Perioperative Antibiotikaprophylaxe (PAP) AOZ-Operateurstreffen Jörg Schneider - AOZ Allgäu Kempten

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Transkript:

Perioperative Antibiotikaprophylaxe (PAP) AOZ-Operateurstreffen 10.10.2013 Jörg Schneider - AOZ Allgäu Kempten

Hintergrund Ca. 400.000 600.000 noskomiale Infektionen/Jahr in Deutschland Pneumonie, Sepsis, Harnwegsinfektionen und u.a. auch SSI (= Surgical Site Infections) rangieren an 2. - 4. Stelle abhängig von Untersuchungen Bis zu 5 % nach aseptischen Eingriffen und bis zu 40 % nach abdominellen Eingriffen Nach OP-KISS: Infektionsrate ca. 1,8 %: 225.000 Infektionen und ca. 4500 tödliche endende SSI Verlängerte Liegedauer von ca. 7 8 Tagen, ca. 1 Million zusätzliche Krankenhaustage 2

Definition PAP Kurzzeitige, meist einmalige Gabe eines Antibiotikums VOR einem Eingriff ausnahmsweise auch während eines Eingriffes Ziel: Verringerung der Anzahl von postoperativen Wundinfektionen KEIN Ersatz für grundlegende Hygienemaßnahmen, aseptisches Arbeiten gewebeschonende Operationstechniken Andere nosokomiale Infektionen können damit nicht verhindert werden: Pneumonie, Sepsis, HWI 3

Risikofaktoren Bakterielle Besiedlung des Operationsgebietes Kontaminationsklassen I - IV Risikofaktoren: Patienteneigene Präoperative Intraoperative Postoperative 4

Kontaminationsklassen Saubere (aseptische) Eingriffe: primär sterile Eingriffe keine Eröffnung eines kontaminierten Hohlraumsystems (Respirations-, Gastrointestinalund Urogenitaltrakt) aseptisches Operationsgebiet, atraumatische Operationstechnik Verschluss der Wunde durch Primärnaht. sauber-kontaminierte Eingriffe (bedingt aseptisch): z. B. Eingriffe mit Eröffnung des Gastrointestinal-, Respirations- und Urogenitaltrakts ohne signifikante Kontamination, Wundverschluss ohne Drainage. kontaminierte Eingriffe: z. B. Eröffnung des infizierten Respirations- oder Urogenitaltrakts, Darmeröffnung, traumatische Wunden. verschmutzte (infizierte) Eingriffe: z. B. Eingriffe mit akuten bakteriellen Infektionen, traumatische Wunden mit devitalisiertem Gewebe, purulente Entzündung im Operationsgebiet Fremdkörperentfernungen, Eröffnung von Abszessen Eingriffe nach Darmperforation, nach verspäteter Behandlung (älter als 4 h) Wundverschluss mit anschließender Drainage 5

Patienteneigene Risikofaktoren hohes Alter (>70 Jahre) Besiedlung mit Staphylococcus aureus und MRSA Immunsuppression Grunderkrankungen wie Diabetes mellitus, Dialysepflicht reduzierter Allgemeinzustand oder schlechter Gesundheitszustand mit hohem ASA-Score 6

Präoperative Risikofaktoren Notfalloperationen offene Frakturen avitale Fremdkörper Hochrisikooperationen Rauchen Adipositas Mangelernährung, Anämie Dauer des präoperativen Krankenhausaufenthalts Maligne Erkrankungen Vorbestrahlung 7

Intraoperative Risikofaktoren lange Operationsdauer Handschuhperforation infizierter Operationsbereich, geringe Erfahrung des chirurgischen Teams Hypothermie, ausgedehnte Blutungen 8

Postoperative Risikofaktoren Komplikationen wie Re-Operation Drainagen zentrale Venenkatheter Blasenkatheter 9

Risikoerhöhung infiziertes oder kontaminiertes Operationsgebiet (verbunden mit der Gefahr eines hohen intraoperativen Erregereintrags), Mehreren signifikante patienteneigene Risikofaktoren wie Abwehrschwäche, schlechter Allgemeinzustand oder Endokarditis, operationsbedingten Risiken wie lange oder schwere Operationen oder Einsatz bzw. Ersatz von Implantaten 10

