Der Stellenwert von CRPS (Morbus Sudeck) in Deutschland Auswirkungen der Erkrankung In der Bezeichnung der Erkrankung: Komplexes regionales Schmerzsyndrom steckt das Wort > regional <. In den ersten Jahren dachte ich, dass es sich tatsächlich um eine regional (auf eine Extremität) begrenzte Krankheit handelt, so wurde es mir von meinen behandelnden Ärzten (niedergelassene und Ärzte in auf die Behandlung von CRPS spezialisierten Schmerzzentren) vermittelt. In den Jahren nach Ausbruch der Erkrankung habe ich sehr viel über die Krankheit CRPS im Internet gelesen. Vor allem nach Lektüre von ausländischen Studien und Artikeln (Niederlande, Neuseeland, Amerika) wurde mir deutlich, dass es sich bei Morbus Sudeck/ CRPS/ RSD um eine sehr >komplexe< Erkrankung handelt, mit regionalen Schmerzsymptomatiken, meist in einzelnen, aber auch in mehreren Extremitäten, im Rücken oder der Hüfte. Sehr komplex ist die Krankheit, da sie u. a. für Veränderungen im Zentralen Nervensystem, im Rückenmark und Gehirn verantwortlich ist, möglicher Weise aber auch für Veränderungen in verschiedenen inneren Organen. Mein Eindruck nach dieser sehr umfangreichen Recherche: In Deutschland scheint sich um die ausländischen Erkenntnisse (außer uns Betroffenen) niemand zu kümmern, zumindest findet man hier keine annähernd vergleichbare Literatur. Aufklärung des Patienten Warum werden wir Patienten von unseren Ärzten (auch von den Experten in Schmerzzentren) nicht von Anfang an umfassender über die Komplexität der Erkrankung Morbus Sudeck (CRPS) informiert? Liegt es daran, dass Ärzte selbst nicht wissen, was Morbus Sudeck (CRPS) für Konsequenzen mit sich bringen kann? Oder will man uns Patienten vorenthalten, was bei chronischen Langzeitverläufen auf uns zukommen kann? Bei anderen Erkrankungen wie z.b. MS wird nicht so vorgegangen.
Neuerkrankungen in Deutschland Die Anzahl der Neuerkrankungen in Deutschland wird mit ca. 10.000 pro Jahr angegeben, wobei diese Zahl seit 15 Jahren immer wieder in Veröffentlichungen steht, eine Angabe, die bisher nie überprüft und aktualisiert wurde. (da schreibt einer vom anderen ab!) Warum macht sich niemand die Mühe und aktualisiert die Zahlen? Datensammlung Je mehr man weiß über die Erkrankung und vor allem deren Langzeitverlauf, desto mehr Rückschlüsse lassen sich für eine multimodale Therapie ziehen, aber auch für die Ausbildung der Mediziner. Warum macht sich niemand die Mühe, die Daten aller CRPS Erkrankten zu erfassen? Was war der Auslöser? Wie lange hat es bis zur Diagnose gedauert? Hat sich die Schmerzsymptomatik auf weitere Extremitäten ausgebreitet? Sind im Verlauf innere Organe betroffen? Welche Therapien wurden versucht? usw. Diagnose Viele Patienten bekommen erst nach Monaten die Diagnose Morbus Sudeck (CRPS), haben in der Zeit diverse Ärzte aufgesucht, die viel zu wenig über das Krankheitsbild wissen. (Dies führt bei vielen Betroffenen dazu, dass ihnen irgendwann ein Ärztehopping vorgeworfen wird, obwohl der Grund für häufige Arztwechsel doch ganz woanders liegt.) Wenn die Krankheit nicht die typischen Symptome (siehe Bilder in den Lehrbüchern) zeigt, dann dauert es mit einer Diagnose unter Umständen noch länger. Allein die klinische Diagnostik muss ausreichen, derzeit gibt es nichts anderes. All die bildgebenden Verfahren stressen uns natürlich mehr oder weniger, und viele Ärzte kommen dann zu Ergebnissen, die wissenschaftlich nicht belegt sind. Die Bildgebung verwirrt eigentlich mehr als das sie uns hilft. Die Ärzte müssten eigentlich nur die Budapester Kriterien zur Diagnostik des CRPS anwenden, dann wäre uns viel schneller geholfen.
