Gestaltungsrahmen und Vorgehensmodell zur Einführung von CRM auf der Grundlage eines prozessorientierten, wissensbasierten Ansatzes



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Transkript:

Gestaltungsrahmen und Vorgehensmodell zur Einführung von CRM auf der Grundlage eines prozessorientierten, wissensbasierten Ansatzes Diplomarbeit Vorgelegt am: 28.05.02 Ausbildungsbereich: Wirtschaft Fachrichtung: Wirtschaftsinformatik Studienjahrgang: 1999 Studienhalbjahr: SS 2002, 6. Semester von Tobias Weih Ausbildungsstätte Betreuer in der Ausbildungsstätte Fraunhofer Gesellschaft Institut für Arbeitswissenschaft und Organisation (IAO) Nobelstraße 12 70569 Stuttgart Fraunhofer Gesellschaft IAO Claus-Peter Praeg Bertreuender Dozent Prof. Dr. A. Zimmermann

II Inhaltsverzeichnis ABBILDUNGSVERZEICHNIS IV 1. EINLEITUNG 1 2. BEGRIFFSDEFINITION UND -ABGRENZUNG 3 2.1 Customer Relationship Management 3 2.2 Gestaltungsrahmen und Vorgehensmodell 5 3 GESTALTUNGSRAHMEN VON CRM (ST. GALLER CRM-MODELL) 6 3.1 CRM-Prozesse 7 3.2 Kundenprozesse 7 3.3 Prozessportal 8 3.4 Unterstützende Struktur 9 3.4.1 CRM-Wissensstruktur 9 3.4.2 CRM-Basis 9 4 VORGEHENSMODELLE ZUR CRM-EINFÜHRUNG 11 4.1 Kritischen Erfolgsfaktoren eines CRM-Einführungsmodells 12 4.2 Integrierte Ansätze eines CRM-Einführungsmodells 14 4.2.1 Kundenpotentialanalyse 15 4.2.2 Kundenprozessanalyse 16 4.2.3 CRM-Prozessentwicklung 16 4.2.4 Multichannel Management 16 4.2.5 System-, Organisations- und Einführungskonzept 17 4.2.6 Realisierung 18 4.3 Bewertung des integrierten Ansatzes 18 5 PROZESSORIENTIERTES, WISSENSBASIERTES CRM-MODELL 21 5.1 Kritische Stellung der Informationsflüsse im wissensbasierten CRM 21 5.1.1 Steuerung und Controlling 23 5.1.2 Prozessunterstützung 24 5.1.3 Leistungsbedarfbestimmung 24 5.1.4 Analytische Basis 24

III 5.2 Informationswirtschaft aus prozessorientierter Perspektive 25 5.2.1 Abgrenzung von Information und Wissen 25 5.2.2 Das Informationswirtschaftliche Gleichgewicht 26 5.2.3 Methodik der Informationswirtschaft 26 5.2.4 Prozessorientiertes Wissensmanagement 27 5.3 Erweiterung des Gestaltungsrahmens 29 5.4 Analyse des Informationsbedarfs 32 5.4.1 Ausgewählte Methoden der Informationsbedarfsanalyse 34 5.4.2 Informationsbedarfsanalyse mit der Balanced Scorecard 35 5.5 Erweiterung des Vorgehensmodells 39 6. SCHLUSSBETRACHTUNG 42 ANHANG 44 A Das Recht auf Privatssphäre 44 B Ein plastisches Beispiel für wissensbasiertes CRM 46 LITERATURVERZEICHNIS 49

IV Abbildungsverzeichnis Abbildung 3-1, S. 6: St. Galler CRM-Modell Eigene Darstellung in Anlehnung an Schmid, R. E. et al (2000), S. 23f Abbildung 4-2, S. 14: Erfolgsfaktoren im CRM nach Wilde Quelle: Wilde, K. D. (2001) Abbildung 4-3, S. 15: Vorgehensmodell nach Schulze Quelle: Schulze, J. (2001), S. 74 Abbildung 4-3, S. 17: Multichannel Strategie-Landkarte Quelle: Gronover, S. et al (2001), S. 28 Abbildung 5-1, S. 27: Grundmuster der Wissenskonvertierung Quelle: Rehäuser, J. et al (1996), S. 35 Abbildung 5-2, S. 28: Wissensaktivitätsprofil Eigene Darstellung in Anlehnung an Heisig, P. (2001), S. 7 Abbildung 5-3, S.30: Modellierung im wissensbasierten CRM-Modell Quelle: Oberweis A. et al (2001), S. 5 Abbildung 5-4, S. 31: Prozessorientiertes, wissensbasiertes CRM-Modell Eigene Darstellung Abbildung 5-5, S. 33: Gegenstand der Informationsbedarfsanalyse Quelle: Michelson, M. (2001), S. 7 Abbildung 5-6, S. 39: Prozessorientiertes, wissensbasiertes Vorgehensmodell Eigene Darstellung

