Einführung in das Strafrecht

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Transkript:

Schuld als Voraussetzung der Strafbarkeit

I. Tatbestand a. Objektiver Tatbestand b. Subjektiver Tatbestand II. Rechtswidrigkeit III. Schuld 2

Der Täter darf nicht allein deshalb bestraft werden, weil sein Verhalten Unrecht ist. Vielmehr muss er auch schuldhaft gehandelt haben! folgt aus 46 I 1 StGB, Art. 1 I, 20 III GG Nulla poena sine culpa 3

Schuld wird als Unwerturteil über die geistigseelische Beziehung des Täters zu seiner Tat gesehen (normativer Schuldbegriff) Gegenstand des Schuldvorwurfes ist immer die konkrete Tat, die durch den Gesinnungsunwert gekennzeichnet ist eine lediglich rechtsfeindliche Gesinnung, die sich nicht in einer konkreten Tat widerspiegelt, ist straflos 4

Das Schuldprinzip Kriminalstrafe darf nur darauf gegründet werden, dass dem Täter seine Tat persönlich zum Vorwurf gemacht werden kann (Strafbegründungsschuld) notwendig ist eine Kongruenz zwischen Unrecht und Schuld, die Schuld muss also sämtliche Elemente des konkreten Unrechts umfassen (Schuld-Unrechts-Kongruenz) 5

Das Schuldprinzip die vom Gericht verhängte Strafe darf in ihrer Dauer das Maß der Schuld nicht übersteigen und zwar auch dann nicht, wenn Behandlungs-, Sicherungs- oder Abschreckungsinteressen eine längere Inhaftierung als wünschenswert erscheinen ließen (Strafmaßschuld, vgl. 46 I StGB) 6

Elemente der Schuld Prüfungsaufbau der Schuld nur zu prüfen, wenn der Sachverhalt Anhaltspunkte dafür bietet 1. Schuldfähigkeit eines erwachsenen und heranwachsenden (vgl. 105 I JGG) Täters entfällt nur ausnahmsweise nach 20 StGB (vgl. aber 3 S.1 JGG zum Jugendlichen) während die Schuldunfähigkeit eines Kindes (= unter 14 Jahren) gem. 19 StGB unwiderleglich vermutet wird 7

Elemente der Schuld grds. sind Personen über 14 Jahren schuldfähig, 19 StGB Wer reif ist (intellektuell) (voluntativ) das Unrecht der Tat einzusehen und 8 nach dieser Einsicht sein Verhalten zu steuern

Elemente der Schuld Einschränkungen bei 14 18jährigen entsprechend ihrer Entwicklungsreife, 3 JGG nach 20 StGB kann aber unter den dort genannten Voraussetzungen die Schuldfähigkeit entfallen die verminderte Schuldfähigkeit nach 21 StGB lässt zwar die Schuld grds. bestehen, führt aber zu einer fakultativen Strafmilderung 9

Elemente der Schuld 2. Spezielle Schuldmerkmale (str.) vereinzelt enthält ein gesetzlicher Straftatbestand ausdrücklich Merkmale, die bestimmte Voraussetzungen auf der Schuldebene fordern, die ausschließlich den Gesinnungsunwert einer Tat kennzeichnen Bsp.: Böswilligkeit, 90 a I Nr.1, 225 StGB; Rücksichtslosigkeit, 315 c StGB 3. Unrechtsbewusstsein nach der Schuldtheorie selbstständiges Schuldelement relevant für die Prüfung von 17 StGB 10

Elemente der Schuld Unrechtsbewusstsein ist die Einsicht des Täters, Unrecht zu tun stellt ein selbstständiges Schuldmerkmal dar, ist tatbestandsbezogen und teilbar und entfällt lediglich dann, wenn der Täter einem unvermeidbaren Verbotsirrtum unterliegt ( 17 StGB) 11

Elemente der Schuld 4. Schuldformen a. Beim Vorsatzdelikt indiziert der Tatbestandsvorsatz den Schuldvorsatz. Dieser Schuldvorsatz fehlt ausnahmsweise dann, wenn sich der Täter in einem Erlaubnistatbestandsirrtum befindet, also glaubt, er würde gerechtfertigt handeln, weil er das tatsächliche Vorliegen eines rechtfertigenden Sachverhalts annimmt. 12

