gefunden werden. Es muss daher seine Subjektqualität infrage gestellt und in seiner Behandlung eine willkürliche Missachtung des Menschen liegen. Danach ist Lebensschutz nicht prinzipiell mit Menschenwürde gleichzusetzen. Das Spezifische der Würdeverletzung liegt in der Herabwürdigung zum Objekt, die menschenverachtende Erniedrigung. So würde der Vorrang ökonomischer Zwecke allein gegen das Prinzip der Würde verstoßen. Mir scheint die Erzeugung von Embryonen zu Zwecken von Forschung und Therapie eine Verletzung der Menschenwürde zu sein, ein klassischer Fall der Instrumentalisierung für Belange anderer. Anders beantwortet sich die Frage nach der Verwendung vorhandener überzähliger Embryonen, etwa solcher, die bei der Präimplantationsdiagnostik entstehen und dann nicht verwendet werden. Hier scheint mir die Verwendung zu Forschung und Therapie keine Würdeverletzung zu sein. Aber auch dieser Versuch einer Lösung des Problems der Stammzellverwendung ist umstritten. In der Diskussion gewinnt aus grundsätzlichen Erwägungen politisch die Position an Boden, die Leben grundsätzlich gegen alle künftigen möglichen Verwendungen schützen will. In einer Ansprache vor der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften hat Papst Johannes Paul II. soeben jede Therapie abgelehnt, die menschliches Leben retten wolle und es bei der Stammzellengewinnung zugleich im embryonalen Zustand zerstöre (Süddeutsche Zeitung, 11.11.03). Das sei logisch und moralisch widersprüchlich. Behandlungen, für die Embryonen zerstört werden müssten, seien moralisch nicht vertretbar. Deshalb dürften Stammzellen für Experimente oder therapeutische Zwecke nicht aus embryonalem Gewebe kommen. Das wird nicht das letzte Wort sein können. Man wird die Medizin zunächst auf adulte Stammzellen verweisen, aber unter Kontrolle begrenzte Ausnahmen zulassen müssen. In Europa hat sich die Frage zugespitzt. Die Europäische Union hat ein hochdotiertes Forschungsprogramm verbrauchender Embryonenund Stammzellforschung vorbereitet. Deutschland - zu 20 % Kostenträger - widerspricht solcher nach der eigenen Gesetzeslage in der Bundesrepublik nicht erlaubten Forschung. Protokoll Arbeitskreis Ärzte und Juristen - 19.und 20. März 2004 - Seite 11

Forschungsprojekte, bei denen Stammzellen aus menschlichen Embryonen vewendet werden, sollen nicht EU-finanziert werden. Als Kompromiss wird diskutiert, dass bis Mitte 2003 hergestellte und aus Asien und Israel importierte Stammzellen verwendet werden dürfen. Angesichts der Verwendbarkeit der Stammzellinien würde das lange reichen. Eine Lösung, die der amerikanischen Situation und dem deutschen Stammzellgesetz entspräche. Das ist freilich, wie dargetan, widersprüchlich und praktisch für die Forschung hinderlich. Es wird zunächst wohl auf einen solchen Kompromiss hinauslaufen. Die deutsche Regierung will offenbar eine Öffnung für die Stammzellforschung. V. Embryonale Stammzellen werden nicht nur zu Forschungszwecken und zur Therapie verwendet, sondern man bedarf ihrer auch zum sog. therapeutischen Klonen. Beim therapeutischen Klonen werden Zellkerne erwachsener Patienten (sog. somatische adulte Zellen) in eine entkernte Eizelle eines frühen Embryos übertragen. Der Zellkern wird transferiert. Durch die Potenz der entkernten embryonalen Eizelle wird der adulte Zellkern des Patienten vermehrt. Es bilden sich dann Stammzellen mit der Erbinformation des adulten Zellkerns (Wolf, Kerntransfer und Reprogrammierung, in: Humane Stammzellen, BMBF, S. 83 ff.). Der adulte Zellkern des Patienten wird reprogrammiert durch die Potenz der entkernten Eizelle. Es entstehen embryonale Stammzellen mit der Erbinformation