Klaus Dieter Weiss. workmanship. Arbeitsphilosophie und Entwurfspraxis Birkhäuser Basel

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Transkript:

workmanship

Klaus Dieter Weiss workmanship Arbeitsphilosophie und Entwurfspraxis 2000 2010 Birkhäuser Basel

Vorwort 6 Harmonie 14 Stadtentwicklung in der Einzelhandelskrise 16 Städtebau Revitalisierung Spiegelgrundstück, Hamburg 24 Ruhrbania, Mülheim an der Ruhr 28 Kontinuität und Veränderung Helga Sander 30 BioCampus Cologne 32 Marienplatz, Darmstadt 34 Masterplan Jana Sobieskiego, Warschau 36 Zhenru Vice Center, Shanghai 37 Campus West, Aachen 38 Sinnliche Stadt Klaus Dieter Weiss 40 Verkehr & Gewerbe Bahnhof Oberstdorf 46 Hauptbahnhof Mannheim 50 Abfüll- und Logistikhalle der Krom bacher Bierbrauerei, Kreuztal 52 Fassadengestaltung des Kohleheizkraftwerks Mainz-Wiesbaden 54 Gelassenheit 56 Exkurs in die Tradition eine Phase der Neuorientierung 58 im Wohnungsbau Wohnen Haus Hardenberg, Düsseldorf 66 Karlshof, Düsseldorf-Oberkassel 72 Wohnbebauung Othmarschen Park, Hamburg 74 Sophienhof, Düsseldorf-Oberkassel 76 Wohnbebauung Speicherinsel, Danzig 80 Wohnungsbau Rackowieckastraße, Warschau 81. Wohnhaus Salierstraße, Düsseldorf-Oberkassel 82 Villa Konstancin-Jeziorna, Warschau 83 Wohnquartier Hansaallee, Düsseldorf-Oberkassel 84 Wohnquartier Mörsenbroicher Weg, Düsseldorf 86 Harbour Island, Berlin-Tegel 88 Offenheit 90 Offene Systeme der Kommunikation und des Austauschs 92 Schulen Internationale Schule, Bonn 100 Jüdisches Schulzentrum, Düsseldorf 102 Gemeinschafts-Hauptschule, Düsseldorf-Benrath 104 Franz-Mehring-Schule, Leipzig 106 Vierfachsporthalle Marie-Curie-Gymnasium, Düsseldorf 112 Dreifachsporthalle, Düsseldorf-Oberkassel 114 Bürowelten im Mittelpunkt des ökologischen Wandels 118 Verwaltungsbau DB Cargo, Duisburg 126 ARAG Tower, Düsseldorf 130 Vodafone-Hochhaus, Düsseldorf 134 Debitel Hauptverwaltung, Stuttgart 136 Haus der Ärzteschaft, Düsseldorf 1. Bauabschnitt 144 Haus der Ärzteschaft, Düsseldorf 2. Bauabschnitt 150 Zusammenarbeit Jörg-Dietrich Hoppe 152 IKB International, Luxemburg 154 Tersteegen Office Center, Düsseldorf 160 EnBW-City, Stuttgart 164 Rathaus Mülheim 168 Landessparkasse zu Oldenburg, Oldenburg 170 Ganzheitlichkeit 178 Implantate für Kreativität, Kommunikation, Flexibilität und 180 Erweiterbarkeit im Industriebau Forschung Audi Elektronik-Center, Ingolstadt 188 Audi SE-Forum und Rechenzentrum, Ingolstadt 194 Audi Getriebe- und Emissionszentrum, Ingolstadt 198 Kommunikatives Wissen Klaus Dieter Weiss 204 Sportstadien Amphitheater des kulturellen 208 Austauschs Sport Königpalast, Krefeld 216 ISS Dome, Düsseldorf 218 Olympia-Stadion, Sochi 220 PGE Arena, Danzig 222 Kontinuität 226 Handel im Wandel von Urbanität und Stadt 228 Handel Büro- und Geschäftshaus Trommsdorffstraße, Erfurt 236 Shopping Center Sevens, Düsseldorf 238 Freizeit- und Shopping Center Waterfront, Bremen 242 Stadtpalais Potsdam 244 Belebung und Fortbestand Matthias Platzeck 249 Karstadt, Leipzig 250 Waldach-Passage, Nagold 254 Wilmersdorfer Arcaden, Berlin 255 Autohaus Meilenwerk, Düsseldorf 256 Lookentor Passage, Lingen 262 Trier Galerie, Trier 264 Flagshipstore s.oliver, Würzburg 266 Toleranz ist heutzutage, denke ich, ein durchaus 268 ehrenwertes Ziel Friedel Kellermann Innenarchitektur als integraler Bestandteil 272 des Bauens Innenarchitektur Douglas Hauptverwaltung, Hagen 280 Bürogebäude Freshfields & Partner, Düsseldorf 282 GAP 15, Düsseldorf 286 NRW-Bank, Düsseldorf 288 KfW-Haupthaus, Frankfurt 290 Rathaus Aachen 294 Amtsgericht Neuss 298 Opernhaus Düsseldorf 300 Innovation 302 Anhang Werkverzeichnis 306 Biografien 320 Bürogeschichte 322 Preise/Auszeichnungen 322 Wettbewerbserfolge 323 Bürostruktur 324 Bibliografie 326 Bildnachweis 328 Impressum 328

Vorwort 6 7 Zur wichtigsten Grundlage für den Langzeiterfolg von RKW, der mit dieser Publikation über 60 Jahre andauert, wurde zehn Jahre nach Bürogründung der Wettbewerb für die Horten-Hauptverwaltung in Düsseldorf im Jahr 1960. Das»Haus am Seestern«entwickelte sich für das damals noch kleine Büro von Helmut Rhode (1915 1995) zur entscheidenden Bewährungsprobe auf dem Weg in die Vorstandsetagen großer Unternehmen. Nach erfolgreichem Überwinden dieser Hürde wuchs das Büro selbst zu einem stattlichen Unternehmen heran. Die Architekten hatten mit stilsicheren, konsequent schlichten Einfamilienhäusern begonnen. Dazu kam in den Bestand eingepasster moderner Geschosswohnungsbau, aber auch die ehemalige ARAG-Hauptverwaltung in Düsseldorf 1956, ein spektakulärer Hochhaus-Entwurf für die Phoenix-Rheinrohr-Hauptverwaltung im selben Jahr und der Phoenix-Rheinrohr-Messepavillon in Hannover 1958. Helmut Rhode hatte sein Architekturstudium bei Hans Poelzig, Hermann Jansen und Heinrich Tessenow an der TU Berlin absolviert und erste Berufserfahrungen im Düsseldorfer Büro von Helmut Hentrich gesammelt. 1950 machte er sich selbstständig. Doch erst als Friedel Kellermann 1960 und Hans-Günter Wawrowsky 1963 in das Büro eintraten, war die Grundlage für die 1971 festgeschriebene Partnerschaft von RKW (Rhode Kellermann Wawrowsky) gelegt. Mit der Horten-Hauptverwaltung gelang Helmut Rhode der Durchbruch. Nachdem er für den Entwurf des Thyssenhauses (vormals Phoenix-Rheinrohr) mit dem zweiten Preis ausgezeichnet worden war, konnte er seinen zweiten Wettbewerb für einen großen Verwaltungsbau für sich entscheiden gegen die prominente Konkurrenz von Egon Eiermann, Cäsar Pinnau und Paul Schneider-Esleben. Aufgrund der an vertikalen Akzenten orientierten städtebaulichen Zielvorgabe der Stadt Düsseldorf, der auch das gerade fertiggestellte Thyssenhaus seine Entstehung verdankte, war es nicht erstaunlich, dass alle vier Architekten des Horten-Wettbewerbs»krönende Turmbauten«in einer Umgebung mehr oder weniger flacher Gebäude entworfen hatten. Als sich Helmut Horten (1909 1987), einer der einflussreichsten Wirtschaftskapitäne der Nachkriegszeit und alleiniger Gesellschafter des nach ihm benannten viertgrößten Warenhauskonzerns Deutschlands, für die Arbeit von Helmut Rhode entschieden hatte, war das Konzept noch keineswegs fixiert. Bauherr und Architekt reisten vielmehr gemeinsam in die USA, um den neuesten Entwicklungen des Bürohausbaus großer Unternehmen nachzuspüren. Diese ausgedehnte und trotz des vorangegangenen Wettbewerbs ergebnisoffene Erkundungsreise diente nicht zuletzt auch dem persönlichen Austausch. Den größten architektonischen Eindruck auf die beiden hinterließ die 1957 von Skidmore, Owings & Merrill in freier Landschaft realisierte Hauptverwaltung der Connecticut General Life Insurance Company in Bloomfield/Connecticut, einem kleinen Ort im Nordosten der USA. 1 Michael Mönninger: Tauschen und Konsumieren, in: Deutsches Architektur-Museum, Romana Schneider u.a. (Hrsg.): Architektur im 20. Jahrhundert, München/London/New York 2000, S. 199. Als»Inkunabel«moderner Firmenhauptverwaltung in parkartiger Landschaft lieferte der Bau viele innovative Anhaltspunkte. Das weitläufige, nur dreigeschossige, streng geometrische Gebäude ist campusartig um zwei große Innenhöfe angelegt, erweitert um zwei separat angeordnete Sonderbauten für Direktion und Cafeteria. Seine Kraft resultiert aus einer horizontalen, vernetzten Organisation, die einem komplexen Firmenorganismus schon damals beste Möglichkeiten zur Kommunikation bot. Seine neuartigen Ansätze in Bezug auf die Flexibilität der Büroflächen und das große Potenzial effizienter Arbeitsorganisation, ökonomischer Erweiterungsmöglichkeiten, Baukonstruktion und Bauunterhaltung stimulierten die Fantasie der Architekten für den Neubau der Hauptverwaltung von Horten. So wie sich die Architekten von SOM in Bloomfield an den Prinzipien Mies van der Rohes orientiert hatten, um aus dessen stilbildender Formensprache eine realistische Alltagslösung zu gewinnen, entstand auch die vielfach publizierte und ausgezeichnete Horten-Hauptverwaltung nicht mit dem Anspruch eines individuellen Formenrepertoires, sondern ganz im Sinne des Bauherrn vor allem als bis ins letzte Detail durchdachte Leistungsform. Helmut Rhode folgte ganz seiner Devise, die vom Bauherrn nachgefragten Funktionen in ein einfaches Schema zu übertragen und dieses architektonisch zurückhaltend umzusetzen. Seine Planungsmaximen von damals gelten bei RKW noch heute. Für die Architekten und Stadtplaner geht es auch im 21. Jahrhundert darum, erstens»einfache Lösungen für verwickelte Probleme«zu finden, wobei zweitens ein»sorgfältiger Umgang mit Material, Arbeitskraft, Bau- und Betriebskosten«selbstverständlich ist. Vorrangiges Ziel bleibt drittens,»harmonie und Übereinstimmung der einzelnen Teile untereinander und mit dem Ganzen«zu erreichen. Als vierte und letzte Maxime gilt die»präferenz der räumlichen Qualität vor der Form beim Gebäude die Folge der Räume, im Städtebau die Folge der Straßen und Plätze«. Denn Helmut Rhode lehnte es grundsätzlich ab, lediglich ein außergewöhnliches Erscheinungsbild zu suchen, um mit dessen Hilfe ins Gespräch zu kommen oder die gebaute Umgebung zu übertrumpfen. Nach einer technischen Überarbeitung der Fassade im Jahr 1997 erfüllt das unter Denkmalschutz stehende Gebäude der ehemaligen Horten-Hauptverwaltung noch heute alle Ansprüche an ein flexibel zu nutzendes Bürozentrum ein halbes Jahrhundert nach seiner Erbauung. Realistische Alltagslösungen Der Aufstieg des Warenhauskonzerns Horten begann in der Nachkriegszeit mit einer Neueröffnung in Duisburg 1950, die sich 1958 architektonisch in einem Neubau etablierte. Diese erste Horten-Filiale, das Kaufhaus Merkur, wurde mit ihrer charakteristischen, von Helmut Rhode entworfenen Außenhaut zu einem ebenso frühen wie prägnanten Beispiel einer modernen»corporate architecture«,»zu einem Signum des in Erfüllung gegangenen deutschen Wirtschaftswunders«. 1 Dabei vollzog die Architektur unter dem Zwang völlig anderer funktionaler Vorgaben, was 30 Jahre zuvor mit dem Stuttgarter Wa- 1950 1990 ARAG Hauptverwaltung, Düsseldorf 1956 Phoenix-Rheinrohr Messepavillon, Hannover 1958 Horten Hauptverwaltung, Düsseldorf 1960 Galerie Kleiner Markt, Saarlouis 1982 Carsch-Haus, Düsseldorf 1985 Nordwest-Zentrum, Frankfurt 1989

8 9 2 Bauwelt, 15, 1958 (Themenheft Kaufhäuser), S. 339, zit. nach: Marco Kieser: Vom Kettenhemd zur Wabe. Zur architekturgeschichtlichen Bedeutung des ehemaligen Merkur-Kaufhauses in Duisburg, in: Denkmalpflege im Rheinland, H. 4, 2006, S. 149, 150. 3 Dieter Bartetzko: Die Chirurgie der Wende. Deutschlands Verpflichtung zum Bauen im Bestand, in: RKW Rhode Kellermann Wawrowsky. Architektur 1950 2000, Ostfildern-Ruit 1998, S. 16/17 renhaus S. Schocken von Erich Mendelsohn in einer dynamischeren Ausdrucksweise angekündigt worden war: die Reduktion der formalen Mittel im Sinne einer dominanten, für das Unternehmen typischen Großform. In Duisburg schwebt über dem aufgelösten Erdgeschoss ein Kubus, der die Geschossfolge hinter einem Gitterwerk aus kleinen rechteckigen, versetzt angeordneten Kunststeinrahmen verbirgt. Die stilisierten H-Keramikelemente von Egon Eiermann waren damals noch gar nicht erfunden. Auch in diesem Fall spielten unmittelbare Vorläufer aus den USA eine Rolle, insbesondere aber das damals viel beachtete Rotterdamer Warenhaus De Bijenkorf (Bienenkorb) von Marcel Breuer aus dem Jahr 1957, dessen geschlossener Kubus aus hexagonalen Travertintafeln besteht. Zeitgleich folgten Museumsbauten wie das Kestner-Museum Hannover, die Kunsthalle Köln oder das Römisch- Germanische-Museum Köln dieser aus der Funktion des Innenraums gewonnenen Typologie. Auch die kritische»bauwelt«kam 1958 nicht umhin festzustellen:»bei der Ausdehnung des Grundrisses großer Warenhäuser reichte die natürliche Belichtung selbst bei ganz in Glas aufgelösten Fassaden für die tiefen Räume nicht aus. Muß man aber die Verkaufsräume künstlich belichten, so kann man auch an den wertvollen Frontwänden Regale aufstellen.«2 Fraglos steht die Architektur des Kommerz regelmäßig auf dem Index der Kulturkritik. Das war auch im antiken Rom schon so. Andererseits sind gerade bei dieser Bauaufgabe die Möglichkeiten, die Vorlieben des Publikums oder die ökonomischen Bedingungen typologisch und architektonisch neu zu interpretieren, sehr gering. Doch von RKW wurden auch diese Experimente unternommen, zum Beispiel mit dem in Einzelhäuser aufgelösten Wohn- und Geschäftsviertel Stubengasse in der Altstadt von Münster (2003). Anders als in der gegenwärtigen Krise der City-Warenhäuser stand über Jahrzehnte vor allem die Dimension des Angebots im Mittelpunkt bis hin zum Modell einer kommerziellen Gegen- und Themenstadt auf industriellem Brachland, dem europaweit beispiellosen CentrO Oberhausen aus dem Jahr 1996. Architekturgeschichte schrieben dennoch vor allem die Handelshäuser, die aus dem historischen Bestand heraus neu entwickelt werden konnten: von der Galerie Kleiner Markt in Saarlouis (1982) über das Carsch-Haus in Düsseldorf (1985) und den Specks Hof in Leipzig (1995) bis zum Stadtpalais in Potsdam (2004) oder dem Düsseldorfer Autohaus Meilenwerk (2006).»Nur so, im gleichsam millimetergenauen sensiblen Eingriff, der Schadhaftes wieder funktionstüchtig und wieder erkennbar macht, wird Bauen im Bestand das architektonische Erbe bewahren und weiterentwickeln, das uns die Wiedervereinigung gebracht hat«3, kommentierte Dieter Bartetzko, Redakteur der»frankfurter Allgemeinen Zeitung«, schon vor über zehn Jahren. Heute erweisen sich Themenimmobilien wie das Düsseldorfer Meilenwerk geradezu als Glücksfall, trotz der mit etwa 15 Millionen Euro vergleichsweise hohen Investition in einen denkmalgeschützten Ringlokschuppen des Jahres 1930. Denn nicht zuletzt die Architektur definiert die Corporate Identity dieses»forums für Fahrkultur«. So wird der 80 Jahre alte Ringlokschuppen auch in seiner Neuauflage zu einem Musterbeispiel für die Durchdringung von Form und Funktion eine wirkungsvolle Vernetzung von historischer Baukultur und modernen Raumauffassungen. Vom Produktdesign zum Städtebau Für die Entwicklung des heutigen Büros RKW Architektur + Städtebau nach ersten Erfolgen in den USA inzwischen in Düsseldorf, Frankfurt, Leipzig und München ebenso vertreten wie in Danzig, Warschau und Moskau bedeutete die hochkomplexe Planungsarbeit für den Handel eine zentrale Weichenstellung. Denn keine andere Bauaufgabe bietet bessere Einblicke und Erfahrungen im Umgang mit Politik, Verwaltung, Urbanität, Logistik, Organisation, Koordination, engen Terminvorgaben, unterschiedlichsten Nutzern und den vielfältigsten Planungsvorgaben bis hin zur Denkmalpflege. Freilich wurde die Handelsarchitektur auch wie keine andere Bauaufgabe von der Konkurrenz lange Zeit als architektonisch anrüchig, weil formal viel zu eng angelegt, verschmäht. Es war Friedel Kellermann, der über ein halbes Jahrhundert hinweg in weitreichender strategischer Vorausschau auf der Basis der Handelsarchitektur mit weiteren Partnern und internationalen Kontakten Erfolge in neuen Feldern möglich machte. Als Gründungsgesellschafter sieht er darin nach wie vor seine zentrale Aufgabe. Das Arbeitsfeld von RKW spannt sich in den letzten zehn Jahren von den Forschungsbauten für Audi, dem neuen Wissenschafts-Campus der RWTH Aachen und den Konzernzentralen Vodafone, Debitel oder ARAG über urbane Revitalisierungen, Wohnhäuser, Schulen, Sporthallen, Bahnhöfe, Rathäuser, Banken, innerstädtische Geschäftshäuser und Einkaufszentren bis zum Fußballstadion für die Europameisterschaft 2012 in Danzig. Mit einem eigenen Team von Innenarchitekten ist in diesem letzten Jahrzehnt auch die Bearbeitungstiefe der Projekte konsequent weiter ausgebaut worden, vom Städtebau bis zum Produktdesign. Auf Basis der langjährigen vertrauensvollen Beziehung zwischen Friedel Kellermann und Helmut Horten, die beim Bau der Horten-Hauptverwaltung begründet wurde, hatte RKW von Beginn an die Chance wahrgenommen, auch für andere große Unternehmen als unabhängiger, gewissenhafter und am langfristigen Unternehmenserfolg orientierter Berater tätig zu sein nicht nur als am Tageserfolg orientierter Entwurfsarchitekt. Unterstützt von seinen Partnern, gelang es Friedel Kellermann, die wachsende Bürogemeinschaft pluralistisch auszurichten. Dabei verfolgte er stets das Ziel, Motivation und Kritik harmonisch in Einklang zu bringen, aber auch die Zufriedenheit des Bauherrn in den Mittelpunkt des Büros zu stellen. Die Reihe der Unternehmen, die sich als Bauherren so am besten verstanden wissen, könnte prominenter kaum sein, reichen diese Namen doch von Allianz, ARAG und Audi über Deutsche Bahn, Deutsche Börse und Douglas bis zu Vodafone, um nur einige Beispiele zu nennen. Workmanship Angesichts zukünftiger Herausforderungen scheint kein anderes deutsches Architekturbüro dieser Größenordnung, derzeit mit etwa 200 Architekten und Stadtplanern, strategisch und organisatorisch besser aufgestellt. Das Geheimnis liegt dabei in den Menschen, die für den Erfolg verantwortlich sind in den Architekten von RKW, die in ihren Projekten Kreativität und Handwerk, Methodik und 1990 2000 Gasgesellschaft Aggertal, Gummersbach 1989 UCI Zoo Palast Berlin, 1994 Specks Hof, Leipzig 1995 Rathaus-Galerie und Wohnungen, Dormagen 1995 CentrO Neue Mitte Oberhausen, 1996 Kunden- und Service-Zentrum der DB Cargo, Duisburg 1998

10 11 Ausführung erfolgreich zusammenführen. Insofern bündelt das Arbeitsethos von RKW die Bereiche Werk und Mannschaft, Kunstfertigkeit und Erfahrung, technische und handwerkliche Ausführung in einzigartiger Weise, sodass dieses sehr weit verstandene und am Menschen orientierte Arbeitsfeld von Architektur und Stadt mit einem deutschen Begriff gar nicht abzudecken ist. Die Akteure finden sich bei RKW stets zunächst aufseiten der Bauherrn, der Stadtplanung, von Politik und Verwaltung und erst dann aufseiten der Regie führenden Architekten, Innenarchitekten und Stadtplaner von RKW. Auch intern hat die Kommunikation eine sehr breite Basis. Dank derzeit sieben aktiven Gesellschaftern und ihren assoziierten Partnern ist breite Fachkompetenz für viele Bereiche der Architektur ebenso garantiert wie weitreichende Entscheidungskompetenz. Diese RKW-eigene Diversität findet ihre Entsprechung in einer Unternehmenskultur, die von einem generationenübergreifenden Dialog und Lernprozess geprägt ist. Junge Mitarbeiter geben wertvolle und kreative Impulse, profitieren aber auch von einem Erfahrungshintergrund von 60 Jahren Recherche, Entwicklung und Kompetenz Erfahrungen, die in den handelnden Personen unmittelbar und persönlich präsent sind. Langjährig, oft ebenfalls über Generationen hinweg, gestalten sich bei RKW auch die Beziehungen zu den Auftraggebern. Dies ist dem Selbstverständnis des Büros geschuldet, das von Anfang an den umfassenden Ansatz verfolgte, mehr anzubieten als kreative Gebäudeideen. So wie Helmut Rhode seinerzeit seinen Kunden Helmut Horten auf der Suche nach dem besten Konzept durch die USA begleitete, sieht sich RKW auch heute noch als langfristiger Begleiter und Berater seiner Bauherren. Darum stehen nachhaltige Lösungen im Mittelpunkt, die bestmögliche Architektur nicht nur für heute, sondern auch für die Veränderungen kommender Zeiten. Wie zu Beginn lässt sich auch nach 60 Jahren der Langzeiterfolg von RKW an einem zentralen Projekt festmachen. Denn den vorläufigen Höhepunkt bildet eine Symbiose aus Wohnen und Arbeiten, wie sie in dem städtebaulichen und architektonischen Realisierungswettbewerb rund um die zu erhaltenden Bestandsgebäude des Spiegel- und des IBM-Hochhauses in der Hamburger Altstadt (Werner Kallmorgen 1965/1968) zum Ausdruck kommt. Diese nicht ganz einfache Aufgabenstellung für ein qualitätsvolles Ensemble aus historischem Bestand und neuer Büro- wie Wohnnutzung in attraktiver Lage konnte RKW im Wettbewerb gegen überaus prominente Konkurrenz für sich entscheiden. International waren Delugan Meissl, Massimiliano Fuksas und Ben van Berkel beteiligt. Erfolgreich war in diesem Fall nicht nur ein städtebaulich hochsensibler Entwurf, mit dem es gelingt, am Fuß der historischen»krönenden Turmbauten«eine mit ihnen aufs Engste verbundene horizontale Dynamik zu entwickeln. Erfolgreich war vor allem ein neues, aber aus der urbanen Kontinuität gewonnenes architektonisches Bild der Stadtgesellschaft, die, ohne Zwangsmobilität und fast nur noch gläsern strukturiert, einen Ruhepunkt zwischen Wohnen, Arbeiten, urbaner Kultur und Freizeit findet. Von essenzieller Wichtigkeit, das zeigt auch dieses Projekt, ist für RKW Kontinuität. Der aufmerksame Leser wird in diesem Buch weitere Schlüsselbegriffe finden, die zur Charakterisierung von RKW dienen: Harmonie, Gelassenheit, Offenheit, Ganzheitlichkeit und Innovation. Letztlich gründet der Erfolg der Architekten aber auf einer Idee, die den Weg beschreibt, nicht das Ergebnis: Workmanship. Klaus Dieter Weiss Solch innovative Alltagslösungen sind bei den großen Konzernzentralen realisiert worden, die nach dem Überwinden aller technischen, büroorganisatorischen, energetischen oder ökologischen Probleme immer stärker den freien Themen Stadt, Raum und Form gewidmet werden, wie zuletzt im Fall der innen wie außen grandios urban angelegten Hauptverwaltung der Landessparkasse zu Oldenburg. Das urbanistische Prinzip der Überlagerung, die fortschreibbare dichte Verzahnung von Außen- und Innenraum in einem die moderne Nomadengesellschaft kennzeichnenden Spiel von Treppen, Stegen, Galerien und lichtdurchfluteten Hallen spannt sich in Oldenburg von der lichten, weiß-gläsernen zentralen Halle bis zum klaustrophobischen Raum der Stille im größten der beiden regelmäßig und ruhig gestalteten Gartenhöfe. Die zentrale Halle jedoch stellt das stärkste Element dieser Architektur dar. Mit dem Blick auf den»mann im Matsch«, einer überlebensgroßen Bronzeskulptur von Thomas Schütte, brennt sie sich unauslöschlich in die Erinnerung ein. 2000 2010 ARAG Tower, Düsseldorf 2001 Debitel-Hauptverwaltung, Stuttgart 2002 Audi Elektronik-Center, Ingolstadt 2003 Meilenwerk, Düsseldorf 2006 Landessparkasse zu Oldenburg, 2009 Revitalisierung Spiegelgrundstück, Hamburg 2009

