Erkenntnisse über den rezeptfreien Gebrauch von Naproxen 2002-2005 Arzneimittel-Anwendung und Arzneimittelsicherheit Bonn, 17. Januar 2006 M. Petersen-Braun Naproxen_Gebrauch_Erkenntnisse_P-B/Mi_01/06
OTC Rx OTX nicht registriert Staat Status Tschech. Republik OTC Estland Rx Ungarn OTC Lettland Rx Litauen OTC Polen OTC Slovakei OTC
Naproxen und seine Salze Status Seit dem 01.01.2002 / 01.07.2002 in Deutschland rezeptfrei Zugelassene Indikationen - leichte bis mäßig starke Schmerzen, Fieber - leichte bis mäßig starke Schmerzen bei bekannter Arthrose (Gelenkverschleiß) Tageshöchstdosis OTC 660 mg (Naproxen-Na) bzw. 750 mg (Naproxen) in Einzelabteilungen bis 220 mg bzw. 250 mg Packungsgrößenbegrenzung: 6600 mg 7500 mg Zugelassen für Kinder ab 12 Jahre
160.000 140.000 120.000 100.000 80.000 60.000 40.000 20.000 OTC- Schmerzmittelmarkt Deutschland: rückläufig trotz neuer rezeptfreier Substanzen 0-1,3% -0,2% -7,9% + 0,9% 2002 2003 2004 12/04-11/05 Wachstutum Wachs- (%) (%) 2002 145.11 8 69.914 64.968 35.203 21.060 0 1.191-1,3-1,5-5,3-4,7 11,2 0,0 --- Antei l(%) 100, 0 48,2 44,8 24,3 14,5 0,0 0,8 2003 144.78 7 69.808 65.247 32.858 21.980 0 1.847-0,2-0,2 0,4-6,7 4,4 0,0 55,0 Antei l(%) 100, 0 48,2 45,1 22,7 15,2 0,0 1,3 Der Markt rezeptfreier Schmerzmittel zeigt sich gesättigt: neue OTC- Wirkstoffe führen trotz hoher Werbeaufwendungen nicht zu einem höheren Gebrauch von Schmerzmitteln sondern zu einer Substitution bisher verwendeter Produkte. Gesamt Paracetamol ASS Ibuprofen Diclofenac Naproxen Koffein- Komb. 2004 133.34 0 61.821 59.732 30.252 23.408 2.257 1.699 OTC- SCHMERZMITTE Packungen (x1.000) L * PARACETAMOL * KOFFEIN- ASA KOMB. * IBUPROFEN * DICLOFENAC * NAPROXEN Wachstum (%) -7,9-11,4-8,5-7,9 6,5 --- -8,0 Antei l(%) 100, 0 46,4 44,8 22,7 17,6 1,7 1,3 Definition: OTC- Systemische Schmerzmittel = 02A1 (allgem. Schmerzmittel/Erwachsene) + 02A2 (allgemeine Schmerzmittel/Kinder) + 02B1 (Mittel gegen Menstruationsbeschwerden) + 02C1 (Migränemittel) + 02E2 (Muskel- und Gelenkschmerzen, systemisch), Einzel- Substanzen > 100% durch Kombinationsprodukte Quelle: IMS 12/04-11/05 135.80 5 62.760 56.559 28.055 25.749 2.698 2.225 Wachs -tum (%) 0,9 0,1-6,8-8,1 11,2 32,4 41,1 Ante il (%) 100, 0 46,2 41,6 20,7 19,0 2,0 1,6
Rezeptfreie Analgetika - Einnahmeverhalten der Patienten Abgeleitet aus Anwendungsbeobachtungen in der Apotheke Substanz Studien Patientenzahl durchschnittl. Einnahmedauer Tagesdosis (Tbl.) Ibuprofen (400 mg) 2 1348 2,8 Tbl. 1-2 Tage bei 95 % der Verwender ASS 5 11358 1,3 ± 0,6 Tbl. 1,3 ± 2,7 d ASS / PSE 1 974 1,6 ± 0,6 Tbl. 2,5 ± 1,3 d Keine schwerwiegenden Ereignisse beim OTC Gebrauch in den Anwendungsbeobachtungen dokumentiert. Alle Anwendungsbeobachtungen wurden in Deutschland durchgeführt und publiziert.