des Spenders. Man erhofft sich so, die Gewebeunverträglichkeit, die regelmäßig sonst bei der Transplantation fremden Gewebes auftritt, umgehen zu können. Die Abstoßung des Transplantates würde vermieden und damit das Hauptproblem der Transplantation überwunden. Anders als bei der reinen Stammzellgewinnung werden hier geklonte Stammzellen auf dem Wege über einen neuen totipotenten Embryo geschaffen. Dieses Verfahren wird als verfassungswidrig angesehen. Die Schaffung eines geklonten Embryos durch den Kerntransfer mit der Zielsetzung, diesen für Forschungs- und Therapiezwecke zu töten, verstoße gegen das Instrumentalisierungsverbot. Deshalb hat die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag einen Entschließungsantrag zum Verbot des therapeutischen Klonens auf internationaler Ebene vorgelegt hat (BT-Drucksache 14/9537 vom 25.6.2002). Auch Starck sieht im therapeutischen Klonen eine Verdinglichung des Embryos zum Heilungszweck eines anderen (Starck, NZZ 2001, S. 59). Der Embryo werde reduziert zum bloßen Objekt, der Heilung dienend (so auch Höfling, Zeitschrift für Medizinische Ethik, 2001, S. 277 ff.). Es stellt sich die Frage, ob ein Embryo als Gewebespender genutzt werden darf. Die Europäische Bioethik-Konvention verbietet in Art. 18 II eine Erzeugung menschlicher Embryonen zu Forschungszwecken. Ob darunter auch das therapeutische Klonen fällt, ist offen. Art. 3 II EU- Grundrechte-Charta (Abl. C 364 vom 18.12.2000, S. 1 ff.) verbietet ausdrücklich nur das reproduktive Klonen (vgl. dazu Taupitz, NJW 2001, S. 3433 ff.). Andererseits soll der durch Kerntransfer erzeugte Embryo nicht ein Mensch werden. Er wird nicht übertragen und soll nach Entnahme der Stammzellen absterben. Anders als bei der Stammzellgewinnung werden hier aber keine überzähligen Embryonen genutzt, sondern es werden Embryonen geschaffen. Diese haben eine nahezu identische Erbinformation. Bereits die Erzeugung identischer Erbinformation erscheint problematisch. Hat ein menschlicher Embryo nicht das Recht auf Individualität, zur Einzigartigkeit (Eser, Rechtsprobleme biomedizinischer Fortschritte in vergleichender Perspektive, S. 26 ff.)? Die Individualität ist sicher verletzt. Sie ist Ausdruck der Menschenwürde. Dennoch ist die Menschenwürde selbst insoweit nicht verletzt, da der geklonte Embryo sich nie zu einem Individuum entwickeln soll. Vielmehr kommt eine mögliche Verletzung der Menschenwürde dadurch in Betracht, dass der Embryo nur erzeugt wird, um ihn als Gewebespender für die Zwecke eines anderen Menschen zu verwenden. Die Verwendung mit dem Ziel der späteren Gewebe- bzw. Organzüchtung könnte eine Menschenwürdeverletzung und eine Verletzung des Lebensrechts des Embryos sein. Das reproduktive Klonen sollte verboten sein. Auch die Mehrheit der Länder dieser Welt will das reproduktive Klonen verbieten. Bisher konnte in der UNO im Jahre 2003 jedoch keine Resolution für ein weltweites reproduktives Klonverbot beschlossen werden. Fassen wir zusammen: In Deutschland ist Forschung und Therapie mit embryonalen Stammzellen zur Zeit verboten, außer mit vor dem 1.1.2002 im Ausland erzeugten Stammzellen, deren Import genehmigt ist. Verfassungsrechtlich ist Stammzellgewinnung streitig. Sie sollte zulässig sein mit nicht speziell erzeugten, sondern sog. überzähligen aus anderen Verfahren, etwa der künstlichen Befruchtung, stammenden Embryonen. Therapeutisches Klonen wird überwiegend für unzulässig gehalten, da Embryonen mit gleicher Erbinformation als Durchgangsstadium erzeugt und dann verbraucht werden. - Verwendung von Stammzellen aus ethischer Sicht: Prof. Dr. phil. L. Honnefelder, Bonn Manuskript lag zum Zeitpunkt der Drucklegung des Protokolls noch nicht vor und wird ggf. nachgereicht. Protokoll Arbeitskreis Ärzte und Juristen - 19.und 20. März 2004 - Seite 12