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Harmonie 14 15 1 Gerhard Matzig: Ein Haus ist ein Haus ist ein Haus. Es wird wieder unoriginell gebaut und das ist auch gut so: Neun Thesen zum diesjährigen»tag der Architektur«, in: Süddeutsche Zeitung, 26./27. Juni 2010, S. 17. Es mag aus der Mode gekommen sein, dass Architekten von sich behaupten, Künstler zu sein. Dennoch verkümmert der Architekturbetrieb unter dem Druck eines ständig erneuerten Originalitätsversprechens auch heute noch oft genug zu einer Produktion steriler Selbstbezüglichkeiten zur extravaganten Geste, wo Gebrauchskunst gefragt ist. Nicht zuletzt formen Arbeitsweise, Denkweise und Methodik des Architekten den architektonischen Entwurf. Für die, die in ihr leben, ist Architektur aber unweigerlich ein Lebensentwurf.»Die Architektur scheint wieder Gehäuse zum Leben anzubieten die zum Staunen werden seltener. Gut so«, schreibt Gerhard Matzig in der»süddeutschen Zeitung«und lobt damit den Sinneswandel der Architekten, angesichts der Wirtschaftskrise den formalästhetischen Gürtel enger zu schnallen:»die Architektur wird erfreulicherweise wieder unoriginell. Dem altehrwürdigen Streit Tradition vs. Moderne geht offenbar der Zündstoff aus.«1 Aber was ist von Thesen wie»das Star-Geschäft der Architektur ist in der Krise«,»Konservatismus von seiner schönsten Seite als Bruder der Nachhaltigkeit«oder»Das Ensemble verschafft sich gegen das Solistentum der letzten Jahre wieder Gehör«zu halten? Derartiges kann als gewagte Prognose nur mit einem Fragezeichen zitiert werden. Harmonie suchen Architekten in der Regel in der baulichen Maßordnung und im raumbildenden städtebaulichen Zusammenhang. Ohne Unterscheidungsmerkmale gegenüber dem Alltag des Bauens, ohne neue Botschaften der Form, gewagte Konstruktionen oder Materialien scheint Architektur auf den ersten Blick gar nicht definierbar. Die Harmonie des Stadtbildes ist als Argument und Zielsetzung längst aufgegeben. Grundsätzlich verläuft die architektonische Entwicklung zwischen Manifest und Mitbestimmung, Beratung ist gerade im Wettbewerbsverfahren gar nicht gefragt. Grete Tugendhat hatte sich in der Frage der Schlafzimmer ihrem Architekten Mies van der Rohe widersetzt, aus seiner Raumkomposition war darum doch noch ihr Haus geworden. Auf die Frage, ob man in einem so neuartigen Gebilde wohnen könne, antwortete die Bauherrin sehr zufrieden, dass man lernen könne, anders zu wohnen, besser zu wohnen, im Hause Tugendhat zu wohnen. Das setzt voraus, dass sich der Bauherr mit seinem Architekten auseinandersetzt und nicht nur ein authentisches Kunstwerk, eine Signatur bestellt. Madame Savoye und Mrs. Farnsworth haben die Notwendigkeit dieser Auseinandersetzung unterschätzt. Le Corbusiers Villa Savoye blieb als Wohnhaus reines Exponat, der Fall Farnsworth gegen Mies van der Rohe wurde sogar vor Gericht verhandelt. Dennoch wurden beide Häuser zu Ikonen der Moderne, die Architekten hatten ihren Auftrag als Chance für ein architektonisches Manifest begriffen. Die Bedürfnisse des Bauherrn ernst zu nehmen schließt architektonische Experimente nicht aus, solange sich der Architekt auch als Berater des Auftraggebers versteht. Der ungewöhnlich langfristig am Bauherrn orientierte Arbeitsansatz von RKW bezieht Harmonie von vornherein nicht allein auf die Proportionen des Gebäudes, sondern auch vielleicht sogar an erster Stelle auf die menschliche, die Alltagsseite der Architektur, auf die hochkomplexe Koordinations- und Kommunikationsaufgabe Architektur. Harmonie wird dann zum Gestaltungselement zwischenmenschlicher Kommunikation für die Mitarbeiter im Büro und darüber hinaus für alle anderen Akteure des Projekts, nicht zuletzt für den Bauherrn und Auftraggeber. Architektur lässt sich nicht berechnen, sie ist keine Wissenschaft der Zahlen. Aber der Ausweg aus dieser Unbestimmtheit der Architektur liegt nicht allein in der Kunst, sondern auch in den beteiligten Menschen. Um ein Haus als angemessen ansehen zu können, ist Übereinstimmung notwendig Übereinstimmung darüber, wie ein Haus gebaut wird und wozu es gebaut wird. Diese beiden Aspekte in der Gestalt des fertigen Hauses zu übermitteln ist die Aufgabe und die Kunst des Architekten.

16 17 Stadtentwicklung in der Einzelhandelskrise Klaus Dieter Weiss im Gespräch mit Matthias Pfeifer und Prof. Johannes Ringel»Eine einfache, klare und selbstverständliche städtebauliche Lösung für diese Aufgabe zu finden war möglich, weil die Stadt bereits im Vorfeld des Wettbewerbs ihre Ziele definiert hatte.«welche Zielsetzung verfolgen Sie mit Ihrer städtebaulichen Arbeit, die von konkreten Bauprojekten doch weit entfernt ist? Matthias Pfeifer: Städtebau heißt für uns immer innerstädtischer Städtebau primär Gebiete, in denen die Stadt nie fertig geworden ist oder schwere Störungen erlitten hat. In diesem innerstädtischen Bereich fühlen wir uns stark. Besonders im Kontext mit Handel, weil Handel einer der ältesten Motoren städtischen Lebens ist. Mit dem Handel ist unser Büro jetzt seit 60 Jahren beschäftigt. Deswegen sollte es nicht verwundern, dass wir bei innerstädtischen Reaktivierungen einen tiefen und undogmatischen Zugang haben, der uns zu guten Ergebnissen führt. Johannes Ringel: Sehr große Verwundungen hat der Strukturwandel in den letzten 30 Jahren bewirkt. Innerstädtische Nutzungen haben sich von einer industriell bestimmten Gesellschaft zu einer ökonomisch ganz anders geprägten, urbanen Welt gewandelt. Da gibt es die nicht mehr gebrauchten Industrieareale, die verlassenen Güterbahnhöfe und Kasernengelände. Jeder kennt inzwischen den Begriff der schrumpfenden Stadt mit ihren großen Verletzungen, die der Leerstand offenbart, Brachen und Wildwuchs. Diese Wunden sind unsere Themen. Die einfachen Lösungen einer wachsenden Stadt, die noch in den siebziger Jahren möglich waren, stehen dafür nicht mehr zur Verfügung. Wie ordnen Sie die Aufgabe einer modernen Stadtplanung in einen historischen Kontext ein? M.P.:»Alles muss sich ändern, damit alles so bleibt wie bisher«dieser Satz von Giuseppe Tomasi di Lampedusa aus dem Roman»Der Leopard«wird gern als Beweis für die Notwendigkeit zur Veränderung unseres Sozialstaates zitiert. Doch auch unsere Städte unterliegen einem ständigen Veränderungsbedarf. Wie in jeder Veränderung liegen auch hier Chancen und Risiken dicht beieinander. Niemand kann ja ernsthaft erwarten, dass die europäische Stadt in ihrer heutigen Form ein endgültiges Produkt darstellt, sozusagen als End- und Höhepunkt einer jahrhundertelangen Entwicklung. Anders als vielfach postuliert, findet dieser Veränderungsprozess zurzeit auch nicht mit besonders hoher Geschwindigkeit statt. In der Zeit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert verdoppelten Städte ihre Einwohnerzahl häufig innerhalb von ein oder zwei Jahrzehnten. J.R.: Düsseldorf hat beispielsweise seine Einwohnerzahl von 1880 bis 1925 von 90.000 auf 450.000 Einwohner gesteigert, mithin also in 45 Jahren verfünffacht. Selbst wenn man berücksichtigt, dass ein Teil dieses Zuwachses durch Eingemeindung entstanden ist, wird doch klar, wie radikal die Veränderungen damals gewesen sein müssen. Blicken wir dagegen von heute aus 45 Jahre zurück, so werden wir nur geringe Veränderungen in den Bevölkerungszahlen der Städte feststellen. Doch Zahlen sind nicht alles. Auch andere gesellschaftliche Prozesse im Bereich Politik, Kultur, Verkehr und Industrie haben in der Vergangenheit oft eine viel höhere Dynamik gehabt als heute. Vergleicht man etwa das Jahr 1914 mit dem Jahr 1934, also eine Zeitspanne von nur 20 Jahren, so wird schnell deutlich, dass in dieser Zeit der Ausklang des wilhelminischen Kaiserreichs, die Roaring Twenties und der Beginn Campus West, Aachen

18 19 Entwicklungsszenarien Campus West, Aachen werden. Ihr Ergebnis fließt letztendlich in Rahmenpläne und die Formulierung der Zielstellung, nicht etwa der Lösungen, ein. Als Musterbeispiel für ein abgestuftes Vorgehen im politischen und planerischen Prozess nennen Sie Mülheim an der Ruhr... J.R.: Genau. Dort hatte man klar erkannt, dass die Mülheimer Innenstadt über Jahre hin an Attraktivität verloren hat. Angesichts eines bereits recht großen Angebots an Einzelhandelsflächen in Mülheim war man sich aber auch darüber im Klaren, dass eine Attraktivitätssteigerung nicht einfach durch Ausweitung des Angebots an Handelsflächen, auch nicht in der Innenstadt, erreicht werden könnte. So entdeckte die Stadt ein Kapital, das sie zwar seit jeher in ihrem Namen trägt, aus dem sie bislang aber noch nichts Rechtes hat machen können, nämlich den Fluss Ruhr. Die Mülheimer Innenstadt grenzte nur scheinbar an den Fluss. In Wahrheit war sie durch eine vierspurige Straße von ihm getrennt. Ebenso trennend wirkte ein kleiner und vergleichsweise unattraktiver Park am Ufer. Die Stadt entschied sich dafür, den Verkehr anders zu führen, um auf die Straße verzichten zu können und den bestehenden Park zugunsten attraktiverer Nutzungen aufzugeben. M.P.: Mit diesen Definitionen war die Stadt in der Lage, zielführend einen städtebaulichen Wettbewerb durchzuführen. Die Innenstadt sollte an den Fluss herangeführt werden, wozu die Fläche des Parks, der Straße und mehrerer öffentlicher Gebäude, die ohnehin ersetzt werden sollten, zur Verfügung standen. Als Nutzungsszenario wurde Einzelhandel im Wesentlichen ausgeschlossen. Hinsichtlich der Nutzungen Büro oder Wohnen sollte eine hohe Flexibilität für spätere Festlegungen bestehen. Wir haben diesen Wettbewerb im Jahr 2004 mit einem sehr einfachen Konzept gewonnen. Das vorhandene Straßensystem wird bis an die Ruhr fortgesetzt, wo eine relativ schmale, städtisch geprägte Promenade angeordnet wird. Schließlich galt es ja, die Stadt an den Fluss zu bringen und nicht die Landschaft in die Stadt. Genau an der Nahtstelle zwischen bestehendem Innenstadtbereich und neuer Stadtentwicklungsfläche wird als besonderes Highlight die Anlage eines Hafenbeckens für den individuellen Bootstourismus auf der Ruhr geplant. Wesentlich ist, dass diese Planung nicht nur das Wohlwollen der Jury fand, sondern bereits wenige Wochen nach der Juryentscheidung als Rahmendes Nationalsozialismus zu verarbeiten waren, verbunden mit enormen Umwälzungen in Technik, Kultur und Gesellschaft. Verglichen damit, waren die Veränderungen von 1990 bis heute zumindest in den alten Bundesländern eher moderat. Dies alles relativiert die Sorge vor Veränderung in unseren Städten, relativiert ihre Quantität und beurteilt noch nicht qualitativ. Risiken sind selbstverständlicher Bestandteil von Veränderungen, doch sollten darüber die Chancen nicht vergessen werden. Diese zu identifizieren ist der Mühe wert. Wie äußert sich der momentan stattfindende Strukturwandel von Stadt und Handel und wie können die Städte ihn intelligent begleiten? J.R.: Im Kontext von Städtebau und Einzelhandel gibt es zwei wesentliche Prozesse, die heute zur Veränderung unserer Städte führen: Am Rand der Stadtkerne werden Flächen, die vormals durch Industrie, Bahn oder Post genutzt wurden, für andere Nutzungen frei, da der Flächenanspruch der früheren Nutzer geringer wurde und besser in verkehrsgünstigeren Außenbereichen befriedigt werden kann. Und der Einzelhandel durchlebt seit Jahren schwierige Zeiten. Besonders betroffen sind die kleineren Läden, gerade wenn sie sich nicht in der 1a-Lage befinden. Die Filialisten streben zur Steigerung ihrer Attraktivität und Effizienz nach immer größeren Ladenflächen, die in den gewachsenen Strukturen, insbesondere in denen historischer Städte, kaum realisierbar sind. Einige Städte haben erkannt, dass die Kombination beider Situationen, also das Bereitstellen neuer Flächen für den Einzelhandel, um großflächigere, moderne Handelskonzepte in akzeptabler Nähe zur Innenstadt zu realisieren, eine Chance ist. Gerade öffentliche und kulturelle Nutzungen müssen Bestandteil solcher Entwicklungen sein, um dauerhaft frequentierte Stadtbereiche werden zu können. Der Flächenbedarf der Kommunen selbst darf, wenn Innenstadtentwicklung ernst gemeint ist, nicht gedeckt werden, indem ein technisches Rathaus an der Umgehungsstraße entsteht, sondern muss beispielsweise citynah in solchen neuen innerstädtischen Entwicklungsbereichen befriedigt werden. Wie sollten nach Ihrer Überzeugung Städte und Kommunen an eine erfolgreiche Entwicklung herangehen? M.P.: Bevor eine städtebauliche oder Nutzungsplanung beginnen kann, muss eine Stadt ein klares Bild von ihrem Ist-Zustand und ihrer Positionierung in der interkommunalen Konkurrenz haben. Womit wird die Stadt, von außen betrachtet, identifiziert? Was sind ihre Stärken und was die Schwächen? Aus solchen Überlegungen entwickelt sich ein Leitbild, aus dem im nächsten Schritt die Handlungsorte lokalisiert werden können. Wo stehen Flächen zur Verfügung, um die dem Leitbild entsprechenden Nutzungen zu realisieren? Können Nutzungen, die in der Vergangenheit aus der Innenstadt abgewandert sind, wie Einzelhandel und auch Verwaltung, wieder in innenstadtnahe Bereiche zurückgeholt werden? Die Beantwortung dieser Fragen ist nicht nur stadtplanerischer, sondern auch ökonomischer Natur. Es gilt, zunächst einen möglichst breiten politischen Konsens herzustellen. Die öffentliche Diskussion darüber kann durch Maßnahmen wie Beiträge von Fachleuten oder Workshops unterstützt Ufersituation Ruhrbania, Mülheim an der Ruhr

20 21 plan vom Rat der Stadt mit breiter, lagerübergreifender Mehrheit beschlossen wurde. Inzwischen ist das Projekt in der Realisierung. J.R.: Eine einfache, klare und selbstverständliche städtebauliche Lösung für diese Aufgabe zu finden war möglich, weil die Stadt bereits im Vorfeld des Wettbewerbs ihre Ziele definiert hatte. Aufgabe eines Wettbewerbs ist es, Lösungen für gesetzte Ziele zu finden, und nicht, Ziele selbst zu definieren, was bisweilen auch in Wettbewerbsauslobungen hineinformuliert wird. Städtebau ist viel zu politisch, als dass die gewählten Vertreter aus der Pflicht zur Formulierung städtebaulicher Ziele entlassen werden könnten. Was entgegnen Sie den Untergangspropheten, die die europäische Stadt schon in ihrer Existenz bedroht sehen? M.P.: Dass die Stadt lediglich einer Veränderung unterliegt, so wie sie das immer getan hat. Sie hat die Industrialisierung ausgehalten, und sie hält auch die Deindustrialisierung aus, aber sie wird nicht unverändert bleiben. Die Mitte der Bürgerstadt des späten 18. Jahrhunderts unterschied sich auch in Gestalt und Nutzung von der Stadtmitte 100 Jahre später, auf dem Höhepunkt der Industrialisierung. Haben wir denn geglaubt, die Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges, die folgende Verwandlung der Stadt in ein Autoparadies und der teilweise Rückbau dessen in den letzten Jahren seien der finale Akt in der Veränderungsgeschichte der Stadt gewesen? Nein, natürlich wird die Stadt sich auch zukünftig weiterentwickeln und damit verändern. J.R.: Gerade dank ihrer Fähigkeit zur Anpassung ist die Überlebensfähigkeit der Stadt gewährleistet. Das Freiwerden großer Flächen in innenstadtnahen Bereichen ist eine Chance für solche Anpassungsprozesse. Attraktive innerstädtische Wohnangebote stellen dort einen ausgesprochen positiven Strukturwandel dar. Das Gleiche sollte, soweit es irgendwie möglich ist, für die Einrichtung der öffentlichen Verwaltung und Bildung gelten, die so weit wie möglich in den Innenstädten angesiedelt werden sollten. Wie der Handel sind sie ja Quelle urbaner Aktivität. Überdimensionierte Flächen für den Autoverkehr können zurückgebaut werden. Mit ihrer wunderbaren Anpassungsfähigkeit hat das Modell der europäischen Stadt auch im dritten Jahrtausend eine Zukunft. Städtebauliche Studie RheinBlick, Krefeld

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Städtebau 24 25 Revitalisierung Spiegelgrundstück, Hamburg Auftraggeber IVG Immobilien AG Planungsgebiet ca. 8.400 m² Planungsabschluss B-Plan bis voraussichtlich Ende 2011 Wettbewerb 1. Preis Der Spiegel-Verlag wird 2010 seinen bisherigen Unternehmenssitz aufgeben und seine neuen Räumlichkeiten in der Hafencity beziehen. Die Grundstücke der sogenannten Spiegel-Insel stehen damit für eine neue Nutzung zur Verfügung. In Ergänzung der Bestandsgebäude des Spiegelund des IBM-Hochhauses bestand die Aufgabe darin, in einem Wettbewerb ein qualitätsvolles Ensemble für Büronutzungen und in Teilbereichen für Wohnungen zu entwickeln. Die Höhenstaffelung der drei neuen Baukörper fügt sich in das Spiegel-Ensemble dynamisch ein. Die Gestalt des Blocks wurde aus den vorhandenen Achsen und Bezügen entwickelt. Das neue, achtgeschossige Bürogebäude zum Meßberg korrespondiert im Zusammenspiel mit dem bestehenden IBM-Hochhaus mit den wuchtigen Gebäuden rund um das Chile-Haus. Das neue, längs zum Zollkanal gestellte, achtgeschossige Wohngebäude hingegen bildet einen Brückenschlag zur gleich hohen Speicherhauszeile am alten Wandrahm. Beide Bestandshochhäuser bleiben freigestellt. Durch die neuen Baukörper eingefasst, wirken sie wie ein gerahmtes Stadtbild. Die neue Bebauung bildet einen markanten Hof mit vielschichtigen Bezügen zwischen innen und außen. Nördliches Büro- und südliches Wohnhaus korrespondieren über den Innenhof mit einer kleinteiligen Mischnutzung. Stark frequentierte Bereiche sind durch Gastronomie und Handel besetzt. Dazwischen liegen die zweigeschossigen Büros. Die Eingangsbereiche der Regelgeschosse ermöglichen attraktive Durchblicke zwischen Straßen- und Hofraum. Das Wohnen ist mit freier Sicht nach Süden zur Speicherstadt organisiert. Luxuriöse Maisonettegrundrisse werden der exklusiven Lage gerecht. Das IBM-Hochhaus erhält mit der vielfältig bespielten Nutzung im Erdgeschoss des neuen Kopfgebäudes ein zeitgemäßes Serviceangebot.

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Städtebau 28 29 Ruhrbania, Mülheim an der Ruhr Auftraggeber Stadt Mülheim Planungsgebiet ca. 6,5 ha Planungsabschluss 2010 Wettbewerb 1. Preis 2004 Im deutlichen Kontrast zum jetzigen, landschaftlich orientierten Charakter des Wettbewerbsgebietes zwischen Schlossbrücke und Eisenbahnbrücke plante RKW eine markant urbane Stadtgestalt als Fortführung und Abrundung der Mülheimer Innenstadt. Die Stadt rückt mit ihrer lebendigen Urbanität an den Fluss, die Ruhe der Landschaft aber wird nicht in die Stadt versetzt. Eine städtische Promenade verbindet das Gebiet von Norden nach Süden. Sie ist in ein Wegenetz eingebunden, das weit über die Stadt hinaus in den Landschaftsraum reicht und sich stufenweise zum Stadtraum verdichtet, um sich außerhalb der Stadt wieder in den Landschaftsraum aufzuweiten. Der neue Hafen und sein angrenzender Hafenplatz sind das lebendige Herz des Planungsbereiches. Hier verbindet sich das Element Wasser mit städtischer Aktivität zum neuen, attraktiven Aufenthaltsbereich der Mülheimer Innenstadt. Wasser, Boote und Außengastronomie werden ein ganz ungewohntes Bild für eine Stadt im Ruhrgebiet bieten. Dieses Projekt entstand in Zusammenarbeit mit GTL Landschaftsarchitekten. Mit der Ruhr und den begleitenden Parkanlagen ist Mülheim großzügig mit Landschaft ausgestattet. Die Nutzungsdichte am Fluss und der Bezug der Innenstadt zu ihm sollten gestärkt werden. Hierzu wurden Straßen und Plätze nahe an die Ruhr herangeführt.»mülheim die Stadt am Fluss«mit der einzigen Innenstadt einer Großstadt, die tatsächlich am Fluss liegt, hat dann erst wirklich den Anschluss an den Wasserlauf gefunden.

