3. Kapitel: Marktregulierung ( 9 43 TKG)

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Transkript:

3. Kapitel: A. Einleitung Der Begriff der Marktregulierung verleitet zu der Annahme, es gehe hierbei um ein klar umrissenes juristisches oder ökonomisches Konzept. Der Begriff dient im TKG allerdings in erster Linie dazu, die Eingriffsbefugnisse der Bundesnetzagentur terminologisch zusammenzufassen, die im zweiten Gesetzesteil enthalten sind. Das kommt auch deutlich darin zum Ausdruck, dass der Begriff die amtliche Überschrift dieses Gesetzesteils bildet und in 9 Abs. 1 TKG auf Maßnahmen nach den Vorschriften dieses Teils hinweist. Marktregulierung im Sinne einer allgemeinen Bezeichnung von steuernden Eingriffen des Staates in Marktprozesse zur Erreichung bestimmter Zielsetzungen wäre gegenständlich erheblich weiter gefasst. Auch die Universaldienstvorschriften 1 und zumindest manche Vorgaben für den Kundenschutz 2 wären Marktregulierung in einem solchen (weitere) Sinne. Im Folgenden geht es indes ausschließlich um die Marktregulierung nach den Vorschriften des zweiten Gesetzesteils. Die Gliederung des zweiten Gesetzesteils vermittelt den Eindruck eines in sich stimmigen Systems: Regelungen über das Verfahren der Marktregulierung im ersten Abschnitt folgen die Bestimmungen über die Zugangsregulierung im zweiten und die Vorschriften zur Entgeltregulierung im dritten Abschnitt. Der vierte Abschnitt enthält dann sonstige Verpflichtungen und im fünften Abschnitt ist eine besondere Missbrauchsaufsicht ausgestaltet. Hält man sich ausschließlich diese Gliederung vor Augen, ergibt sich eine vermeintlich klare Struktur: Zunächst wird allgemein das Verfahren vorgegeben, in dem die Bundesnetzagentur Maßnahmen der Marktregulierung trifft. Diese Maßnahmen werden dann weiter ausgestaltet, wobei nach dem jeweiligen Regulierungsgegenstand (Zugang, Entgelte, sonstige Verpflichtungen) unterschieden wird. Abgeschlossen wird das Instrumentarium der Marktregulierung dann durch eine sektorspezifische Ausprägung der wettbewerbsrechtlichen Missbrauchsaufsicht. 1 2 1 Siehe hierzu unten, 7. Kapitel, Rn. 12ff. (S. 460ff.) (unter C.). 2 Siehe hierzu unten, 6. Kapitel (S. 419ff.). 77

Kap. 3 Abbildung 11: Systematik des Gesetzesteils zur Marktregulierung 3 Dieser Eindruck trügt jedoch. Das Verfahren der Marktregulierung, das im ersten Abschnitt ausgestaltet ist, setzt den Rahmen, in dem die Bundesnetzagentur solchen Unternehmen, die über eine besonders starke Marktposition verfügen, spezifische Verpflichtungen auferlegen kann. Den Verpflichtungen aus 16 und 17 TKG unterliegen demgegenüber Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze unabhängig von ihrer Marktposition und bereits von Gesetzes wegen. Sie bilden somit einen allgemeinen Regulierungsrahmen in Bezug auf Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze. Diese Vorschriften sollen daher im Folgenden zunächst erläutert werden. Darüber hinaus stehen aber auch zwei 78