1 1. Einleitung Wurden in der industriellen Gesellschaft Humanressourcen vorwiegend ihrer physischen Arbeitskraft wegen eingesetzt, sind heute zunehmend die kognitiven Eigenschaften 1 des Menschen gefragt, bezeichnet durch die Definition des Wissens als Produktionsfaktor 2. Das Customer Relationship Management (CRM) als ganzheitlicher Ansatz zur kundenorientierten, wissensbasierten Unternehmensführung 3, beschreibt diese Entwicklung im Umfeld zunehmend komplexer und gesättigter Märkte und setzt sich...die Schaffung von Mehrwerten auf Kunden- und Lieferantenseite im Rahmen von Geschäftsbeziehungen..." 4 zum Ziel. Vielfach als kritischer Erfolgsfaktor bewertet 5, wird die strategische Relevanz des CRM in der Literatur, Wissenschaft und Praxis nicht mehr in Frage gestellt. In der Finanzdienstleistungsbranche bereits als conditio sine qua non 6 bewertet, existiert gerade für Banken mit traditionellem Filialvertrieb ein hoher Handlungsbedarf 7. Die Bedeutung des Customer Relationship Managements drückt sich nicht zuletzt in dem weltweiten Investitionsvolumen für CRM-Projekte von über 21,5 Milliarden US-Dollar im Jahr 2001 und einem für dieses Jahr erwarteten Wachstum um 15% auf 25,3 Milliarden US- Dollar 8 aus. Um so verwunderlicher scheint der Anteil der fehlgeschlagenen Projekte in der Praxis. Die Gartner Group geht davon aus, dass nur ein Drittel aller CRM-Projekte erfolgreich abgeschlossen werden 9, die Meta Group schätz den Anteil sogar auf unter 20 Prozent 10. Dabei wurde, einer Untersuchung von Cap Gemini zufolge, im Jahr 1999 durchschnittlich 3,1 Millionen US-Dollar für ein CRM-Projekt investiert 11. Besonders problematisch bei der Entwicklung und Einführung des CRM wirkt die hierarchie-, hach- und abteilungsübergreifende Dimension solcher Projekte, da die unterschiedlichen, perspektivenabhängigen Ziele oft konkurrieren und die komplexen Wirkungszusammenhänge nur schwer zu durchschauen sind. Darüber hinaus beinhalten die von der Informatik entwickelten Informationssystem stets Grundannahmen bezüglich der Erkenntnismöglichkeiten 1 vgl.: Schwarz, M. (2001), S. 2 2 vgl.: Herdzina, K. (1999), S. 4f / Krcmar, H. (1997), S. 51 / Nohr, H. (4/2001) 3 vgl.: Humpert, F. (2001), S. 3f / Mohs, V. J., S. 1 4 Mohs, V. J. (o. J.), S. 1 5 vgl.: Khirallah, K. (2001), S. 2 6 vgl.: Laker, M.; Wübker, G.; Baumgartner, J. (2001), S. 434 7 vgl.: Bullinger, H.-J.; Engstler, M.; Jordan, L. (2000), S. 82ff 8 vgl.: CRM-Forum o.v. (2002) 9 vgl.: Fryba, M. (2001) 10 vgl.: Thunig, C. (2001a) 11 vgl.: Stengl, R.; Sommer, B.; Ematinger, R. (2001), S. 39

2 ihres Konzipienten und werden so mitunter völlig losgelöst von den strategischen Zielen eines Unternehmens und öfter noch ohne Einbeziehung der späteren Nutzer und dem damit verbundenen fachspezifischen Wissen entwickelt 12. Die bestehenden Vorgehensmodelle zur CRM-Einführung werden diesem interdisziplinären Anspruch oft nicht gerecht, was sich in einer zu geringen Kostenwirksamkeit des CRM, in mangelnder Mitarbeiterakzeptanz durch fehlendes Changemanagement oder einfach in einer fehlenden Zieloperationalisierung und der damit verbundenen Versandung von Erfolgen niederschlägt 13. Ziel muss es sein, die für die Gestaltung von CRM relevanten Bereiche eines Unternehmens zu identifizieren, die Anforderungen der Bereiche zu modellieren und diese in einem operationalisierten Plan zusammenzutragen, der sowohl als Ausgangsbasis für die technische Entwicklung eines CRM-Systems dienen soll, als auch die nötigen Anpassungen der Organisationsstruktur widerspiegelt. Das macht eine integrierte Betrachtung von betriebswirtschaftlichen und informationstechnischen, aber auch von informationswirtschaftlichen Gesichtspunkten nötig, die hierarchie- und abteilungsübergreifend alle Organisationseinheiten, Funktionen und Ziele eines Unternehmens angemessen berücksichtigt. Die Arbeit hat zum Ziel, ausgehend von den Modellen aus Literatur und Praxis zur Einführung von CRM, ein interdisziplinäres Modell in Form eines prozessorientierten, wissensbasierten Ansatzes vorzustellen und dieses in Reflektion der bei der Gestaltung eines solchen Systems auftretenden Probleme zu diskutieren. Dazu wird in Kapitel 2 eine Definition und Abgrenzung der für die Arbeit grundlegenden Begriffe vorgenommen. In Kapitel 3 wird der Gestaltungsbereich für CRM-Projekte mithilfe des St. Galler Modells abgesteckt und in Kapitel 4 ein Überblick über die Vielfalt der in der Literatur bestehenden Vorgehensmodelle zur Einführung von CRM gegeben. Unter Bezug auf die bereits angeschnittene Problematik des oft techniklastigen Gestaltungshorizontes bei Informationssystemen werden in Kapitel 4.1 kritische Erfolgsfaktoren an ein Vorgehensmodell definiert und die vorgestellten Modelle kritisch diskutiert und bewertet. In Kapitel 5 wird aufbauend auf diesen Betrachtungen ein prozessorientierter, wissensbasierter Ansatz vorgestellt, der um ausgewählte Methoden der Informationswirtschaft erweitert wurde. 12 vgl.: Schwarz, M. (2001), S. 2 13 vgl.: Eichenberger, H.; Oggenfuss, C. (2001), S. 12f / vgl. Thunig, C. (2001b)

