(Bild: gov.uk) Prof. Bernhard Schlag 1

Ähnliche Dokumente
(Bild: gov.uk) Prof. Bernhard Schlag 1

Automatisiertes Fahren im Straßenverkehr Offene Fragen aus Sicht der Psychologie

PSYCHOLOGIE DES SICHEREN FALLSCHIRMSPRUNGS. INSITA, , Schweinfurt Dr. Bettina Schleidt, Human-Factors-Consult.com

Von der Multimodalität zum Robotaxi Was brauchen wir für die Energiewende auf der Straße?

Wer fährt? Möglichkeiten und Grenzen von Fahrerinformations- und Fahrerassistenzsystemen

Einführung des Automatisierten Fahrens

Fahrerinformation und Fahrerassistenz in der zukünftigen Theoretischen Fahrerlaubnisprüfung. Dipl.-Psych. Bernd Weisse TÜV DEKRA arge tp 21

WENN AUTOS ALLEINE FAHREN... Ein kritischer Blick auf digitalisierte Mobilität und Fahrzeugtechnik

RECHTSSICHERHEIT BEIM HOCH- UND VOLLAUTOMATISIERTEN FAHREN

Ein mentalisierendesassistenzsystem zur Unterstützung von RPAS-Piloten bei der Missionsführung

Automatisches Fahren gut für den Fahrer?

ACV Akzeptanzstudie: Autonomes Fahren

Warum gibt es so viel Verkehr?

Veränderte Fahraufgabe

Assistenzsysteme für ältere Fahrer? Prof. Dr. Mark Vollrath, 18.April 2013

Ein Blick in die Zukunft Schwerpunkte zukünftiger Verkehrssicherheitsarbeit

Projekt: Senioren im Straßenverkehr Auswirkungen von Leistungsveränderungen und Kompensationsstrategien

Verkehrssicherheitsarbeit in Deutschland: Mensch und Technik. Deutsche Verkehrswacht e.v. German Road Safety Association

Künstliche Intelligenz im Fahrzeug

Unterstützung von Angehörigen von Menschen mit Behinderungen

Hier ist gerade nichts los also schnell eine SMS!

Inhalt Vorwort 1. Was ist Motivation? 2. Was ist Leistung? 3. Persönliche Einstellung Erfolgsfaktor für Motivation

Modellierung und Bewertung kognitiver Aspekte der Aufgaben eines Fahrers

Autonomes Fahren und vernetzte Mobilität. Achim Berg Bitkom-Vizepräsident Berlin, 15. Februar 2017

«Selbstfahrende Autos wird sich die Sicherheit automatisch erhöhen?»

2. BVA Symposium Arbeitsplatz Schule: Gesund lehren, gesund führen, gesund leben , Krems an der Donau Workshop 2 - Dr.

Shared Space aus der Sicht eines Verkehrspsychologen

Agenda. 2. Einfluss der Zielorientierung auf die Motivation. 3. Thematische Begründung als Motivation

6. Sachverständigentag

Folien.

Autonomes Fahren. Landwirtschaftliche Innovation. Christian Huber Vice President Global Case IH / Steyr Traktoren CNH Industrial

Neue automobilität: Automatisierter Straßenverkehr der Zukunft

Du bezahlst einmalig 20 Euro. Dafür kannst Du solange fahren wie Du Lust hast, oder wir Feierabend machen.

VALUE INVESTMENT COACHING

AUTOMATISIERTES FAHREN AKZEPTANZ UND EINSTELLUNGEN. Ausgewählte Kurzergebnisse einer repräsentativen Studie Heidelberg, Februar 2015

Mobilität der Zukunft - wie könnte diese aussehen und was ist dafür zu tun?

Autonomes Fahren: Die Mehrheit vertraut dem Autopiloten

Gesellschaft Mobilität Technik: Global unterwegs Zürich, 22. Juni 2016 Autonomes Fahren Mobilitätskonzept der Zukunft?

Möglichkeiten der Automatisierung im Motorisierten Individualverkehr Verkehrsträger Strasse

Intelligente Transportsysteme

SeniorInnen als FahrzeuglenkerInnen

PLATZHALTER BILD. Ethische Herausforderungen eines Mobilitätsbetreibers Carsten Weber Dr. Karl Teille. Klagenfurt, 26.

Zukunftsbilder zum automatisierten Fahren Akzeptanz verschiedener Anwendungen in der Bevölkerung

Dr. Werner Huber, BMW Group Research and Technology Jahrestreff ADAC Südbayern, MENSCH ODER ROBOTER WER STEUERT DAS AUTO DER ZUKUNFT.

MODUL 3 ANTRIEB UND MOTIVATION

adhs1_modell Friday, December 08, 2006

Strassenverkehrsrechts- Tagung 2016: Die Benutzung automatisierter Motorfahrzeuge aus strafrechtlicher Sicht. Christof Riedo Stefan Maeder

Herzlich willkommen zur Vorlesung in Schulpädagogik

Autonomes Fahren und elektrische Fahrzeugflotten werden nach Einschätzung der Befragten den stärksten Einfluss auf die Mobilität der Zukunft haben.