B. Allgemeiner Regulierungsrahmen ( 16, 17 TKG) Kap. 3 weitere Bestimmungen des zweiten Gesetzesteils außerhalb des Verfahrens der Marktregulierung. Das betrifft zum einen 18 TKG, der sich auf solche Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze bezieht, die den Zugang zu Endnutzern kontrollieren. 18 TKG wird von 9 Abs. 3 TKG explizit aus dem Verfahren der Marktregulierung ausgenommen. Aber auch die in einem fortgeschrittenen Stadium des Gesetzgebungsverfahrens mit der TKG-Novelle 2012 in das Gesetz aufgenommene Regelung zur Netzneutralität in 41a TKG ist nicht in das Verfahren der Marktregulierung eingebunden und als regulatorische Antwort auf ein spezielles Wettbewerbsproblem konzipiert. Diese beiden Vorschriften werden daher nach dem Verfahren der Marktregulierung und den dort vorgesehenen Regulierungsmaßnahmen am Ende des vorliegenden Kapitels näher beleuchtet. B. Allgemeiner Regulierungsrahmen ( 16, 17 TKG) Der Telekommunikationsbereich ist seit der vollständigen Liberalisierung grundsätzlich ein Wirtschaftssektor wie jeder andere auch. Das bedeutet zum einen, dass die Aufnahme, ¾nderung und Beendigung einer gewerblichen Tätigkeit als Betreiber von öffentlichen Telekommunikationsnetzen und als Anbieter öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste als solche keiner gesonderten Erlaubnis bedarf. 3 Zum anderen kann damit im rechtlichen Ausgangspunkt auch jeder privatautonom entscheiden, ob, mit wem und zu welchen Bedingungen er einen Vertrag abschließen möchte. Im Telekommunikationsbereich kommt den Netzen 4 als der grundlegenden Infrastruktur dieses Sektors allerdings eine zentrale Bedeutung für die wirtschaftliche Betätigung anderer Anbieter, für den Wettbewerb und für die Kommunikations- und Wahlmöglichkeiten der Verbraucher zu. Hieraus ergibt sich ein erhebliches öffentliches Interesse an einer Zusammenschaltung der Telekommunikationsnetze, also an ihrer Verbindung zur Ermöglichung einer netzübergreifenden Kommunikation. 5 4 3 Es besteht allerdings eine Meldepflicht gegenüber der Bundesnetzagentur ( 5 Abs. 1 TKG). 4 Zu Telekommunikationsnetzen siehe oben, 1. Kapitel, Rn. 13ff. (S. 6) (unter B. I.). 5 Siehe zur Zusammenschaltung bereits oben, 1. Kapitel, Rn. 21ff. (S. 9f.) (unter B. I. 4.). 79

Kap. 3 I. Verpflichtung zur Unterbreitung eines Zusammenschaltungsangebots ( 16 TKG) 5 16 TKG überformt deshalb die Privatautonomie der Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze. Sie sind danach verpflichtet, anderen Betreibern auf Verlangen ein Angebot auf Zusammenschaltung zu unterbreiten. 6 Es entspricht verbreiteter Meinung, dass ein Angebot i.s.v. 16 TKG noch nicht alle wesentlichen Bestandteile eines Zusammenschaltungsvertrags i.s.v. 145ff. BGB enthalten muss. 6 Es soll danach also nicht erforderlich sein, dass der andere Betreiber allein durch die Annahme dieses Angebots einen Vertragsschluss herbeiführen kann. Faktisch wird 16 TKG damit auf eine qualifizierte Verhandlungsverpflichtung reduziert. Mit der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift ist das nur schwer in Einklang zu bringen. 7 Es bedarf daher noch der abschließenden Klärung, ob sich aus 16 TKG nicht doch die Verpflichtung ergibt, ein annahmefähiges Angebot zum Abschluss einer Zusammenschaltungsvereinbarung (zu Treu und Glauben entsprechenden Bedingungen 8 ) abzugeben. 9 In der Praxis spielt die Vorschrift bislang möglicherweise auch aufgrund der geschilderten Unklarheiten eine nur sehr untergeordnete Rolle. 6 Hölscher, in: Scheurle/Mayen, TKG, 2. A., 2008, 16 Rn. 37f.; Nolte, in: Säcker, TKG, 3. A., 2013, 16 Rn. 28. 7 Siehe die Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 15/2316, 109, 111 (Nr. 12 [zu 16 Satz 2 neu ]) ( Vorlage eines konkreten Angebotes ); Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drs. 15/2345, 2 (zu Nr. 12 [ 16 Satz 2 neu ]) ( Abgabe eines Angebotes, das angenommen werden kann ). 8 Siehe den zweiten Satz in Erwägungsgrund 5 der Zugangsrichtlinie; a.a. wohl Geppert/Attendorn, in: Beck scher TKG-Kommentar, 4. A., 2013, 16 Rn. 67ff. 9 In diese Richtung grundsätzlich auch Geppert/Attendorn, in: Beck scher TKG-Kommentar, 4. A., 2013, 16 Rn. 64ff., die allerdings eine Verweigerung der Angebotsannahme für möglich halten. Zurückhaltend zur richtlinienrechtlichen Grundlage des Art. 4 Abs. 1 der Zugangsrichtlinie allerdings der EuGH, NVwZ 2010, 307, 308 Rn. 36 (Urt. v. 12.11.2009 Rs. C-192/08) TeliaSonera Finland Oyj, wenngleich dort nur eine Verpflichtung zum Abschluss eines Zusammenschaltungsvertrages, nicht aber zur Abgabe eines annahmefähigen Angebots verneint wird. 80