2. Thema: Klonen in der Medizin - Klonen - medizinische Einführung: Prof. Dr. med. Schackert, Dresden Protokoll Arbeitskreis Ärzte und Juristen - 19.und 20. März 2004 - Seite 13

Protokoll Arbeitskreis Ärzte und Juristen - 19.und 20. März 2004 - Seite 14

- Klonen aus juristischer Sicht: Prof. Dr. jur. H. Lilie, Halle Manuskript lag zum Zeitpunkt der Drucklegung des Protokolls noch nicht vor und wird ggf. nachgereicht. - Reproduktives und therapeutisches Klonen Rechtsethische Überlegungen: Prof. Dr. E. Bernat, Graz I. Vorbemerkung: therapeutisches Klonen, Recht auf Leben und das Tötungsverbot Ob das therapeutische Klonen moralisch erlaubt, geboten oder verboten ist, wird sehr unterschiedlich beurteilt. Im Kern geht es zwischen den Befürwortern und Gegnern dieser Form der embryonenverbrauchenden Forschung 1 ) um zwei Fragen. 1. Strittig ist in der moralphilosophischen und rechtspolitischen Diskussion, ob der menschliche Keim in vitro ein Recht auf Leben hat, ob er also um seiner selbst willen den Anspruch besitzt, nicht getötet zu werden. Wer ein Recht des extrauterinen Keims auf Leben dem Grunde nach bejaht, sollte, will er konsequent sein, auch eine Pflicht der für diesen Keim verantwortlichen Frau bejahen, sich den Keim einpflanzen zu lassen und das Kind zu gebären. Ein Recht auf Leben, das nur unter der Bedingung zugestanden wird, nicht verletzt zu werden, ist nämlich das Papier nicht wert, auf dem es geschrieben steht. Kurz gesagt: Steht das Recht des extrauterinen Keims auf Leben unter dem Vorbehalt, dass die für den Keim verantwortliche Frau die Entscheidungsfreiheit besitzt, sich den Keim einpflanzen zu lassen oder ihn seinem Schicksal zu überlassen, 2 ) dann hat der Embryo in vitro genauso wenig ein Recht auf Leben wie sein Artgenosse in vivo, wenn der Schwangerschaftsabbruch generell also etwa durch eine reine Fristenlösung freigestellt wird. 3 ) Hält man diese Analyse für zutreffend, dann gewinnt der Begriff Recht auf Leben eine neue Facette. Gesteht man dem Embryo in vitro tatsächlich ein Recht auf Leben zu, dann ist der Inhalt dieses Rechts sowohl auf ein Unterlassen als auch auf ein Tun gerichtet. Das Recht des extrauterinen Embryos auf Leben ist folglich nicht nur ein Abwehrrecht. Es verbietet nicht nur direkte aktive Eingriffe, die zum Absterben des Keims führen, also unter anderem die sog. embronenverbrauchende Forschung. Das Recht des extrauterinen Embryos auf Leben ist auch ein Anspruchsrecht, weil es eine ganz bestimmte Frau verpflichtet, den Embryotransfers vornehmen zu lassen. Der Embryo in vitro muss ja, will er sein Recht auf Leben wahrnehmen können, die Chance bekommen, seine Entwicklungspotentiale freizusetzen. 4 ) 2. In der gegenwärtigen Diskussion sprechen sich nur sehr wenige Stimmen für ein Recht des extrauterinen Embryos auf Implantation aus. 5 ) Vielmehr bringt die wohl herrschende Ansicht zum Ausdruck, dass es zwar gute Gründe gebe, das Leben des Embryos zu schützen, 1 ) Gemeint ist hier jene Forschung am Embryo in vitro, die den jungen Keim zerstört, also sein Leben verbraucht. Über die Legitimität solcher Forschung wird in Österreich und Deutschland seit Mitte der 1980er Jahre intensiv diskutiert. Vgl. statt vieler Hoerster, Ethik des Embryonenschutzes. Ein rechtsphilosophischer Essay (2002); Merkel, Forschungsobjekt Embryo. Verfassungsrechtliche und ethische Grundlagen der Forschung an menschlichen embryonalen Stammzellen (2002); Peter Singer et al. (eds.), Embryo-Experimentation (1990); The Ciba Foundation, Human Embryo Research: Yes or No? (1986). 