30 31 Kontinuität und Veränderung Kontinuität und Veränderung, anzuknüpfen an historische Strukturen und gleichzeitig zukunftsfähige Räume zu schaffen, das ist die Aufgabe und die Herausforderung qualitätsvoller Stadtplanung im Bestand. Mit dem Preisträgerentwurf für die städtebauliche Gestaltung der neuen Ruhrpromenade Ruhrbania in Mülheim an der Ruhr gelang dies in bemerkenswerter Weise. Die Fortsetzung der gewachsenen Stadtstrukturen an den Fluss, die Berücksichtigung historischer Bausubstanz und die Anerkennung des Strukturwandels machen den eher unspektakulären Entwurf so wertvoll. Das Ufer eines Wirtschaftsflusses mit Kohleumschlag ist in den vergangenen 100 Jahren zum Raum mit hohem Freizeit- und Wohnwert geworden, und die Planung von RKW Architektur + Städtebau trägt dem in besonderer Weise Rechnung. Das Ruhrpromenaden-Quartier entsteht in unmittelbarer Nachbarschaft bedeutender historischer Gebäude aus dem beginnenden 20. Jahrhundert, die an Uferpaläste vergangener Jahrhunderte erinnern und oft als»venedig an der Ruhr«bezeichnet werden. Die Tatsache, dass sich hier auch eine außergewöhnliche persönliche Kontinuität ergeben hat, ist erwähnenswert. So stellte sich nach der Jurysitzung heraus, dass der Großvater von Matthias Pfeifer, Arthur Pfeifer (1879 1962), gemeinsam mit Hans Großmann die meisten dieser Gebäude entwarf, die noch heute das Stadtbild prägen und unumstritten qualitätsvolle Architektur repräsentieren. Das Rathaus und die Stadthalle gehören genauso dazu wie das Wasserkraftwerk Raffelberg, der bis heute überregional bekannte Wasserbahnhof, das Haus Ruhrnatur und das Verwaltungsgebäude des RWW. Hier gilt ganz besonders: Zukunft braucht Herkunft! Helga Sander Beigeordnete der Stadt Mülheim an der Ruhr Leiterin des Dezernats Umwelt, Planen und Bauen Die Begleitung von RKW durch die Planungsphase und vor allem die Unterstützung bei der notwendigen öffentlichen Diskussion ist uns eine große Hilfe und Bereicherung gewesen. Auch der nunmehr zur Umsetzung kommende architektonische Entwurf für das Baufeld 1 aus dem Hause RKW setzt die Ziele des städtebaulichen Wettbewerbs konsequent um.

Städtebau 32 33 BioCampus Cologne Auftraggeber Stadt Köln Planungsgebiet ca. 25 ha Planungsabschluss Bebauungsplan 2007 PROJEKTE 2007 R K W. 0 3 Der BioCampus Cologne entwickelt sich als Motor der Innovation zu einem der größten Biotechnologieparks Deutschlands. Im Mittelpunkt der Idee stehen sowohl aufstrebende als auch etablierte Unternehmen der Biotechnologie, die sich seit der Eröffnung im Jahr 2002 hier angesiedelt haben. Die vorfinanzierte Infrastruktur und individuelle Ansiedlungskonzepte bieten neue Perspektiven für eine Wachstumsbranche. Für das circa 25 Hektar große Gebiet des BioCampus Cologne im nordwestlichen Stadtteil Bocklemünd wurde auf Basis des Masterplans ein Bebauungsplan im PPP-Verfahren aufgestellt. Als Eigentümer beabsichtigte die BioCampus Grundbesitz GmbH & Co. KG, das Gebiet zu entwickeln und einen attraktiven, wettbewerbsgerechten Wirtschaftsstandort für Unternehmen des Life-Science-Bereichs zu schaffen. Elemente, welche wie die einzelnen Gebäude- Module mit dem Campus wachsen können; Definition eines übergeordneten geometrischen Systems zur modularen Strukturierung; Definition der Erschließungsstruktur wie Verkehr und ruhender Verkehr, sowie der technischen Infrastruktur. Die Gesamtidee orientiert sich an einem gestalteten Bild im Sinne von Paul Klee. Einzelne Elemente funktionieren in sich und sind in eine ordnende Struktur eingebunden. Dadurch entsteht ein Mikrokosmos mit hohem Wiedererkennungswert. Das gesamte Gebiet sollte eine eigene Identität erhalten, die in jeder Realisierungsphase einen Zusammenhalt bietet. Der BioCampus Cologne sollte durch eine hochwertige Freiflächengestaltung einen unverwechselbaren Charakter mit hohem Wiedererkennungswert gewinnen. Die Strategie dafür beruht auf einem Konzept von spezifischen Rahmenbedingungen: Definition wiederkehrender ocampus Cologne. Modellfoto

Städtebau 34 35 Marienplatz, Darmstadt Auftraggeber FOM Future Office Management GmbH BGF ca. 30.000 m² Bearbeitungszeit Juli Sept. 2006 Wettbewerb 1. Preis Das Ziel besteht darin, dem Marienplatz, der wegen seiner arrondierenden Bebauung und der freiräumlichen Anlagen als Ganzes gesehen werden soll, eine angemessene stadträumliche Fassung zu geben. Die vorhandene kleinteilige Struktur mit den denkmalgeschützten und erhaltenswerten Gebäuden wurde fortgeführt und ergänzt. Für die künftige Bebauung sollte eine lebendige Nutzungsmischung aus Hotel, Handel und Wohnen entstehen. Besonderes Augenmerk galt dem altenbetreuten Wohnen mit Arztpraxen, Verwaltung, Freizeit und Gastronomie. Der Entwurf zeichnet sich durch die Balance zwischen Bebauung und Freiraum aus. Im Dialog mit den vorhandenen Stadtstrukturen und solitären»stadtmarken«(georg-büchner-anlage, Staatstheater, Marienplatz, Albert-Schweitzer-Anlage und Fachhochschule) orientiert sich das Gebäudeensemble entlang des Anlagenrings und stellt eine Entwicklungsachse künftiger Stadterneuerung dar. Klare Raumkanten, differenzierte Baukörper und der neue Zwillingsplatz als städtische Innenzone bieten deutlich strukturierte urbane Räume. Die aneinandergeketteten Freiräume mit dem neuen Zwillingsplatz bilden das stadträumliche Herz des gesamten Quartiers. Vielfältige Durchgangsmöglichkeiten und weitläufige Sichtbeziehungen dienen als Scharnier zwischen der Kulturstadt, den angrenzenden Wohnquartieren und der Wissenschaftsstadt. In diesem Sinne fungieren die Baukörper als weitere Stadtbausteine in dem Gefüge am Anlagenring. Ein Sockelgeschoss, das mehrheitlich als Parkgarage genutzt wird, bindet die Gebäudekörper zu einem großen Ensemble zusammen. Die einzelnen Gebäude sind über terrassierte Dachflächen zugänglich. Zusammenhängende Nutzungen sind funktional verknüpft und ermöglichen es, sich problemlos im Gebäudeensemble zu orientieren.

Städtebau 36 37 Masterplan Jana Sobieskiego, Warschau Planungsgebiet ca. 46 ha Öffentliche Fläche 85.500 m² BGF 348.000 m² Wohnen 303.000 m² Büro 29.000 m² Masterplanstudie 2006 Zhenru Vice Center, Shanghai Auftraggeber Planungsamt Putuo, China Planungsgebiet 1,6 km² Bearbeitungszeit Feb. Nov. 2005 Wettbewerb 1. Preis Das Areal stellte für die Architekten eine große Herausforderung dar. Idyllische suburbane Bebauung stieß übergangslos an große Straßen, Solitärbauten liefen ins Nichts oder unartikuliert an einer Parkanlage entlang. Die planerische Lösung lag in der Idee einer Gartenstadt. Sie bietet Raum für differenzierte Wohn- und Arbeitsstrukturen und liefert ein Bild von anspruchsvollem Wohnkomfort. Mit einer fächerartigen Straßengeometrie, einer geschickten Aufteilung in vier Quartiere und der Weiterführung benachbarter Grünflächen entstehen ein harmonischer Freiraum sowie eine Verknüpfung von Stadt und Land. Vier Unterzentren der 16-Millionen-Metropole Shanghai wurden als verdichtete innerstädtische Bereiche für jeweils ein bis zwei Millionen Menschen entwickelt. Zhenru im Stadtteil Putuo im Nordwesten wurde als viertes Unterzentrum geplant. Typische Nutzungen für Einzelhandel, Entertainment und Kultur wurden mit Büround Hotelgebäuden kombiniert. RKW bezog sich auf die Raumqualitäten europäischer Städte: dichte Bebauung bei Wahrung der Proportionen. Die Cao Yang Road stößt in ihrem südlichen Teil auf einen quer liegenden Grünzug. So konnten enge Stadtbereiche mit landschaftlicher Weite in Kontrast gesetzt werden.

Städtebau 38 39 Campus West, Aachen Auftraggeber BLB NRW Niederlassung Aachen Planungsgebiet ca. 32 ha Planungsabschluss Bebauungsplan voraussichtlich Ende 2012 Masterplanstudie 2005 / Überarbeitung ab Anfang 2007 Die RWTH Aachen ist eine der renommiertesten Universitäten Deutschlands. Als technische Elitehochschule setzt sie in der Ingenieurausbildung Maßstäbe und gilt als bedeutender Wachstumsfaktor, weshalb unter der Verantwortung des Aachener Bau- und Liegenschaftsbetriebs NRW an drei Standorten gebaut wird. Das 32 Hektar große Areal der stillgelegten Gleisanlagen am Westbahnhof ist einer von ihnen. Hier wird ein neuer Hoch schulcampus mit 10.000 neuen Arbeitsplätzen entstehen, der die europaweit anerkannten Kompetenzen bündelt. Der Entwurf erweist sich städtebaulich als ebenso innovativ wie die Institute, die später dort angesiedelt werden. Der Campus wird in drei Teile gegliedert, die jeweils klar ablesbare Identitäten besitzen. Herzstück ist das alles verbindende Campusband, ein dynamischer, 25 bis 35 Meter breiter Boulevard als Rückgrat und grüne Entspannungszone zugleich. Der erste Abschnitt, die»campus-cité«mit Veranstaltungshalle und Hotel, ist gleichzeitig Stadteingang; der Campus Tower markiert das neue Zentrum im Aachener Stadtbild. Die Forschungszentren mit Instituten, Laboren und Produktionseinrichtungen reihen sich, dem Campusband folgend, als»cluster«und beziehen das denkmalgeschützte Betriebswerk Aachen- West ein, einen ehemaligen Ringlokschuppen mit Drehscheibe. Forscher und Studenten aus aller Welt und aus verschiedensten Fakultäten treffen hier aufeinander. Den dritten Bereich bildet das»campusquartier«mit Apartments für Mitarbeiter und Studierende. Studentische Einkaufs-, Wohn- und Freizeitzentren entstehen als»community«am Republikplatz und am Campusquartier. Am nördlichen Ende geht der Campus in einen weitläufigen Landschaftsraum über; das Band schließt an den Außenring Aachen an. So wird das zweifach geschwungene Campusband zum Symbol für den interdisziplinären Wissenschaftsstandort und zu einer dynamischen Lebensachse, auf der sich Menschen begegnen, entspannen und austauschen.

Sinnliche Stadt 40 40 41 41 Klaus Dieter Weiss 1 Jeremy Rifkin: Access. Das Verschwinden des Eigentums (The Age of Access, New York 2000), Frankfurt 2002, S. 26/19. Zugegeben, umsonst ist keine Stadt. Auf beiden Seiten des Verkaufstresens nicht. Uwe Johnson beschrieb in seinen»jahrestagen«den New Yorker Broadway westlich des nördlichen Central Park als den Marktplatz der Fremdsprachensekretärin und Bankangestellten Gesine Cresspahl. Mit ihrer nachbarschaftlich legeren Atmosphäre widerspricht die Westside Ende der sechziger Jahre dem Bild, das Globalisierungsgegner heute von der Stadt der Städte, ihrem Feindbild, zeichnen. 1968: Schlaraffenstadt Vor 40 Jahren schienen die kleinen Händler und Restaurantbetreiber der Westside die Globalisierung des Warenmarktes auf eigene Faust realisieren zu wollen. Nichts, was es in den international und emsig betriebenen Kram- und Feinkostläden zwischen irischem Honig und Düsseldorfer Senf nicht gegeben hätte. Dazu die für das Marktvertrauen unabdingbaren»schmiermittel«der Warengesellschaft: Gespräche und Gesten über den profanen Anlass des»buy and sell«hinaus. Ebenfalls kostenlos: hervorragende Shakespeare-Aufführungen im Central Park, Konzerte in Museen und auf öffentlichen Plätzen, frei nutzbare»public libraries«, Schallplatten aus der»music library«im Lincoln Center, der Kaffee für wartendes Kinopublikum. In den»thrift shops«spielten Damen der Gesellschaft unentgeltlich Verkäuferin und versilberten Haute Couture aus reichem Hause für wohltätige Zwecke. Lebensmittelmärkte, Drugstores, Krawatten- und Buchläden öffneten bis nach Mitternacht. Alles und jedes war auch am Telefon zu ordern einschließlich der sonntäglichen Sonderangebote der»new York Times«; irgendein Ausverkauf war immer. Der Kauf im Warenhaus war auch nach fünf Tagen noch rückgängig zu machen. Der Supermarkt, jenseits kapitalistischer Marketinggesetze ein Ort übersinnlicher Daten, ein Tempel erhabener Kulthandlungen? To consume in America is not to buy; it is to dream... Der Lebensstandard einer amerikanischen Durchschnittsfamilie ist seit den siebziger Jahren dennoch kaum gestiegen. 2000: Netzwerkstadt Schuld war tatsächlich das Pentagon. Von dort aus eroberten in den späten sechziger Jahren weltumspannende elektronische Netze den Raum hinter der Bildschirmoberfläche. Der erste Hostcomputer ging 1969 online, um Forschungszirkel des Pentagon preiswert, dezentral und risikoarm zu vernetzen. Pünktlich zur Jahrtausendwende beschrieb Jeremy Rifkin die virtuelle Welt des Hyperkapitalismus als einen epochalen Wandel von Ökonomie und Gesellschaft:»Der neue Handelsverkehr findet im Cyberspace statt. So bricht sich ein Zeitalter Bahn, in dem Kultur die wichtigste kommerzielle Ressource, Zeit und Aufmerksamkeit der wertvollste Besitz und das Leben eines jeden Menschen zum ultimativen Markt werden.«1 Weltgewandte User des World Wide Web kaufen heute ihren Tee direkt in China, lassen sich die wenigen noch notwendigen Briefmarken vom Briefträger bringen, buchen Flug und Hotelzimmer über anonyme Preisbrecher, berauschen sich an virtuellen Versteigerungen und Glücksspielen, beziehen Musik, Filme und Nachrichten kosten- und materielos, verwalten ihre Konten und drucken ihre Vouchers und Fahrkarten in Eigenregie zu jeder Tages- und Nachtzeit, von jedem Standort, wenn es sein muss, auch im fahrenden Auto. Die Antiquariate der Welt in Sekunden durchforsten zu können gehört nur scheinbar zu den intelligenteren Varianten der kontrollierten Datenexplosion auf dem heimischen Schreibtisch. Als E-Book vom virtuellen Buchregal aus gehandelt, könnte das Buch im Laden bleiben und der Datensatz zwar unsinnlich, aber maschinell ausgewertet werden. 2 Helmut Volkmann: Wandel der Innovationskultur mit der»stadt des Wissens als Stätte der Begegnung«, Henn Akademie, 1, 1998, S. 60/61 (vgl. Gabler-Magazin, Nr. 3, 1995, S. 25 29). 3 S. Anm. 2. 4 Saskia Sassen: Machtbeben. Wohin führt die Globalisierung?, Stuttgart/München 2000. Entsprechend verzichten auf der anderen Seite der virtuellen Ladentheke immer mehr virtuelle Firmen darauf, selbst zu produzieren, um sich ganz auf Planung und Marketing zu konzentrieren. Immer weniger Einzelhändler nehmen ihre Waren noch in die Hand. Ende 1997 gingen auf der Basis virtueller Zahlungsmechanismen, die in New York Tag für Tag 1,9 Billionen Dollar bewegen, 41 Millionen Menschen elektronisch einkaufen. In den USA verzeichnet die Highway-Kultur der Einkaufszentren bereits einen spürbaren Rückgang des Publikumsverkehrs. Lockert sich damit der Würgegriff der grünen Wiese am Hals von Urbanität und Stadtkultur? Aber was wird in einer postindustriellen Stadt unter elektronischem Dauerfeuer noch gehandelt? Vor allem Dienstleistungen in Sachen Kommunikation, Mobilität, Freizeit, Kultur, Bildung, Gesundheit und Erholung. Produkt-Plattformen werden zu Vehikeln für Dienstleistungen, materielle Güter bleiben vor allem als Medium von Wissen interessant. Aus dem jedes Mal neu zu überzeugenden Käufer wird ein langfristig gewonnener Klient. Zur Not wird ihm das Produkt, das diese Bindung auslösen soll, sogar geschenkt. 2015: Wissensstadt Je kurzlebiger die Produkte werden, desto intensiver werden die Beziehungen nicht nur zwischen Unternehmen und ihren immer persönlicher betreuten, elektronisch ausgespähten Kunden, sondern auch innerhalb des sozialen Gefüges der Stadt. Unternehmen wie VW und Siemens bedienen sich der Metapher Stadt, um Kunden-Gemeinschaften zu binden oder um mit der»wiederbelebung der Polis«, dem»erscheinungsbild der Stadt als Modell, Wandbemalung, Miniatur oder Computeranimation«Innovationsprozesse zu steuern mit Hilfe von Kulissen in einem Großraumbüro oder einer alten Fabrikhalle. 2 Die Qualitäten der Stadt werden dabei nur virtuell genutzt, für den»scheinbaren Umweg der Emotionalisierung«. Dennoch benennt die Argumentation des Firmenmanagements eine urbane Entwicklungschance:»Nichts bewirkt mehr als menschliche Begegnung. Der Besucher und Benutzer findet Wissen, das er ursprünglich gar nicht gesucht hat, aber im Kontext seiner Überlegungen gut gebrauchen kann.«3 Saskia Sassen spannt den Bogen der Betrachtung weiter, bleibt aber bei einer sehr ökonomisch orientierten Perspektive. Die soziale Infrastruktur der Stadt, die nötige gesellschaftliche Einbettung machen globale Verbindungen erst verwertbar. Ende 1997 bestimmten nur 25 Städte den weltweiten Kapitalwert zu über 80 Prozent. 4 Jeremy Rifkin sieht die Stadt dagegen vor allem vor einer kulturellen Herausforderung. Die Absorption der Privatsphäre durch den Markt, die zielgerichtete Gestaltung menschlicher Beziehungen durch Unternehmen, soziale, vielfach elektronisch vermittelte Ersatzwelten in kommerzieller Verpackung erfordern in der neuen Ära des kulturellen Kapitalismus, der mit Erlebnissen, Erinnerungen und Erfahrungen handelt, starke gesellschaftliche Gegengewichte und spielerische Freiräume, die nur die historisch verwurzelte unverwechselbare Stadt, die geografisch verankerte reale Gemeinschaft, bieten kann. Wenn Mensch zu sein bedeutet, sich in Kommunikation mit irgendeiner menschlichen Kultur zu befinden, darf Kultur nicht zur Handelsware der Kulturindustrie werden. Kultur und Kommerz müssen im beiderseitigen Interesse mit politischen Mitteln ausbalanciert werden. Kunst und Spiel gewinnen damit gegenüber Unterhaltung und Spaß an Bedeutung. Es wäre jedoch ein Irrtum, zu glauben, dass geschlossene Formen von Öffentlichkeit nicht schon immer Bestandteil der Stadt waren, dass Konsumtion zwangsläufig mit Verwüstung und Plünderung gleichzusetzen ist. Mit konfektionierten Reiseerlebnissen quer durch Europa handelte Thomas Cook schon 1856. Das

42 42 43 43 Organisationsmuster heutiger Communitys entstand mit Ebenezer Howards Gartenstadt Letchworth vor über 100 Jahren. Und last but not least: Urban integrierte Entertainment- und Shopping-Center gab es schon im antiken Rom. Sinnliche Stadt Wenn das Wirtschaftssystem sich gerade von einer großen Fabrik in ein großes Theater verwandelt, könnte auch die Stadt davon profitieren, ohne selbst zum Spektakel zu verkommen. Eine widerstandsfähige (Stadt-)Kultur ist trotz aller fiskalischer Dementis die Vorbedingung und das»schmiermittel«für wirtschaftliche Entwicklung nicht umgekehrt. Im Jahr 2007 ist die Menschheit zu einer urbanen Spezies geworden. Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt heute in Städten. Jedes Jahr nimmt die Stadtbevölkerung der Erde um 60 Millionen Menschen zu. In nur zwei Jahrzehnten werden vermutlich zwei Drittel aller Menschen Stadtbewohner sein trotz des enormen Bevölkerungszuwachses auf dem Planeten. Rein rechnerisch könnte 2050 dagegen ganz Niedersachsen entvölkert sein oder Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern zusammen. Diese»urbane Wende«ist historisch ohne Beispiel. Die Innovations- und Strategiefähigkeit der Stadtplanung oder wenigstens -organisation wird auf eine harte Probe gestellt. Eine funktional und emotional, formal und ökologisch gestaltete Welt ist eine schönere und zufriedenere Welt. Eine positiv gestimmte Umgebung am Wohnort, am Arbeitsplatz schafft nicht permanent Bedürfnisse, die tägliches Pendeln, Fernreisen im Urlaub oder Migration provozieren. Wenn der individuelle Standort das Bleiben wert ist, reduzieren sich die Fluchten rund um den Globus, die allein der Suche nach dem Besseren und Schöneren gelten, dabei aber das ökologische Gleichgewicht immer zerbrechlicher werden lassen und letztendlich die gestaltete und zufriedene Welt grundlegend in Frage stellen. Dieser Anspruch ist jedoch nicht durch staatliche oder gar architekturtheoretische Verordnungen zu erfüllen. Die Veränderung beginnt vielmehr in der Erkenntnis und im Ermessen jedes einzelnen Menschen und ist nur mühsam und in kleinen Schritten zu realisieren. Voraussetzung ist, die Bedürfnisse der Menschen aufzugreifen und Architektur und Städtebau nicht als theoretisches Heilmittel zu verordnen, sondern im Alltag der Stadt anschaulich und praktikabel zu machen. 5 Cees Nooteboom: Nie gebaute Niederlande.»Denn zwischen Traum und Tat stehen Gesetze und praktische Bedenken«(1980), Stuttgart 1999, S. 19. Menschen bewegten sich mehr oder weniger chaotisch von Nord nach Süd und von Ost nach West, sie tauchten aus Geschäften in der Säulengalerie oder aus einer der schmalen Gassen, die auf den Platz münden, auf, in diesem nicht benennbaren Augenblick jedoch änderte sich das alles plötzlich. Als wäre es die normalste Sache der Welt, bildete sich in diesem Viereck ein Kreis aus lebenden Menschen, der sich langsam zu drehen begann. Irgendwie wußte ich genau: so mußte die Welt aussehen. Ich saß überwältigt am Fenster, wie verzehrt von dem Verlangen, mitmachen zu dürfen. Doch wenn die Welt so aussehen mußte, müßte es erst einmal Städte mit solchen Plätzen geben, und diese Plätze müßten genau im Herzen dieser Städte liegen«5 Zur Erinnerung, hier finden Kenngrößen eine positive Würdigung, die bis heute in der Fachwelt von Architektur und Städtebau nicht unumstritten sind, ja fast auf dem Index stehen:»kommerzialität«als Motor von Stadt, Säulengalerien bzw. Arkadengänge, die notwendigerweise von»säulen«getragen werden,»eine groß dimensionierte, homogene Baustruktur«als Bühnenraum eines einfachen gleichförmigen, quadratischen Platzes, den nicht nur Cees Noteboom für den weltweit schönsten hält. Nicht dass die Aufgabe leicht zu lösen wäre, die architektonischen und städtebaulichen Mittel können dagegen durchaus leicht verfügbar und einfach sein. Urbanität entsteht nicht aus eindrucksvollen architektonischen Bildern, sondern aus einem dicht gewebten Netz von funktionalen Verknüpfungen in dafür geeigneten Stadträumen. Dennoch müssen diese Funktionen und Räume etabliert und geplant werden. Jede Provinzstadt hat ihren Marktplatz, der unter bestimmten Voraussetzungen zumindest an Markttagen urban belebt sein kann. Die Dimension des Platzes ist dabei ebenso von Bedeutung wie seine architektonische Einfassung, nicht zuletzt aber auch das Zusammenspiel von Läden, Restaurants und Marktgeschehen. Das Erscheinungsbild der einzelnen Häuser steht zwar nicht im Mittelpunkt, aber als urbaner Brennpunkt wird die Plaza Major im spanischen Salamanca vielen reizvoller erscheinen als das Pendant in Herne. Die Einwohnerzahlen beider Städte sind fast identisch. Der offene Austausch, den die Öffentlichkeit der Stadt über alle Nationalitäten und Sprachen hinweg ermöglichen sowie räumlich und sinnlich nahelegen sollte, ist das Entscheidende ganz im Sinne von Cees Nootebooms Eindruck eines spontanen Tanzes zahlreicher Passanten auf der Plaza Major von Salamanca:»Ein Viereck ohne Bürgersteige oder irgendwelche Erhöhungen, von einem einzigen Gebäude umschlossen, das auf vier langen Säulengängen ruhte. Eigentlich war es ein großes, steinernes Zimmer mit dem Himmel als Decke. Die