B. Allgemeiner Regulierungsrahmen ( 16, 17 TKG) Kap. 3 II. Vertraulichkeit von Informationen ( 17 TKG) Der allgemeine Rahmen für Verhandlungen über den Abschluss von 7 Zugangs- und Zusammenschaltungsverträgen wird durch 17 TKG komplettiert. Diese Vorschrift gewährt einen spezifischen Schutz im Zusammenhang mit entsprechenden Vertragsverhandlungen und -vereinbarungen. Dieser Schutz gilt für Informationen, die im Zusammenhang mit der Anbahnung, dem Abschluss und der Abwicklung 10 von Verhandlungen und Vereinbarungen über Zugänge oder Zusammenschaltungen gewonnen werden. Solche Informationen dürfen nach 17 S. 1 TKG nur für die Zwecke verwendet werden, für die sie bereitgestellt wurden. Ausgeschlossen ist es damit z.b., derartige Informationen zur Kundenrückgewinnung insbesondere von dem früheren Vertragspartner zu verwenden. 11 Darüber hinaus verbietet 17 S. 2 TKG die Weitergabe von Informationen an Dritte, die hieraus Wettbewerbsvorteile ziehen könnten. Die Vor- 8 schrift nennt neben Geschäftspartnern der an Vertragsverhandlungen beteiligten Unternehmen insbesondere auch Tochtergesellschaften und sogar andere Abteilungen der beteiligten Unternehmen selbst. 17 S. 2 TKG ist damit nicht auf die externe Weitergabe (an andere natürliche oder juristische Personen) beschränkt. Vielmehr verbietet die Vorschrift bei möglichen Wettbewerbsvorteilen auch die interne Weitergabe außerhalb des konkret beteiligten Geschäftsbereichs. Ein Verstoß gegen 17 S. 2 TKG ist nicht nur eine Ordnungswidrigkeit nach 149 Abs. 1 Nr. 3 TKG. Aus ihm können sich darüber hinaus u. a. Schadensersatzansprüche nach 823 Abs. 2 BGB sowie 44 Abs. 1 S. 4 TKG ergeben. Die in 17 TKG statuierten Vertraulichkeitsverpflichtungen können einerseits als Kompensation für die (zumindest niederschwellige) Be- 9 schränkung der Vertragsfreiheit verstanden werden, die sich aus 16 TKG für Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze ergibt. 17 TKG kann andererseits aber auch als weiteres Instrument gesehen werden, das wie 16 TKG dazu dient, die Zusammenschaltung von Netzen und darüber hinausgehend auch den Zugang zu Netzen zu fördern. 10 Siehe zu dieser Präzisierung des ungenauen Gesetzeswortlautes ( vor, bei oder nach ) die Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 17/5707, 43, 58 (zu Nr. 13 [ 17]). 11 Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 17/5707, 43, 58 (zu Nr. 13 [ 17]). 81