Antriebs- und Kraftstoffstrategie - Roadmap automatisiertes Fahren

Autonome Autos. Alexander Mayer, Thomas Mühlegger, Maximilian Strasser. February 28, 2015

Führerlose Fahrzeuge

Master Automotive Systems

Selbstevaluierung des/der Auszubildenden

Mitarbeiterführung - richtiges Delegieren und effektives Koordinieren

Freiheit und Selbstbestimmung Zur Philosophie Harry G. Frankfurts

INFOS - POSITIONEN - EMPFEHLUNGEN 03/2016

Psychologische Aspekte zur Sicherheit in Tunneln

6. Sachverständigentag

TÜV Rheinland-Studie zur Sicherheit autonomer Fahrzeuge: Fahrer wollen jederzeit eingreifen können

aus Sicht der Psychologie Prof. Dr. Mark Vollrath, TU Braunschweig

Ältere im Straßenverkehr

Rolf von Rössing. Sicherheit aus der Sicht der Hersteller

Automatisiertes Einparken an der HTW Dresden - Konzeption und aktueller Stand

Begrüßungsrede Dr. Walter Eichendorf DVR-Kolloquium Vision Zero in der Praxis am 7. Dezember ((Chart 1, Titel des Kolloquiums))

Exklusiv: Wenn der Fahrer zum passiven Beifahrer wird

Anforderungen an eine Verkehrssicherheitsarbeit der Zukunft aus Sicht der Unfallforschung

Automatisierung: Kollege Roboter verdient Vertrauen

Sicher ist sicher. Innovative Technik von Linde.

Human Factors bei der Evaluation von CAS- Systemen

Grundprinzipien für Überwachungssysteme zur Sicherheit des Fahrers

Sportpsychologie. Leistungsmotivation im Sport. Vorlesung/Übung. 2 Gliederung. 1. Definition. 2. Komponenten. 3. Prozessmodell

Ablenkung als Unfallursache Kommunikationstechnologien Prof. Dr. Mark Vollrath

Wie autonomes Fahren das Interieur revolutioniert

Rechtliche Rahmenbedingungen zur Genehmigung und Prüfung von AVF Wirtschaftskammer Österreich - Österreich als Testregion für automatisiertes Fahren

Alterseffekte auf die Bedeutung berufsbezogener Motive und die Zielorientierung

Identifikation gesellschaftlicher Probleme automatisierter Videoüberwachung. Diplomarbeit

Anforderungen an das automatisierte und vernetzte Fahren aus Nutzersicht

Wovon lassen sich Menschen im Straßenverkehr ablenken? Prof. Dr. Mark Vollrath

Autonomes Fahren und vernetzte Mobilität

Fahrpraktische (Mindest)anforderungen an Fahranfänger aus Sicht der Verkehrspsychologie. Josef F. Krems TU Chemnitz

Autonomes Fahren. Aktuelle Entwicklungen. 2. Niederösterreichischer Fahrlehrertag Manfred Haider AIT Austrian Institute of Technology GmbH

Mobilität im Wandel Chance für Innovationen

Wissensteilung in globalen Konzernstrukturen

Kooperieren oder nicht kooperieren. 10 evidenzbasierte Prinzipien für eine nachhaltige Mieterbeziehung

Automatisiertes Fahren

Selbstwert und Körpertherapie. Dirk Revenstorf, Selbstwert und Körpertherapie. 1

Psychologisch gestützte Verhaltensprävention

Flow. Sich selbst entdecken und neue Erkenntnisse nutzen! Praxischeck für die Arbeitswelt

Regionaltage Human Centric Workplace Fujitsu

Das Richtige tun Verantwortliches Handeln im Straßenverkehr. Ralf Risser

Arbeitssysteme. Arbeitssystem. Umwelt Klima / Licht. Methode Ablauf. Rohstoffe Input. Aufgabe. Produkt Output. Werkzeug Betriebsmittel.

IT-Outsourcing: Die Top-6-Locations

Praxis trifft Sportwissenschaft Sport mit Spaß Möglichkeiten & Grenzen von Emotionen im Sport. Dr. Peter Kovar

Presseinformation. 7. Oktober 2008

Herzlich Willkommen : zum Impulsforum: Mit der Referentin: Constanze Blenig, Karlsruhe

Aggression im Strassenverkehr

Automatisiertes Fahren: Aktuelle Einstellungen in Deutschland

Autonomes Fahren: Das Lenkrad hat noch Zukunft

Transkript:

Prof. Dr. Bernhard Schlag, TU Dresden, Verkehrspsychologie Autonom unterwegs Ist der Mensch bereit, das Fahren der Maschine zu überlassen? 13. Hessischer Mobilitätskongress, Frankfurt/M., 18.9.2015 (Bild: gov.uk) Prof. Bernhard Schlag 1

1. Wird mit Automation alles besser? Wie steht es um die Verkehrssicherheit? 2. Wollen die Fahrer das? Wird automatisches Fahren gewünscht oder zumindest akzeptiert? Prof. Bernhard Schlag 2