IASP-Diagnosekriterien (Budapest-Kriterien) für CRPS 1. Anhaltender Schmerz, der durch das Anfangstrauma nicht mehr erklärt wird. 2. In der Anamnese mindestens ein Symptom aus 3 der 4 folgenden Kategorien: a) Hyperalgesie (Überempfindlichkeit für Schmerzreize) Hyperästhesie (Überempfindlichkeit für Berührung, Allodynie) b) Asymmetrie der Hauttemperatur; Veränderung der Hautfarbe c) Asymmetrie beim Schwitzen; Ödem d) reduzierte Beweglichkeit, Dystonie, Tremor, «Paresen» (im Sinne von Schwäche), Veränderungen von Haar oder Nagelwachstum 3. Zum Zeitpunkt der Untersuchung mindestens ein Symptom aus 2 der 4 folgenden Kategorien: a) Hyperalgesie auf spitze Reize (z.b. Nadelstich), Allodynie, Schmerz bei Druck auf Gelenke/Knochen/Muskeln b) Asymmetrie der Hauttemperatur; Veränderung der Hautfarbe c) Asymmetrie im Schwitzen; Ödem d) reduzierte Beweglichkeit, Dystonie, Tremor, «Paresen» (im Sinne von Schwäche), Veränderungen von Haar oder Nagelwachstum 4. Es gibt keine andere Diagnose, die diese Schmerzen erklärt Hier steckt meines Erachtens das Problem, diese Kriterien sind den meisten Ärzten gar nicht bekannt. Warum ist dies so? Warum werden Mediziner bezüglich CRPS nicht umfassender und fachlich kompetenter geschult? Warum sind viele Mediziner so unerfahren bzw. schlecht informiert über ein Krankheitsgeschehen, welches keine typischen Verläufe aufweist? Warum wird immer noch von typischen Stadieneinteilungen geschrieben, obwohl längst klar ist, dass eine Stadieneinteilung nicht mehr Stand der Erkenntnisse ist? Warum müssen CRPS Patienten es immer wieder erleben, dass die endlich gestellte Diagnose dann in Schmerzzentren, die sich die Erforschung und Behandlung des CRPS auf die Fahnen geschrieben haben, erneut in Frage gestellt wird, ohne dass sich die Ärzte auf eine andere Diagnose festlegen? Warum werden Patienten immer noch Tests wie z. B.: bildgebende Verfahren wie Röntgen, MRT, fmrt, Dreiphasen-Knochenszintigraphie, Blut- oder Nerventests unterzogen, die nicht hilfreich sind für die Diagnose von CRPS? Wenn diese unnötigen Tests ohne Befund ausfallen, wird von vielen Ärzten CRPS kategorisch ausgeschlossen, obwohl diese Tests für die Diagnose keinerlei Aussagekraft haben. Warum müssen CRPS Patienten es immer wieder erleben, dass sie in eine Psycho- Ecke geschoben werden?