Kap. 3 Den beteiligten Unternehmen 12 wird nämlich ein spezifischer Schutz für solche Informationen eingeräumt, die sie bei der Gelegenheit entsprechender Verhandlungen und Vereinbarungen offenbaren. Das kann die Bereitschaft erhöhen, in solche Verhandlungen einzutreten und Zugangs- bzw. Zusammenschaltungsvereinbarungen abzuschließen. Fall 1 C. Verfahren der marktmachtabhängigen Marktregulierung 10 Die Bundesnetzagentur führte ein Marktdefinitions- und Marktanalyseverfahren im Bereich der Abschluss-Segmente von Mietleitungen durch, die in Nr. 6 im Anhang der geltenden Märkteempfehlung der Kommission genannt werden. Sie kam dabei zu dem Schluss, dass hier ein sachlich relevanter Markt für Mietleitungen bis 2 Megabit pro Sekunde (MBit/s) und ein sachlich relevanter Markt für Mietleitungen über 2 MBit/s bestehe. Sie verwies hierzu u.a. auf eine von der Kommission mit Erlass der Märkteempfehlung veröffentlichte Erläuterung ( Explanatory Memorandum ), in der von einer bandbreitenabhängigen Aufgliederung der Märkte für Abschlusssegmente ausgegangen wird. Den Entwurf für eine entsprechende Marktdefinition und -analyse notifizierte sie zum Zwecke der Konsolidierung bei der Kommission, dem GEREK und den Regulierungsbehörden der anderen EU- Mitgliedstaaten. Vor Ablauf eines Monats erklärte die Kommission, sie habe ernstliche Zweifel an der Vereinbarkeit des Entwurfs mit EU-Recht, da in aller Regel von einem einheitlichen Mietleitungsmarkt auszugehen sei. Daraufhin zog die Bundesnetzagentur ihren Entwurf zurück und passte ihn an die diesbezügliche Stellungnahme der Kommission an. Zur Begründung führte sie aus, die von ihr festgestellten Marktgegebenheiten seien nicht von derartigem Gewicht, dass sie das von der Kommission formulierte Regel- Ausnahme-Verhältnis überwinden könnten. Auf Grundlage der dann ordnungsgemäß konsultierten und konsolidierten Marktdefinition und -analyse erlegte die Bundesnetzagentur der D AG, die sie als Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht auf dem regulierungsbedürftigen einheitlichen Markt für Abschlusssegmente von Mietleitungen qualifiziert hatte, verschiedene Regulierungsverpflichtungen auf. Hiergegen richtet sich die D AG mit ihrer Anfechtungsklage. Wird sie Erfolg haben? 12 Wie sich aus Art. 4 Abs. 3 der Zugangsrichtlinie ergibt, dessen Umsetzung 17 TKG dient, umfasst die Vorschrift sowohl Informationen, die von den Netzbetreibern ihren Vertragspartnern offenbart wurden, als auch die Informationen, die den Netzbetreibern von ihren Vertragspartnern offenbart wurden, siehe überzeugend Geppert/Attendorn, in: Beck scher TKG-Kommentar, 4. A., 2013, 17 Rn. 9; Mozek, in: Säcker, TKG, 3. A., 2013, 17 Rn. 8f. 82

C. Verfahren der marktmachtabhängigen Marktregulierung Kap. 3 Fall 2 Nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Marktdefinitions- und Marktanalyseverfahrens stufte die Bundesnetzagentur die vier Mobilfunknetzbetreiber D1, D2, E1 und E2 jeweils als Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht auf den Märkten für die Anrufzustellung in das betreffende Mobilfunknetz ein. In der Folge stellte die Bundesnetzagentur den Entwurf für eine Regulierungsverfügung gegen den Betreiber D1 zur nationalen Konsultation. Diesen Entwurf bezeichnete sie als Musterentwurf und wies darauf hin, dass die für die anderen drei Betreiber vorgesehenen Beschlusskonzepte im Wesentlichen identisch seien. Nachdem das Regulierungsverfahren im Übrigen ordnungsgemäß abgeschlossen worden war, erließ die Bundesnetzagentur gegenüber den vier Betreibern jeweils eigenständige, inhaltlich aber im Wesentlichen gleichlautende Regulierungsverfügungen, in denen sie ihnen dieselben Vorabverpflichtungen auferlegte. Mit der Klage gegen die an ihn gerichtete Verfügung macht der Betreiber E1 geltend, dass die nach 13 Abs. 1 S. 1, 12 Abs. 1 TKG erforderliche Anhörung zu einem adressatenbezogenen, mit individuellen Gründen versehenen Entwurf unterblieben sei. Zu Recht? 11 Fall 3 Die D AG betreibt ein bundesweites Telekommunikationsnetz. Die Bundesnetzagentur stufte die D AG nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Marktdefinitions- und Marktanalyseverfahrens als Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht auf einem regulierungsbedürftigen Markt für den Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung ein. Auf dieser Grundlage erließ sie ebenfalls unter Einhaltung aller formellen Vorgaben eine Regulierungsverfügung, in der sie der D AG diverse Regulierungsverpflichtungen nach 19ff. TKG auferlegte. Der während des Verfahrens von dem Branchenverband V erhobenen Forderung, der D AG auch eine Transparenzverpflichtung gemäß 20 TKG aufzuerlegen und sie nach 21 Abs. 2 Nr. 6 TKG zu verpflichten, Kooperationsmöglichkeiten zwischen zugangsberechtigten Unternehmen zuzulassen, kam die Bundesnetzagentur demgegenüber nicht nach. Das Unternehmen A, das ein alternatives Festnetz betreibt und sich im Verwaltungsverfahren selbst nicht geäußert hat, aber dem Verband V angehört, begehrt im Klagewege, der D AG diese beiden Verpflichtungen aufzuerlegen. Mit Erfolg? Trotz dieser (behutsamen) Überformung durch öffentlich-rechtliche Verpflichtungen im Zusammenhang mit Vertragsverhandlungen und Vereinbarungen erlauben es die Besonderheiten des Telekommunika- 12 13 83

