Beratung als Lernprozess Pädagogische Kompetenzverständnisse

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Transkript:

Beratung als Lernprozess Pädagogische Kompetenzverständnisse Dr. Rüdiger Preißer Soziologie, Erziehungswissenschaften, Politikwissenschaften Forschung, Beratung, Training info@ruediger-preisser.de 1

Gliederung Bedeutungszuwachs von Kompetenzberatung Verselbstständigung der Kompetenzerfassung Wie sieht Kompetenzerfassung aus? Kompetenzorientierte Beratung Pädagogisches Potential der Kompetenzerfassung Kompetenzorientierte Konzeption und Gestaltung von Beraten ( Beratenwerden als Form von Lernprozess) 2

Bedeutungszuwachs von Kompetenzberatung Seit Anfang der 1970er: Karriere des Selbst Entstandardisierung von Lebenslagen, Individualisierung: Lebenslanges Lernen Selbsterfahrung Selbstverwirklichung Selbstbestimmung Selbstorganisation Selbststeuerung 3

Kompetenz ein Modebegriff Ausbildungsreife : Sprachbeherrschung Rechnerisches Denken Logisches Denkvermögen Räuml. Vorstellungsvermögen Merkfähigkeit Bearbeitungsgeschwindigkeit Daueraufmerksamkeit Durchhaltevermögen und Frustrationstoleranz Kommunikationsfähigkeit Konfliktfähigkeit Kritikfähigkeit Leistungsbereitschaft Selbstorganisation/ Selbstständigkeit Sorgfalt Teamfähigkeit Umgangsformen Verantwortungsbewusstsein Zuverlässigkeit Selbsteinschätzungs- und Informationskompetenz Fach- Sach- Problemlösungs- Schlüssel- Handlungs- Alltags- interkulturelle Leitungs- Human- Internet- Kern- Lese- und Schreib- Medien- Selbst- Selbstlern- Sozial- mentale Computer- Medien- Zukunftsfähige -, Networking- -Kompetenz 4

5

Wer ist das Selbst? Selbst- / Fremdbewertung formativ / summativ punktuell / begleitend eigenständig / betreut Modi der Kompetenzerfassung allein / in Gruppe allgemein / zielgruppenspezifisch Employability / Empowerment 6

Verselbstständigung von Kompetenzerfassung gegenüber Kompetenzentwicklung Erwachsenenbildung: - Qualipass (KuMi BW) - Berufswahlpass (Nordverbund) - Profilpass (BMBF, DIPF) - Talentkompass NRW - Kompetenzbilanz für Migranten (DJI) - CH-Q (Schweiz) - Kompetenzenbilanz (PERFORM, Zukunftszentrum Tirol) - WESA (RP Tübingen) - Life / Work-Planning - Kompetenzanerkennungszentrum (KOMPAZ) - Kompetenz-Portfolio für Freiwillige (Ring Österreichischer Bildungswerke) - KODE (CeKom GmbH) Jugendarbeit: - DIA-KOM (AC-ähnlich für Kompetenzcheck Ausbildung NRW), - START (AC; IMBSE) - PAC Potenzial Assessment Center (AWO), - GFBM-Materialkoffer (Gesellschaft für berufsbildende Maßnahmen), - DIA-TRAIN (DIAgnose- und TRAINingseinheit; INBAS) - Taste for girls (AC für Frauen; LIFE e. V.) - Profil-AC (Potenzial AC; CJD) - Teleprofiling (ProTeGe GmbH) - BET (Berufseignungstest), - BIT, Explorix (Berufsinteressentests), - Eignungstest Berufswahl (EBW), - Hamet 2, IDA (Eignungstest für Schlüsselqualifikationen) 7

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9

10

Ziele von Kompetenzerfassung Unterschiedliche Funktionen: Anamnese Selbstvergewisserung Lernerfolgskontrolle Rechenschaftslegung Anerkennung Beratung Unterscheidung des Zwecks: - formative Erfassung von Kompetenzen (Entwicklungsprozesse) - summative Erfassung (Ist-Zustand, Bilanzierung) Formative assessment is input-driven, centred on the education and training procedure and linked to educational standards. "The primary goal of summative assessment is ( ) grading or certifying [and it] is outcome-driven, centred on results achieved Colardyn & Bjornavold, CEDEFOP-Gutachten 2005 11