44 45 Verkehr & Gewerbe

Verkehr & Gewerbe 46 47 Bahnhof Oberstdorf Bauherr Deutsche Bahn AG BGF 2.804 m² Planungszeit Aug. 1998 Jan. 2001 Bauzeit Sept. 2000 Aug. 2001 Auszeichnung Traffic Design Award 2003 Der Kur- und Erholungsort Oberstdorf im Allgäu ist ein beliebter Ferienort mit jährlich 2,5 Millionen Übernachtungen. Hier endet für Urlauber aus Deutschland das Streckennetz der Deutschen Bahn in südlicher Richtung. Der 2006 als bester Kleinstadt-Bahnhof des Jahres prämierte Neubau ersetzt das funktional veraltete Bahnhofsgebäude aus dem Jahr 1963. Das neue Bahnhofsgebäude ist ein von Nord nach Süd orientierter Kopfbahnhof, an dessen modernisierten Bahnsteigen täglich etwa 70 Züge abgefertigt werden. Die zweigeschossige, großflächig verglaste Empfangshalle nimmt die bestehende Richtung der Gleisanlagen auf und schafft eine selbstverständliche Verbindung zwischen Querbahn steig und Bahnhofsvorplatz. Den Reisenden erwartet eine großzügige, lichtdurchflutete Station. Ausblicke in die umgebende Landschaft ermöglichen eine erste Orientierung. Zum Verweilen laden seitlich angelagerte, innen liegende Ladengeschäfte und das Reisezentrum ein. Architektur gewählt und unterstützt den Charakter eines»bahnhofes der Zukunft«. Die Glasfassade, gefasst mit grafitgrauen Aluminiumprofilen, sowie das auf Stahlträgern liegende, scheinbar schwebende Dach aus Holz weisen den Bau als zeitgenössischen Funktionsbau aus. Asymmetrisch gegeneinander gestellte Pultdächer und der markante»bahnhofsturm«schaffen Bezüge zum Alpenpanorama von Oberstdorf und sind architektonische Identitätsträger für ein modernes Verkehrsunternehmen. Zusammen mit dem neu gestalteten Bahnhofsplatz bilden sie das Tor zur Innenstadt und werten die dorthin führende Marktstraße erheblich auf. Im Stadtbild von Oberstdorf behauptet sich der Bahnhof im Dialog mit seiner Umgebung, ohne sich an traditionelle Bautypen anzubiedern. Das Material weiße Putzflächen, unbehandeltes Lärchenholz wurde passend zur regionalen

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Verkehr & Gewerbe 50 51 Hauptbahnhof Mannheim Bauherr Deutsche Bahn AG BGF 22.100 m² Planungszeit 1996 2001 Bauzeit Mai 1999 Nov. 2001 Auszeichnung Bahnhof des Jahres 2005, ausgezeichnet durch die»allianz pro Schiene«Der Hauptbahnhof Mannheim ist einer der größten ICE- und IC-Verknüpfungspunkte im deutschen Bahnnetz. Um seinem Stellenwert als Schnittstelle weiterhin gerecht werden zu können, verfolgte die Umgestaltung des 1876 entstandenen Baudenkmals das Ziel, dem Bahnhof auch städtische Funktionen mit vielfältigen Einkaufsmöglichkeiten und Dienstleistungsangeboten zu übertragen und ihn so zu einem attraktiven, multifunktionalen Ort der Öffentlichkeit zu machen. Die Achse des Mannheimer Kaiserrings läuft direkt über den Bahnhofsvorplatz auf den Haupteingang des Gebäudes zu und endet dort in der neu gestalteten hellen Eingangshalle. Eine weithin sichtbare Stahlglaskuppel über dem Eingangsbereich signalisiert das Zentrum des Bahnhofs. Die historischen Elemente der Eingangshalle wie Fassade, massive Wände und Dach kranz wurden erhalten. Die bestehende flache Decke wurde entfernt und durch eine Kuppel ersetzt, die nach dem historischen Vorbild, das in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts abgerissen worden war, aus T-Profilen mit Isolierglas besteht. Auch die Gebäudeflügel links und rechts der Eingangshalle erhielten durch eine komplette Aufstockung ihre ursprüngliche Höhe zurück. Eine ebenfalls mit einem Glasdach überspannte Mall kreuzt die Eingangshalle und verknüpft sämtliche Funktionsbereiche und Verkehrswege. Neben bahnspezifischen Einrichtungen erwartet die täglich 100.000 Besucher des Hauptbahnhofs ein vielfältiges Angebot von Geschäften, Boutiquen, Gastronomie und verschiedenen Dienstleistungen. Die regelmäßige Gliederung der Konstruktion schafft viel Flexibilität für individuelle Ladeneinbauten. Für eine ruhige Gesamtwirkung der Mall sorgt der gleichmäßige Rhythmus von natursteinverkleidetem Pfeilerelement und Öffnung. Markante Zeichen der Modernisierung sind ein Warteraum und ein Café als gläserne Baukörper in der Eingangshalle.

Verkehr & Gewerbe 52 53 Abfüll- und Logistikhalle der Krombacher Bierbrauerei, Kreuztal Bauherr Krombacher Brauerei Bernhard Schadeberg GmbH & Co. KG BGF 12.300 m 2 Planungszeit ab Okt. 2002 Bauzeit Jan. 2003 Jan. 2004 Die Krombacher Brauerei im nördlichen Siegerland am südlichen Rand des Rothaargebirges, eine der modernsten Brauereien Europas, seit Gründung in Privatbesitz und heute eine der größten deutschen Privatbrauereien, wird urkundlich erstmals im Jahr 1803 erwähnt. Krombach selbst, heute ein Stadtteil von Kreuztal, lässt sich bis ins Jahr 1300 zurückverfolgen und verfügte schon sehr früh über diverse Braustätten. Ein an das Grundstück grenzendes Wohngebiet machte es notwendig, die Höhenstaffelung der neuen Halle sorgfältig zu planen. Die Architekten ließen daher den Gebäudekörper in der Höhe verspringen, setzten die Fassade deutlich vom Sockel ab und sorgten durch sägezahnähnliche Ausschnitte in den Fensterlaibungen dafür, dass die Halle optisch leichter wirkt und weniger dominant auftritt. Eine großzügige Verglasung des Treppenhauses sowie der Fenster in der Fassade gewährt Einblicke in den Betriebsablauf. Nach dem Brau- und Reifeprozess in Sudhaus, Gär- und Lagerkeller gelangt das filtrierte Bier durch ein unterirdisches Leitungssystem in das Abfüll- und Logistikzentrum. Pro Tag werden in sieben Flaschenabfülllinien bis zu 5,5 Millionen Flaschen abgefüllt und auf bis zu 450 Lastzüge verladen. Innerhalb der Logistik sind dafür 3,5 Kilometer Transporttechnik für Paletten im Einsatz. Zusätzlich können in einer sogenannten Keg- Anlage bis zu 1000 50-Liter-Fässer pro Stunde abgefüllt werden.

Verkehr & Gewerbe 54 55 Fassadengestaltung des Kohleheizkraftwerks Mainz-Wiesbaden Bauherr KMW Kraftwerke Mainz-Wiesbaden AG Wettbewerb 2009 In unmittelbarer Nähe des Rheins kann der Industriestandort Mainz-Mombach auf eine bis ins Jahr 1899 reichende Tradition als Kraftwerksstandort zurückblicken. Das neue Kohleheizkraftwerk, eines der modernsten der Welt, wird in der Nachbarschaft bestehender Gaskraftwerke errichtet werden. Da die Frischwasserkühlung mit Rheinwasser erfolgen kann, bleibt der Kühlturm gegenüber dem 110 Meter hohen Kesselhaus mit nur 60 Metern Höhe sehr niedrig und wird nur wenige Wochen während der Sommermonate genutzt. Mit 150 Metern wird der Schornstein genauso hoch werden wie der Schornstein des bestehenden Gas-Kombiblocks. Ein Teil des aus der Verbrennung der Steinkohle gewonnenen heißen Wasserdampfes wird in Form von Kraft-Wärme-Kopplung zusätzlich genutzt, um Wasser für das Fernwärmenetz zu erwärmen. Durch dieses wird neben Universität, Universitätsklinik, Dom, Rathaus und Landesministerien auch eine Vielzahl von Museen, Hotels, Büro- und Wohngebäuden versorgt. Die elektrische Leistung soll 800 Megawatt betragen und inklusive der Fernwärmeauskopplung mit bis zu 300 Megawatt einen Brennstoffnutzungsgrad von 60 Prozent erreichen. Auf Grundlage einer freiwilligen Zusage des Betreibers wird der Ausstoß von Feinstaub und Stickoxiden die gesetzlichen Grenzwerte um mindestens 50 Prozent unterschreiten. Die Fassadengestaltung des neuen Kohleheizkraftwerks im Industriegebiet Ingelheimer Aue orientiert sich am Energiegewinnungsprozess. Das Farbspektrum der Energie ergab entsprechend den Farbtemperaturen von der Glut bis zur Flamme einen Verlauf von Hellgrau über Mittelblau bis Bordeauxrot. Dieser Farbübergang gestaltet in vertikaler Anordnung das Kessel- und Maschinenhaus sowie den Schornstein. Dem Wandlungsprozess der Materie von Rohkohle zu Asche entsprechen die restlichen, um den Kern angeordneten Gebäudeteile im Farbspektrum von Anthrazit bis Weiß.

Gelassenheit 56 57 Eine besonnene Gelassenheit im Sinne Platons liegt für RKW vor allem im undogmatischen architektonischen Ansatz. Das Engagement entsteht mit der Aufgabenstellung, nicht damit, unabhängig von der Realität die Welt mit Hilfe der Architektur auf ideologischem Wege bekehren zu wollen. Insofern ist Architektur nicht ein Element der Utopie, sondern der Realität. Veränderungsmöglichkeiten finden dort ihre Grenze, wo es unvernünftig wäre, unverrückbare Tatsachen ändern zu wollen, wo unbeeinflussbare Gegebenheiten das menschliche Leben nicht mehr unmittelbar berühren. Das Glück des Menschen ist nicht planbar, das Ziel liegt vielmehr darin, in der Gegenwart zu leben und diese menschlich zu gestalten. Auch für Martin Heidegger liegt der zentrale Punkt der menschlichen Existenz gerade darin, sich nicht auf spezifische Entwürfe festzulegen, sondern sich von dem Entworfenen auch wieder zu befreien. Dieses Streben nach Offenheit, nach Erweiterung und Transzendenz der Grenzen unserer Endlichkeit nennt Heidegger Gelassenheit. Der Rückzug auf die Gelassenheit ist zugleich der Reichtum unserer Existenz, weil sie uns sein lässt, was wir sein können. In der allgegenwärtigen Entspanntheit und Coolness des Zeitgeistes wird diese Freiheit allerdings zu persönlich interpretiert. Denn darin wird eine Unangreifbarkeit zur Schau gestellt, ein trotziges, fast schon ignorantes Beharren auf der eigenen Position, die unbeeindruckt ist von Welt und Wirklichkeit und die damit auch die Gegebenheiten und notwendigen Veränderungen der Gegenwart zu verkennen droht. Sich angesichts widriger Umstände nicht aus der Ruhe bringen zu lassen ist aber nur ein Teilaspekt der Gelassenheit. Um das zu verändern, was einer Veränderung offensteht, muss Gelassenheit mit Aufmerksamkeit, mit Verantwortungs- und Handlungsbereitschaft einhergehen weit entfernt von Aktionismus, Fatalismus oder Gleichgültigkeit. Es kommt für Architekten also darauf an, die Möglichkeiten und Notwendigkeiten einer Aufgabenstellung realistisch einzuschätzen, ohne ideologische Vorfestlegung. So entstehen in einem freien, ungebundenen Arbeitsansatz individuelle, gleichzeitig aber an die Gegebenheiten angepasste Lösungen, die dem Gedanken der Kontinuität ebenso gerecht werden wie dem von Innovation und Veränderung. Mit anderen Worten: Auch das Kohlekraftwerk oder die Shopping Mall müssen gestaltet werden. Der Sehnsucht vieler Menschen nach klassischer bzw. neoklassizistischer Wohnatmosphäre wird man nicht gerecht, indem man diesen»laienhaften«traum mit dem Hinweis auf moderne Prinzipen der Architektur, die schon im vorigen Jahrhundert gescheitert sind, übergeht. Die Geschichte der Architektur belegt, dass selbst bei den großen Namen, wie zum Beispiel Le Corbusier, Besonnenheit und ideologisches Eiferertum oder ein künstlerisches Aufbrechen der Realität oft eng beieinanderliegen. Das Ziel von RKW ist die beste Lösung im Rahmen der konkreten Bedingungen, am konkreten Ort und für einen konkreten Bauherrn, dessen langfristige Zufriedenheit mit dem Ergebnis das entscheidende Kriterium ist. Es darf nicht sein, dass den Menschen das Gefühl vermittelt wird, sie müssten ein Gebäude»ertragen«, wie es der amerikanische Kritiker Richard Ingersoll formuliert hat. Frei von der Eitelkeit, im medialen Wettlauf der architektonischen Bilder mitzuhalten, entsteht viel Gelassenheit für die Beantwortung wichtigerer Fragen. Denn weit vor der Form definiert der Raum den größten Luxus der Architektur, innerhalb des Hauses wie innerhalb der Stadt. Das zeigen schon die beeindruckenden Räume und Plätze, die ganz unprofessionell entstanden sind.

58 59 Exkurs in die Tradition eine Phase der Neuorientierung im Wohnungsbau Klaus Dieter Weiss im Gespräch mit Wojtek Grabianowski und Joachim Hein»Ich bezweifle, dass es sinnvoll ist, die Grundbedürfnisse des Wohnens in einer Architektur des Aufschreis zu suchen.«warum setzen Sie im Wohnungsbau des 21. Jahrhunderts historische Fassadenbilder ein? Joachim Hein: Man kann den klassischen Wohnungsbau mit einem lachenden und einem weinenden Auge sehen. Diese Architektur findet bei den Bewohnern sehr viel Zustimmung. Auf der anderen Seite scheint es so, und das stimmt mich sehr traurig, als könnten wir im modernen Wohnungsbau keine Antwort auf Probleme geben, die nach Ansicht des Publikums mit traditionellen Erscheinungsbildern schlüssig gelöst werden. Ich hoffe darum, dass wir mit Hilfe dieser Rückwärts-Orientierung und in Bezug auf die Bedürfnisse der Bewohner neue Qualitäten auch für den modernen Wohnungsbau erschließen können. Offenbar ist das Grundvertrauen in den Wohnungsbau in den sechziger, siebziger, achtziger Jahren mit der technischen, damit aber auch der formalen Rationalisierung verloren gegangen. Heute suchen die Bewohner die Investition in etwas Wertbeständiges. Ich glaube, dass wir diese Qualitäten, wenn sie erst einmal definiert sind, eines Tages auf moderne Erscheinungsbilder übertragen können. Der Exkurs in die Tradition wäre dann lediglich eine Phase der Neuorientierung und Recherche gewesen. Wo manifestiert sich das Problem vor allem? Ist es die Form? Das Material? Die Funktion? Oder die Wertbeständigkeit, wie Sie sagen? Wojtek Grabianowski: Das Problem ist sehr vielschichtig, vielleicht steckt es in all diesen Kriterien. Fangen wir bei der Funktion an, einer Grundbedingung für jeden Bau. Aber das reine Funktionieren ist für anspruchsvolles Wohnen heute zu wenig. Im Mittelpunkt stehen für die Menschen die Raumübergänge, die Dramaturgie der Räume, die Verknüpfung von innen und außen. Der Bewohner möchte weit vor der Haustür zu Hause ankommen, beim Überschreiten der Grundstücksgrenze. Er gelangt vom Garten in einen überdachten Bereich, von dort in die Halle und weiter ins Treppenhaus. Das ist eine Inszenierung, eine sehr wirksame emotionale Willkommensgeste. Wir arbeiten zum Beispiel auch kaum noch mit Balkonen, einer bloßen Flächenausdehnung jenseits des eigentlichen Hauses. Eine Loggia hat eine andere Qualität, sie bietet Schutz und Ausblick gleichermaßen. In der Architekturkritik wird der radikale Neoklassizismus des 21. Jahrhunderts sehr zwiespältig gesehen, im Zweifel auch von Kritikern, die authentische Altbauten durchaus schätzen. Wie gehen Sie damit um? J.H.: Dieser Fachkritik stehen die Wünsche der Bewohner diametral entgegen. Ich sehe im Rückgriff auf traditionelle Raum- und Erscheinungsbilder eine Basis des Umdenkens, eine Momentaufnahme, Lindenstraße, Düsseldorf

60 61 deren Ergebnis noch abzuwarten ist. Wir sehen ähnliche Entwicklungen in der Musik, in der Fotografie, im Automobilbau... Im Rückgriff liegt eine Chance für neue Entwicklungen. Es gibt eine unglaubliche Menge von Dingen, die zu lernen sind, indem man mit eigenen Augen schaut, ohne Filter und ohne Vorurteil. Es geht darum, Lebensbedürfnisse aufzuspüren und ihnen Raum zu geben. Ich glaube, dass wir diese Episode brauchen, um dann einen Schritt weitergehen und neue Qualitäten bieten zu können. Ein zentrales Kriterium ist nicht zuletzt die Geschosshöhe: 3,20 Meter im Lichten bieten eine dramatisch andere Raumqualität als 2,55 Meter. Erst in der richtigen Höhe können große Räume ihre Wirkung entfalten, stimmen die Proportionen von Raum und Fenstern. Welchen Stellenwert haben die Wohnungsgrundrisse? ist natürlich der Hintergrund unserer Gebäude: Wir haben einen Bauherren, der nicht zuletzt Geld verdienen muss. Mit weniger Wohnraum muss derselbe Profit erwirtschaftet werden wie im Standardwohnungsbau. Das lässt sich nur über einen höheren Quadratmeterpreis erreichen. Diese Exklusivität muss die Architektur unmittelbar vermitteln und widerspiegeln, sonst wird niemand darauf eingehen. Georg Baselitz lebt heute, nach 35 Jahren Dasein als Schlossherr auf Schloss Derneburg, in einem Glashaus von Herzog & de Meuron begeistert von den Möglichkeiten moderner Architektur. Das sind aber die großen Ausnahmen, individuelle architektonische Experimente in freier Einzellage. Exklusive moderne Glashäuser sind im städtischen Geschosswohnungsbau schwer zu realisieren, obwohl uns auch das jetzt im städtebaulichen Wettbewerb für das Hamburger Spiegelgrundstück gelungen ist. Einen Mittelweg eröffnet unser Projekt für den Mörsenbroicher Weg in Düsseldorf. J.H.: Die von Alexander Mitscherlich in seinem Buch»Die Unwirtlichkeit der Städte«schon 1965 geschätzten Altbaugrundrisse bieten ein Höchstmaß an Flexibilität. Das schlägt sich in der Vermarktung auch der neuen alten Häuser eindrucksvoll nieder. Die Menschen wissen, dass sie eine grundlegende Typologie bekommen, und genießen die Flexibilität und die Freiheit, sich in ihren Räumen ganz individuell darzustellen. Das funktioniert in alten Häusern wunderbar. Warum sollte man also in neuen darauf verzichten? Dazu kommen die Übergänge und Sichtachsen innerhalb der Wohnung, die Trennung zwischen privaten und repräsentativen Räumen, diese wiederum verknüpft über eine Halle. Im Düsseldorfer Haus Hardenberg sind die axialen Verknüpfungen zwischen Küche, Essen, Wohnen und Loggien für die Bewohner ganz entscheidende Qualitätsmerkmale. Eine andere Form der Werthaltigkeit liegt in der Präzision, in den Materialien, in der handwerklichen Liebe zum Detail. Die Sockelleiste etwa ist geradezu ein Musterbeispiel für den Kulturverfall des Wohnungsbaus. Eine 60 Zentimeter hohe Natursteinarbeit oder ein um die Ecken gezerrtes Holzimitat von wenigen Zentimetern solche Entscheidungen strahlen in den ganzen Raum aus. Welchen Aufpreis ist der Bewohner für den Mehrwert bereit zu zahlen? W.G.: Ein konkretes Beispiel: Mit dem Karlshof in der Düsseldorfer Lanker Straße haben wir eine Baulücke geschlossen, keine 100 Meter von einem modernen Wohnungsbau entfernt. Unsere Wohnungen, ein Drittel teurer als dieses Vergleichsobjekt in identischer Wohnlage, waren bereits vor Baubeginn verkauft. Die Interessenten sind bereit, für traditionelle, technisch aber absolut moderne Objekte deutlich mehr Geld auszugeben als für die Standardangebote des Wohnungsbaus. Das wird jeden Architekten schmerzen und mit Rückblick auf die Ideale der Moderne und des Bauhauses traurig stimmen. Auch ich bin nicht unbedingt froh darüber, dass moderner Geschosswohnungsbau in der Stadt heute in der Regel an der Hürde der Exklusivität scheitert. Die gesellschaftliche Zielrichtung der Moderne hat sich eben nicht bewahrheitet. Dass die traditionellen Leitbilder des städtischen Geschosswohnungsbaus eine Möglichkeit eröffnen, sich darzustellen, halte ich für absolut normal und legitim. Warum sollten wir den Bewohnern architektonisch verbieten, repräsentativ zu wohnen? Ihre traditionellen Wohnangebote werden nicht über den Preis vermarktet, sondern über das Merkmal der Exklusivität. Warum hat moderner Wohnungsbau dem nichts entgegenzusetzen? W.G.: Moderner Wohnungsbau hat im Moment nicht die Position, eine ähnliche Wertigkeit zu vermitteln, sodass der Bewohner bereit wäre, dafür eine vergleichbare Investition aufzuwenden. Denn das Besteht der vordringliche Wunsch vielleicht nicht sogar darin, den Neubau mit einem authentischen Altbau verwechseln zu können? J.H.: Diese Häuser können mit echten Altbauten verwechselt werden, gleichzeitig enthalten sie aber alle technischen Vorteile der Gegenwart. Damit geht das Angebot über die beliebte Altbauwohnung weit hinaus, denn es schließt alle Sicherheitsbedürfnisse und Komfortansprüche ein: Tiefgarage, Stellplätze, Fahrstuhl, jede Art von Komfort. Die Kombination von traditionellem Erscheinungsbild und modernster technischer Ausstattung macht den Reiz, aber auch den Gebrauchswert aus. Dabei werden Details und deren Realisierung so weit vereinfacht, dass sie sich deutlich von den traditionellen Stilprofilen unterscheiden. Diese Transformation, der Gebrauch einiger weniger, aber entscheidender Zitate, bedeutet nicht, die Kopie eines historischen Gebäudes zu erstellen, sondern ermöglicht die Weiterentwicklung eines Bautypus, der aktuellen Bedürfnissen gerecht wird. Insofern ist die herkömmliche Altbauwohnung gar nicht die Zielvorstellung. Bankstraße, Düsseldorf