Kap. 3 tionssektors (jedenfalls derzeit) nicht, diesen Wirtschaftsbereich dem (ansonsten) freien Spiel von Angebot und Nachfrage zu überlassen: Technische und sich hieraus ergebende ökonomische Restriktionen (Skalen-, Verbund- und Dichtevorteile) begünstigen z. T. monopolistische Angebotsstrukturen. 13 Vertikale Integration setzt Anreize zur Benachteiligung externer Nachfrager. 14 Und aufgrund der historischen Entwicklung verfügt (nach wie vor) die Deutsche Telekom als Nachfolgeunternehmen des ehemaligen Staatsmonopolanbieters über erhebliche Wettbewerbsvorteile, die sie nicht im Wettbewerb erzielen musste. Wettbewerbliche Mechanismen konnten und können daher in manchen Bereichen des Telekommunikationssektors (noch) nicht hinreichend greifen, so dass es staatlicher Vorgaben bedarf, um die bestehenden Wettbewerbshindernisse zu kompensieren. Zugleich handelt es sich um einen technisch und wirtschaftlich sehr dynamischen Sektor, in dem bislang bestehende Wettbewerbsprobleme aufgrund neuer Entwicklungen in verhältnismäßig kurzer Zeit obsolet, zugleich aber neue Wettbewerbshindernisse erkennbar werden können. 14 Der Richtliniengesetzgeber und ihm folgend das TKG hat es vor diesem Hintergrund zwar für erforderlich erachtet, sektorspezifische Regulierungsinstrumente vorzuhalten, mit denen auf bestehende Wettbewerbshindernisse effizient reagiert werden kann. Hierdurch sollen die Voraussetzungen für die Herstellung wettbewerblicher Verhältnisse in denjenigen Bereichen der Telekommunikation geschaffen werden, in denen sie bislang nicht bestehen. 15 Der Richtliniengesetzgeber und mit ihm das TKG hat aber zugleich davon abgesehen, selbst festzulegen, wann diese Instrumente in welcher Ausgestaltung zur Anwendung kommen. Stattdessen etabliert das Telekommunikationsrecht ein komplexes Regulierungsverfahren. In diesem identifiziert die Bundesnetzagentur als ausführende Behörde zum einen den regulierungsbedürftigen Marktbereich, 16 bestimmt also über das Ob bzw. Wo der Regulierung. Zum anderen trifft sie auch eine Auswahl der in Betracht kommenden Regulierungsinstrumente, mit der möglichst punktgenau auf das konkrete Wettbewerbsproblem reagiert werden kann, entscheidet 13 Siehe hierzu ausführlichen oben, 1. Kapitel, Rn. 71ff. (S. 34ff.) (unter C. II. 1.-4). 14 Siehe hierzu ausführlichen oben, 1. Kapitel, Rn. 84ff. (S. 38f.) (unter C. II. 5.). 15 BVerwG, N&R 2009, 130, 131 Rn. 19 (Urt. v. 28.1.2009 Az. 6 C 39.07) Markt Nr. 12/ IP-Bitstrom (2003). 16 Das BVerwG spricht insoweit von einer vom Gesetzgeber übertragene[n] quasi-gesetzliche[n] Aufgabe, die auf den Erlass einer abstrakt-generellen Regelung zielt, siehe BVerwGE 130, 39, 44f. Rn. 19 (Urt. v. 28.11.2007 Az. 6 C 42.06) (= N&R 2008, 87, 89) Markt Nr. 11 (2003). 84