2 ) Vgl. 8 Abs. 4 Satz 1 HS 2 des österreichischen Fortpflanzungsmedizingesetzes (FMedG), BGBl. 1992/275, der anordnet: [B]ei der Vereinigung von Eizellen mit Samenzellen außerhalb des Körpers einer Frau kann die Zustimmung von der Frau bis zur Einbringung der entwicklungsfähigen Zellen in ihren Körper, vom Mann jedoch nur bis zur Vereinigung der Eizellen mit Samenzellen widerrufen werden. Der Begriff entwicklungsfähige Zelle bezeichnet nach 1 Abs. 3 FMedG den extrauterinen Embro in vitro. 3 ) Eine Fristenlösung wurde in Österreich durch 97 Abs. 1 Z 1 StGB 1975 eingeführt. 97 Abs. 1 Z 1 StGB ist nach Auffassung des österreichischen Verfassungsgerichtshofes (VfGH) sowohl mit Art. 2 der EMRK als auch mit dem Gleichheitssatz vereinbar. Siehe VfGH v. 11.10.1974, VfSlg. 7.400, wiederabgedruckt in: Bernat, Bioethische Entscheidungskonflikte im Spiegel der Judikatur. 50 Fälle mit Anmerkungen und Fragen (2003) 8 23. Vgl. demgegenüber die Entscheidung des deutschen Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) v. 25.2.1975, BVerfGE 39, 1, das auch dem Embryo (in vivo) einen verfassungsrechtlichen Schutz seines Lebens zugesteht (arg.: Artt. 1 Abs. 1 Satz 1, 2 Abs. 2 Satz 1 Bonner Grundgesetz [GG]). 4 ) Die Gestation in einem künstlichen Milieu, wie sie etwa in Aldous Huxleys Brave New World geschildert wird, ist jedenfalls derzeit noch Fiktion. 5 ) Vgl. Coester-Waltjen, Die künstliche Befruchtung beim Menschen Zulässigkeit und zivilrechtliche Folgen. Gutachten B für den 56. Deutschen Juristentag (1986) 106: Die potentiellen Eltern des Embryos in vitro seien prinzipiell verpflichtet, allen aus ihren befruchteten Keimzellen entstehenden Embryonen eine Lebenschance einzuräumen. Sie können demnach nicht rechtswirksam dahin einwilligen, dass ihre Keimzellen lediglich zu Forschungszwecken befruchtet und die sich daraus entwickelnden Embryonen zur Forschung verwendet werden. Sie dürfen die Einpflanzung eines aus ihren Keimzellen entstandenen Embryos nicht verweigern. Vgl. demgegenüber 8 Abs. 4 Satz 1 HS 2 FMedG sowie Honnefelder, Die Frage nach dem moralischen Status des menschlichen Embryos, in: Höffe/Honnefelder/Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Gentechnik und Menschenwürde (2002) 79 (103): Wenn ohne den Akt der Implantation, so ließe sich argumentieren, keine weitere Entwicklung des in vitro hergestellten Embryos möglich ist, hängt dann nicht der Status des Protokoll Arbeitskreis Ärzte und Juristen - 19.und 20. März 2004 - Seite 15

aber nicht um seiner selbst willen. In diese Richtung geht wohl die moralische Bewertung, die 2 des deutschen Embryonenschutzgesetzes (ESchG) 6 ) trifft. Diese Bestimmung verbietet es bei Strafe, den extrakorporal erzeugten Embryo zu einem nicht seiner Erhaltung dienenden Zweck zu verwenden. In den amtlichen Erläuterungen zum Regierungsentwurf des ESchG heißt es dazu recht unbestimmt, dass menschliches Leben grundsätzlich nicht zum Objekt fremdnütziger Zwecke gemacht werden darf. 7 ) Nun ist es zwar keineswegs logisch widersprüchlich, dem extrauterinen Keim ein Recht auf Leben zu versagen, aber gleichwohl eine Norm zu verankern, die im Dienste des Schutzes seines Lebens steht. Moral und Recht schützen ja häufig Objekte, ohne dem Schutzobjekt selbst ein subjektives Recht auf ein bestimmtes Verhalten des Verpflichteten zuzuordnen. Denken wir nur an den Tierschutz 8 ) oder an den Schutz der Totenruhe. 