Anwendungsbeobachtungen mit Naproxen 1999-2000 - 2001 mit Tbl. 220 mg Naproxen-Natrium unter ärztlicher Obhut bei eigenverantwortlicher Einnahme insgesamt n = 5107 Anzahl Patienten in Prozent Studie I Studie II Studie III Tbl. 1 13,5 22,4 11,8 Tbl. 2 41,8 50,1 55,5 Tbl. 3* 28,4 24,8 24,0 * überwiegend bei Muskel- und Gelenkschmerzen Therapiedauer - erkrankungsabhängig Muskel- und Gelenkschmerzen: bis 7 Tage Dysmenorrhoe: 2-3 Tage Kopf- und Zahnschmerzen 1-2 Tage Fieber und erkältungsbedingte Schmerzen 2-3 Tage Ca. 50 Prozent aller Naproxen-OTC-Produkte werden zur Behandlung der Dysmenorrhoe eingesetzt: Patientenkollektiv jünger als ~ 50 Jahre, weiblich, Symptome selbstlimitierend, folglich geringes Risiko für gastrointestinale Nebenwirkungen
Zusammenfassung Arzneimittel-Gebrauch - Die Patienten folgen dem bei anderen Analgetika gelernten Einnahmeschema - Die Einnahme von Naproxen ist eng an das Vorhandensein von Symptomen gekoppelt - Es ist kein Fehlverhalten der Patienten erkennbar Analgetika-Markt - Die Verfügbarkeit von mehr rezeptfreien Analgetika führt nicht zu erhöhtem Verbrauch - Auch die Werbung führt nicht zu Vorratskäufen sondern zur Verschiebung innerhalb der beworbenen Marken
Arzneimittelsicherheit Naproxen Kardiovaskuläre Risiken Quellen: Epidemiologische Daten und Metaanalysen klinischer Studien VIGOR (Bombardier 2000): MI: Rofecoxib 0,4 % vs. Naproxen 0,1 % cerebrovaskulär Rofecoxib: 0,2 % vs. Naproxen 0,2 % MI-Rate unter Naproxen wie für Population erwartet TARGET (Farkouh 2004): Jüni et al. (2004): Garcia-Rodriguez (2005): Lumiracoxib vs. Ibuprofen vs. Naproxen MI-Rate unter Naproxen niedriger als unter Ibuprofen Metaanalyse von 11 Studien Populationsbezogene Fall-Kontroll-Studie
Zusammenfassung der kardiovaskulären und cerebrovaskulären Risiken von Naproxen: Die weit überwiegende Mehrheit aller Studien zeigt unter Naproxen keine Erhöhung der kardiovaskulären oder cerebrovaskulären Ereignisse im Langzeitgebrauch bei Rx-Dosierungen Im Rahmen des OTC-Gebrauchs läßt sich kein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko feststellen
Analyse gastrointestinaler Risiken von Naproxen Die GI-Risiken von Naproxen (bekannte Substanz, bekanntes NW-Profil) wurden im Rahmen des Switches sorfältig evaluiert. In kontrollierten klinischen Langzeitprüfungen bei chronischen Erkrankungen bzw. in epidemiologischen Studien mit Dosierungen höher als für OTC zugelassen, wurden die schwerwiegenden gastrointestinalen Nebenwirkungen systematisch erfaßt. 4 neuere Studien mit Vergleichen zwischen Naproxen und Ibuprofen und Paracetamol einerseits bzw. Naproxen und anderen häufig verordneten NSAIDs andererseits, erlauben nunmehr eine genauere Bewertung des GI-Nebenwirkungsrisiko und damit eine Abschätzung der Sicherheit des OTC-Gebrauchs.