C. Verfahren der marktmachtabhängigen Marktregulierung Kap. 3 also auch über das Wie der Regulierung. Aufgreifkriterium dieser spezifischen Marktregulierung ist die Marktmacht eines Anbieters. Man kann daher auch von marktmachtabhängiger Marktregulierung sprechen. Sie bildet den inhaltlichen Schwerpunkt des zweiten Gesetzesteils. I. Übersicht Der flexible Regulierungsansatz des Gesetzes führt dazu, dass Regulierungsentscheidungen auf einem gestuften Verfahren beruhen. 9 TKG kodifiziert die grundlegende Struktur dieses Verfahrens und bewirkt somit zugleich eine formelle und materielle Verklammerung der nachfolgenden Vorschriften über das Verfahren der (marktmachtabhängigen) Marktregulierung. In einem ersten Schritt dieses Verfahrens werden diejenigen Bereiche des Telekommunikationssektors identifiziert, auf denen Wettbewerbsprobleme bestehen, welche die Anwendung sektorspezifischer Regulierungsmaßnahmen rechtfertigen können. Dieser Verfahrensschritt wird als Marktdefinition bezeichnet. Daran anschließend wird untersucht, ob auf einem solchen potentiell regulierungsbedürftigen 17 Markt trotz des festgestellten Wettbewerbsproblems wirksamer Wettbewerb besteht oder ob ein oder mehrere Unternehmen auf diesem Markt über beträchtliche Marktmacht verfügen. Diesen zweiten Verfahrensschritt nennt man Marktanalyse. Ergibt die Marktanalyse, dass auf einem potentiell regulierungsbedürftigen Markt kein wirksamer Wettbewerb besteht, so muss dieser Markt sektorspezifisch reguliert werden. 18 Hierzu sieht das TKG einen (grundsätzlich abschließenden) Katalog regulatorischer Verpflichtungen vor, die dem oder den marktmächtigen Unternehmen auferlegt werden können. Die Auferlegung solcher Regulierungsverpflichtungen erfolgt in einem dritten Verfahrensschritt durch eine sog. Regulierungsverfügung. Sie ist das zentrale Regulierungsinstrument und begründet für marktmächtige Unternehmen bestimmte Verhaltenspflichten, die dem festgestellten Wettbewerbsproblem entgegen- 15 16 17 Zu dieser Begrifflichkeit BVerwGE 131, 41, 44 Rn. 15 (Urt. v. 2.4.2008 Az. 6 C 15.07) Markt Nr. 16 (2003); BVerwG, Beschl. v. 28.1.2010 Az. 6 B 50.09, Rn. 6 Nichtzulassungsbeschwerde Markt Nr. 18 (2003); N&R 2009, 130, 131 Rn. 16 (Urt. v. 28.1.2009 Az. 6 C 39.07) Markt Nr. 12/IP-Bitstrom (2003). 18 BVerwGE 130, 39, 48 Rn. 28 (Urt. v. 28.11.2007 Az. 6 C 42.06) (= N&R 2008, 87, 89f.) Markt Nr. 11 (2003). 85

Kap. 3 Abbildung 12: Ablauf der Marktregulierung wirken sollen. Zu guter Letzt sind auch auf der Ebene der Umsetzung dieser Verpflichtungen spezifische Regulierungsinstrumente vorgesehen, die über die üblichen Möglichkeiten der Verwaltungsvollstrekkung hinausgehen. Man kann insoweit von einer vierten wenn auch nachgelagerten Verfahrensebene sprechen. 17 Diese formale Unterscheidung der einzelnen Verfahrensschritte darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie Überschneidungen aufweisen, eng miteinander verzahnt und aufeinander bezogen sind. So nimmt insbesondere die Marktdefinition auf das Bestehen einer Tendenz zu wirksamem Wettbewerb, also auf den Kernbegriff der Marktanalyse, und auf die Besonderheiten des regulatorischen Instrumentariums gegenüber dem allgemeinen Wettbewerbsrecht Bezug ( 10 Abs. 2 S. 1 TKG). Und gerade die zentralen Regulierungsverpflichtungen reagieren einerseits auf das in der Marktdefinition und -analyse identifizierte Wettbewerbsproblem und sind andererseits auf eine Konkretisierung auf der Umsetzungsebene angelegt. 86