9 ) Indes scheint es mir aufgrund eines Größenschlusses problematisch, den Embryo vor Implantation grundsätzlich anders zu behandeln als danach: Mangelt es dem Embryo in vitro an einem subjektiven Recht auf Leben, dann ist es moralphilosophisch, aber auch rechtsethisch betrachtet alles andere als überzeugend, seine physische Existenz zu schützen, wenn die Abtreibung mehr oder weniger in das Ermessen der Schwangeren gestellt wird. Im Gegensatz zu einer vor allem in Deutschland weit verbreiteten Meinung bin ich der Überzeugung, dass die Legitimität der embryonenverbrauchenden Forschung und damit auch die Legitimität des therapeutischen Klonens in unmittelbarem Zusammenhang mit der Legitimität der Abtreibung steht. 10 ) Kurz gesagt: Wer A sagt, muss auch B sagen. Wer die Abtreibung nicht nur straffrei stellt, sondern darüber hinaus auch noch legalisiert, 11 ) der darf das therapeutische Klonen nicht als Eingriff in Schutzzonen begreifen, die es in Wahrheit gar nicht gibt. 12 ) Lässt die Rechtsordnung die Abtreibung zu und verbietet sie gleichzeitig das therapeutische Klonen, erzeugt sie Wertungswidersprüche, die moralisch höchst anfechtbar sind. Denn es kann nicht richtig sein, die Tötung einer in utero mehr oder weniger weit entwickelten Leibesfrucht zu gestatten, das Leben einer Blastozyste ( Maulbeere ) aber sakrosankt zu stellen. Dieser Größenschluss wird manchem Diskutanten umso überzeugender erscheinen, je glaubhafter die Forschergemeinschaft den Nutzen unter Beweis stellen kann, der eine Folge der Gewinnung embryonaler Stammzellen sein mag. 13 ) Die Diskussion könnte an dieser Stelle fortgeführt werden, aber die Argumente, die für die Legitimität (und in weiterer Folge für die Legalität) des Schwangerschaftsabbruchs sprechen, sind wohl hinlänglich bekannt. Es erübrigt sich, sie hier zu wiederholen. 14 ) Was ich zum therapeutischen Klonen (zur embryonenverbrauchenden Forschung) gesagt habe, kann ich mit Blick auf das deutsche und das österreichische Recht einfach zusammenfassen: 218a Abs. 2 des deutschen StGB 15 ) verträgt sich mit 2 des deutschen ESchG genauso wenig wie 97 Abs. 1 des österreichischen StGB mit 9 Abs. 1 des österreichischen FMedG. 9 des österreichischen FMedG verbietet das therapeutische Klonen zwar nicht so deutlich wie 2 des deutschen ESchG; 16 ) ein im Bundesministerium für Justiz erarbeiteter und im Jänner 2004 zur Begutachtung versandter Entwurf einer Novelle zum Fortpflanzungsmedizingesetz 17 ) will aber die nötige Klarheit schaffen. 9 Abs. 2 FMedG i.d.f. dieses Entwurfs lautet: Das Herstellen entwicklungsfähiger Zellen durch Klonen sowie Eingriffe in die Keimbahn sind unzulässig. Dieses Verbot erfasst nicht nur das reproduktive, sondern auch das therapeutische Klonen. Eine Begründung für diese nach Auffassung der amtlichen Erläuterungen zur FMedG-Novelle 2004 bloß klarstellende Regelung 18 ) wird nicht gegeben. Ob 9 Abs. 2 FMedG in der vorgeschlagenen Form tatsächlich parlamentarisch verabschiedet werden wird, ist jedoch fraglich. Im März 2004 hat sich nämlich die beim Bundeskanzleramt eingerichtete Bioethikkommission 19 ) in einer Stellungnahme zur FMedG-Novelle 2004 mit erzeugten Embryos von der Intention seiner Erzeugung bzw. der Annahme durch die Mutter ab? Hat nicht ein Embryo [in vitro], [...] dessen Annahme durch die Mutter abgelehnt wird, einen anderen Status als der auf Schwangerschaft und Geburt hin angelegte Embryo? 6 ) Gesetz zum Schutz von Embryonen (Embryonenschutzgesetz ESchG) vom 13.12.1990, BGBl. I S. 2746. 7 ) Regierungsentwurf eines Gesetzes zum Schutz von Embryonen (Embryonenschutzgesetz ESchG) vom 25.10.1989, BT-Drucks. 11/5460, S. 10. 8 ) Vgl. Merkel, Strafrecht und Satire im Werk von Karl Kraus (1998) 285 ff. 9 ) Vgl. Amelung, Rechtsgüterschutz und Schutz der Gesellschaft (1972) 173. 