3 2. Begriffsdefinition und -abgrenzung Viele der im Laufe der Arbeit verwendeten Begriffe werden in Literatur, Wissenschaft und Praxis innerhalb eines breiten Bedeutungsspektrums gebraucht. Daher wird im folgenden eine auf den Rahmen der Arbeit fokussierte Definition der wichtigsten Begriffe vorgenommen, die oft wesentlich allgemeiner verwendeten werden. Das ist nötig, um im Weiteren präzise argumentieren zu können. 2.1 Customer Relationship Management Das Verständnis über die Zielsetzung und den Inhalt von Customer Relationship Management (CRM) unterscheidet sich aufgrund der bereits angesprochenen hierarchie-, fach- und abteilungsübergreifende Dimension in gleichem Ausmaß wie die mit diesem Thema befassten Personen und deren Aufgaben. Folglich ist die Verschiedenartigkeit der Definitionen des CRM- Begriffs enorm. Eine detaillierten Überblick über die Definitionen liefert das European Centre for Customer Strategies (ECCS) 14. Oft auf ein computergestütztes Informationssystem reduziert, wird CRM nicht selten als ein Softwareprodukt missverstanden 15, was zu einer unvollständigen Betrachtung und damit oft zum Scheitern von CRM-Projekten führt. Ähnlich unvollständig ist das Verständnis von CRM als eine Marketingstrategie. Zwar kommt der Informationstechnik und damit der Hard- und Software eine zentrale Rolle im CRM zu, genau wie auch das Marketing ein tragendes Element darstellt, jedoch bezeichnet CRM vielmehr einen umfassenden, das gesamte Unternehmen umspannenden Managementansatz, der den Kunden gezielt in den Mittelpunkt der unternehmerischen Tätigkeit rückt. Das erfordert eine intensive Betrachtung der Ziele des Kunden und eine Verschiebung der obersten Zieldimension im Unternehmen. Dabei basiert der Gedanke hinter dieser Forderung auf der Schaffung eines Mehrwertes für beide Seiten, der durch die Orientierung an den Kundenzielen entstehen soll. Dieser liegt auf der Kundenseite in der zielgenaueren Befriedigung seiner Bedürfnisse, auf Seite des Unternehmens in einer höheren Kundenbindung, einer besseren Kundenpotentialausschöpfung und der Schaffung von Wettbewerbsvorteilen in Hinblick auf die Kundenaquise. 16 Eine kundenorientierte Zielverschiebung auf oberster Unternehmensebene hat Auswirkungen alle Hierarchiestufen und Fachbereiche. Damit umfasst ein ganzheitliches CRM neben den 14 für detaillierte Information vgl.: http://www.eccs.uk.com/resources/define.asp 15 vgl.: Moosmayer, D.; Gronover, S.; Riempp, G. (2001), S. 78 16 vgl.: Gabler (2000), S. 1895

4 informationstechnischen Systemen und Strategien zur Marktbearbeitung, Aspekte des Organisationsaufbaus, des Funktionsablaufs, des Controllings und der Unternehmensführung. Eine Studie der TowerGroup über das CRM der Royal Bank of Canada, die als ein Pionier in der Umsetzung von kundenorientierten Konzepten im Finanzdienstleistungssektor gesehen wird und bereits seit 1980 ein detailliertes Profil ihrer Kunden pflegt, hebt insbesondere das Verständnis von CRM als unternehmensweite Strategie und Philosophie als kritischen Erfolgsfaktor hervor: Selling for the sake of selling is not tolerated. Rather, the bank strives to ensure that sales discussion are solidly based upon an understanding of the customer s financial needs and goals. 17 In Anlehnung an die Definition von Beyer 18 wird der Begriff CRM bzw. CRM-Konzept im folgenden als eine Managementansatz zur kundenorientierten Führung eines Unternehmens unter Zuhilfenahme von computergestützten Informationssystemen verstanden. Die strategische Zielsetzung dieser Kundenorientierung ist durch folgende Punkte charakterisiert 19 : Kundengewinnung und -bindung durch Erhöhung der Kundenzufriedenheit, dadurch Steigerung des Umsatzes, Reduktion der Kosten Unterstützung und Optimierung der Geschäftsprozesse Gezielte Ergebnisbewertung, Controlling Steuerung der Faktorallokation Die informationstechnische Infrastruktur und die verwendete Software werden als CRM- System bezeichnet; Strategien zur Kundenbindung und Gewinnung, und damit zur Marktbearbeitung und Kundensegmentierung als CRM-Strategien. Für die Arbeit von untergeordneter Bedeutung ist die in der Literatur oft getroffene Unterscheidung in operatives, analytisches und kollaboratives CRM 20, da im Rahmen des Betrachtungsfokus der Arbeit eine solche Differenzierung einer integrativen und ganzheitlichen Betrachtungsweise eher abträglich ist. Zu beachten ist außerdem, dass die im folgenden beschriebenen Probleme und Erkenntnisse generell generischer Natur sind, zum Teil aber implizit aus der Perspektive der Finanzdienstleistung heraus beschrieben werden. 17 Khirallah, K. (2001), S. 4 18 vgl.: Beyer, H.-T. (2001), S. 2ff 19 vgl.: Roth, P; Wang, J. J. (2001), S. 4f 20 vgl.: Hippner, H.; Martin, S.; Wilde, K. (2001), S. 27ff

