Steuern und Sozialversicherung Kongresshaus, Zürich (1121.) 13. März 2014
Einführende Überlegungen zum Verhältnis Sozialversicherungsrecht - Steuerrecht Prof. Dr. iur. Ueli Kieser
Einleitung und Grundfragen Zum Prinzip der Einheit der Rechtsordnung und zu den Wertungen der Rechtsgebiete Sozialversicherungsrecht und Steuerrecht Prof. Dr. iur. Ueli Kieser 3
Übersicht über die Themen Grundwertungen des Sozialversicherungsrechts: Verschiedene Aspekte (z.b. Solidarität) Grundwertungen des Steuerrechts: Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Steuerbefreiung: Ein Querschnitt-Thema Wirtschaftliche Betrachtungsweise: Problem der Rechtsanwendung Prof. Dr. iur. Ueli Kieser 4
Zu Grundwertungen des Sozialversicherungsrechts Unterstellung Finanzierung Leistung: Einheitliche Betrachtungsweise bei den drei Bereichen Zum Gegenseitigkeitsprinzip als Regelungsinstrument für Beiträge und Leistungen Gewährleistung eines hinreichenden sozialen Schutzes Solidaritätsprinzip Prof. Dr. iur. Ueli Kieser 5
Finanzierung des Sozialversicherungsrechts Vielfalt der Finanzierungsquellen Versichertenbeiträge Beiträge der Arbeitgebenden Steuererträge (allgemeine Steuern, Mehrwertsteuern) und sonstige Finanzierungsquellen (Spielbanken etc.) Prof. Dr. iur. Ueli Kieser 6
Erwerbseinkommen als Grundlage der Finanzierung Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit als gestaltendes Element im Sozialversicherungsrecht? Bestimmung des Einkommens aus unselbständiger Erwerbstätigkeit Bestimmung des Einkommens aus selbständiger Erwerbstätigkeit Prof. Dr. iur. Ueli Kieser 7
Stellenwert der einzelnen Finanzierungsquellen Volksversicherungen (AHV, IV, EL) werden unter Beizug von Steuererträgen finanziert Arbeitnehmerversicherungen (BV, UV, ALV) werden durch Beiträge der Arbeitnehmenden und der Arbeitgebenden finanziert Besondere Finanzierungsquellen zur Sicherung von Übergangssituationen (Überalterung, Invaliditätszunahme) Prof. Dr. iur. Ueli Kieser 8
Beispiel für verfassungsrechtliche Vorgabe betreffend Finanzierung Art. 112 BV Abs. 3 Die Versicherung wird finanziert: a. durch Beiträge der Versicherten, wobei die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber für ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Hälfte der Beiträge bezahlen; b. b. durch Leistungen des Bundes. Abs. 4 Die Leistungen des Bundes betragen höchstens die Hälfte der Ausgaben. Abs. 5 Die Leistungen des Bundes werden in erster Linie aus dem Reinertrag der Tabaksteuer, der Steuer auf gebrannten Wassern und der Abgabe aus dem Betrieb von Spielbanken gedeckt. Prof. Dr. iur. Ueli Kieser 9
Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Wertungen im Steuerrecht (1) Verfassungsrechtliche Vorgaben zur Ausgestaltung des Steuerrechts Steuerliche Behandlung von Sozialversicherungsleistungen (AHV/IV-Rente, Hilflosenentschädigung, Invalidenrente mit Invalidität nach der gemischten Methode, Ergänzungsleistungen, Militärversicherungsleistungen) Prof. Dr. iur. Ueli Kieser 10
Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Wertungen im Steuerrecht (2) Art. 127 BV Grundsätze der Besteuerung Abs. 1 Die Ausgestaltung der Steuern, namentlich der Kreis der Steuerpflichtigen, der Gegenstand der Steuer und deren Bemessung, ist in den Grundzügen im Gesetz selbst zu regeln. Abs. 2 Soweit es die Art der Steuer zulässt, sind dabei insbesondere die Grundsätze der Allgemeinheit und der Gleichmässigkeit der Besteuerung sowie der Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu beachten. Abs. 3 Die interkantonale Doppelbesteuerung ist untersagt. Der Bund trifft die erforderlichen Massnahmen. Prof. Dr. iur. Ueli Kieser 11
Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Wertungen im Steuerrecht (3) Steuerliche Behandlung von Beiträgen an die Sozialversicherungen: Grundsatz: Abzugsberechtigung Verantwortlichkeitszahlungen nach Art. 52 AHVG Zahlungen in der beruflichen Vorsorge Prämien für die Heilungskostenversicherung Prof. Dr. iur. Ueli Kieser 12
Steuerfreiheit der Sozialversicherungsträger (1) Rechtliche Grundlagen: Sozialversicherungsrecht und Steuerrecht Art. 80 Abs. 1 ATSG Art. 80 Abs. 2 BVG Steuerrechtliche Regelungen der Steuerbefreiung Prof. Dr. iur. Ueli Kieser 13
Steuerfreiheit der Sozialversicherungsträger (2) Art. 80 ATSG Steuerfreiheit der Versicherungsträger Abs. 1 Die Versicherungsträger und Durchführungsorgane sind, soweit ihre Einkünfte und Vermögenswerte ausschliesslich der Durchführung der Sozialversicherung, der Erbringung oder der Sicherstellung von Sozialversicherungsleistungen dienen, von den direkten Steuern des Bundes, der Kantone und der Gemeinden und von Erbschafts- und Schenkungssteuern der Kantone und Gemeinden befreit. Prof. Dr. iur. Ueli Kieser 14
Steuerfreiheit der Sozialversicherungsträger (3) Art. 80 BVG Abs. 2 Die mit Rechtspersönlichkeit ausgestatteten Vorsorgeeinrichtungen des privaten und des öffentlichen Rechts sind, soweit ihre Einkünfte und Vermögenswerte ausschliesslich der beruflichen Vorsorge dienen, von den direkten Steuern des Bundes, der Kantone und der Gemeinden und von Erbschafts- und Schenkungssteuern der Kantone und Gemeinden befreit. Abs. 3 Liegenschaften dürfen mit Grundsteuern, insbesondere Liegenschaftensteuern vom Bruttowert der Liegenschaft und Handänderungssteuern belastet werden. Abs. 4 Mehrwerte aus der Veräusserung von Liegenschaften können entweder mit der all- gemeinen Gewinnsteuer oder mit einer speziellen Grundstückgewinnsteuer erfasst werden. Bei Fusionen und Aufteilungen von Vorsorgeeinrichtungen dürfen keine Gewinnsteuern erhoben werden. Prof. Dr. iur. Ueli Kieser 15
Abstellen auf die wirtschaftlichen Gegebenheiten Fragestellung: Durchgriff durch eine an sich zulässige Regelung Verhältnis zur Rechtsprechung zum Rechtsmissbrauch Anwendungsfälle: Abgrenzung Erwerbstätigkeit Nichterwerbstätigkeit; Abgrenzung selbständige unselbständige Erwerbstätigkeit Prof. Dr. iur. Ueli Kieser 16
Einige Ergebnisse Sozialversicherungsrecht und Steuerrecht: Zwei je eigene Rechtsgebiete Annäherung des Sozialversicherungsrechts an das Steuerrecht durch voraussetzungslose Zahlungen Wenige geglückte «Übergriffe» des Sozialversicherungsrechts (Steuerbefreiung) Notwendigkeit der sorgfältigen Rechtsetzung Gesichtspunkte der Einfachheit und der Praktikabilität Prof. Dr. iur. Ueli Kieser 17