10 ) Überblick über das jüngere Schrifttum bei Isensee, Der grundrechtliche Status des Embryos Menschenwürde und Recht auf Leben als Determinanten der Gentechnik, in: Höffe/Honnefelder/Isensee/Kirchhof, Gentechnik und Menschenwürde (2002) 37 77. 11 ) Zur Frage, ob 97 Abs. 1 Z 1 StGB einen bloßen Strafausschließungsgrund oder aber einen Rechtfertigungsgrund verankert hat, Bernat, Schutz vor genetischer Diskriminierung und Schutzlosigkeit wegen genetischer Defekte: die Genanalyse am Menschen und das österreichische Recht, in: Jahrbuch für Recht und Ethik 10 (2002) 183 (205 208). 12 ) In diese Richtung argumentiert auch Eser, Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs vor dem Hintergrund des Embryonenschutzgesetzes, in: Schwartländer-Festschrift (1992) 183 198, sowie zuletzt aus verfassungsrechtlicher Sicht Kopetzki, Grundrechtliche Aspekte der Biotechnologie am Beispiel des therapeutischen Klonens, in: Kopetzki/Mayer (Hrsg.), Biotechnologie und Recht (2002) 15 66; a.a. Steiner, Rechtsfragen der In-Vitro- Fertilisation, JBl. 1984, 175 182. 13 ) Vgl. auch Bernat, Haben frühe menschliche Embryonen ein Lebensrecht? Plädoyer für die Stammzellenforschung, Die Presse vom 3.4.2002, S. 2; Gerhardt, Die Frucht der Freiheit, Die Zeit vom 27.11.2003, S. 47. 14 ) Ausführlich Bernat, Der menschliche Keim als Objekt des Forschers: rechtsethische und rechtsvergleichende Überlegungen, in: Bender/Gassen/Platzer/Seehaus (Hrsg.), Eingriffe in die menschliche Keimbahn. Naturwissenschaftliche und medizinische Aspekte rechtliche und ethische Implikationen (2000) 57 82. 15 ) I.d.F. des Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetzes, BGBl. 1995 I S. 1050. Die Norm legalisiert ähnlich wie 97 Abs. 1 des österreichischen StGB den Schwangerschaftsabbruch sehr weitgehend. 16 ) 9 Abs. 1 FMedG lautet: Entwicklungsfähige Zellen dürfen nicht für andere Zwecke als für medizinisch unterstützte Fortpflanzungen verwendet werden. Sie dürfen nur insoweit untersucht und behandelt werden, als dies nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Erfahrung zur Herbeiführung einer Schwangerschaft erforderlich ist. Gleiches gilt für Samen und Eizellen, die für medizinisch unterstützte Fortpflanzungen verwendet werden sollen. Strittig ist in der Diskussion zum geltenden 9 Abs. 1 FMedG, ob ein durch therapeutisches Klonen entstandener Embryo überhaupt als entwicklungsfähige Zelle i.s.v. 1 Abs. 3 FMedG (vgl. oben Fn. 2) zu begreifen ist. Denn 1 Abs. 3 FMedG definiert die entwicklungsfähige Zelle als befruchtete Eizelle. Der durch therapeutisches Klonen entstandene Embryo ist freilich kein Produkt eines Befruchtungsvorganges. Daraus schließt Kopetzki, Embryonale Stammzellen im Rechtsstaat. Thesen zur künftigen Biopolitik, in: Pichler (Hrsg.), Embryonalstammzelltherapie versus alternative Stammzelltherapien (2002) 157 (159), dass 9 Abs. 1 FMedG die verbrauchende Forschung an einem durch Klonen entstandenen Embryo nicht 17 verbietet. ) Der Ministerialentwurf trägt den Titel Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Fortpflanzungsmedizingesetz geändert wird (Fortpflanzungsmedizingesetz-Novelle 2004 FMedGNov 2004) (JMZ 3.509/614-I.1/2003). 18 ) Vgl. die Erläuterungen zum Ministerialentwurf, a.a.o., S. 11: Nach geltendem Recht dürfen [...] in Österreich keine menschlichen Klone hergestellt werden. Da es jedoch auch kritische Stimmen gibt, die argumentieren, dass es sich bei einem Kerntransfer nicht um eine Befruchtung handle und daher eine Regelungslücke vorliege, scheint die Aufnahme einer klaren Formulierung geboten. Vgl. mit dieser Beurteilung des geltenden Rechts nochmals Kopetzki, in: Pichler (Hrsg.), Embryonalstammzelltherapie versus alternative Stammzelltherapien (2002) 157 (159). 19 ) Die sog. Bioethikkommission ist ein Beratungsgremium der Bundesregierung. Über ihre Tätigkeit berichten Gmeiner/Körtner, Die Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt: Aufgaben, Arbeitsweise, Bedeutung, RdM 2002, 164 173. Protokoll Arbeitskreis Ärzte und Juristen - 19.und 20. März 2004 - Seite 16