Aussagen von niedergelassenen Ärzten und Ärzten in Kliniken: Die Ursache für Ihre Schmerzen befinden sich in Ihrem Kopf. Machen Sie mal wieder Sport, laufen und hüpfen Sie wird Betroffenen mit CRPS in den unteren Extremitäten geraten. Sie sind am Besten in einer psychosomatischen Klinik zu behandeln. Wenn Sie nur wollen, dann wird es auch wieder besser! Dies sind nur einige Beispiele, die meines Erachtens deutlich machen, dass Ärzte teilweise überfordert sind mit der Behandlung einer solch komplexen Erkrankung. Ausbreitung Leider wird die Frage, ob sich CRPS im Körper ausbreiten kann, von vielen Ärzten immer noch verneint, wobei die Frage bereits falsch gestellt ist. Es müsste eher lauten: Kann die Schmerzsymptomatik von einer Extremität auf eine andere Extremität oder in andere Bereiche des Körpers springen? Denn die Erkrankung wirkt sich ja bereits zu Beginn im gesamten Organismus aus, so dass sich lediglich die Schmerzsymptomatik auf weitere Extremitäten ausbreiten kann. Dies macht besonders eine Studie zum Thema Ausbreitung bei CRPS deutlich. Warum wird über das Thema Ausbreitung von deutschen Ärzten und Schmerzzentren geschwiegen? Warum wird vielen CRPS Patienten gesagt, eine Ausbreitung sei nicht möglich, sie würden sich ihre Symptome einbilden oder es handele sich lediglich um eine Überlastung der gesunden Extremität? Fazit All meine Überlegungen und Fragen stehen in direktem Zusammenhang mit dem derzeitigen geringen Stellenwert von CRPS in Deutschland. An verschiedenen Schmerzzentren wird zwar eine gewisse Grundlagenforschung betrieben, allerdings hat man den Eindruck, dass da jeder sein eigenes Süppchen kocht. Ebenso muss man davon ausgehen, dass ein grundlegendes Interesse an Erkenntnissen von ausländischen Ärzten zum komplexen Krankheitsgeschehen bei CRPS nicht gegeben ist. Der gesamte Umgang mit CRPS führt für viele Betroffene zu erheblichen, außergewöhnlichen Dauerschmerzen (siehe Mc Gill Pain Index). Schwere Langzeitverläufe führen bei einem Großteil der Betroffenen zu einer Schwerbehinderung, viele Betroffene sind nicht mehr in der Lage, am Berufsleben teilzuhaben und müssen sich mit einem sozialen und finanziellen Abstieg auseinander setzen.
Parallel zu den erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen müssen viele Betroffene mit den unterschiedlichen Sozialversicherungsträgern um Unterstützung und Anerkennung ihrer Behinderung kämpfen. Hierbei geht es um die Gewährung von Hilfs- und Heilmitteln, die Kostenübernahme von stationären Schmerzbehandlungen, die Gewährung von Kranken- oder Verletztengeld, die adäquate Anerkennung ihrer Schwerbehinderung, die Gewährung von Erwerbsminderungsrente, eine adäquate Mde - Festsetzung (Minderung der Erwerbsfähigkeit), etc. Im Rahmen der Anerkennung werden sie dann von Ärzten und Gutachtern untersucht bzw. beurteilt, denen in der Regel eine schmerztherapeutische Zusatzqualifikation fehlt und die meist, wenn überhaupt, CRPS nur aus den Lehrbüchern kennen. Warum wird nicht sichergestellt, dass wir Betroffene von kompetenten Gutachtern begutachtet werden? Hier schließt sich meines Erachtens der Kreis. Wenn der Großteil der Ärzte keine ausreichenden Kenntnisse über das Krankheitsbild CRPS mit seinen vielschichtigen und unterschiedlichen Gesichtern hat, wie soll man dann erwarten, dass Gutachter besser qualifiziert sind. Letztendlich sind wir wieder beim Stellenwert der Krankheit, der leider nicht der Tragweite der Erkrankung entspricht. Ein Betroffener Zum Abschluss verweise ich auf folgende Studien und Artikel, die deutlich machen, wie komplex unser Krankheitsbild ist: CRPS/RSD: Updates on treatment, P. Chopra, Rhode Island, 2013. Systemic Complications of Complex Regional Pain Syndrome, Robert J. Schwartzman, Philadelphia, 2012. Spreading of complex regional pain syndrome: not a random process M. A. van Rijn, J. Marinus, H. Putter, S. Bosselaar, G. Moseley, J. van Hilten, 2010 Urological symptomatology in patients with reflex sympathetic dystrophy, Michael B. Chancellor, Patric J. Shenot, David A. Rivas, Steven Mandel and Robert J. Schwartzman, Philadelphia, 1996.