Elemente der Schuld b. Beim Fahrlässigkeitsdelikt muss im Rahmen der Schuld festgestellt werden, ob dem jeweiligen Täter die Einhaltung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt auch individuell möglich war. Beim Erfolgsdelikt muss der Erfolg nicht nur objektiv, sondern auch subjektiv vorhersehbar und vermeidbar sein. Fahrlässigkeitsschuld liegt vor, wenn der Täter eine besonders sorglose oder nachlässige Einstellung gegenüber den Sorgfaltsanforderungen der Rechtsordnung besitzt. 13

Elemente der Schuld 5. Schuldausschließungsgründe/Entschuldigungsgründe Vorliegen besonderer Umstände, welche die Schuld entfallen lassen Schuldausschließungsgründe 17 S.1, 19, 20 StGB schließen die Schuld des Täters schon begrifflich aus, weil ihm die erforderliche Einsichts- und/oder Steuerungsfähigkeit fehlt ( 17, 20 StGB) bzw. als fehlend vermutet ( 19 StGB) wird 14

Elemente der Schuld fehlt dem Täter das Unrechtsbewusstsein befindet er sich in einem Verbotsirrtum, 17 S.1 StGB zum Schuldausschluss führt allerdings nur der unvermeidbare, nicht dagegen der nach 17 S.2 StGB lediglich (fakultativ) strafmildernd wirkende vermeidbare Verbotsirrtum wenn der Täter sein Verhalten für verboten hält, handelt er mit Unrechtsbewusstsein selbst dann, wenn ihm die einschlägige Strafnorm unbekannt ist Unrechtsbewusstsein bedeutet also Verbotskenntnis! 15

Elemente der Schuld 1. Es ist zu fragen, ob dem Täter das Unrechtsbewusstsein seines konkreten Verhaltens gefehlt, er sich also im Verbotsirrtum befunden hat 2. Es ist zu erörtern, ob der Verbotsirrtum für ihn unvermeidbar gewesen ist 16

Elemente der Schuld Unvermeidbar ist der Irrtum nur, wennentweder bestehende Unrechtszweifel von einer zuständigen und kompetenten Stelle ausgeräumt worden sind oder der Täter trotz gehöriger Anspannung seines Gewissens keinen Anlass gehabt hat, an der Rechtmäßigkeit seines Verhaltens zu zweifeln. 17

Elemente der Schuld ggü. 17 S.1 StGB bildet 20 StGB allein für den Fall fehlender Unrechtseinsicht eine Sonderregel als Ausnahmetatbestand wird 20 StGB nur bei Anhaltspunkten für die Schuldunfähigkeit des Täters erheblich grds. ist ein erwachsener Täter schuldfähig! 18

Elemente der Schuld zeigen sich Indizien für die Schuldunfähigkeit, gebietet 20 StGB eine zweistufige Prüfung 1. Es wird ermittelt, ob beim Täter ein in 20 StGB bezeichneter abnormer Geistes- oder Seelenzustand vorliegt 2. Es ist zu prüfen, ob die Auffälligkeiten der ersten Stufe die Einsichts- und/oder Steuerungsfähigkeit des Täters zur Zeit der Tat ausschließen 19

Elemente der Schuld 20 StGB bildet einen Schuldausschließungsgrund, 21 StGB eine bloß fakultative Strafzumessungsregel ( 49 I StGB) bei nur erheblich verminderter Einsichts- und/oder Steuerungsfähigkeit. 21 StGB ist daher nicht in der Schuld, sondern im Rahmen der Strafzumessungserwägungen zu prüfen! 20

Elemente der Schuld Entschuldigungsgründe anders als Schuldausschließungsgründe hindern Entschuldigungsgründe nicht schon begrifflich die Entstehung der Schuld, vielmehr lässt nur der geminderte Unrechts- und Schuldgehalt den Schuldvorwurf entfallen, so dass Straflosigkeit eintritt 21

Elemente der Schuld Übersicht über die wichtigsten Entschuldigungsgründe Notwehrexzess, 33 StGB Entschuldigender Notstand, 35 StGB Übergesetzlicher entschuldigender Notstand Handeln auf Anordnung oder Befehl Unzumutbarkeit normgemäßen Verhaltens 22