62 63 Worin liegt das entscheidende Ziel der Bewohner? Wie schätzen Sie die Nachfrage ein? Wie viele Projekte bearbeiten Sie gerade? Wohnprojekt Rheinauhafen, Köln J.H.: Der Dreh- und Angelpunkt ist meines Erachtens der repräsentative Charakter dieser traditionellen Wohnformen. Diese Repräsentativität, die auch Langlebigkeit und Werthaltigkeit verspricht, wird von den Käufern gewollt. Ich glaube, dass es ein Grundbedürfnis ist, Gewissheit darüber zu haben, dass das, was ich jetzt bauen lasse, mir in zehn oder zwanzig Jahren noch immer behagt und gefällt. Als Käufer möchte ich nicht das Gefühl haben, dass ich in absehbarer Zeit in einem völlig überholten Gebäude lebe. Mich würde interessieren, ob sich jemand, der in einem Gebäude der achtziger Jahre wohnt, noch wirklich gut aufgehoben fühlt. Ich glaube, dass der normale Mensch mit dem Tempo unserer Zeit, mit dem Verfall der Werte und Überzeugungen, nicht übereinstimmt. Er kommt nicht mehr damit klar, dass wir jedes Jahr eine neue Architektursprache entwickeln, eine neue modische Richtung. Das kann keiner nachvollziehen. Es ist wichtig, dass wir langfristig adäquate architektonische Antworten finden. Das sind über Jahre und Jahrtausende gewachsene Grundbedürfnisse des Wohnens, die sich nicht von heute auf morgen ändern. Ich bezweifle, dass es sinnvoll ist, die Grundbedürfnisse des Wohnens in einer Architektur des Aufschreis zu suchen. J.H.: Derzeit sind zwölf Projekte in der Bearbeitung oder Ausführung. Aber auch dieser Markt wird sich wieder beruhigen. Zum einen ist das Publikum für diesen Anspruch und in diesem Preissegment nicht unerschöpflich. Zum anderen ist nicht jeder Standort dafür geeignet. Der städtebauliche und architektonische Rahmen muss stimmen. Zwei unserer Projekte entstehen im Berliner Grunewald, der eine ideale Umgebung darstellt. Berlin hatte schon immer ein großes Potenzial für diese Art Wohnungsbau. Dort fasziniert auch der Altbaubestand in besonderer Weise, der vielfach sehr alt und oft in einem so guten Zustand ist, dass sich eine Sanierung lohnt. Vor allem ist der Grundpreis in Berlin günstig. Wenn jemand das Geld hat, so ein Haus zu sanieren, bekommt er ein adäquates Wohnhaus auf dem höchsten Stand der Technik. Haben Sie nicht Schwierigkeiten, für diesen Anspruch noch geeignete Handwerker zu finden? W.G.: Traditionelle handwerkliche Fertigkeiten sind heute sehr gefragt. Die normale Ausschreibung hilft da nicht weiter. Handwerker und Architekten müssen sich auf diesen vergessenen Anspruch neu verständigen. Das kann durchaus ein langwieriger Prozess sein auf beiden Seiten. Letztlich gehört zur Nachhaltigkeit und Wertbeständigkeit dieser Wohnhäuser aber nicht nur die Rückbesinnung auf bewährte Materialien. Ohne Handwerker, die ihre Arbeit als Handwerkskunst verstehen, wäre damit allein noch nichts gewonnen. Studieren Sie die klassische Formensprache mit Hilfe alter Veröffentlichungen? W.G.: Ja, man muss sich mit dieser Architektur intensiv autodidaktisch beschäftigen. Die Hochschulen bieten dafür kaum Anhaltspunkte. An historischen Beispielen lässt sich die Systematik des Aufbaus, gleichzeitig aber auch die Vielfalt des Erscheinungsbildes sehr eindeutig verfolgen. Bibliothek Grundriss-Skizze Lindenstraße, Düsseldorf

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Wohnen 66 67 Haus Hardenberg, Düsseldorf Bauherr Ralf Schmitz GmbH & Co. KG Wohnungsbaugesellschaft BGF 3.285 m² Planungszeit 2005 2007 Bauzeit 2007 2008 Wohnfläche 1.670 m² In einer der vornehmsten und begehrtesten Lagen Düsseldorfs, mitten in einem traditionsreichen Villenviertel, entstand ein luxuriöser Mehrgeschosswohnungsbau in Form einer Stadtvilla. Das Haus Hardenberg an der Tiergartenstraße enthält sechs exklusive Wohnungen mit großzügigen Grundrissen zwischen 250 und 350 Quadratmetern. Die Käufer schätzen insbesondere eine Architektur, die den Komfort eines Neubaus mit der Anmutung eines Altbaus verbindet, wozu selbstverständlich auch hohe Räume und offene Kamine gehören. Sie suchen die Sicherheit eines Mehrfamilienhauses und genießen die Infrastruktur der Landeshauptstadt, das urbane Umfeld vor der eigenen Wohnungstür. die Wohnräume. Klassische Einzelräume und offenes Wohnen sind gleichermaßen realisierbar. Das Haus Hardenberg interpretiert die große Tra dition der bürgerlichen Wohnhäuser für das 21. Jahrhundert neu. Alle Wohnungen verfügen über große Terrassen an der Gartenseite. Zu den Wohnungen im Hochparterre gehören je eine überdachte Terrasse und ein Privatgarten. Mit der Konzeption für das Haus Hardenberg greift RKW die Geschichte und das Erscheinungsbild des traditionell bürgerlichen Umfelds auf. Materialauswahl und Formensprache des Wohngebäudes orientieren sich am Klassizismus. Der symmetrische Aufbau der steinernen Fassade ist von dominanten Loggien, hervorkragenden Attiken, betonten Gesimsen und Fensterlaibungen geprägt. Kernstück im Inneren ist ein elegantes Erdgeschoss mit großzügiger Halle und Treppenhaus. Diese klassische Gliederung spiegelt sich auch in den Wohnungsgrundrissen: Eine Halle erschließt

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Wohnen 72 73 Karlshof, Düsseldorf-Oberkassel Bauherr Ralf Schmitz GmbH & Co. KG Wohnungsbaugesellschaft BGF 6.500 m² Planungszeit 2003 2004 Bauzeit 2004 2005 Wohnfläche 3.100 m² Das beliebte Viertel auf der linken Rheinseite mit seiner wilhelminisch-eklektizistischen Fassadenfront am Ufer entstand erst Ende des 19. Jahrhunderts ein Spekulationsobjekt der Rheinischen Bahngesellschaft. Als attraktive Wohngegend für das gehobene Bürgertum, Beamte, Künstler und Selbstständige erlebte das ursprünglich winzige Dorf Oberkassel einen rasanten Aufschwung. Um das vielfältige historische Straßenbild, das Düsseldorf in dieser Konzentration und Konsequenz an keiner anderen Stelle zu bieten hat, in einer städtebaulich störenden Baulücke sinngemäß fortzuschreiben, folgt der Karlshof dem neoklassizistischen Vorbild seiner repräsentativen denkmalgeschützten Nachbarschaft. Für die Erhaltung des Ortsbildes sprechen an dieser besonderen Stelle nicht nur architektonische, städtebauliche und stadtgeschichtliche Gründe, sondern auch der ausdrückliche Wunsch eines Publikums, das sich für die Synthese aus klassischen Raumfolgen, repräsentativem Erscheinungsbild, solider Präzision und modernem Komfort begeistert ganz besonders in einer Nachbarschaft, die diese formalen Rückgriffe harmonisch aufnimmt. Angelehnt an den Neoklassizismus, den letzten formal einheitlichen Architekturstil des Historismus, in dem sich die bautechnischen und formalen Prinzipien der klassischen Moderne allmählich herausbildeten, folgt der zentralsymmetrische Karlshof in seinen Proportionen und Gliederungselementen einer noblen Schlichtheit nicht der daraus abgeleiteten asketischen Sachlichkeit. Markante Sockelgeschosse, französische Fenster, Erker, Balkone und Loggien vertiefen die symmetrische Fassade in einer räumlich nutzbaren Staffelung. Klassisches Profil gewinnt diese Architektur durch dezente Säulenandeutungen, Kassettierungen, Gesimse, Fensterfaschen und Schmuckbänder.

Wohnen 74 75 Wohnbebauung Othmarschen Park, Hamburg Bauherr Nordrheinische Ärzteversorgung Düsseldorf BGF 10.200 m² Planungszeit 1998 1999 Bauzeit 1999 2000 Der sehr skulptural angelegte Geschosswohnungsbau umfasst 77 Wohneinheiten mit einer Grundfläche von jeweils 56 bis 117 Quadratmetern. Der sechsgeschossige Kopfbau und ein davon abgesetzter Riegel geben dem Gebäude seine charakteristische Erscheinung. In den Dimensionen entsteht ein Verhältnis wie zwischen Zugmaschine und Waggons. Der Treppenturm am Kopf verstärkt diese Wirkung. Während sich die Nordseite als geschlossene Lochfassade aus Backstein gegen die S-Bahntrasse abschottet, präsentiert sich die Südseite mit großzügigen Loggien, Terrassen und Fensterflächen offen, hell und weltstädtisch. Hier, zur ruhigen Seite, liegen die Wohn- und Schlafbereiche. Die aufgeglasten Treppenhäuser sind im Norden angeordnet und verbinden drei Wohnungen miteinander. Der Kopfbau sowie die Nordfassade sind in schwarzem Klinker gehalten. Die Südfassade mit den eingeschnittenen Loggien aus weiß eingefärbtem Sichtbeton und farbigen Trennwänden steigert die Gegensätze von Nord und Süd: schwarz weiß, geschlossen offen, laut ruhig. Zu den einzelnen Wohnungen gehören Stellplätze, die im Hochparterre-Sockel des Gebäudes untergebracht sind.

Wohnen 76 77 Sophienhof, Düsseldorf-Oberkassel Bauherr Ralf Schmitz GmbH & Co. KG Wohnungsbaugesellschaft BGF 6.400 m² Planungszeit 2005 2007 Bauzeit 2006 2007 Wohnfläche 2.880 m² Das reizvolle Nebeneinander verschiedener Baustile des Historismus in Oberkassel von der Neorenaissance über den Neobarock und Neoklassizismus bis zum Jugendstil gehört noch heute zu den bevorzugten Wohn- und Geschäftsadressen der Landeshauptstadt. Der Wunsch des Publikums, in den stillen Wohnstraßen das Bild der alten Stadt wiederzufinden oder in den»boulevards«und Straßenrestaurants einen Hauch von Paris zu entdecken, ist angesichts der Bruchstücke einer gegenwärtig unkoordinierten Moderne unverkennbar. Versuche, sowohl im Grundriss einer monumentalen, streng symmetrischen Wohnanlage als auch in deren Gestaltungselementen an die Stadtpalais des Klassizismus anzuknüpfen, werden immer widersprüchlich bleiben. Aber dieser Widerspruch bestand bereits in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts zur Zeit der klassischen Moderne zum Beispiel bei den»volkswohnungspalästen«im»roten Wien«. Hätte man damals ein neues Wien gewollt, hätte man mit dem tradierten Gefüge der Stadt radikal brechen müssen. Weder die Stadtverwaltung, die Pracht- und Monumentalbauten wünschte, noch die Architekten aus der Akademieklasse Otto Wagners wollten das. Nicht einmal die sozialistische Arbeiterschaft mochte auf die Zeichenhaftigkeit dieser heroischen, monumentalen Inszenierung verzichten. Vor dem Hintergrund der ungeordneten Stadt von heute bleibt dieser Wunsch real, auch wenn die Auftraggeber für den Rückgriff auf die alte Stadt inzwischen andere sind und repräsentative Wohnungen dieser Art zwangsläufig ihren Preis haben. Der großbürgerliche Charakter des Sophienhofs mit seiner von Feudalbauten übernommenen Struktur der mittleren Überhöhung, turmartig modellierten Details der Dachzone und einer Plastik im»ehrenhof«ist nicht nur ein Baustil der zwanziger Jahre, sondern vor allem eine städtebauliche Gegenbewegung gegen die kleinteilige Verlorenheit des Stadtrandes.

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Wohnen 80 81 Wohnbebauung Speicherinsel, Danzig Bauherr Pirelli Pekao Real Estate BGF oberirdisch 67.960 m², unterirdisch 27.854 m² Planungszeit 2006 2007 Bauzeit 2007 2009 Wohnungsbau Rackowieckastraße, Warschau Bauherr VITERRA DEVELOPMENT Polska Sp. z o.o. BGF oberirdisch 11.483 m², unterirdisch 3.395 m² Planungszeit 2006 2007 Bauzeit 2007 2008 Schmale Straßen und Gassen prägten das Stadtbild der Speicherinsel vor dem Krieg. Um den Ort wieder lebendig werden zu lassen, wurden die historischen Baulinien beibehalten und denkmalgeschützte Gebäudeteile in die Neubauten integriert. Deren giebelständige Fassaden und eine an alte Lagerhäuser erinnernde Form bieten dem Fußgänger reizvolle Perspektiven. Eine Tiefgarage nimmt den Autoverkehr auf. Für die Erdgeschosse der Häuser wurden Ladennutzungen vorgesehen, darüber Büros, im Dachgeschoss die Wohnungen. Die Mischnutzung belebt das Viertel Tag und Nacht.»Mokotow«ist eine der begehrtesten Wohnlagen Warschaus. Nach dem»mokotovia«hat RKW dort bereits das zweite Wohngebäude fertiggestellt. In unmittelbarer Nachbarschaft findet sich eine Mischung von Gebäuden aus den fünfziger, siebziger und neunziger Jahren in entsprechend unterschiedlichen Baustilen. Klare Formen und zurückhaltende Linienführung bringen Ruhe in dieses Bild. Die Formensprache ist für polnische Verhältnisse sehr reduziert, die Materialauswahl klar und eindeutig: weißer Putz, rote Klinker und Holzläden als Sonnenschutz. Alle Wohnungen waren vor Baubeginn verkauft.

Wohnen 82 83 Wohnhaus Salierstraße, Düsseldorf- Oberkassel Bauherr Ralf Schmitz GmbH & Co. KG Wohnungsbaugesellschaft BGF 1.800 m² Planungszeit 2008 2009 Bauzeit 2009 2010 Wohnfläche 950 m² Villa Konstancin-Jeziorna, Warschau Bauherr privat Planungszeit 2006 2007 Bauzeit 2007 2008 Eingebettet in die weitläufigen Wiesen des Rheinbogens, bietet das Grundstück einen weiten Ausblick über den Rhein mit seinen Promenaden bis hin zum historischen Schlossturm. Um den repräsentativen Bedürfnissen gerecht zu werden, wurde ein Bautypus weiterentwickelt, der für die Zukunft dieses Stadtquartiers eine wesentliche Rolle spielen könnte: das städtische Wohnpalais. In seinem äußeren Erscheinungsbild, das umlaufend vertikalisierend und rhythmisch gegliedert ist, ist das raumhohe Fenster bestimmend, da dieses die besonders großzügige Innen- und Außenbeziehung zulässt und dem Haus seinen repräsentativen Charakter verleiht. Die Wohnungen greifen die traditionellen Elemente des herrschaftlichen, bürgerlichen Wohnens auf. Konstancin wurde als typische Stadterweiterung für wohlhabende Bürger nahe der Innenstadt Warschaus angelegt. Das Villenviertel ist in Gärten und Alleen eingebettet. Symmetrie, eine dominante Attika, Gesimsbänder und vertiefte Fensterlaibungen verleihen der Villa formale Raffinesse und Ausgewogenheit. Ein klassisches Entree mit zweigeschossiger Empfangshalle erschließt eine Sequenz luxuriös ausgestatteter Wohnräume. Die Formensprache bezieht sich auf die Tradition großbürgerlichen Wohnens. Dennoch wirkt sie in ihrer Reduzierung von Form und Farbe zeitlos modern.

Wohnen 84 85 Wohnquartier Hansaallee, Düsseldorf- Oberkassel Bauherr FRANKONIA Eurobau Hansaallee GmbH BGF ca. 58.000 m² Planungszeit April 2007 Das neue Wohngebiet, ursprünglich eine versiegelte gewerbliche Brachfläche, liegt zwischen der Hansaallee, dem Heerdter Lohweg und dem Prinzen-Park. Die Aufstellung von Geschosswohnungen als äußerer Ring in geschlossener Bauweise zwischen den inneren kleinteiligen Baukörpern in Solitärbauweise und der stark befahrenen Hansaallee sowie den Gewerbeflächen im Westen bildet einen Schallschutzwall. Die Häuser teilen sich in vier unterschiedliche Typen und Wohngruppen. Treppenhäuser und Aufzüge werden über großzügige Eingangslobbys barrierefrei erschlossen. Dabei eröffnen sich weite Blickbeziehungen in die individuell gestalteten Innenhöfe, die auch im Sinne des Feng-Shui zu einem positiven Energiefluss beitragen. Für den Blickbezug zu den benachbarten Gewerbeflächen an der Hansaallee wurde ein Zusammenspiel zwischen Architektur und Natur inszeniert. Ein kleines Geschäftszentrum dient zur Versorgung mit dem täglichen Bedarf. Hansaallee orientieren. Die großzügigen Stadtvillen enthalten bis zu zwei Wohnungen pro Geschoss. Sie wurden um den zentralen Platz angeordnet. Alle Treppenhäuser orientieren sich nach Norden, der Süden bleibt den Wohnräumen vorbehalten. Weitläufige Eingänge zwischen den Villen erlauben großzügige Gartenflächen. Die viergeschossigen Townhäuser und Stadtvillen, gestaffelt zwischen Geschosswohnungsbau und niedrigeren Stadtvillen, ermöglichen eine optimale natürliche Belichtung. Hier können Familien in mehreren Generationen wohnen. Durch die besondere Anordnung der Häuser entstehen ausschließlich Adressen in»bester Lage«. Die Anordnung der Treppenhäuser erlaubt variable Wohnungsgrößen auf jedem Geschoss. Betonte Ecken wirken als prägnantes Merkmal für das gesamte Quartier. Hier sind die größeren Wohnungen vorgesehen, während sich die kleineren zur

Wohnen 86 87 Wohnquartier Mörsenbroicher Weg, Düsseldorf Bauherr Düsseldorfer Wohnungsbau GmbH BGF 5.240 m² Planungszeit Juli 2007 April 2009 Bauzeit Nov. 2007 April 2009 Die beiden repräsentativen Wohngebäude mit jeweils drei Geschossen und einer gemeinsamen Tiefgarage wurden für die Düsseldorfer Wohnungsbau GmbH gebaut. Das zweite Obergeschoss ist als Staffelgeschoss um 1,50 Meter zurückgesetzt. Die beiden Gebäude sind in drei gestaffelte Bauteile gegliedert und werden über je zwei Treppenhäuser erschlossen. Die Struktur ermöglichte es, die Gebäude in zwei bis vier Wohnungen pro Geschoss aufzuteilen. Realisiert wurden zwei Wohnungen im Erdgeschoss, zwei im Obergeschoss und zwei im Staffelgeschoss. In den Obergeschossen erhielt jede Wohneinheit neben der hochwertigen Ausstattung einen Balkon mit einer Gesamtfläche von mindestens 20 Quadratmetern. Die Werthaltigkeit wird durch die Liebe zum Detail gesteigert, zum Beispiel durch horizontale Gliederung mit Natursteinbändern und Holz-Blockfenster mit integrierten Rollläden und Glasbrüstungen. Versetzte Fensteröffnungen erzeugen ein lebendiges äußeres Erscheinungs bild und führen im Inneren zu abwechslungsreichen Grundrissen. Im Sinne einer klimafreundlichen und energiesparenden Technik wurden Wärmepumpen eingebaut. Die Wohnflächen der großzügig bemessenen Wohnungen betragen zwischen 130 und 260 Quadratmeter. Der Zuschnitt der Wohnungen und die Anzahl der Räume wurden individuell auf die Käufer abgestimmt. Diese Flexibilität bzw. die Freiheit, die Wohnung individuell gestalten zu können und Räume nach den eigenen Wünschen aufzuteilen, führte räumlich und atmosphärisch zu ganz unterschiedlichen Lösungen. Jede Erdgeschosswohnung verfügt über eine großzügige Terrasse und einen Gartenanteil.