5 2.2 Gestaltungsrahmen und Vorgehensmodell Ein Gestaltungsrahmen, oft auch als Architektur bezeichnet, soll einen Überblick über die von einem spezifischen Ansatz betroffenen Bereiche eines Unternehmens vermitteln und das oft komplexe Zusammenwirken verdeutlichen. Das hilft eine einseitige und unvollständige Betrachtung des spezifischen Problems zu vermeiden und die Stoßrichtung von Einzelprojekten zu bestimmten. Dazu werden die einzelnen Aspekte eines umfassenden Konzeptes zusammengetragen und miteinander in Beziehung gesetzt. 21 Die in der Definition angesprochene umfassende Natur von CRM macht eine methodische Analyse der von CRM betroffenen Bereiche und den zwischen ihnen bestehenden Wechselwirkungen nötig. Ein Vorgehensmodell dient der methodischen Ablaufsbeschreibung eines Projektes. Dazu müssen die notwendigen Aktivitäten in einem zeitlichen Ablauf miteinander verbunden, Ergebnisdokumente, die das durch Anwendung der Techniken gewünschte Resultat darstellen und Projektmeilensteine definiert und handelnde Personen den Aktivitäten zugeordnet werden. Im wesentlichen durch das Software Engineering und Projektmanagement geprägt, stellt ein Vorgehensmodell ein generisches Gerüst zur Beschreibung sich ähnelnder Projektabläufe oder Tätigkeiten dar und dient dabei als Fundament der projektspezifischen Aufbau- und Ablaufplanung. 22 Oft wird darüber hinaus eine Auswahl an Methoden und Modellierungsschemata beschrieben, die den Planer bei der Analyse und Konzeption des Projektes unterstützen und eine Kommunikationsbasis zwischen den verschiedenen Projektteilnehmern schaffen. 23 Dabei werden etablierte Vorgehensmodelle weiter spezialisiert, ergänzt oder abgelegt, Methoden verändert und aufgenommen und Modellierungsschemata vereinheitlicht. Das führt zu einem schwer zu überblickenden Fundus an mehr oder minder geeigneten und oft unterschiedlich definierten Modellen, aus denen der Projektplaner wählen muss. Die vorliegende Arbeit kann dazu einen Beitrag leisten. 21 vgl.: Balzert, H. (1998), S. 28-31 22 vgl.: Balzert, H. (2000), S. 54 23 vgl.: Hillmann, K.-H. (1994), S. 550

6 3 Gestaltungsrahmen von CRM (St. Galler CRM-Modell) Am Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität St. Gallen eng verzahnt mit der Finanzdienstleistungspraxis entwickelt, wurde das St. Galler Modell für prozessorientiertes CRM im April 2000 publiziert. Der Branchenfokus zeigt sich auch in der Zusammenarbeit mit Partnerunternehmen wie der Landesbank Baden-Württemberg, der Credit Swiss und der Bank Austria bei der Entwicklung des Modells 24. In seiner Grundannahme geht das Modell von Prozessen im Sinne der prozessorientierten Unternehmensführung 25 sowohl auf Kunden- als auch auf Unternehmensseite aus. Dabei bilden die Kundenprozesse den ersten wesentlichen Gestaltungsbereich des Modells in Form der Kundenprozessunterstützung; die Unternehmensprozesse den Zweiten, im Modell als Kundenzentrierte Organisation bezeichnet. 26 Da die Kundenzentrierte Organisation die Kundenprozessunterstützung leisten soll, was eine enge Verzahnung der von Schmid/Bach/Österle ursprünglich getrennt betrachteten Gestaltungsbereiche erfordert, sind diese in Abb. 3-1 zusammengeführt dargestellt. Dabei lassen sich die einzelnen Elemente nicht mehr problemlos den Bereichen zuordnen. Vielmehr geht die grün dargestellte Kundenzentrierte Organisation von Links nach Rechts in die gelb dargestellte Kundenprozessunterstützung über. Die CRM- Wissensstruktur und die CRM-Basis lassen sich, wie in Kapitel 3.4 näher dargestellt, einem dritten Gestaltungsbereich zuordnen, der die beiden anderen überspannt. CRM-Prozesse Partner Mitbewerber Kundenprozess Marketing Kampagnen initalisieren Kampagnen durchführen Kampagnen auswerten Opportunities generieren Verkauf Service Marktbeobachtung Angebotspersonalisierung Sales Force Automation... Prozessportal Produktauswahl Außendienststeuerung Aktienanalyse... Filiale Internet Brief Telefon email mobil Medium Information Beratung Vertrag Nutzung Service Marketing Know-How Produkte Kontakte CRM-Wissensstruktur Kampagnen Opportunities Kunden Märkte CRM-Basis Unterstützungsprozesse Mitarbeiter Systeme Abbildung 3-1 St. Galler CRM-Modell (eig. Darst. in Anlehnung an Schmid, R. E. et al (2000), S. 23 u. 24) 24 vgl.: Schmid, R. E.; Bach, V.; Österle H. (2000), Vorwort 25 vgl.: Krcmar, H.; Schwarzer, B. (1994) / Macharzina, K. (1999), S. 734ff 26 vgl.: Schmid, R. E.; Bach, V.; Österle H. (2000), S. 22f

7 Kunde- und Unternehmensprozesse werden in dem zentral dargestellten Prozessportal zusammengeführt und sind gekennzeichnet durch das vom Kunden verwendete Medium. Dabei stellen die im folgenden näher dargestellten Elemente des Modells die von CRM in der Gestaltung betroffenen und bei der Einführung von CRM zu berücksichtigen Bereiche ab. 3.1 CRM-Prozesse Natürlich reichen die Konsequenzen für Unternehmensbereiche deren Leistungserstellung in direktem Zusammenhang mit dem Kunden steht am weitesten. Aus Sicht der unternehmerischen Funktionen sind das die Bereiche Marketing, Verkauf und Service. Zur Abgrenzung dienen einerseits die Zielgruppen der Leistung und andererseits die Kontakte zwischen Unternehmen und Kunden 27. Da diese Einteilung jedoch vorwiegend aus organisatorischer Sicht motiviert ist und nur in Form des Wissenstransfers zwischen den organisatorischen Strukturen für CRM relevant ist, auf den in Kapitel 5.1 noch detailliert eingegangen wird, wird auf eine nähere Betrachtung dieser Prozessabgrenzung verzichtet. Diese im Modell als CRM-Prozesse bezeichneten, kundennahen Unternehmensprozesse bilden den ersten Gestaltungsbereich von CRM: die Kundenzentrierte Organisation. Im Rahmen des CRM-Konzeptes müssen die CRM-Prozesse am Kunden ausgerichtet und neu gestaltet werden, indem beispielsweise nach dem Konzept des Business Process Redesigns (BPR) Ist- Prozesse dokumentiert und Soll-Prozesse entsprechend der verfolgten Ziele modelliert werden 28. Die Soll-Prozesse bestimmen wiederum die Anforderungen an das CRM-System und die Organisationsstruktur. 3.2 Kundenprozesse Der Kunde wird von dem Unternehmen gemeinhin als Käufer einer Leistung gesehen, dessen Bedürfnis es ist, möglichst zügig und günstig die angefragte Leistung zu erhalten und einen gewissen Grad an Service zur Abdeckung seiner Bedürfnisse nach dem Kauf zu erhalten. Betrachtet man hingegen komplexe Leistungen wie beispielsweise den Immobilienerwerb, wird deutlich, dass der Kunde analog zu den Geschäftsprozessen im Unternehmen sich in einem Prozessablauf befindet, der eine Vielzahl von Anbietern und Leistungen mit einbezieht. Dieser Prozess ist nach dem Konzept des Customer Buying Cycles aufgebaut, nach dem jeder Kundenkontakt einer Phase Anregung, Evaluation, Kauf oder After-Sales zuzuordnen ist. 29 27 vgl.: Moosmayer, D.; Gronover, S.; Riempp, G. (2001), S. 76 28 vgl.: Hammer, M.; Champy, J. (1998) / Schmid, R. E.; Bach, V.; Österle H. (2000), S. 22f 29 vgl.: Munther, A. (1999), S. 14ff