Notwehrexzess, 33 StGB Täter geht aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken über die Grenzen der zulässigen Notwehr hinaus und wird gem. 33 StGB nicht bestraft Wortlaut des 33 StGB legt folgendes Prüfungsschema nahe: I. Verwirklichung des Tatbestandes durch den Täter II. Rechtswidrigkeit des Täterverhaltens 23

Notwehrexzess, 33 StGB III. Schuldausschluss infolge Notwehrexzess 1. Überschreitung der Grenzen der Notwehr h.m.: der Angegriffene geht bei einem gegenwärtigen Angriff über die nach 32 II StGB erforderliche Abwehr hinaus (intensiver Notwehrexzess) 2. aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken (asthenische Affekte) 24

Entschuldigender Notstand, 35 I StGB Notstand ist ein Zustand gegenwärtiger Gefahr für ein rechtlich geschütztes Interesse, der nur durch Verletzung rechtlich geschützter Interessen eines anderen abgewendet werden kann. bei dem entschuldigenden Notstand stehen sich zwei gleichwertige Rechtsgüter gegenüber in existenzbedrohenden Konflikten wird der psychische Druck so stark, dass normgemäßes Verhalten nicht mehr zumutbar ist 25

Entschuldigender Notstand, 35 I StGB 1. Objektive Merkmale a. Notstandslage (= Notsituation) aa) Gefahr bb) gegenwärtig cc) für Leib, Leben und Freiheit dd) des Täters, eines Angehörigen oder einer nahestehenden Person 26

Entschuldigender Notstand, 35 I StGB b. Notstandshandlung aa) Erforderlichkeit ( nicht anders abwendbar ) - Geeignetheit - relativ mildestes Mittel bb) Verhältnismäßigkeit (kein offensichtliches Missverhältnis) cc) keine Zumutbarkeit i.s. des 35 I 2, insb. keine: - schuldhafte Herbeiführung der Notstandslage - besondere Gefahrtragungspflicht 27

Entschuldigender Notstand, 35 I StGB 2. Subjektives Element Rettungswille 28

Entschuldigender Notstand, 35 I StGB Unterscheidung rechtfertigender - entschuldigender Notstand Rechtfertigender Notstand Interessenabwägung: wesentliches Überwiegen des gefährdeten Rechtsguts Keine Beschränkung, d.h. notstandsfähig sind alle Rechtsgüter: die des Täters, eines Angehörigen oder einer anderen nahestehenden Person Entschuldigender Notstand Keine Interessenabwägung: Rechtsgüter können auch gleichwertig sein Beschränkung auf bestimmte notstandsfähige Rechtsgüter: Leib, Leben, Freiheit und bei Eingreifen zugunsten Dritter auf Rechtsgüter des Täters oder ihm nahestehender Personen 29

Entschuldigender Notstand, 35 I StGB Unterscheidung rechtfertigender - entschuldigender Notstand Rechtfertigender Notstand Wirkt rechtfertigend, daher keine Teilnahme nach 26, 27 StGB möglich Notwehr gegen (durch Notstand) gerechtfertigten Angreifer nicht möglich Bei Irrtum über das Vorliegen der sachlichen Voraussetzungen des Notstands: 16 I 1 StGB Entschuldigender Notstand Wirkt nur schuldausschließend, daher Teilnahme nach 26, 27 StGB möglich Notwehr gegen entschuldigten, aber rechtswidrig handelnden Angreifer möglich Bei Irrtum über die in 35 I genannten Umstände greift lediglich 35 II ein (nicht 17 StGB) 30

Übergesetzlicher entschuldigender Notstand Voraussetzungen: objektiv muss die Handlung das einzige Mittel sein zur Verhinderung eines noch größeren Übels in einer einmaligen Situation subjektiv muss das Handeln des Täter getragen sein von einer rechtsgutserhaltenden Tendenz oder von einer Gewissensentscheidung, die in dem Freiheitsraum des Betroffenen nicht eingreift Bsp.: E unterlässt es für seine todkranke Ehefrau ärztliche Hilfe zu rufen, weil beide aus religiöser Überzeugung meinen, diese ablehnen zu müssen. 31

Übergesetzlicher entschuldigender Notstand die Gesamtsaldierung muss ergeben, dass eine Bestrafung in diesen Fällen vor allem aus präventiven Gründen sinn- und zwecklos wäre 32

Vielen Dank