Indikationen für PAP 1. Wenn bei hoher Erregerexposition des Operationsgebiets das Risiko einer intraoperativen Kontamination mit nachfolgender SSI durch systemischen Erregereintrag gegeben ist (Wundklassifikationen sauber-kontaminiert, kontaminiert und schmutzig) 2. Wenn bei sauberen Eingriffen ein zusätzlicher Risikofaktor vorliegt: Notfalloperationen, Osteosynthese, Rückenmarkchirurgie, offene Reposition und interne Fixation von Frakturen, Hochrisikooperationen, Operationen an großen Gelenken und bei offenen Frakturen, Einbau von Gefäß- und Gelenkimplantaten, Herzklappen sowie anderen alloplastischen Materialien und Ersatz bereits vorhandener Implantate wie Prothesen, künstliche Herzklappen 3. Wenn bei sauberen Eingriffen eine Infektionsgefährdung auf Grund patienteneigener Risiken vorliegt: Eingriffe bei immunsupprimierten Patienten Patienten mit schweren Grunderkrankungen Patienten mit hohem ASA-Score, Vorbestrahlung, Unterkühlung 11

PAP nicht nötig bei der Anlage oder Entfernung von Gefäß- und Blasenkathetern sowie Wunddrainagen der Versorgung aseptischer Wunden und bei aseptischen Eingriffen lokal beherrschbarem Infektionsrisiko 12

Durchführung und Dauer 1. Dosis rechtzeitig vor dem Operationsbeginn (z. B. bei parenteraler Gabe von Cephalosporinen 30-60 Minuten vor Operationsbeginn) Der späteste Zeitpunkt für die PAP ist intraoperativ bei Auftreten von Komplikationen Bei Eingriffen an Extremitäten in Blutleere wird das Antibiotikum 10 Minuten vor Anlage der Blutsperre und eine Folgedosis nach Eröffnung der Blutsperre empfohlen 13

Durchführung und Dauer Einmalige Antibiotikagabe ist für eine effektive Prophylaxe bei einer Operationsdauer von weniger als 2 Stunden ausreichend. Mehrmalige Gabe von Antibiotika ist nicht besser. Eine Antibiotikagabe nach Wundverschluss hat keinen Einfluss auf die Infektionsrate. Bei starkem Blutverlust (>1 L) oder länger dauernden Operationen muss eine Folgedosis verabreicht werden. Diese wird in der Regel erforderlich, wenn der Eingriff länger dauert, als die doppelte Halbwertszeit des Antibiotikums ausmacht. Cefuroxim (HWZ 70 Min.) 2. Gabe nach 140 Minuten 14

Literatur und Quellen Paul Ehrlich Institut: www.pei.de AWMF Online = Portal der wissenschaftlichen Medizin www.awmf.org RKI (Robert-Koch-Institut) www.rki.de 15

Definition von S1-, S2-, S3-Leitlinien S1-Leitlinie: Handlungsempfehlungen einer nicht-repräsentativen Expertengruppe ohne systematische Evidenzbasierung und ohne strukturierte Konsensfindung S2e-Leitlinie: Evidenzbasierte Leitlinie einer nicht-repräsentativen Expertengruppe S2k-Leitlinie: Leitlinie einer repräsentativen Expertengruppe mit einer strukturierten Konsensfindung S3-Leitlinie: Leitlinie einer repräsentativen Expertengruppe mit einer strukturierten Konsensfindung, die auf der systematischen Evidenzbasierung (Literaturrecherche, Studien) aufbaut. 16

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Jörg Schneider AOZ Ambulantes Operationszentrum Allgäu Betriebsstätte Kempten Robert-Weixler-Straße 48 a 87439 Kempten Tel.: 0831/507-3941 E-Mail: aoz-allgaeu@klinikum-kempten.de Fax: 0831/507-3947 Internet: www.aoz-allgaeu.de Päsentationsthema 17