8 Vor allem die Dokumentation aber auch die Neugestaltung dieser Kundenprozesse wird im St. Galler Modell als zweiter Gestaltungsbereich für CRM gesehen und als Kundenprozessunterstützung bezeichnet. Der Vorteil der expliziten Kundenprozessbetrachtung erwächst aus den so gewonnen Informationen über das unternehmensübergreifende Bedürfnis des Kunden, welches durch Kooperation mit Partner zum Anbieten einer komplexen, integrierten Leistung genutzt werden kann 30. 3.3 Prozessportal Die Komplexität von CRM macht es nötig, die Entwicklung und Einführung modular zu gestalten. Dem Modell zugrunde gelegt wird aus diesem Grund die Idee eines Prozessportals, welches als Fundament für einen schrittweisen Auf- und Ausbau des CRM im Unternehmen verstanden werden kann. Es soll als Zugangspunkt zu CRM-Bausteinen dienen, die einzelne Funktionalitäten des CRM repräsentieren. Folglich interagieren sowohl Kunden als auch Mitarbeiter mit dem Prozessportal, das die vorgestellten CRM- und Kundenprozesse unterstützen soll. Es stellt folglich die Schnittstelle zwischen Unternehmen und Kunden dar, an der die geschäftskritische Kommunikation stattfindet. 31 Dabei macht der Begriff Prozessportal keine Aussage über ein spezifisches Medium. Prinzipiell ist es offen, ob der Karteikasten oder das Intranet den Mitarbeiter unterstützt bzw. der Kunden im Internet, am Telefon oder in der Filiale seine Geschäfte erledigt. 32 Vielmehr soll durch die generische Instanz Prozessportal ein medienunabhängiger Zugangspunkt im Modell definiert werden, um den sich die Funktionalität des CRM rankt. Das Prozessportal speist sich aus Leistungen des Unternehmens sowie Leistungen von Partnerunternehmen. Alle nicht vom Prozessportal bereit gestellten Leistungen, die zur Befriedigung des Bedarfs im Kundenprozess nötig sind, werden von Fremdunternehmen respektive Mitbewerbern bereitgestellt. So nutzt, wie in Abb. 3-1 dargestellt, der Marketingprozess Kampagne durchführen die CRM-Bausteine des Prozessportals wie beispielsweise zur Steuerung des Außendienstes. Umgekehrt kann der Kunde im Prozess der Informationssuche auf Bausteine wie Aktienanalysen zurückgreifen. So verstanden, ermöglicht das Modellelement Prozessportal eine evolutionäre Entwicklung des CRM, das als Basis für die zu entwickelnden CRM-Bausteine dient, ohne dass durch eine Festschreibung des Mediums der Blick auf Gestaltungsbereiche jenseits der Informations- 30 vgl.: Schmid, R. E.; Bach, V.; Österle H. (2000), S. 22f 31 vgl.: Schmid, R. E.; Bach, V.; Österle H. (2000), S. 6-8

9 technik verloren geht. Außerdem können Partner ins Modell eingebunden werden, um den Bedarf des Kunden aus einer Hand befriedigen zu können. 3.4 Unterstützende Struktur Neben den zwei vorgestellten Gestaltungsbereichen bzw. Stoßrichtungen für CRM-Projekte ist die Betrachtung der dem CRM zugrunde liegenden Strukturen unerlässlich. Diese werden im Modell in Form der CRM-Wissensstruktur und der CRM-Basis berücksichtigt. Dabei können die im folgenden näher vorgestellten Strukturen als dritter Gestaltungsbereich für CRM interpretiert werden, der parallel zu den beiden anderen verläuft. Parallel bedeutet in diesem Zusammenhang, dass ein CRM-Projekt generell eine Gestaltung dieses dritten Bereiches vornehmen muss, unabhängig davon ob CRM- oder Kundenprozesse betrachtet werden, da dieser sowohl die technische, wie auch organisatorische Dimension widerspiegelt. 3.4.1 CRM-Wissensstruktur Dem Informationsfluss kommt im CRM eine besondere Bedeutung zu, da die Bereitstellung der richtigen Information zum richtigen Zeitpunkt letztlich die Kernfunktionalität eines CRM- Systems darstellt, wie im Verlauf der Arbeit noch gezeigt wird. Nicht selten sind beispielsweise die CRM-Prozesse des Unternehmens auf Informationen aus anderen Prozessen oder externen Quellen angewiesen. 33 So benötigt etwa ein Kundenberater im Beratungsgespräch Informationen aus der Produktentwicklung, aber auch externe Informationen wie Börsenkurse oder Unternehmensdaten. Es existiert eine Vielzahl an Informationsflüssen auf die insbesondere in Kapitel 5.1 noch eingegangen wird. Diese werden im St. Galler Modell nicht explizit betrachtet, können aber sinngemäß der CRM-Wissensstruktur zugeordnet werden, letztlich mit dem Ziel, die Information durch eine Kategorisierung, Filterung und Aufbereitung dem Mitarbeiter und Kunden als entscheidungsrelevantes Wissen zur Verfügung zu stellen. 3.4.2 CRM-Basis Dem Mitarbeiter als Leistungs-, Entscheidungs- und Wissensträger aber auch Systemnutzer kommt bei Entwicklung und Einführung, im Besonderen aber im Betrieb des CRM eine herausragende Rolle zu. Seine Nutzungsakzeptanz und -fähigkeit, sowohl in ergonomischfunktionaler als auch in schulischer und emotionaler Hinsicht, ist ein zentraler Erfolgfaktor 32 vgl.: Schmid, R. E.; Bach, V.; Österle H. (2000), S. 6-8