Verfahren der Kompetenzerfassung Biografieorientierte, Simulations- und handlungsorientierte Verfahren, K-Bilanzen / Profilings, (Teil-)standardisierte Tests Zweck: Methode: Vorteile: Individuen: Folgen: Summative Verfahren: Anforderungsorientierung - Diagnose: Ist-Zustand; Ergebnis - Feststellung, Vergleich von Einzelmerkmalen - Standardisierung: Validität, Reliabilität, kostengünstig, kurz, - Objektrolle: produzieren Daten, erhalten Interpretationen und Ratschläge - keine: kein Lerneffekt Formative Verfahren: Biographieorientierung - Prozessorientierung: Weg ist das Ziel - Narration, dialogische Selbstexploration - Förderung von Selbstwertgefühl; Voraussetzung für Handlungs- Bereitschaft ( Empowerment ) - Subjektrolle: Selbstreflexion, eigene Deutung, eigene Sprache - Lerneffekt: Förderung metakognitiver Kompetenzen 12

Kompetenzorientierte Beratung: Dimensionen I. Erfassung und Dokumentation von Kompetenzen als Bestandteil der Bildungs- und Laufbahn- Beratung II. - Verbesserung der Selbstwahrnehmung und Selbststeuerung Kompetenzorientierte Konzeption und Gestaltung von Beratung Beraten-werden als Lernprozess = Kompetenz- Entwicklung 13

Ad I: Anforderungen an Kompetenzerfassung in der Beratung Kontextualisieren: Persönlichkeitstheorie, Handlungstheorie (Wissen, Motivation, Einstellungen, Präferenzen, Wertorientierungen) Kompetenzmodell : Struktur, Niveau, Entwicklung von Kompetenzen Anforderungsbezug von Kompetenzen ( Domänenspezifik ) Theoretisch begründete Untergliederung von Kompetenzbereichen durch Kompetenzmerkmale Eindeutige Zuordnung von Kompetenzmerkmalen zu Kompetenzdimensionen Eindeutige Zuordnung von Deskriptoren zu Kompetenzmerkmalen Zusammenhang von Kompetenzentwicklung und Lerntheorie! 14

Zweck: Verbesserung der Selbstwahrnehmung und Selbststeuerung Ziel: Kompetenzen (Wissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Werte, Eigenschaften, Interessen, Einstellungen, Motive, Präferenzen) in eigener Sprache benennen zu können Anleitung: Beispiel für formatives Verfahren: Kompetenzen explorieren Biographische Selbstexploration auf der Grundlage alltagssprachlichen Erzählens (Narration) Kommunikative Validierung in Kleingruppenarbeit oder zwischen Trainer/in / Berater/in und Ratsuchenden Analytische Verdichtung und Reduktion mit Hilfe von skalengestützten Listen von Fähigkeiten usw. Biographische Integration und Ordnung mit Hilfe von Szenariotechnik und konfigurativem Arbeiten 15

Ad II: Kompetenzorientierte Beratung Rolle der Ratsuchenden Beraten-Werden als kooperative Generierung von biographisch bedeutsamen (Bildungs-, Berufs-) Entscheidungen Beraten-Werden als subjektive Entwicklungsaufgabe (Identitätsbildung) Beraten-Werden als Kompetenzentwicklung = (moderierter) Lernprozess Einheit von Wissen, Können, Werten, Motiven, Einstellungen, Präferenzen 16

Ad II: Kompetenzorientierte Beratung Rolle der BeraterInnen Ziel: Stärkung des Subjekts ( Sachen klären, Menschen stärken ) Supportive leadership : kooperative Rolle, Kultur der Wertschätzung, Aktivierung, Ermutigung Methodik analog zu konstruktivistischer Lerntheorie: Shift from Teaching to Learning Situiertheit : gebunden an und sinnvoll in spezifischem sozialen Kontext (problemorientiert) Entscheidung kein lineares Ergebnis von Beratung (kein Instruktions-Ansatz ), sondern konstruktiver Prozess Selbststeuerung: subjektive Suchbewegung der Ratsuchenden mit eigenen Suchstilen, abhängig von Lebensfragen und Erfahrungen Selbstverantwortung: Entscheidung ist aktive, selbstständige und eigenaktive Handlung 17

Kompetenzorientierte Konzeption von Beratung Richtlinien Beratung muss an Zwecke und Handlungsprobleme der Ratsuchenden anschließen (subjektive Relevanz, Problemorientierung) auf konkrete, authentische Situationen und realistische Probleme bezogen sein (Anwendungskontext) Reflexität ermöglichen durch Dezentrierung, gedankliche Variation, Perspektivenwechsel: über eigene Erfahrungen nachdenken, sie bewusst machen und Handlungs-strategien entwickeln Kontexte und Anwendungsbedingungen variieren (Übertragbarkeit) die Kompetenz fördern, sich selbst zu beraten: Planung, Steuerung, Bewertung und Reflexion der Suchstrategien und Ergebnisse (metakognitiver Lernzyklus) die Komptenzenz fördern, eine Entscheidung zu generieren (Informationen, Handlungsalternativen, Präferenzordnung 18

Danke für Ihre Aufmerksamkeit! info@ruediger-preisser.de 19