hauchdünner Mehrheit gegen die Aufnahme eines ausdrücklichen Verbots des therapeutischen Klonens ausgesprochen. 20 ) Ob sich die vom regierenden Bundeskanzler eingesetzte 21 ) Bioethikkommission letztlich gegen die offizielle Marschrichtung der Regierung durchsetzen wird, bleibt abzuwarten. II. Das reproduktive Klonen im Spannungsfeld individueller und kollektiver Interessen Sollte 9 Abs. 2 des österreichischen FMedG den Wortlaut bekommen, den das Bundesministerium für Justiz vorgeschlagen hat, 22 ) wäre klargestellt, dass nicht nur das therapeutische, sondern auch das reproduktive Klonen in Österreich verboten ist. Ein solches Verbot entspricht bekanntlich ganz internationalen Standards. Ja, das Klonverbot ist sogar in einem eigenen Zusatzprotokoll zur Biomedizinkonvention des Europarats 23 ) und im Entwurf der Charta der Grundrechte der Europäischen Union festgeschrieben. 24 ) Es findet sich strafrechtsbewehrt auch in 6 des deutschen ESchG. 25 ) 1. Reproduktives Klonen und menschliche Würde Der durch reproduktives Klonen erzeugte Mensch wäre das genetische Abbild jenes Menschen, aus dessen Körper die zum Klonen verwendete Somazelle entnommen worden ist. In der juristischen Literatur wird dieses Umstandes wegen fast einhellig die Meinung vertreten, dass das reproduktive Klonen illegitim ist und bei Strafe verboten werden muss. Das Standardargument formulieren wohl die amtlichen Erläuterungen zu 6 des deutschen ESchG: In besonders krasser Weise würde es gegen die Menschenwürde verstoßen, gezielt einem künftigen Menschen seine Erbanlagen zuzuweisen. 6 verbietet deshalb, künstlich Embryonen zu erzeugen, welche die gleiche Erbinformation wie andere Embryonen oder wie Föten, lebende Menschen oder Verstorbene besitzen. 26 ) Wessen Würde verletzt das Klonen dieser Auffassung zufolge aber nun in der Tat? Ist die Würde des Klons gemeint oder die Würde des Originals, das einen Zwilling bekommt und damit möglicherweise, so könnte gesagt werden, seine eigene Individualität einbüßt? Meinen die amtlichen Erläuterungen vielleicht die Würde der Menschheit als Gattung? Diese Fragen werden von den amtlichen Erläuterungen bedauerlicherweise nicht näher beantwortet. Wir sind also darauf angewiesen, die Bedeutung des Satzes Das reproduktive Klonen verletzt die Menschenwürde rational zu rekonstruieren. Verletzt das reproduktive Klonen die Würde des Klons? Man denke sich einen geklonten Menschen und stelle ihm die Frage: Ist Deine Menschenwürde beeinträchtigt, weil Du das genetische Abbild von XY bist? XY kann ein unbekannter Spender sein; oder ein bereits existierendes (vielleicht aber auch ein vorverstorbenes) Kind der Wunscheltern; oder zu guter Letzt der Wunschvater oder die Wunschmutter. Der Klon, so will ich einmal pointiert formulieren, ist ein Mensch wie du und ich. Er verdankt sein Leben ja ganz natürlichem und nicht etwa synthetisch hergestelltem Erbmaterial. 27 ) Die DNA des Klonspenders wurde ebenso wenig synthetisch hergestellt wie die DNA eines durch IVF oder künstliche Insemination gezeugten Kindes. Empirisch betrachtet ist der Klon nur deshalb etwas Besonderes, weil er wie ein eineiiger, zeitgleich entstandener Zwilling die gleiche Erbinformation besitzt wie der Klonspender. Man könnte deshalb auch von einem zeitversetzten Zwilling ( intergenerational clone ) sprechen, der mit dem Klonspender die genetischen Eltern teilt. 