10 für das CRM, da nur durch eine intensive Nutzung eine akzeptable Datenbasis aufgebaut werden kann und nur so Erfolge sichtbar und messbar werden. Es genügt nicht den Nutzer als ausführende Instanz in das CRM mit einzubeziehen. Vielmehr ist es nötig, durch umfassende Schulungsmaßnahmen die Bedienung und Datenpflege aber vor Allem auch die Vorteile, die der Mitarbeiter aus dem System zieht und die Ziele, die mit der Einführung von CRM verfolgt werden, zu kommunizieren. Erst durch eine intensive Nutzung kann eine angemessene Datenbasis aufgebaut und somit das Potential von CRM entfaltet werden. Denkbar sind in diesem Zusammenhang zum Beispiel Anreizsysteme, die die Nutzung des Systems honorieren 34. Neben den Mitarbeitern bilden die für den Betrieb des CRM-Systems nötigen Unterstützungsprozesse wie beispielsweise die Wartung der IT-Infrastruktur oder Content- Management-Aktivitäten sowie die Hard- und Software in Form der Systeme, die CRM- Basis. 35 33 vgl.: Himer, E. (2001), S. 56-60 / Schmid, R. E.; Bach, V.; Österle H. (2000), S. 23-27 34 vgl.: Funkschau o.v. (2001) 35 vgl.: Schmid, R. E.; Bach, V.; Österle H. (2000), S. 30-33

11 4 Vorgehensmodelle zur CRM-Einführung Bereits Anfang der 90er Jahre populär geworden, hat sich bis heute eine Vielzahl an Vorgehensmodellen zur Einführung und Gestaltung von CRM entwickelt 36. Die meisten dieser Einführungsmodelle fußen auf der für das Projektmanagement typischen Phaseneinteilung in Vorplanung, Analyse, Design, Implementierung und Einsatz 37. Im wesentlichen unterschieden durch den Betrachtungsfokus lassen sich die Modelle in vier Kategorien einteilen 38, die implizit die einzelne Bereiche des St. Galler Modells als Gestaltungshorizont abbilden: Strategieorientierte Ansätze, z.b. das Relationship Banking nach Held, richten sich an der Unternehmensstrategie aus und haben diese als Gestaltungsparameter im Fokus 39. Sie dienen der Planung bzw. Umsetzung kundenorientierter Ziele und Strategien und fokussieren damit beispielsweise Aspekte des Multichannel-Managements oder dienen der Entwicklung von Verkaufs- oder Marketingstrategien 40. Die Gestaltung von CRM- Systemen hingegen ist den mit dem Modell erarbeiten Strategien nachgelagert und wird nicht aus dem Ansatz heraus betrachtet. Die strategieorientierten Ansätze setzen damit an dem für das Scheitern von CRM- Projekten häufig angeführten Grund 41 an: dem IT-lastigen Fokus von CRM-Projekten. Jedoch liefern sie keine Aussagen über die zu realisierenden CRM-Systeme und beinhalten oft keinen Ansatzpunkt für ein integriertes BPR. Sie können somit wertvoll für die strategische Vorplanung eines CRM sein, müssen aber zur Entwicklung eines CRM-Systems in Verbindung mit anderen Modellen eingesetzt werden. Prozessorientierte Ansätze wie das Customer-Centered Reengineering Change Process Modell nach Crego/Schiffrin hingegen stellen den Prozess in den Mittelpunkt der Betrachtung und begreifen die Einführung von CRM als Optimierung und Reengineering der Unternehmens- und Kundenprozesse 42. Dazu werden die kundenkritischen Prozesse identifiziert, analysiert und optimiert. Ähnlich den strategieorientierten Ansätze muss ein solcher Ansatz in ein umfassendes Einführungskonzept eingebettet werden. 36 vgl.: Eggert A.; Fassott G. (2001), S. 5 37 vgl.: Engstler, M. (2001), S. 24-27 38 vgl.: Schulze, J. (2000), S. 58-71 39 vgl.: Held, P. P. (1998), S. 64f 40 vgl.: Swoboda, U. (2001) S. 87-90 41 vgl.: Wilde, K. D. (2001) 42 vgl.: Crego, E. T.; Schiffrin, P. D. (1995), S. 51