Wohnen 88 89 Harbour Island, Berlin-Tegel Bauherr IQ Martrade Holding und Managementges. mbh BGF 20.000 m² Planungszeit Studie 2006 Das Wohngebiet liegt zentrumsnah im Westen Berlins. Die Insellage auf dem Tegeler See ermöglicht die Planung einer eigenständigen Welt für luxuriöse Häuser, Villen und Apartments im und am Wasser. In der offenen Parklandschaft liegen locker verteilt Beachvolleyballfelder, spezifisch gestaltete Spielplätze und beschauliche Ruhezonen. Dieses Entree bildet den Grundgedanken der gemeinsamen Adresse: der private Club, die Gated Community. Ein parallel zur Uferlinie verlaufender, mit Naturstein belegter Hauptweg erschließt die wie zufällig angeordneten Stellplätze, die mit Kies oder Schotter markiert sind. Immergrüne Hecken schirmen den Bereich von den benachbarten Quartieren ab, erzeugen eine eigene, in sich ruhende Welt. Für nicht täglich genutzte Fahrzeuge stehen Garagen außerhalb der Insel zur Verfügung. Vom Hauptweg aus führen stegähnliche Wege aus Holz oder Natursteinplatten zu den Häusern und Bootsanlegern. schlichten Landschaft. Bestehende Bäume bilden den Rahmen für die Szenerie; neue Bäume ergänzen den natürlichen Charakter, der die Einzelstellung der Gebäude hervorhebt. Häuser, Bäume und Grünskulpturen werden darüber hinaus durch Bodenstrahler akzentuiert. Statt eines Gartens hat jeder Gebäudetyp einen individuellen Zugang zum Wasser, an dem Boote anlegen können. Über dem Wasser schwebende Terrassen vor den Wohnzimmern, Wintergärten oder Loggien steigern das Freiheitsgefühl des Lebens am Fluss. Gemeinschaftliche Funktionen wie der Empfang an der Toreinfahrt und die Parklandschaft auf der Insel bilden die ästhetische Klammer für das exklusive Wohnparadies. Eine neue Kaimauer macht die Uferlinie sichtbar. Innerhalb des Anwesens wurden verschiedene Typen von Häusern geplant: das schwimmende Haus, das Steghaus und die Villa. Die Häuser wirken als stilvolle Objekte in der einprägsam

Offenheit 90 91 1 Richard Florida: The Rise of the Creative Class: And How It s Transforming Work, Leisure, Community and Everyday Life, New York 2002. Offenheit als das zentrale Gegenbild von traditionsbewussten, konservativen, konventionellen, routinierten, kaum neugierigen Menschen gilt als Grundvoraussetzung für Austausch und Innovation. Kreativität braucht Toleranz und Offenheit. Eine offene Gesellschaft ist die Voraussetzung dafür, dass Wirtschaft gedeihen kann. Innovative Teams im Architekturbetrieb sind von ganz ähnlichen Voraussetzungen abhängig wie innovative Städte in der internationalen Konkurrenz der Metropolen, und beide Sphären befruchten sich gegenseitig. Berlin, London oder Amsterdam haben es Detroit und Duisburg vorerst nicht: ein hohes Maß an innovativer Energie und kreativem Talent. Darin liegt das entscheidende Kapital für die Wirtschaftswelt der Zukunft. Nach der Arbeiterklasse des Industriezeitalters und der Dienstleistungsklasse der postindustriellen Gesellschaft ist es nach Richard Florida nun die»kreative Klasse«, die ein neues, nämlich das kreative Zeitalter heraufbeschwört. 1 Früher war Kreativität die Domäne von Künstlern, heute ist sie Hoffnungsträger der Ökonomen. Städte buhlen um die Gunst dieser»kreativen Klasse«. Schon soll die Wirtschaftskraft der»creative Industries«zwischen der Automobilindustrie und der chemischen Industrie rangieren. Spätestens seit die EU-Kommission das Jahr 2009 zum Europäischen Jahr der Kreativität und Innovation gekürt hat, wird auch Skeptikern der Gedanke vertraut, dass die wirtschaftliche Zukunft der Industriegesellschaft in ihrer Kreativität liegt mithin in ihrer Aufgeschlossenheit für Neues und Fremdes, ohne die Kreativität nicht gedeiht.»kreative Tätigkeit ist ihrem Wesen nach Ideenarbeit«, schreibt Wolf Lotter, Redakteur des Wirtschaftsmagazins»Brand eins«. Das wichtigste Kapital der Ideenwirtschaft ist Vielfalt, nicht zuletzt der Meinungen.»Wirtschaft ist nie Wirtschaft allein. Kunst, Kultur, Gesellschaft, Soziales alle Schubladen von gestern fließen in ein neues Ganzes. Das heißt vor allem: Wir müssen die Fähigkeit, Unterschiede zu 2 Wolf Lotter: Die kreative Revolution: Was kommt nach dem Industriekapitalismus?, Hamburg 2009, S. 12. 3 Wolf Lotter, a.a.o., S. 9. sehen und zu akzeptieren, sehr viel genauer ausbilden, als es heute der Fall ist. Die Ideenwirtschaft lebt von ihrer Vielfalt.«2 Wer offene Konzepte und Meinungsvielfalt mit Chaos verwechselt, wird in Zukunft scheitern. Management wird zur Kunst, mit Überraschungen umzugehen.»wem es gelingt, aus dem, was andere verstört, einen Nutzen zu ziehen, und wer diesen Nutzen erklären kann, der ist im Zeitalter der Ideenwirtschaft gut aufgehoben.«3 Die industrielle Produktion zielt heute auf individualisierte Produkte und Dienstleistungen ein Arbeitsfeld, das gerade den kreativen Architekten vertraut sein sollte. Das Ziel liegt darin,»bedürfnisse exakt, genau, präzise zu erfüllen«, so Lotter. Die Ideenwirtschaft produziert passgenaue Ideen. Sie verfeinert permanent und verbindet industrielle Produkte und Ideen mit individuellen, detaillierten und unverwechselbaren Bedürfnissen. Im Vordergrund steht nicht mehr der Standard einer industriellen Fertigung. Ideen sind wichtiger als Produkte. Gleichzeitig wird die aufstrebende Klasse der Kreativen von den Orten angezogen, die tolerant und offen sind. Anstelle von Konformität und Anpassung stehen Individualität, Selbstverwirklichung und Toleranz im Mittelpunkt. Pluralistische und offene Städte haben einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil, wenn es darum geht, Kreativität zu fördern, Innovationen sowie Wohlstand und wirtschaftliches Wachstum zu verwirklichen. Unternehmen und Arbeitgeber, wie auch pluralistisch angelegte Architekturbüros nach dem Vorbild von RKW, profitieren von diesem Wandel dann, wenn sie nicht mehr Kreativität von ihren Mitarbeitern einfordern, sondern vielmehr selbst die methodischen und interkulturellen Voraussetzungen schaffen, die Kreativität benötigt. Richard Florida fordert, statt eines»business climate«ein»people climate«aufzubauen. Im Wettstreit um kreative Köpfe können nur offene Grenzen erfolgreich sein.

92 93 Offene Systeme der Kommunikation und des Austauschs Klaus Dieter Weiss im Gespräch mit Dieter Schmoll und Dirk Tillmann»Schulen bauen heißt, eine Atmosphäre zu schaffen, die den einzelnen Schüler in die Gemeinschaft der Schule integriert und ihn motiviert, mehr zu wagen und mehr zu erreichen.«schulen und Sporthallen sind eine relativ neue Aufgabe für Sie. Wie sind Sie an das ungewohnte Thema herangegangen? Dieter Schmoll: Mit ungewohnten Themen können Sie mich kaum überraschen. Das Jüdische Schulzentrum Düsseldorf 2003 und die Internationale Schule in Bonn 2006 bildeten eine solide Grundlage an Erfahrungen. Dank unserer spezifischen Arbeitsweise, mit der wir Projekte in Angriff nehmen, und dem Glück, für diese Aufgabe mit Dirk Tillmann einen jungen Mitarbeiter mit guten Ideen einsetzen zu können, konnten wir auch mit der Dreifachsporthalle des Comenius-Gymnasiums in Düsseldorf- Oberkassel einen Meilenstein setzen. Sie ist ein Musterbeispiel für unser Engagement im Schulbau. Dabei hatte ich als älteres Semester, sehr geprägt durch die achtziger Jahre und die Ausbildung an der RWTH Aachen, zunächst meine Einwände und Bedenken. Die Zeichnungen der Halle gefielen mir zwar sehr gut, aber mir fehlte in den Ecklösungen die klassisch-konstruktive Konsequenz. Trotzdem habe ich damals beschlossen, mich auf die neuen, überraschenden Vorschläge des jungen Kollegen einzulassen. Ich hatte das Gefühl, ihm vertrauen zu können. Zu meiner Überraschung war die Idee sehr schnell und exakt bis ins letzte Detail umgesetzt. Die erste Idee ist oft die beste, und das heutige Gebäude verkörpert ihre Realisierung. Das finde ich an diesem Objekt so wunderbar. Die Sporthalle an der Hansaallee mit ihrer zurückhaltenden, eleganten Sprache wurde auf Anhieb zum Vorzeigeprojekt und begeisterte Schüler und Lehrer. Aus anderen Städten kommen oft genug Kollegen und Besucher, die diesem Erfolg nachspüren wollen. Dirk Tillmann: Es ist eine abstrakte Qualität, die unsere Arbeitsweise auszeichnet, nicht allein die Erfahrung mit spezifischen Bauaufgaben. Wenn wir schon immer Schulbauten geplant hätten, wären wir an Systeme und Regeln für diesen Bautyp gebunden. So wären jedoch die innovativen Chancen des Entwurfs und damit die zentralen Punkte der Aufgabe verloren gegangen. Eine gewisse Unbekümmertheit macht frei. Ganz und gar ungewöhnlich für Ihre Architektursprache ist die elliptische Gemeinschafts- Hauptschule in Düsseldorf-Benrath. Folgt diese Dynamik allein der Aufgabenstellung? D.S.: Hauptschulen werden heute leider immer mehr zu»restschulen«. Unser erster Gedanke war deshalb, die Hauptschule und ihre Gemeinschaft zu stärken und den Schülern ein neues Selbstbewusstsein zu vermitteln. Das hat einen gewissen Sendungscharakter. Wir wollten, dass sich die Schü- Baukörperliche Studie der Vierfachsporthalle, Düsseldorf

94 95 ler mit einer ganz tollen Schule identifizieren. So kam die Ellipse zustande, die am Ende alle überzeugt hat, obwohl oder gerade weil diese Form für eine Schule nicht typisch ist. Wir gehen spielerisch mit der Grundform der Ellipse um. Sie erzeugt in unserer Komposition einen spannenden, offenen Raum im Wechsel von Innen- und Außenwelt. Anders als in der Systematik des rechten Winkels ist es natürlich nicht immer ganz einfach, die formale Idee bis in den letzten kleinen Nebenraum angemessen umzusetzen. Aber das ist allen, auch dem Bauherrn bewusst gewesen. Ein Leuchtturmprojekt für die schwierige Thematik der Hauptschule hat einen höheren Stellenwert. D.T.: Es war entscheidend, die Schüler zu stärken, indem über die pädagogischen Möglichkeiten hinaus ein architektonischer Identifikationspunkt geschaffen wird, damit die Schüler mit Stolz sagen können, wir kommen von der Melanchthon-Schule. Das ist auch wichtig für ihren weiteren Lebensweg. Ganz konkret sind die verbindenden Elemente unserer Schulbauten sicher der ausgelassene Umgang mit Farben im Innenraum und, abgesehen von dieser runden Form, der Ziegelstein im äußeren Erscheinungsbild. Der erlaubt uns auch, schlüssig an historische Situationen anzuknüpfen. War diese Materialwahl eine bewusste Entscheidung, die Definition einer Marke? D.S.: Eine wichtige Überlegung ist, welches Material geeignet, dauerhaft und widerstandsfähig ist, auch was Verschmutzung und Reinigung betrifft. Darum haben wir für die Dreifachsporthalle einen dunklen, kantigen Ziegelstein gewählt. Das Ergebnis hat uns so gut gefallen, dass wir den Umgang mit Ziegelsteinen an anderen Projekten weitergeführt und zur Perfektion getrieben haben. Ein Markenzeichen für unsere Schulbauten zu definieren war ursprünglich keineswegs unser Gedanke. Dieser Nebeneffekt hat sich aufgrund unserer Arbeitsweise mit dem Material von selbst eingestellt. Das ging so weit, dass wir die Schüler der Grundschule in Benrath mit individuellen Mosaik-Arbeiten in die Wandgestaltung einbezogen haben. Auch in solchen künstlerischen Aktionen liegt ein wichtiger Ansatzpunkt für die Identifikation des einzelnen Schülers mit»seiner«schule. Schulen bauen heißt, eine Atmosphäre zu schaffen, die den einzelnen Schüler in die Gemeinschaft der Schule integriert und ihn motiviert, mehr zu wagen und mehr zu erreichen. D.T.: Wir müssen über unser gewohntes Arbeitsspektrum hinausgehen, damit solche Prozesse der Identifikation in Gang kommen. Das ist auch das Argument für uns, außen und innen mit hochwertigen Materialien zu arbeiten, auch wenn das keine Selbstverständlichkeit für öffentliche Bauaufgaben darstellt. Nur mit einer Umgebung, in der sich die Schüler wohl und zu Hause fühlen, können wir erwarten, dass ein gutes Lernklima und eine Wertschätzung der Gebäude entstehen. Das Spielen mit Farbflächen stellt vielleicht den besten, weil ökonomischsten Ansatzpunkt dar, um im Innenraum zu differenzieren. Welche Erfahrungen haben Sie dabei gewonnen? Lassen sich solche Konzepte ohne Weiteres durchsetzen? D.S.: Farbigkeit ist so einfach herzustellen, aber sie verlangt eine unglaubliche Sensibilität. Beim Marie-Curie-Gymnasium haben wir das Konzept in den beiden Gebäuden der Vierfachsporthalle, der Farbstudien für das Jüdische Schulzentrum, Düsseldorf

96 97 Arbeitsmodell Marie-Curie-Gymnasium, Düsseldorf größten Sporthalle in Düsseldorf, und in dem Erweiterungsgebäude der Schule verfolgt. In beiden Häusern spielt die Farbe eine große Rolle: Sie vermittelt zwischen außen und innen. Das ist auch ein Resultat der Dreifachsporthalle. Wir hatten damals einen künstlerischen Wettbewerb gefordert. Aber ohne größeren bürokratischen Aufwand und ohne Budget war das Thema Kunst am Bau nicht zu realisieren. Am Ende haben wir eine preiswerte Lösung vorgeschlagen, indem wir selber Ideengeber und zugleich Gestalter waren. Das Ergebnis kann sich sehen lassen und findet gebührende Anerkennung. Farbkonzepte kehren bei allen unseren Projekten als Erkennungsmerkmal wieder auch bei der Jüdischen Schule, die aus einem Hinterhofareal der sechziger Jahre entstand und unser erstes reines Schulgebäude war. Räume zu gestalten bedeutet, Fantasien zu durchleben und für andere erlebbar zu machen. Welchen Stellenwert hat die Internationale Schule Bonn in dieser Entwicklungsreihe? D.T.: Bei der Internationalen Schule sollten die vielfältigen Nationalitäten der Schüler farblich dargestellt werden, eine Art von Synthese der unterschiedlichsten Flaggen. Zur Straße hin sind die Farben etwas nüchterner gewählt. Wenn man um das Gebäude herumgeht, öffnen sich die introvertiert gestalteten Innenhöfe bewusst in Orange und Rot. Mein Eindruck ist, dass die Internationale Schule der Durchbruch war, der uns zu weiteren Erfolgen in öffentlichen Verfahren verholfen hat. Der Etat war äußerst knapp, trotzdem ist die Resonanz sehr gut. Zu unseren weiteren Erfolgen im Sporthallenbau gehört seit Kurzem das Olympische Sportleistungszentrum in Potsdam, zu dem eine große Halle mit 3.000 Zuschauerplätzen gehört. Das Projekt wird mit speziellen Einrichtungen für den Judo- und Fechtsport ergänzt. Wie sehen Sie die Chancen, den emotionslos geradlinigen Funktionalismus unserer vorhandenen Schulgebäude aufzubrechen? Universitäten räumlich ebenso in Gang gesetzt und ermöglicht werden, wie in den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen der Industrie. Das wird noch viel zu wenig ernst genommen oder auch nur wahrgenommen. D.T.: Der menschliche Maßstab kommt mit bestimmten Größen nicht mehr zurecht. Bei den Hochschulen ist zu erkennen, wohin dieser Ansatz führt. Diese großen Systeme bieten keine Identifikationsmöglichkeiten mehr. Aus diesem Grund müssen andere Aspekte in die Diskussion eingebracht werden. Dazu gehören Themen wie Haptik, Atmosphäre, Charakter, Stimmung, das Narrative. Doch wer dies in den Vordergrund stellt, landet wegen der Entfernung von den klassischen Themen der Architektur oft genug in der Ecke»Dekorateur und Eventgestalter«. Trotzdem lässt Ihre Gemeinschafts-Hauptschule Benrath den Stimmungswandel schon deutlich erkennen D.S.: Der Arbeitstitel war immer»hula-hoop«, da die Erschließung innen nicht orthogonal angeordnet ist, sondern wie die Figur selbst eine eigene Dynamik entwickelt. Das hat mehrere funktionale Gründe, hat aber auch mit Blickführung und dem inneren Raumgefühl zu tun. Teilweise finden sich einspannige Bereiche für Klassenräume, die zur Morgen- und zur Mittagssonne hin ausgerichtet sind. Und es gibt Funktionen, die größere Räume benötigen, zum Beispiel Fachklassen und Räume für die Mittags- und Nachmittagsbetreuung. Diese Sonderbereiche sind an einem Flur gelegen, der beidseitig mit Nutzung besetzt ist. Weiterhin erzeugt der Hula-Hoop die Situation, dass auf der lauten Seite zur Bahnstraße keine Nutzung vorhanden ist, sondern nur die Verkehrsfläche. Im Fokus des Innenraums entstehen wechselnde Blickbeziehungen aus dem öffentlichen Flurbereich in die gegenüberliegenden Schulräume oder umgekehrt. So ergibt sich ein sicherlich ungewöhnliches Gebäude, mit dem sich aber jeder Nutzer unbedingt und an jeder Stelle identifizieren kann. D.S.: Im Hochschulbau wandelt sich das schon sehr stark. In Aachen sind 320.000 Quadratmeter Hochschulbau auf dem Markt, das ist fünfmal die Dimension des RKW-Projekts EnBW-City für 2.200 Mitarbeiter. Die RWTH baut gerade für 10.000 Studenten, nur in Aachen. Auch in Düsseldorf werden zahlreiche Hochschulbauten in Angriff genommen. Nahezu alle deutschen Hochschulstandorte stehen vor einer gigantischen Neubau-Welle. Das ist also ein Thema, mit dem wir uns in Zukunft mehr auseinandersetzen müssen. Deutschland wäre in seinem Nerv getroffen, wenn es nicht gelänge, in diesem Punkt mit dem Ausland gleichzuziehen. Insofern ist das Thema Schulbau sicherlich eines der offensten Themenfelder, mit denen man sich zurzeit befassen kann. Manchmal ist es aber gar nicht so offen. Nachhaltigkeit im Sinne einer zukünftigen Drittverwendung kann schnell zum Hindernis für anspruchsvolle Raumkonzepte werden, weil dann Schulen nicht mehr allein für Schüler oder Studenten gebaut werden, sondern nach einer Halbwertszeit Zweckbauten aus ihnen entstehen sollen, deren funktionale Anforderungen von Anfang an zu berücksichtigen sind. Bei der Fernuniversität in Hagen ist das ein ganz wichtiges Argument. Das Gebäude funktioniert wie ein Bürohaus. Das Wesentliche an einem Institutsbau ist jedoch die Kommunikation. Dieser Austausch muss in Schulen und Farbstudien für das Marie-Curie-Gymnasium, Düsseldorf

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Schulen 100 101 Internationale Schule, Bonn Bauherr VEBOFUTUR GmbH BGF 9.630 m² Planungszeit Jan. 2004 Aug. 2004 Bauzeit Okt. 2004 Dez. 2005 Wettbewerb 1. Preis Die Internationale Schule Bonn versammelt die unterschiedlichsten Nationen, Kulturen, Religionen und Generationen unter einem Dach ein Ort zum Lernen, Arbeiten und Forschen; zum Spielen, Kommunizieren und Austauschen; zum Bewegen, Ausruhen und Erholen. Hier finden Aktivitäten in kleinen Gruppen, aber auch Großveranstaltungen statt. Das Schulgebäude unterstützt Gegensätze wie Weite und Rückzug, ruhige und laute Töne, weckt Sehnsüchte und bietet Raum für Vielfalt. Seine Lage am Rhein, der einmalige Panoramablick und die Nähe zum ehemaligen Bundesgartenschaugelände sowie zu einer denkmalgeschützten amerikanischen Siedlung schaffen eine spezifische Atmosphäre. zentrale Eingang mit seiner großzügigen Pausenhalle. Als Orientierungs- und Treffpunkt erschließt dieser Fokus alle weiteren Funktionen. Zwei weiße Putzbänder im Sturzbereich der Fenster trennen die Geschosse optisch voneinander und erzeugen die horizontale Bewegung der Fassade. Auskragende Dächer und stählerne Fluchttreppen markieren das Ende der Finger und den Übergang in den Außenraum. Farbige Putzflächen und filigrane Profile gliedern die Fassade. Die Farbverschmelzung von Landschaft und Gebäude bildet eine einzigartige, unverwechselbare Komposition. Die lang gestreckte, fließende Figur des Entwurfs entstand aus dem Synergieeffekt zwischen Gebäude und Landschaft. Wie von einem Sog wird das Grün in die Gebäudestruktur gezogen, die fröhliche Bewegung der Architektur ihrerseits in den Grünraum weitergetragen. Das Gebäude beginnt am Schulparkplatz mit einer geschlossenen Fassade und einer geraden Kante, von dieser Basis aus fließt es wellenförmig in die Natur. Die mäandernde Bewegung der aus drei Fingern bestehenden Figur erzeugt im Schwerpunkt rund um eine alte Eiche einen Innenhof. Hier liegt der

Schulen 102 103 Jüdisches Schulzentrum, Düsseldorf Bauherr Jüdische Gemeinde Düsseldorf BGF 5.400 m 2, davon 3.000 m 2 Bestand Planungszeit 2001 2003 Bauzeit Juli 2002 Sept. 2003 Das Jüdische Schulzentrum auf dem Gelände der ehemaligen Berufsschule an der Schwerinstraße umfasst neben Kindertagesstätte und Grundschule auch ein Jugendzentrum und eine offene Religionsschule. In dem von Blockbebauung umschlossenen, mit großen Bäumen bestandenen Innenhof entstand ein vielfältiger und dennoch einheitlicher Baukomplex aus Alt und Neu: Drei farbig-heiter gestaltete Baukörper mit begrünten Dächern ergänzen den streng gegliederten Ziegelbau der sanierten Berufsschule aus der Jahrhundertwende zu einem reizvollen Ensemble. Nach Überzeugung der jüdischen Gemeinde Düsseldorf ist jede Gemeinschaft einzigartig, so auch religiöse Gemeinschaften. Kein religionsgesetzliches Prinzip ist aber wichtiger als die Achtung vor dem Nächsten. Den theologisch, psychologisch und kulturell begründeten, nicht veränderbaren Grenzen einer religiösen Gemeinschaft steht darum die ständige Verpflichtung gegenüber, Brücken des Dialogs zu errichten. Dieser Dialog ist die besondere Herausforderung der Öffentlichkeitsarbeit der jüdischen Gemeinde wie auch des Unterrichts in den eigenen Einrichtungen Kindergarten, Yitzhak-Rabin-Grundschule, Religionsschule und Jugendzentrum. Durch den täglichen Umgang mit der jüdischen Religion wird der Alltag der Kinder lebendiger, interessanter und bewusster gestaltet. Das gilt besonders für die Kinder aus der ehemaligen Sowjetunion, die bislang kaum etwas über die jüdische Religion erfahren haben. Der jüdische Religionsunterricht ist ein staatlich anerkanntes Unterrichtsfach, das mit zwei bzw. drei Wochenstunden nachmittags zentral im Schulzentrum unterrichtet wird. Die Leistungen werden benotet und als versetzungsrelevantes Nebenfach dem christlichen Religionsunterricht gleichgestellt. Kinder der Klassen 1 bis 4, die nicht die eigene, staatlich anerkannte Grundschule der jüdischen Gemeinde besuchen, die erste und bisher einzige in Nordrhein-Westfalen, erhalten ihren Religionsunterricht in der Religionsschule. Für die notwendige Einrichtung einer weiterführenden Schule fehlen der Gemeinde zurzeit noch die Mittel.

Schulen 104 105 Gemeinschafts-Hauptschule, Düsseldorf-Benrath Bauherr Landeshauptstadt Düsseldorf BGF 5.000 m² Planungszeit ab 2008 Fertigstellung 2012 Wettbewerb 1. Preis Mitten im Grünen, umgeben von Bäumen, liegt der elliptische Solitärbau der Schule, der seine starke Ausstrahlung aus sich selbst bezieht. Die prägnante Architektur ermöglicht es den Schülern, sich mit Gebäude und Ort und nicht primär mit der Gattung Hauptschule zu identifizieren. Der dreigeschossige Ring ist mit seiner Längsachse zur flachen Morgensonne hin ausgerichtet, sodass der offene Hof ganztägig besonnt wird. Der Innenhof ist gleichzeitig Lunge und Herzstück des Gebäudes: Er belüftet die Räume von der straßenabgewandten Seite aus und dient darüber hinaus als vielfältig bespielbares Auditorium. Durch das aufgebrochene Erdgeschoss entstehen fließende Übergänge zwischen Innenräumen, Hof und Außenraum. Der aufgeständerte Eingangsbereich und ein zum Hof hin orientiertes Forum erschließen einen Spiel- und Aufenthalts-, einen Musik- und einen Mehrzweckraum sowie einen umlaufenden Flur in zwei Richtungen. Von hier aus sind Mensa, Ruhe- und Hauswirtschaftsraum, ein Textil- und ein Kunstraum zugänglich. Die spannungsreiche Raumfolge im Wechsel von Ein- zu Zweihüftigkeit vermittelt auch im Obergeschoss gute Orientierung. Hier befinden sich die Klassenräume, das Lehrerzimmer, die Verwaltung, eine Mediathek und ein Informatikraum. Im zweiten Obergeschoss sind weitere Klassenzimmer angeordnet, Chemie, Technik, Mechanik und naturwissenschaftliche Räume sowie eine große Terrasse. Räume, die unterschiedlichen Nutzungen im Tagesverlauf dienen, sind so positioniert, dass sie möglichst lange Sonnenlicht erhalten. Blickbeziehungen durch den Innenhof und offene Treppen erzeugen dreidimensionale Verbindungen. Variabel aufteilbare Multifunktionsräume geben den Schülern die Gelegenheit, abseits des engen Klassenverbandes zu lernen. Nach Norden schützt eine besondere Schallschutzverglasung vor dem Lärm der Straße. In Verbindung mit dem erhaltenswerten Baumbestand entstand der Charakter einer»schule im Park«.