Naproxen Gastrointestinale Risiken Autor, Journal Art der Studie Behandlungen und Behandlungs- n für Safety- Ergebnisse Kommentar u. Jahr Dosierung / Tag dauer Analyse Lewis Fall-Kontroll NSAIDs < 4 mal / Woche 359-1889 OTC NAP vs. Es wurde eine Dosis- und Therpie- Gastroenterology > 4 mal / Woche OTC IBU dauer -Korrelation für GI-Ereignisse 2005 OR - 0,84 gefunden. Es wurde kein Unterschied zwischen Naproxen und Ibuprofen gefunden (OR = 0,84; 95 % - CI 0,26-2,70) Mellemkjaer Kohorten- NSAIDs mindestens 3 156138 O/E-Verhältnis Es wurde für Naproxen und Ibuprofen Br. J. Clin. Studuie Verschreibungs- IBU=2,41 eine Dosis-Wirkungs-Beziehung für Pharmacol. zyklen DIC=4,8 GI-Ereignisse gefunden 2002 NAP=3,0 Diclofenac hatte den höchsten Wert Schiff RCT Naproxen 440/600 mg 7 Tage NAP 148 GI AEs: Es wurde kein signifikanter Unterschied J. Rheumatol. IBU 152 NAP=18,92 % zwischen Naproxen und Ibuprofen 2004 Ibuprofen 1200 mg PLA 152 IBU 12,50 % gefunden PLA=13,82 % Es wurde kein signifikanter Unterschied zu Placebo gefunden Die meisten AEs waren mild Gonarthrose Golden RCT Naproxen 440 / 660 mg 7 Tage NAP 161 GI AEs: Es wurde kein signifikanter Unterschied Am. J. Ther. Acetaminophen 4000 mg PAR 148 NAP=24,20% zwischen Naproxen und Paracetamol 2004 PLA 155 PAR=21,00 % gefunden PLA=17,40 % Es wurde kein signifikanter Unterschied zu Placebo gefunden Gonarthrose Die meisten AEs waren mild
Gastrointestinale Sicherheit I Epidemiologische Studien sowie kontrollierte klinische Studien betrachten die Sicherheit im Langzeitgebrauch bei chronischen Erkrankungen. Betrachtet werden dabei überwiegend schwerwiegende Nebenwirkungen (Blutungen, Ulcera, Perforationen) die ärztliche Intervention oder Hospitalisierung erforderlich machen: Häufigkeitsunterschiede zwischen Naproxen und Ibuprofen konnten in zwei neueren Epidemiologie-Studien nicht gezeigt werden. Auch in 2 neueren kontrollierten Studien wurde kein Unterschied zwischen Naproxen und Ibuprofen bzw. Paracetamol gefunden.
Gastrointestinale Sicherheit II Leichte bis mäßig starke gastrointestinale Nebenwirkungen, wie sie beim OTC-Gebrauch anderer Analgetika dokumentiert werden, konnten in 3 arztgestützten Anwendungsbeobachtungen mit Naproxen in ihrer Häufigkeit erfaßt werden. Unerwünschte Ereignisse gesamt Gastrointestinale Beschwerden Studie I Studie II Studie III Studie I Studie II Studie III 1,8 % 1,8 % 1,7 % 0,8 % 0,8 % 0,8 % Schwerwiegende Ereignisse wurden nicht dokumentiert. Dieses entspricht den Ergebnissen aus Single-dose-Studien mit Naproxen sowie den Ergebnissen aus Studien von 7 bis 30tägiger Dauer mit OTC-Dosierungen. Das Auftreten gastrointestinaler Nebenwirkungen im Rahmen des OTC-Gebrauchs ist in der Packungsbeilage bzw. Fachinformation zutreffend beschrieben.
Schlußfolgerung Die Entlassung weiterer analgetischer Substanzen aus der Verschreibungspflicht hat nicht zu einer Ausweitung des Marktes geführt Aus Daten zur eigenverantwortlichen Anwendung läßt sich kein Hinweis auf mißbräuchliche Anwendung (Indikation, Dosis, Dauer) ableiten, sondern verantwortungsvoller Umgang mit Naproxen Neuere epidemiologische Studien sowie auch kontrollierte klinische Prüfungen haben für Naproxen kein erhöhtes kardio- oder cerebrovaskuläres Risiko gezeigt Neuere epidemiologische Untersuchungen zeigen für Ibuprofen und Naproxen kein signifikant unterschiedliches gastrointestinales Risikoprofil bei hochdosierter Langzeitanwendung (Dosis, Dauer) In Studien und Anwendungsbeobachtungen mit OTC-Dosierungen von Naproxen sind schwerwiegende GI-Nebenwirkungen nicht aufgetreten. Leichte bis mäßig starke GI-Nebenwirkungen treten in einem Häufigkeitsbereich wie bei Ibuprofen und Paracetamol auf
Die aktuelle Datenlage läßt folglich den Schluß zu, daß Naproxen im Rahmen der Selbstmedikation gut verträglich ist und sicher angewendet werden kann.