12 Systemorientierte Ansätze stellen das IT-System in Hinblick auf Funktion, Schnittstellen und Datenbanken sowie die verwendete Software in den Mittelpunkt einer CRM - Einführung. Dabei reicht die Bandbreite von generischen Modellen wie der 10- Stufenplan nach Schwetz 43 bis hin zu CRM-Software spezifischen Einführungsmodellen wie das Rapid Application Deployment, das zur effizienten Implementierung des Standardsoftwarepaketes Siebel Enterprise Applications dient 44. Die besonders große Vielfalt von systemorientierten Ansätzen verwundert angesichts hunderter sich auf dem Markt drängelnder Softwareanbieter wenig. Schließlich arbeitet fast jedes Softwarehaus mit einem auf die Software zugeschnittenen Vorgehensmodell, das eine einfache, umfassende, schnelle und kostengünstige Einführung von CRM, respektive Installation der spezifischen Software verspricht. Der Wert solcher Modelle ist oft gering und im wesentlichen auf einen Marketingaussage beschränkt 45, können jedoch bei der Einführung von Standardsoftware als Leitfaden zur Softwareinstallation und - anpassung dienen. Wissensorientierte Ansätze betrachten den Aufbau und die Nutzung von Kunden- und Produktinformation und damit die informationswirtschaftliche Aspekte der Unternehmens-Kunden-Beziehungen. Ansätze wie das Stufenmodell nach Müller beispielsweise stellen das Wissen über den Kunden in den Vordergrund und leiten erst daraus Interaktionen mit dem Kunden ab 46. Modelle zur Einführung von Techniken wie Data- Mining, Content-, Workflow- und Knowledge-Management sind dabei ebenso den wissensorientierten Ansätzen zuzuordnen wie die Informationsflussbetrachtung und Informationsbedarfsanalyse. Die Gefahr solcher Modelle liegt in dem oft auf die Verteilung von Wissen abzielenden Gestaltungsfokus und der damit verbundenen Trübung der CRM-Ziele. Ein Dokumenten-, Content-, Workflow- und Knowledge-Management ist zwar in der sich wandelnden Wirtschaft und Gesellschaft prinzipiell sinnvoll, sollte jedoch nicht unbedingt mit CRM gleichgesetzt werden. 4.1 Kritischen Erfolgsfaktoren eines CRM-Einführungsmodells Denen vorgestellten Ansätzen zur Einführung von CRM ist die fehlende integrative Sichtweise gemein. Jeder der Ansätze fokussiert einen bestimmten Gestaltungsbereich des St. Galler 43 vgl.: Schwetz, W. (2000), S. 67 44 vgl.: Schulze, J. (2000), S. 67 45 vgl.: Mohs, V., J. S. 5f 46 vgl.: Müller, M. (1999), S. 52

13 Modells, ohne eine Verbindung zu den anderen herzustellen und vernachlässigt so essentielle Parameter mit der häufigen Folge des Scheiterns. Aus jeder der vorgestellten Kategorien lassen sich Aufgaben einer CRM-Einführung herauslösen, die für eine erfolgreiche Einführung von CRM im Unternehmen kritisch sind: Entwicklung strategischer Ziele und Kennzahlen des CRM Planung und Abwicklung des Business Process Reengineerings (BPR) und Change Managements Evaluation und Einführung/Entwicklung von Software Identifikation/Bewertung der Wissensbasis, Informationsflüsse und Wissenslücken Projektmanagement, Change-Management, Controlling Diese Ziele lassen sich anhand der in der Literatur beschriebenen Gründe für das Scheitern von CRM-Projekten überprüfen und in Teilen ergänzen. So gehen Eichenberger/Oggenfuss von einem zu einseitigen Fokus und einer ungenügenden strategischen Ausrichtung 47 der CRM-Projekte aus. Ematinger spricht von der mangelnden Zieloperationalisierung und fordert eine Controlling-Metrik 48, an der sich der Erfolg von Projekten messen lässt. Fehlendes Prozessredesign 49 und Change-Management 50 sind dabei ebenso kritisch bewertet wie mangelnde Gestaltung der Wissensstrukturen, Daten und Kanälen 51. Auch der außerordentliche schulungslogistische Aufwand ist durch die wichtige Rolle des Mitarbeiters enorm. Dabei muss neben der fachlichen Nutzungskompetenz die Absicht hinter dem CRM-Konzept, die Vorteile die daraus erwachsen und die Notwendigkeit einer intensiven System-Nutzung vermittelt werden. Wilde bringt, wie in Abbildung 4-1 dargestellt, Erfolgsfaktoren der CRM-Einführung in eine zeitliche Abfolge, die im wesentlichen den oben aufgeführten Zielsetzungen einer Einführungsmethode entsprechen. Ausgehend von den Kundenbindungsstrategien, die festschreibt, was durch welche Maßnahmen mit definierten Kundengruppen erreicht werden soll, werden Soll-Geschäftsprozesse erarbeitet und implementiert. Erst auf Grundlage der optimierten Prozesse ist es möglich, ein qualifiziertes Anforderungsprofil an CRM-Systeme zu formulieren. 52 47 vgl.: Eichenberger, H.; Oggenfuss, C. (2001), S. 2 48 vgl.: Ematinger, R. (2001) S. 2f / Stengl R.; Sommer B.; Ematinger R. (2001) S. 40 49 vgl.: Hill, K. (2002) 50 vgl.: Helmke S.; Dangelmaier, W. (2001), S. 2 51 vgl.: Müller, M. (1999) 52 vgl.: Wilde, K. D. (2001)