Schulen 106 107 Franz-Mehring-Schule, Leipzig Bauherr Stadt Leipzig Hochbauamt BGF 4.980 m² Planungszeit Juli 2005 Sept. 2005 / Juni 2007 Dez. 2007 Bauzeit März 2008 Aug. 2009 Die 1973 erbaute, ehemalige polytechnische Oberschule wurde 1992 als Grundschule eingerichtet. Der 30 Jahre alte Plattenbau konnte 2009 umfassend saniert, barrierefrei umgestaltet und um einen Neubau erweitert werden, der alle fehlenden Funktionen, Qualitäten und Flächen bereitstellt. Der Einbau neuer Fenster, ein Vollwärmeschutzsystem und eine neue Heizung führten zu einer wesentlichen Senkung der Betriebskosten. Eine auf dem Dach neu installierte Fotovoltaikanlage dient der Kohlendioxid-Reduktion. Der selbstbewusst frische und farbenfrohe Erweiterungsbau vor dem hell geputzten Giebel und den eleganten Fensterbändern des Bestandsgebäudes gibt der Schule ein neues Gesicht. Die leuchtend grüne Fassade und moderne Räume mit freundlichen Farben schaffen neue Akzente und funktionale Verbesserungen. Der Anbau wertet den gesamten Schulstandort auf, der sich mit seinen Baukörpern selbstverständlich in die Umgebung integriert. bestehende Raumangebot bereichern. Die großzügigen Freiflächen auf der Südwestseite blieben unberührt. Ein neues, luftiges Foyer im Erdgeschoss des Neubaus erschließt beide Gebäude barrierefrei. Auf diese Weise konnte die bisherige Lage des Haupteingangs beibehalten werden. An das Foyer schließt eine großzügige Aula an; im ersten und im zweiten Obergeschoss sind ein geräumiger Zeichensaal und neue Flächen für den Musik- und Ganztagsunterricht untergebracht. Für die 350 Schüler und 25 Lehrer sind helle, lichtdurchflutete und sonnige Räume entstanden. Die zusätzlich geschaffenen Räume, darunter ein Mehrzweckraum, ermöglichen eine optimale Umsetzung des pädagogischen Konzepts der Schule. Die Komposition aus Alt und Neu ist flexibel nutzbar und räumlich so klar und kompakt strukturiert, dass sich die Schüler leicht orientieren können. Lehrer und Schüler profitieren von kurzen Wegen zu den sanierten und den neuen Räumen, die das

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Schulen 112 113 Vierfachsporthalle Marie-Curie- Gymnasium, Düsseldorf Bauherr Landeshauptstadt Düsseldorf BGF 3.450 m² Planungszeit Okt. 2005 Okt. 2007 Bauzeit Sept. 2006 Aug. 2007 Für das Marie-Curie-Gymnasium entstand die erste Vierfachsporthalle der Landeshauptstadt. Auf einer Grundfläche von 27 60 Metern treiben die Schüler parallel und ungestört voneinander Sport. Die vier einzelnen Spielfelder können durch Herablassen von Trennvorhängen auch akustisch gut abgeschirmt werden. Die Tribüne für 350 Zuschauer ist drei Hallenteilen zugeordnet, die zusammengefasst eine Wettkampfhalle bilden. Der vierte Hallenteil dient in diesem Fall der Vorbereitung der Sportler. Drei seitlich verglaste Riegel, die gleichzeitig die Trennvorhänge verfügbar halten, bilden die Dachkonstruktion. Wohnbebauung. Die Ziegelkuben mit den Sekundärfunktionen sind in die Flurzonen hineingezogen. Farbige Wandflächen markieren die Aufgänge zu den Tribünen und die individuellen Zugänge zu den einzelnen Hallenabschnitten. Großformatige Beschriftungen lenken den Blick in den jeweiligen Hallenzugang. Das Farbkonzept schafft Orientierung, aber auch Identifizierung. Die Sporthalle verfügt über acht Umkleidekabinen mit Duschen, einen Sanitätsraum sowie einen unterteilbaren Gymnastik- und Fitnessraum im Obergeschoss. Das große Eingangsfoyer und die 350 Sitzplätze auf der Tribüne rüsten die Halle für den Schulund Breitensport, aber auch für Wettkämpfe und Turniere. Architektonisch fügt sich das Gebäude mit Klinker und Putz in die Landschaft ein. Der bestehende Schulkomplex wird dabei gestalterisch ebenso berücksichtigt wie die angrenzende kleinteilige

Schulen 114 115 Dreifachsporthalle, Düsseldorf-Oberkassel Bauherr Amt für Immobilienmanagement der Landeshauptstadt Düsseldorf BGF 2.960 m² Planungszeit Dez. 2004 Juni 2006 Bauzeit Sept. 2005 Juni 2006 Die Stadt Düsseldorf fördert intensiv den Schulund Leistungssport. Das Comenius-Gymnasium in Oberkassel, an dem der Sport einen großen Stellenwert hat, wurde darum durch den Bau einer Dreifachsporthalle erweitert. Die Sporthalle umfasst eine Fläche von 27 45 Metern und ist mit einer Tribüne für 300 Zuschauer als Wettkampfhalle geplant. Umkleiden mit Duschen und Toiletten, Geräte- und Technikräume sowie WC-Anlagen für Besucher stehen im Erdgeschoss zur Verfügung. Im Obergeschoss liegen drei zusätzliche Übungsräume von jeweils etwa 100 Quadratmetern für Gymnastik, Kraftsport und Fitness. Der Entwurf orientiert sich an den drei gestaffelten Riegeln des Schulgebäudes aus Ziegelstein sowie am alten Baumbestand entlang der Straßenfront. Drei Glasriegel überspannen die gesamte Hallentiefe, treten zur Straße hin vor die Fassade und erweitern die oberste Tribünen- Ebene in Höhe der Baumkronen. Sichtbeton-Lisenen bilden ein umlaufendes horizontales Erdgeschossband. Sie gliedern die Ziegelsteinfassade und schaffen innerhalb der Fassaden den Bezug zum menschlichen Maßstab. sorgt so für ein homogenes, zurückhaltendes Erscheinungsbild. Die Dachkonstruktion besteht aus Holz- und Stahlfachwerkträgern, die ein orthogonales Sheddach bilden. Die sichtbare Holzschalung findet in der Prallwand aus gelochten Holzpaneelen ihr Pendant. Seitliche Verglasungen sorgen für die Leichtigkeit und Helligkeit des Innenraums. Das Farbkonzept führt die entwurfsbestimmenden Elemente Ziegelrot und Grün im Inneren fort und

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118 119 Bürowelten im Mittelpunkt des ökologischen Wandels Klaus Dieter Weiss im Gespräch mit Friedel Kellermann und Lars Klatte»Im Gegensatz zu den sechziger Jahren, als der Bezug zur Natur maschinell ersetzt wurde, können wir sie heute in die Architektur grundlegend einbeziehen. Aber entgegen ersten Erwartungen muss sich dieser Zusammenhang keineswegs im Bild der Architektur widerspiegeln.«entwurfsstudie für die DB Cargo, Duisburg Energetische Fragestellungen waren vielen Architekten lange Zeit nicht sonderlich wichtig. Wird dieser Anspruch heute auf allen Seiten ernst genommen? Friedel Kellermann: Das schönste Geschenk, das ich als Pennäler bekommen habe, war ein Steinbaukasten mit ganz kleinen Ziegelsteinen, für die man einen Mörtel anrühren konnte, um Häuser zu bauen. In meinem gesamten Berufsleben vom Maurerlehrling bis zum Studenten und Architekten habe ich mich dafür interessiert, wie Menschen in ihren Gebäuden leben, und mir dafür ein Fachgebiet nach dem anderen erschlossen. 1958 trat ich meine erste Stelle an. Schon bald hatte ich gelernt, dass das Vertrauen von Bauherren nicht allein mit gestalterischen Ideen zu gewinnen ist. Ein Architekt muss immer die gesamte Materie des Bauens durchdringen und verstehen, sonst wird er zum Spielball äußerer Einflüsse. Dazu gehören vor allem technische und konstruktive Innovationen und eben auch Energiefragen. Lars Klatte: Dieser Wille, für alle Themen, vom Städtebau über die Innenarchitektur bis zum Produktdesign, und für alle Leistungsphasen, vom Entwurf über die Bauleitung bis zur Mängelverfolgung, die Verantwortung zu übernehmen, ist ein zentrales Merkmal, das uns von vielen Büros unterscheidet. Nur so bleibt übrigens auch die Erfahrung aus 60 Jahren präsent. F.K.: Natürlich waren wir vor 50 Jahren, als wir die Hauptverwaltung Horten bauten, nicht so weit wie heute. Helmut Rhode hatte damals den Wettbewerb gewonnen, und wir mussten sehr, sehr innovativ arbeiten, vor allem im Bereich der Gebäudetechnik. Auch organisatorisch war das Projekt absolutes Neuland: das erste Großraumbüro, das in Deutschland gebaut wurde. Wir haben dabei für eine möglichst große Bearbeitungstiefe gesorgt, um die gesamte Bandbreite von Leistungen abzudecken. Dieser Erfolg lässt sich bis heute weiterverfolgen, ob es die neu entwickelte Arbeitsplatzorganisation der DB Cargo in Duisburg im Jahr 1996 war oder die zusammen mit Norman Foster in sechsgeschossigen Einzelabschnitten angelegte Doppelfassade der ARAG-Hauptverwaltung in Düsseldorf wenig später. Welche Arbeitsplatzqualitäten haben Sie bei der DB Cargo neu geschaffen? L.K.: Bei Bürogebäuden mit flexiblen Trennwandsystemen wird normalerweise eine Büroraumstruktur erst durch das Versetzen und Umbauen von Wänden verändert. Das ist aufwendig und langwierig. Wir hatten aber einen Nutzer, bei dem kleine Mitarbeitergruppen regelmäßig viel kleinen Güterverkehr abwickeln, der aber plötzlich auch einen Atommülltransport managen muss, wofür sehr viele Menschen zusammenarbeiten müssen. Gefragt war also die Möglichkeit, die Gruppengröße von einer Minute zur anderen zu verändern. Darum haben wir einen völlig neutralen Arbeitsplatz entwickelt, der wie der Innenraum eines Autos auf die Maße des Nutzers abgestimmt werden kann: die Höhe des Arbeitstisches, die Position des Tisches im Raum. Der Nutzer verfügt über einen Rollcontainer mit seinen persönlichen Gegenständen und ein Wandsystem, an das persönliche Dinge angeklipst

120 121 Wandorientierte Arbeitsplätze, DB Cargo Duisburg werden können, um das Umfeld zu individualisieren so wie diese Dinge auch in einem Auto eine individuelle Atmosphäre schaffen, ohne dass die Karosserie verändert wird. Dieser Gedanke hatte nicht zuletzt Einfluss auf die Architektur. Das Ergebnis war eine zellenartige Verkettung im Kleinen wie im Großen: eine Skulptur modularer Elemente, die einem Rückgrat ähnelt. Es war ein Konzept, das schnell Nachahmer fand. Was für ein Energiekonzept haben Sie eingesetzt? F.K.: Wir haben sehr kleine und effiziente haustechnische Versorgungseinheiten eingesetzt, die nicht unter den Leitungsverlusten langer Versorgungswege leiden. Das Gebäude ist natürlich belüftet und operiert mit einer Nachtspeicherkühlung, für die Entenklappfenster in die Fassade eingebaut sind. Das sind Fenster, die so nach außen geklappt werden können, dass sie einbruchsicher und bei Regen witterungsgeschützt sind. So kann das Gebäude nachts Kaltluft aufnehmen und in seinen massiven Bauteilen wirkungsvoll speichern. Wie verlief der Entwicklungsprozess der ARAG-Doppelfassade? L.K.: Als wir die Doppelfassade in ihrer Funktionsweise nachgewiesen haben, gab es ein einziges Testgebäude und schlichtweg noch keine Rechenprogramme, mit denen sich Luftströmungen simulieren ließen. Deswegen haben wir eigene Windkanaltests an der RWTH Aachen und in der Nähe von Toronto vorgenommen. Wir versuchten, mit einem Modell dieser Fassadentypologie im Maßstab 1:10 und einem Gas-Luft-Gemisch die Strömungsweise in dieser Doppelfassade nachzuweisen. Das war ein mühsamer, aber auch sehr aufregender Weg. Nach wie vor hat diese Doppelfassade, die nicht nur mit Kastenfenstern über eine Etage funktioniert, sondern mit einem Abluftelement über sechs Etagen arbeitet, eine Wirkungsweise, die anderen Doppelfassaden grundsätzlich überlegen ist. F.K.: Das Gebäude arbeitet mit dieser Doppelfassade mittlerweile zehn Jahre störungsfrei. Wir betreuen die Mängelverfolgung und die Gewährleistungsverfolgung und konnten dabei bisher keinerlei Systemfehler feststellen. Ein Projekt dieser Komplexität mit diesem Innovationsgrad mängelfrei zu übergeben ist ein großer Erfolg der auf allen Arbeitsfeldern gleichrangigen Zusammenarbeit zwischen Norman Foster und uns. Welche Rückschlüsse ziehen Sie für die zukünftige Entwicklung aus diesen Projekten? F.K.: Wir sind heute bei der Erkenntnis angekommen, dass wir Gebäude anbieten müssen, die flexibel und reversibel alle unterschiedlichen Arbeitsplatzformen möglich machen. Letztlich ist das eine große Erleichterung, weil man so zu allgemein gültigen Raumformen kommt. Dies eröffnet Spielraum für neue Fragestellungen, die nicht minder wichtig sind. Als wir 1996 diesen Punkt erreicht hatten, konnten wir uns mit Nachdruck darauf konzentrieren, die haustechnischen Aspekte in den Vorder- grund der Planung zu stellen. Wir waren sicherlich nicht die Einzigen, aber doch ein Büro, das auch die Gelegenheit hatte, entsprechende Gebäude konsequent zu entwickeln und umzusetzen. Es hatte in den siebziger und achtziger Jahren Probleme in Bürowelten gegeben, darunter zum Beispiel signifikant höhere Krankenstände bei den Nutzern, weil keine Möglichkeit vorhanden war, bei höheren Gebäuden für frische Luft und angenehme Temperaturverhältnisse zu sorgen. Das wollen wir verbessern und dabei gleichzeitig nachhaltig planen. Wir haben immer versucht, der Architektur auf einer technischen und abstrakten Ebene einen Impuls zu geben, um diesen dann in der Gestaltung ablesbar zu machen. L.K.:»Form follows function«hatte lange das Gesicht von Bürogebäuden geprägt: Konzepte, die vor allem Fritz Haller mit seiner Modularisierung bekannt machte. In den letzten zehn Jahren hat das, was den Arbeitsplatz in klimatechnischer Weise bestimmte, die Architektur geprägt. Das haben wir zum Anlass für die gestalterische Erscheinung genommen. So war es auch beim Hochhaus für die ARAG, bei dem wir aus der Strategie der einzelnen gestapelten kleinen Gebäude mit der Doppelfassade und dem über sechs Geschosse reichenden Lüftungskamin den gestalterischen Rhythmus gefunden haben. Diesem Motiv folgend, entwickelten wir das kommunikative innere Erschließungskonzept mit den umgebenden sozialen Funktionen. Aus einem haustechnischen klimatischen Konzept erwuchs ein gestalterisches, aus diesem wiederum ein inneres Organisationsprinzip und daraus das Brandschutzkonzept. Aus den letzten beiden entwickelte sich die eigentliche Konstruktion mit den vorgefertigten Modulen aus Stahlverbundtragwerk. Auslöser dieser Kaskade war die natürliche Versorgung der Arbeitsplätze mit frischer Luft. Ein Konzept, das bei der Hauptverwaltung der Unternehmen Debitel und EnBW noch perfektioniert werden konnte. Was sehen Sie als nächste Schritte? L.K.: Bei Debitel war unser Ziel, ein Bürohochhaus zu entwickeln, bei dem nicht nur das Problem der natürlichen Belüftung in fassadennahen Bereichen gelöst wird, sondern auch die natürliche Belüftung der Innenzonen. Das haben wir mit einem solaren Auftriebskamin erreicht, der durch das ganze Gebäude geht. Im Gegensatz zu den sechziger Jahren, als der Bezug zur Natur maschinell ersetzt wurde, können wir sie heute in die Architektur grundlegend einbeziehen. Aber entgegen ersten Erwartungen muss sich dieser Zusammenhang keineswegs im Bild der Architektur widerspiegeln. Unsere langjährige Erfahrung und unser Know-how in Energiefragen schaffen vielmehr die Freiheit, sich wieder den rein architektonischen Themen zu widmen. An diesem Punkt stehen wir heute mit der Hauptverwaltung der Landessparkasse zu Oldenburg wie auch mit dem Wettbewerbsentwurf rund um das Spiegel-Hochhaus in Hamburg, ohne die genannten arbeitsorganisatorischen oder energetischen Fortschritte zu vernachlässigen.

122 123 Das energetische Anforderungsprofil der Architektur ist demnach im Bürohausbau bereits umgesetzt? F.K.: Wenn man bedenkt, welches Veränderungspotenzial die Architekten damit auf den Weg gebracht haben, geht das weit über den energetischen Fortschritt anderer Branchen, etwa der viel stärkeren Autoindustrie, hinaus. Es hat eine regelrechte Energie-Revolution des Bauens gegeben, die jedoch leider vergleichsweise wenig Beachtung findet. Auch spiegelt sich das ökonomische Potenzial für die Auftraggeber nicht in den Honorarsätzen wider. Trotzdem sind wir natürlich sehr stolz auf unseren Erfolg, nicht nur auf die Qualität unserer Objekte, sondern auch auf den gesellschaftlichen Beitrag. Wie messen Sie diesen Erfolg? L.K.: In Zahlen. Bei unserem Projekt EnBW-City liegt der Jahresenergiebedarf bei < 40 kwh/m 2 a. F.K.: Als wir die KfW umbauten, gab es die Deutsche Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (DGnB) noch gar nicht, aber es gab auf Bundesebene die Richtlinie»Solares Bauen«, die genau festlegte, ab wann ein Projekt Leuchtturmcharakter hat. Maximal fünf Projekte durften vergleichbare Technologien eingesetzt haben, dann mussten bestimmte Zielwerte in der Planung prognostiziert und vom planenden Ingenieurbüro sowie einem unabhängigen zertifizierten Hochschulinstitut testiert werden. Das ist bei diesem Projekt geschehen. Der hohe Standard, den wir dabei bereits vor vier Jahren erreicht hatten, wird jetzt erst als höchster Standard in der ersten Zertifizierungsform der DGnB angeboten. Mit anderen Worten: Die Bedingungen für den»green Building Award«hatten wir schon erfüllt, bevor es diese Auszeichnung überhaupt gab. Entwurfs-Skizzen für das Haus der Ärzteschaft, Düsseldorf

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Verwaltungsbau 126 127 DB Cargo, Duisburg Bauherr DB Immobiliengesellschaft mbh BGF 29.000 m² Planungsbeginn Okt. 1996 Bauzeit März 1997 Juli 1998 Auszeichnungen Auszeichnung guter Bauten 1999 des BDA Rechter Niederrhein, Office 21 Award des Fraunhofer Instituts für innovative Bürogestaltung Infolge der Bahnreform und der Gründung der Deutschen Bahn AG mit stark marktorientierten Zielen entstanden zahlreiche Tochtergesellschaften. In diesem Verbund betreut die DB Cargo den gesamten Güterverkehr. Alle Serviceleistungen mit Kundenkontakten in Deutschland und Westeuropa wurden in Duisburg-Wedau zusammengeführt der Stadt, die mit ihrem bedeutenden Binnenhafen schon immer ein traditioneller Güterumschlagsplatz war. Am Rande eines Naherholungsgebietes angesiedelt, ist der Standort eher landschaftlich als städtisch geprägt. Diesem Bild entspricht die gegliederte und aufgelockerte Architektur. An eine leicht gekrümmte, 220 Meter lange Magistrale docken beidseitig, aber jeweils versetzt zueinander neun dreigeschossige Büroriegel an. Das große Foyer in der Mitte dieser Stahl-Glas-Konstruktion bildet das Zentrum. Von hier aus erreichen die Mitarbeiter ihre flexiblen Büromodule. Das Foyer wird von zwei Gebäudetrakten mit Gemeinschaftseinrichtungen flankiert, einem Schulungs- und Konferenzbereich sowie Küche und Cafeteria. Dank der wechselseitigen Anordnung der Gebäude ist die Erschließungsachse ein natürlich belichteter Raum an der Fassade. Blickbeziehungen nach draußen sind im gesamten Gebäude nahezu von jedem Standort aus möglich. Die schnelle und flexible Bearbeitung der saisonund marktabhängigen Aufträge erfordert ein Höchstmaß an flexibler Raumorganisation, von der kleinteiligen Zellenstruktur über das Kombi- bis zum Großraumbüro. Variabel nutzbare, wandorientierte Arbeitsplätze und flexibles Mobiliar erlauben die notwendige schnelle Anpassung an ständig wechselnde Teams. Konzentration und Kommunikation sind Maßstab für dieses innovative Arbeitsplatzkonzept. Mit der DB Cargo wurde dieser in Deutschland bis dahin kaum erprobte Bürotyp neu etabliert.