28 ) Ist man sich all dessen bewusst, dann fällt es nicht schwer, die Antwort des geklonten Menschen auf die Frage Verletzt die Tatsache, dass du die gleiche Erbinformation wie dein Klonspender hast, deine Würde? zu antizipieren, wenn wir einmal annehmen, das Klonen habe sich vielleicht schon Mitte des 21. Jahrhunderts unserer Zeitrechnung als sichere und zuverlässige Form der menschlichen Reproduktion etabliert. 29 ) Ich vermute, der durchschnittliche Klon des Jahres 2050, der etwa ein genetisches Abbild eines älteren Bruders ist, wird dem Fragesteller wie folgt antworten. Nein, warum sollte meine Würde dadurch beeinträchtigt sein, dass ich das genetische Abbild meines älteren Bruders bin? Ich habe dieselben Menschenrechte wie mein Klonspender, und übrigens finde ich es sehr sympathisch, zu wissen, wer meine genetischen Eltern sind. Dieses Wissen haben nicht alle Menschen; denk etwa an die armen Teufel, die ihr Leben einer künstlichen Insemination mit Samen eines anonymen Spenders verdanken! Die wissen überhaupt nicht Bescheid, ob sie eine genetisch übertragbare Krankheit geerbt haben. Ich hingegen weiß besser Bescheid als viele natürlich gezeugte Menschen, denen häufig ein Trugbild von ihrem biologischen Vater vermittelt wird. Also, ich weiß nicht, warum ich mich beschweren sollte. Das Klonen ist heute eine erprobte Fortpflanzungsmethode, die so sicher ist 20 ) Abrufbar unter www.bka.gv.at/bioethik/. 21 ) BGBl. II 2001/226. 22 ) Vgl. nochmals oben im Text nach Fn. 17. 23 ) Abgedruckt u.a. bei Eser (Hrsg.), Biomedizin und Menschenrechte. Die Menschenrechtskonvention des Europarates zur Biomedizin Dokumentation und Kommentare (1999) 124 126. 24 ) Art. 3 Abs. 2 Z 4 25 ) 6 Abs. 1 ESchG lautet: Wer künstlich bewirkt, dass ein menschlicher Embryo mit der gleichen Erbinformation wie ein anderer Embryo, ein Fötus, ein Mensch oder ein Verstorbener entsteht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Dazu Gröner, Klonen, Hybrid- und Chimärenbildung unter Beteiligung totipotenter menschlicher Zellen, in: Günther/Keller (Hrsg.), Fortpflanzungsmedizin und Humangenetik Strafrechtliche Schranken? ( 2 1991) 293 325. 26 ) BT-Drucks. 11/5460, S. 11. 27 ) Vgl. schon Weinke, Gedanken zu künstlichen Befruchtungstechniken aus philosophisch-ethischer Sicht, in: Bernat (Hrsg.), Lebensbeginn durch Menschenhand. Probleme künstlicher Befruchtungstechnologien aus medizinischer, ethischer und juristischer Sicht (1985) 73 (76): Solange es nicht möglich ist, im Labor eines Chemikers Samen und Eizellen aus einer Mischung irgendwelcher Substanzen zu erzeugen, um sie dann zur Vereinigung zu bringen, ist jede Art der Fortpflanzung als natürlich zu bezeichnen (im anderen Fall müsste man von einer synthetischen Zeugung sprechen), denn eine ablehnende Einstellung zu jeder Form von künstlicher Befruchtung ist nur eine Ablehnung der als unnatürlich empfundenen Art der Vereinigung von Samen- und Eizelle, also letztlich eine rigorose Normierung des modus coeundi! 28 ) Sehr deutlich Segal, Behavioral aspects of intergenerational human cloning: What twins tell us, Jurimetrics 38 (1997) 57 67. Ist der Klonspender der Wunschvater oder die Wunschmutter, werden die genetischen Eltern des Klons häufig die sozialen Großeltern sein. 29 ) Es wird unterstellt, dass das Klonen im Jahre 2050 so wenig riskant ist wie die heute üblichen Methoden der nichtkoitalen Fortpflanzung (In-Vitro- Fertilisation, künstliche Insemination etc.). Protokoll Arbeitskreis Ärzte und Juristen - 19.und 20. März 2004 - Seite 17