Automationsstufen gemäß VDA (nach: Ebner, 2013) Prof. Bernhard Schlag 3

1. Wird mit Automation alles besser? Psychologische Probleme der Automation: - Situation Awareness, Übernahmebereitschaft, Aufmerksamkeit bei Abwendung (Verkehrsblindzeiten): Fahrer in the loop? Überhaupt noch notwendig? Übernahmeproblem! - Beanspruchung (visual & mental workload), underload? - Trust, Systemvertrauen, mentales Modell - Dequalifizierung / Kompetenzverlust? Prof. Bernhard Schlag 4

Ironien der Automatisierung (Bainbridge): Mensch als unzuverlässiges Glied aus der Automatisierungskette herauslösen, gleichzeitig werden aber von ihm in kritischen Situationen schnelle Expertenentscheidungen abverlangt erst eliminieren, dann Rettung der Maschine Überforderung durch Unterforderung. Im Normalbetrieb unter-, im kritischen Fall aber überfordert. Zudem: Bedienfunktionen werden an technisches System übertragen - bis auf das Überwachen. Dennoch wird höchste Wachsamkeit erwartet. Passives Überwachen (monitoring) statt aktives Handeln = Fehlforderung. Gegenentwurf: Prinzip des aktiven Operateurs : Totmanneinrichtung (Kettensäge u.a.), Sicherheitsfahrschaltung Sifa (Bahn): Zwangsbremsung. Prof. Bernhard Schlag 5

Decreased Use + - - Mistrust Automation Reliability Automation Trust - + Human Skills - + + Complacency - + Increased Use Verhaltensanpassung nach Automation: Zuverlässigkeit der Automation erhöht Wohlbehagen und Nachlässigkeit (complacency) sowie das Vertrauen, was wiederum zu erhöhtem Gebrauch des Automaten und zu gleichzeitiger Abnahme der menschlichen Fähigkeiten führt (Wickens, 1998). Was nun bei Übernahme durch den Fahrer? Prof. Bernhard Schlag 6

Psychologische Anforderungen: Fahrer sollte Kontrolle behalten - Automatisches Eingreifen v.a. dann sinnvoll und erwünscht, wenn Zeitlimits der menschlichen Handlungsfähigkeit unterschritten sind. Optimierung der Beanspruchung (nicht: Minimierung) Situation awareness (driver-in-the-loop): Korrektes mentales Modell Übernahmeproblematik: Zeitbedarf bei systematischer Abwendung? 10 Sek.? (Aufmerksamkeit anders allokiert + Störung nicht erwartet) Catch 22 - Situation? Fahrer hat keine Chance, das Fahren rechtzeitig zu beeinflussen, ist aber für alle Folgen verantwortlich! Prof. Bernhard Schlag 7

2. Wollen die Fahrer automatisiert fahren? Akzeptanzfragen - Datenproblematik (obj.), privacy (subj.), Furcht, gehackt zu werden (u.a. Rückruf des Jeep Cherokee 2014) (wir übernehmen jetzt ) - Verlust der Selbstbestimmung und der (vermeintlichen) Freiheit: der auto-mobilität - Sicherheit zuerst: neue Macht den Anderen? - Abhängigkeit von der Maschine? Denn darin besteht gerade die Arglist der Maschinen: sie dienen, um zu herrschen (Samuel Butler: Erewhon, Buch der Maschinen) Prof. Bernhard Schlag 8

Was wird gerne selbst gemacht, was gerne abgegeben? Warum wollen Menschen Fahrzeuge selbst lenken? Motivationaler Hintergrund Kraftfahrzeug und Fahren als - Mittel zum Zweck: Transportfunktion: Funktionale/instrumentelle Bedeutung: extrinsisch motiviert; rationales Kalkül (später meist habituiert) - Symbolische Bedeutung: Extra-Motive : Zusatznutzen, psychosozialer Mehrwert (Selbst-Inszenierung, instant identity ) - Selbstzweck: Spaß an der Tätigkeit: intrinsisch motiviert: nachhaltiger aufgesucht, weniger anfällig für Frustrationen, änderungsresistenter ( Spaß am Fahren nicht etwa am Beifahren) Prof. Bernhard Schlag 9

Illusion der Funktionalität? Ganz anders die Automobilwerbung. Steht automatisiertes Fahren da vor ähnlichen Problemen wie der Öffentliche Verkehr? Sie bedienen die anderen beiden (sozialen und psychologischen) Motive des selbständigen Fahrens nicht. Unterstützung und ggf. Übernahme wird gewünscht für spezifische use cases (z.b. Einparken, Stau, langweilige oder immer wiederkehrende Fahrten) und für Grenzsituationen (z.b. automatische Notbremse) - nicht jedoch für die normale Fahrtätigkeit. Also: Assistenz statt Automatisierung, und das v.a. in Problemsituationen in genauer Umkehrung des Verhältnisses zwischen Mensch und Maschine wie es bei automatisiertem Fahren angedacht ist: die Maschine (und nicht der Mensch) als troubleshooter. Der Wunsch an die Maschine ist nicht, dass sie uns das Fahren abnimmt, sondern dass sie uns in schwierigen Situationen hilft! Prof. Bernhard Schlag 10

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Prof. Bernhard Schlag 11