14 CRM-Prozess- Managment IT-Unterstützung Kundenbindungsstrategien Geschäftsprozessoptimierung Change- Management Abbildung 4-1 Erfolgsfaktoren im CRM nach Wilde (Quelle: Wilde, K. D. (2001)) Dass IT-Systeme die Geschäftsprozesse sowohl einschränken als auch befähigen können, wird durch den iterativen Charakter des in Abb. 4-1 dargestellten Modells ausgedrückt. Das CRM-Prozess-Management bezieht sich auf das allgemeine Projektmanagement und wird von Wilde nicht näher erläutert. 4.2 Integrierte Ansätze eines CRM-Einführungsmodells Es existieren einige Ansätze, die sich die ganzheitliche und integrierte Betrachtungsweise von CRM-Projekten zum Ziel gesteckt haben. Neben dem icrm-drei-phasen Modell 53 hebt sich insbesondere der in Abbildung 4-2 dargestellte Ansatz nach Schulze 54 durch eine klare Definition von Projektschritten heraus und wird im folgenden näher dargestellt. Eingeteilt in die Phasen Planung, Vorstudie, Konzeption und Umsetzung werden Aspekte des Kunden- und Multichannel-Managements sowie des Wissens- und Prozessmanagements in enger Anlehnung an das St. Galler CRM-Modell berücksichtigt. Dabei definieren die Ergebnisdokumente das durch Anwendung der Techniken gewünschte Resultat. 53 vgl.: Stengl, R.; Sommer, B.; Ematinger, R. (2001), S. 58-61 54 vgl.: Schulze, J. (2000), S. 67ff

15 Abbildung 4-2 Vorgehensmodell nach Schulze (Quelle: Schulze, J. (2001), S. 74) 4.2.1 Kundenpotentialanalyse Ausgehend von der Projektplanung, die im groben den Projektverlauf bestimmt 55, werden die Kunden in hinreichend homogene Segmente unterteilt, die mit spezifischen CRM-Strategien bearbeitet werden können. Ziel dieser Segmentierung des Kunden ist die Verdichtung von sich ähnelnden Kunden zu Kundengruppen und folglich die Segmentierung des Zielmarktes. Diese dient als Ausgangspunkt für kundentypspezifische Strategien und CRM-Prozesse 56, die speziell auf die Bedürfnisse des Segmentes angepasst werden können. Die klassische Segmentierung anhand von demographischen und sozio-ökonomischen Gesichtspunkten erweist sich jedoch zunehmend als ungeeignet 57. Vielmehr müssen nach der Einführung des CRM, die Segmentierungskriterien beständig überprüft, verfeinert und entwickelt werden. Angemerkt sei, dass nicht nur die Kriterien zur Segmentierung sich dynamisch im Zeitablauf verhalten, vielmehr auch die Kunden zwischen den Segmenten wechseln können. So ist beispielsweise ein Student typischerweise ein umsatzschwacher Kunde, wird aber mit Abschluss seines Studiums durch den hohen Ausbildungsgrad oft zu einem profitablen Kunden. Folglich muss die Segmentierung wie auch die Zuordnung der Kunden fortwährend überprüft werden. Bei der Bestimmung der Segmentierungskriterien können Techniken wie Data-Mining zur Analyse von Zusammenhängen in Datensammlungen hilfreiche Unterstüt- 55 vgl.: Engstler, M. (2001), S. 27f 56 vgl.: Schulze, J. (2000), S. 75 57 vgl.: Grebe, M.; Kreuzer, M. (1997), S. 6f

16 zung bieten und im Besonderen im Finanzdienstleistungsbereich, durch die umfangreiche Datenbasis in Form der Kundentransaktionen, wertvolle Schätze zu Tage fördern. Eindrucksvoll erscheint in diesem Zusammenhang die Zahl der Kundensegmente bei der bereits angesprochenen Royal Bank of Canada. Die 9 Hauptkundensegmente gliedern sich in über 100 verschiedene Subsegmente 58. 4.2.2 Kundenprozessanalyse Ausgehend von den so gewonnenen Marktsegmenten müssen die dem Kundentyp zugrunde liegenden Kundenprozesse in einem Analyseverfahren der Kundenprozessanalyse untersucht, dokumentiert und neu gestaltet werden. Schulze bedient sich dabei so genannter Kontextdiagramme, die den bedürfnisorientierten Leistungsaustausch zwischen Kundenprozess und CRM-Prozess idealisiert visualisieren, ohne die durch CRM-Prozesse gesteckten Restriktionen zu überschreiten. Dabei geht Schulze nicht näher auf den Ablaufkonflikt dieser Forderung, respektive auf die bereits benötigten, aber noch nicht ermittelten Restriktionen, ein. 59 4.2.3 CRM-Prozessentwicklung Aus den auf diese Weise gewonnenen Kundenprozessen ergeben sich Anforderungen an die CRM-Prozesse, die für jede Aufgabe eines Kundenprozesses adäquate Aufgaben zur Unterstützung und Bereitstellung von Leistungen abbilden müssen. Zur Modellierung bedient sich Schulz des Ergebnisdokumentes Prozessanforderung, das in einer tabellarischen Form Kundenprozesse über ein Medium den CRM-Prozessen zuordnet und einem Aufgabenkettendiagramm zur Prozessdarstellung. 60 Unverständlich hingegen scheint, neben der Abkehr vom Konzept des Prozessportals, die eigenwillige Prozessmodellierung in Form der Aufgabenkettendiagramme. Statt adäquate Methoden des BPR zu verwenden, werden in Anlehnung an ein ähnliches Konzept von Österle 61 die Aufgaben einer Unternehmensfunktion in tabellarischer Form abgetragen und durch Pfeile in einen Ablauf gebracht. 4.2.4 Multichannel Management Die Berührungspunkte zwischen Kunde und Unternehmen (Kundenkontakte) lassen sich nach dem Konzept des Customer Buying Cycles bestimmen. An dieser Stelle wird es wichtig, eine ganzheitliche Betrachtung der verschieden Kontaktmöglichkeiten zwischen Kunden und Un- 58 vgl.: Khirallah, K. (2001), S. 5-12 59 vgl.: Schulze, J. (2001), S. 75-77 60 vgl.: Schulze, J. (2001), S. 76 61 vgl.: Österle (1995)