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Verwaltungsbau 130 131 ARAG Tower, Düsseldorf Bauherr ARAG Allgemeine Rechtsschutz-Versicherungs-AG BGF oberirdisch 33.000 m², unterirdisch 5.100 m² Planungszeit Mitte 1997 Anfang 2001 Bauzeit 1998 2001 Entwurf und Planung durch Architektengemeinschaft ARAG 2000, Foster + Partners, London und RKW Architektur + Städtebau, Düsseldorf An einem der verkehrsreichsten Knotenpunkte im Norden Düsseldorfs erhebt sich das über 100 Meter hohe Hochhaus der neuen Konzernzentrale der ARAG-Rechtsschutzversicherung. Mit seiner in Anspielung auf den Vorgängerbau von 1956 gewölbten Fassade verkörpert der Bau ein markantes und weithin sichtbares Orientierungszeichen der Stadt. Das äußere Erscheinungsbild ist durch den Rhythmus der 32 Etagen geprägt, die sich zu Gruppen zusammenfügen. Innerhalb von vier vertikalen Abschnitten oberhalb der Lobby stellen drei Paare von jeweils zweigeschossigen Gärten und dezentralen Technikbereichen eine interne Zäsur dar. In der Fassade bündeln sie sich formal wie funktional zu sechs Büroebenen bzw. insgesamt acht Geschossen. Diese Unterteilung erlaubt eine neuartige Wirkung der klassischen gläsernen Doppelfassade. Im Fassadenzwischenraum befindet sich jeweils ein über sieben Geschosse reichender Abluftkamin, über dessen Thermik alle Etagen natürlich be- und entlüftet werden. Zusätzlich können in allen Büros die Fenster individuell geöffnet werden. ist die linsenförmige Innenzone mit Meetingpoints und kleinen Besprechungsinseln. Die um dieses Zentrum gruppierten Büroeinheiten sind so flexibel, dass sie in kürzester Zeit den jeweiligen Bedürfnissen, vom Einzelbüro über das Kombibüro bis zum Großraum, angepasst werden können. Bis zu drei Geschosse können über interne Treppen miteinander verbunden werden, sodass sich auch größere Abteilungen auf kurzem Wege intern austauschen können. Jeweils an den Enden der ellipsenförmigen Grundfigur liegen die Kerne. Nach außen zeigt sich dieser Funktionswechsel im Materialwechsel vom gläsernen Schild der Büros zu den großformatigen Keramiktafeln der Erschließungskerne. Das innovative Hochhauskonzept, dessen technische, konstruktive und gestalterische Zielsetzungen uhrwerkartig ineinandergreifen, wurde in Zusammenarbeit mit dem englischen Architekturbüro Foster and Partners entwickelt. Die Form der äußeren Hülle bleibt auch im Inneren ablesbar. Das Zentrum eines jeden Geschosses

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Verwaltungsbau 134 135 Vodafone-Hochhaus, Düsseldorf Bauherr Vodafone Holding GmbH BGF 17.200 m² Planungszeit März 1999 Juli 2000 Bauzeit Dez. 2000 Dez. 2001 Das ehemalige Mannesmann-Hochhaus neben der früheren Hauptverwaltung des Konzerns (Peter Behrens, 1911) gilt als eines der ersten Bürogebäude im Nachkriegseuropa, das in Stahlskelettbauweise errichtet worden ist: eine der ersten»schlanken Ladies im Stahlkorsett«(Louis Kahn). 1958 von Paul Schneider-Esleben realisiert, erreicht der filigrane Turm mit seinen 22 Geschossen eine Gesamthöhe von 88,5 Metern. Seit mehr als 50 Jahren prägt das Gebäude an der Rheinuferpromenade die Stadtsilhouette. Das denkmalgeschützte Gebäude, das inzwischen den Besitzer gewechselt hat, war allerdings in seiner technischen, bauphysikalischen und ergonomischen Ausstattung in die Jahre gekommen. Es gab weder einen ausreichenden Brandschutz, noch erfüllte die Fassade die Anforderungen an die aktuelle Wärmeschutzverordnung. Die Aufgabe bestand darin, das Gebäude nach den gültigen, baurechtlichen Vorgaben zu sanieren und auf einen seiner exponierten Lage entsprechenden gehobenen Bürostandard zu bringen. So unmodern die Bürohäuser aus den fünfziger und sechziger Jahren in ihrer Technik auch sind, so unkompliziert lassen sie sich aufgrund ihrer klaren Strukturen dem technischen Fortschritt anpassen. Das Hochhaus wurde einschließlich der Fassade bis auf den Rohbau zurückgebaut. Aus einer Stahlblechfassade mit teergetränkter Wellpappe wurde eine Aluminiumfassade mit identischem Erscheinungsbild, in der Original-Farbgebung, aber mit moderner Wärmedämmung und darum mit einer um 8 Zentimeter größeren Bautiefe. Das Rückgrat bildet der außermittig liegende Gebäudekern mit Aufzügen und Treppenhäusern, um den sich u-förmig die Flure und Büros gliedern. Diese Anordnung der Räume sorgt für viel Tageslicht. Die Technik des Gebäudes wurde mit einer Gebäudeautomation ausgerüstet, die durch einen Daten- Bus gesteuert wird. Heute regeln Kühldecken und eine dezentral aufgebaute Lüftungstechnik das Raumklima. Mit der behutsamen Sanierung im ursprünglichen Erscheinungsbild konnten in einer der besten Lagen Düsseldorfs ressourcenschonend moderne und ergonomische Arbeitsplätze geschaffen werden.

Verwaltungsbau 136 137 Debitel Hauptverwaltung, Stuttgart Bauherr I-Bank, Staatsbank für Baden-Württemberg StEP GmbH BGF 45.000 m² Planungszeit 2000 2001 Bauzeit 2000 2002 In Stuttgart-Vaihingen konzentrieren sich die universitären Bereiche der Stadt. So war es naheliegend, dort ein Forum für die Wissenschaften einzurichten. Mit der Gründung des Stuttgarter Engineering Parks (StEP) siedelte sich auch die Debitel Hauptverwaltung in diesem neu gegründeten Stadtteil an. Das Hochhaus bildet eine weithin sichtbare Landmarke und wird von vier Riegelbaukörpern begleitet. Eine gläserne Erschließungsachse verbindet die Gebäude miteinander. Die prägnant angelegte Struktur bietet die Möglichkeit einer variantenreichen Erweiterung. Wichtig war den Planern, immer wieder Querbezüge zwischen den einzelnen Gebäudeteilen herzustellen, damit sich die Mitarbeiter auf möglichst kurzen Wegen austauschen können. Zum Konzept gehört ein öffentlicher Platz, der dem Engineering Park eine Mitte und damit einen urbanen Ort der Kommunikation gibt. Ziel des Bauherrn, der Staatsbank für Baden-Württemberg (L-Bank), war es, für alle Unternehmen ein zentrales Infrastrukturgebäude zu errichten, das mit seinem Angebot von Konferenz-, Gastronomieund Einkaufsmöglichkeiten einen Treffpunkt für die gesamte Umgebung bietet. Bauherr und Nutzer waren sich darin einig, ein energetisch nachhaltiges Konzept zu verwirklichen. Haus- und Fassadentechnik bilden den eher unsichtbaren Teil dieser Zielvorstellung, während der markante Solarkamin für das Hochhaus ein durch Thermik betriebener Zu- und Abluftschacht nicht zu übersehen ist. Das Gleiche gilt für die eigens konzipierte Hochhausfassade, die aus ökologischen Gründen mit geringem Materialaufwand auskommen sollte. Es wurde ein Kastenfenster in Elementbauweise mit optimierten Konstruktionselementen und ein Fenster mit klassischem Öffnungsflügel entwickelt. Die hohe Leistungsfähigkeit der Fassade führt zu einer Minimierung der haustechnischen Gebäudeausrüstung und wird damit der Absicht gerecht, ein nachhaltiges Haus zu bauen.

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Verwaltungsbau 144 145 Haus der Ärzteschaft, Düsseldorf 1. Bauabschnitt Bauherr Bauherrengemeinschaft Haus der Ärzteschaft Düsseldorf GbR BGF gesamt (ober- und unterirdisch) 56.517 m² Planungszeit April 2000 Dez. 2001 Bauzeit Juni 2001 Juni 2003 Auszeichnungen Auszeichnung guter Bauten 2003 des BDA Düsseldorf, Office of the Year 2004, Innovationspreis Architektur und Bauwesen (für das Stützensystem aus Schleuderbeton mit Entwässerungsrohr) Um finanzielle Ressourcen zu schonen und Synergieeffekte zu erzielen, entschlossen sich die vier nordrhein-westfälischen Ärzteorganisationen, ihre Kompetenzen an einem Ort zu bündeln. Der gemeinsame Baukomplex in Düsseldorf-Golzheim vermittelt durch seine kompakte, kubische Figur und deren klare Struktur nach außen Einheitlichkeit. Erst im Inneren zeigt sich durch die geschickte Anordnung von vier L-förmigen und unterschiedlich hohen Baukörpern die Differenzierung. Unter dem alle Gebäudeteile verbindenden, einheitlich hohen Glasdach entstehen drei Hallenbereiche, die gemeinschaftlich genutzt und bewirtschaftet werden. Das Herz des Hauses ist die natürlich klimatisierte Innenhalle mit Empfang, Wartebereichen, Cafeteria, Casino und dem großen Veranstaltungssaal, der als Box eingestellt ist. Frei stehende, schlanke Stützen tragen das kassettenartig strukturierte Glasdach und gliedern gleichzeitig diesen beeindruckend hohen Raum. Zwei auf den ersten Blick als solche nicht erkennbare Luftbrunnen, die über Erdkanäle versorgt werden, sorgen für die natürliche Belüftung und gleichen Temperaturspitzen im Sommer und Winter aus. Die beiden außen liegenden Hallen sind dagegen als klimatische Pufferzonen ausgebildet. Sie dienen der Gesamtanlage auf der Nordostseite zur Wilhelm-Bötzkes-Straße und auf der Südwestseite zur Tersteegenstraße als Eingangsbereiche. Ihr großzügiges Volumen lässt einen fließenden Übergang von der öffentlichen Straße zu den Dienstleistungen im Inneren spürbar werden. Da die Hälfte der Fassadenflächen nach innen orientiert ist, profitieren die bis zu acht Geschosse hohen Bürohäuser von einem hohen thermischen Komfort bei geringem Energieverbrauch.

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Verwaltungsbau 150 151 Haus der Ärzteschaft, Düsseldorf 2. Bauabschnitt Bauherr Nordrheinische Ärzteversorgung Düsseldorf BGF gesamt (ober- und unterirdisch) 12.722 m² Planungszeit Juli 2002 Dez. 2003 Bauzeit Juni 2003 Mai 2006 Auszeichnung Auszeichnung guter Bauten 2006 des BDA Düsseldorf Wie ein Stadtquartier an Profil gewinnen kann, zeigen Neu- und Erweiterungsbau der nordrheinwestfälischen Ärzteorganisationen. Sie verdichten den Stadtgrundriss mit einem reichen Beziehungsspiel ineinandergreifender Räume. Die Gestaltung der beiden Baukörper ist dabei ebenso wichtig wie die des städtischen Raums zwischen ihnen. Ma terialien, Bepflanzung und Proportionen raum bildender Kanten setzen sich von innen nach außen fort. Trotz ihrer geringeren Größe stellt die Gestalt des»schwarzen Hauses«ein spannungsvolles Gleichgewicht mit dem bereits existierenden»silbernen Haus«her. Die glatte Fassade aus poliertem schwarzem Granit verstärkt die skulpturale Wirkung des scharf geschnittenen Quaders. Die großen gegeneinander versetzten Fenster sind mit Granit flächenbündig eingefasst. Im Zusammenspiel entsteht eine glänzende, netzartige Struktur, die den schwarzen Block»hauteng«umspannt. Dessen kräftige Körperhaftigkeit wirkt auf diese Weise leicht und elegant. Das Farbund Materialkonzept dehnt den einfachen Foyerraum illusionistisch aus: Der schwarze, polierte Granitboden wird zum Spiegel der sich kreisförmig öffnenden Lichtspanndecke. Deren frei angeordnete Form kontrastiert wie der üppig bepflanzte Garten mit der strengen Geometrie der Architektur. Die rechtwinklig organisierten Bürogrundrisse erfüllen die Forderung des Bauherrn nach optimaler Flächenbilanz, Teilbarkeit und nachhaltig flexibler Nutzung bei geringen Betriebskosten. Bis zu 400 beliebig zu organisierende Arbeitsplätze können hier eingerichtet werden. Dank reduzierter Materialien tritt der helle, weiße Büroraum in den Vordergrund. Die Details wurden bis zur Flächenbündigkeit der Böden, Wände und Decken verfeinert. Die sinnlich motivierende Gestaltung fördert die Kommunikation.

152 153 Zusammenarbeit Medizin und Baukunst sind in verschiedenen Sphären der menschlichen Kultur beheimatet, besitzen jedoch gleich tiefe Wurzeln und sind sich in einem Wesensmerkmal sehr ähnlich: Ihr Gestaltungsergebnis hängt von der Qualität der Begegnung ab hier Patient und Arzt, dort Bauherr und Architekt. Dieses sichtbare Dokument als Ergebnis einer Planungs- und Bauphase, in der offenkundig wurde, dass Funktion, Form und Effizienz keine Gegensätze sind, ist der Vision des Architekten ebenso zu verdanken wie der intensiven Kommunikationsbeteiligung der Vertreter des Bauherrn. Natürlich ist die Art der Interaktion sehr verschieden. Während der chronisch Kranke eine lebenslange liebevolle Begleitung erwartet, ist die Beziehung zwischen Bauherr und Architekt zeitlich verdichtet, auf die Entstehung eines Bauwerkes fokussiert und kann wie in unserem Fall sehr intensiv sein. Das Ergebnis dieses Prozesses ist ein Haus, dessen einzigartige Atmosphäre Raum zum Arbeiten und Leben gibt. Prof. Dr. med. Dr. h. c. Jörg-Dietrich Hoppe Präsident der Bundesärztekammer Präsident der Ärztekammer Nordrhein Während das Ergebnis der ärztlichen Bemühungen häufig der subjektiven Sphäre zuzurechnen ist, ist das Ergebnis im Bereich der Baukunst offenkundig auch wenn die Qualitäten des guten Arztes und des guten Architekten, wie komplexes Einfühlungsvermögen, Dialogfähigkeit oder Visionskraft, einander wieder sehr nahe sind. Die Aufgabe des Architekten besteht darin, die verborgenen Wünsche, Befürchtungen, Vorstellungen und Ahnungen des Bauherrn zu erkennen, also eine Art Geburtshelfer zu sein, und ihn daran zu hindern, diesen seinen Visionen durch Kleinherzigkeit Schaden zuzufügen. Das Haus der Ärzteschaft in Düsseldorf, das im Stadtbild der Stadt ein anerkanntes Statement darstellt, ist das Ergebnis eines qualitativen Dialogs mit Architekten aus dem Hause RKW Architektur + Städtebau. Es erfüllt seine politische Funktion im Kommunikationsraum des Landes, bestätigt die Bedeutung der Profession im Gesundheitswesen und unterstützt die Kreativität von qualifizierten Mitarbeitern.

Verwaltungsbau 154 155 IKB International, Luxemburg Bauherr IKB International BGF gesamt (ober- und unterirdisch) 6.505 m² Planungszeit 2001 2002 Bauzeit 2002 2004 Farbkonzept Gotthard Graubner Erhöhter Flächenbedarf und der Wunsch nach einer zeitgemäßen qualitätvollen Architektur waren der Grund für den Neubau der IKB in Luxemburg. Der schlichte, fünfgeschossige Quader mit seiner anthrazitfarbenen Natursteinfassade steht in der Nähe des Zentrums auf dem architektonisch besonders prägnanten Hochplateau Kirchberg. Damit ist er Bestandteil eines städtebaulichen Ensembles, das sich in den letzten 20 Jahren zu einem urbanen Viertel der EU-Institutionen und Finanzinstitute entwickelt hat, in dem namhafte Architekten ihre Spuren hinterlassen haben. leuchtenden Pigmenten steigern sich die Farbflächen in ihrer Wirkung wechselseitig. Eine überraschende Aura umgibt den Bürobau besonders in den Abend- und Nachtstunden, wenn die Glasfuge in allen Gelb- und Rottönen zu glühen beginnt. Dann wird das baukünstlerische Konzept lesbar und die funktionelle Aufgabenteilung offensichtlich: unten die offene Kommunikationsebene und darüber der kompakte Raum für die zu erbringende Dienstleistung. Den kompakt wirkenden Baukörper prägt eine gleichmäßig umlaufende Lochfassade mit selbstbewusst großen und zurückgesetzten Fensterformaten. Die aus ihnen gebildete schattenreiche Struktur verwandelt sich in eine bündige, matt schimmernde Fläche, wenn sich die aus den tiefen Fensterlaibungen aufgefalteten Sonnenschutzpaneele schließen. Im Gegensatz zur kraftvollen Rasterfassade verkörpert der gläserne Sockel Leichtigkeit. Eine dichte Anordnung von schmal gerahmten Glaselementen gibt der dort installierten Kunst genügend Raum, sich zu präsentieren. Professor Gottfried Graubner gestaltete das Erdgeschoss als Sequenz von Farbräumen. Durch die komplette Ausmalung der Wände mit intensiv

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Verwaltungsbau 160 161 Tersteegen Office Center, Düsseldorf Bauherr Nordrheinische Ärzteversorgung BGF oberirdisch 19.468 m² Planungszeit Juni 2005 Dez. 2007 Bauzeit Juni 2006 Dez. 2007 Nach dem Umzug der Ärztevertretung in das von RKW geplante Haus der Ärzteschaft wurde der ehemalige Standort aufgegeben und das Grundstück für einen Neubau frei. Auch dieser Neubau wurde als Tersteegen Office Center von RKW geplant, und es konnte schnell ein neuer Nutzer gefunden werden. Die KPMG Audit Tax Advisory zog mit 800 Mitarbeitern in das 20.000 Quadratmeter große Haus ein. Der 100 Meter lange Riegel mit seinen beidseitig fingerartig vortretenden Gebäudeflügeln wird im Norden durch einen Kubus ergänzt. Mit dieser Grundfigur war es möglich, auf das traditionell gewachsene Viertel im Norden Düsseldorfs zu reagieren, das die Funktionen Wohnen und Arbeiten eng verbindet. Der für eine Innenstadtlage üppige Baumbestand mit seinem umgebenden Grün wird geschickt eingebunden, ohne die Architektur in den Hintergrund treten zu lassen. Dafür sorgen die Giebelseiten der Gebäudeflügel, die als atmosphärische Bilder akzentuiert sind. Die schwarzmetallene Fassade mit ihren tagsüber spiegelnden und nachts tiefblau leuchtenden kreisrunden Öffnungen verleiht dem fünf- bis sechsgeschossigen Bürohaus eine signifikante Erscheinung. Die hofseitige Fassadenabwicklung, eine Element- Fassaden-Konstruktion mit raumhoher Verglasung, wird horizontal durch helle, flügelartige Bänder strukturiert, in die der Sonnenschutz integriert ist. Die Gliederung des Baukörpers in separate funktionale Zonen wird dem komplexen Raumprogramm der KPMG in hohem Maß gerecht. Der Eingangshof an der Tersteegenstraße führt zu großräumig angelegten, halböffentlichen Sondernutzungen wie Hörsaal, Cafeteria, Konferenzbereich und zentrale Verwaltungen. Eine Magistrale über die gesamte Gebäudelänge erschließt alle Räume in den Obergeschossen. Sie ist Kombizone, Verteiler und Rückgrat der Büroorganisation.

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Verwaltungsbau 164 165 EnBW-City, Stuttgart Bauherr EnBW-City GmbH + Co. KG BGF oberirdisch 83.270 m², unterirdisch 30.300 m² Planungszeit April 2005 Okt. 2008 Bauzeit Okt. 2006 Dez. 2008 Auszeichnung GE Edison Awards 2009 Um die verschiedenen Standorte des Unternehmens unter einem Dach zusammenzuführen, baute der baden-württembergische Energieversorger eine große Firmenzentrale im Stuttgarter Süden. Das sechzehngeschossige Hochhaus im Industriegebiet Fasanenhof stellt einen weithin sichtbaren Orientierungspunkt dar. Auf einem etwa 62.000 Quadratmeter umfassenden Areal entstanden neben dem Hochhaus für die neue Bürostadt drei Büroriegel, jeweils sechs Geschosse hoch, und ein siebengeschossiges Forum. Zur Stadt zeigt sich der Komplex eher geschlossen, während sich die Höfe dem angrenzenden Wald gegenüber öffnen. Mit der weitläufigen Piazza vor dem Hochhaus wird die Eingangssituation für den großen Komplex eindeutig definiert. Die Empfangshalle ist Zentrum sowohl für das Forum, das den öffentlichen Bereich verkörpert, als auch für die internen Bürotrakte, die sich entlang der Magistrale im ersten Obergeschoss aufreihen. Treffpunkt der Mitarbeiter und Ort der Begegnung mit Zugang zur Piazza sind das Restaurant und die Cafeteria im Erdgeschoss des Forums. In den Geschossen darüber finden sich vielfältig nutzbare Konferenzräume für Besprechungen und Präsentationen, auch Raum für Veranstaltungen und Ausstellungen ist hier vorhanden. Als Energieversorger stand die EnBW in der Pflicht, den Bürokomplex umweltfreundlich zu bauen. Die Energie für den Betrieb der Büros wird aus Erdwärmesonden gewonnen. Wärmepumpen dienen der Betonkernaktivierung von Decken und Böden. Zum Energiekonzept gehören weiterhin eine raffinierte Tageslichttechnologie und ein eigenständiges Fassadenkonzept für das Hochhaus, das auf einer Weiterentwicklung des Prinzips der Doppelfassade beruht und gleichzeitig eine hohe gestalterische Wirkung zeigt. Auf diese Weise werden im Vergleich zum geforderten Bürohausstandard rund 40 Prozent der Heizenergie und 60 Prozent der Kühlenergie eingespart.

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Verwaltungsbau 168 169 Rathaus Mülheim Bauherr SWB Service - Wohnungsvermietungs- und Baugesellschaft mbh BGF 25.000 m² Planungszeit 2006 2011 Bauzeit 2009 ca. 2011 Folgeprojekt von»ruhrbania«das Rathaus der Architekten Arthur Pfeifer und Hans Großmann, 1910 aus einem u.a. von Martin Dülfer und Friedrich von Thiersch jurierten Wettbewerb hervorgegangen und zu Beginn der sechziger Jahre nach Entwürfen von Gerhard Graubner städtebaulich weiterentwickelt, gehört zu den Rathäusern in der Tradition des 19. Jahrhunderts, die auf der Schwelle zum modernen Verwaltungskomplex stehen. Die stark retrospektiven Züge des 1916 fertiggestellten Gebäudes, dessen überaus markanter Neo-Renaissance-Turm an einen Campanile erinnert, aber auch die ganzheitliche städtebauliche Lösung des Rathausmarktes haben den Bau zum Identifikationspunkt für die ganze Stadt werden lassen. Der Ansatz, strenge städtebauliche Form mit mediterraner Ungezwungenheit zu verbinden, wurde von RKW in unmittelbarer Nachbarschaft mit dem Projekt Ruhrbania konsequent aufgegriffen und fortgeführt. Das 1943 von Bomben getroffene, in seinem Kern aber immer noch authentische Rathaus ist nach zahlreichen Eingriffen und Ergänzungen der fünfziger und sechziger Jahre tief greifend zu sanieren und zu modernisieren. Zielvorstellung der Architekten ist dabei die wechsel volle Geschichte dieses Baudenkmals lebendig zu halten und nachvollziehbar zu machen trotz aller notwendigen Neuerungen wie moderne Haus technik, Brandschutz und Büroarbeitsplätze mit zeitgemäßer IT-Ausstattung. Die von Beginn an viel gelobte Rotunde der Kassenhalle wird in den alten Umrissen neu aufgebaut und schafft so innerhalb der ursprünglichen Entwurfsidee einen Bezugspunkt zur architektonischen Gegenwart die Arbeit eines Enkels des Architekten Arthur Pfeifer. Die Neugestaltung des Ratssaals verbindet, wird der Wiederaufbau nach dem Krieg mitgezählt, sogar drei Planungsepochen. Der floral geformte Terrassengarten wurde wie alle übrigen Außenanlagen von GTL Landschaftsarchitekten konzipiert.

Verwaltungsbau 170 171 Landessparkasse zu Oldenburg, Oldenburg Bauherr Landessparkasse zu Oldenburg BGF oberirdisch 23.967 m², unterirdisch 10.021 m² Planungszeit März 2005 ca. Juli 2007 Bauzeit Nov. 2006 April 2009 Das citynahe Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs besaß genau die passende Größe für den Neubau der Zentrale der Landessparkasse zu Oldenburg. Dem großmaßstäblichen Umfeld stellt sich der aus einer Kammstruktur entwickelte Baukörper kraftvoll entgegen. Die teils offene, teils geschlossene Hofstruktur wird durch ein zehngeschossiges Hochhaus an der Nordspitze und zwei weitere Solitäre ergänzt. Große Glashallen und eine gläserne Spange verbinden die Gebäudeteile miteinander. Mit langen Gebäudefronten und strenger Orthogonalität gibt die neue Hauptverwaltung auch dem angrenzenden Quartier stadträumlichen Halt. Wenn sich der Besucher dem Komplex zwischen dem Hochhaus und seinem begleitenden Büroflügel nähert, hat er die große Empfangshalle direkt vor sich. Der deutliche Kontrast zwischen der dunklen, prägnanten, im Sonnenlicht glitzernden Granitfassade und der Helligkeit im Inneren überrascht den Eintretenden und begleitet ihn mit zurückhaltender Materialität aus Edelstahl, Leder und Glas durch das gesamte Gebäude. Einen eleganten Akzent setzt die mit hellem Leder bespannte Wand, die den großen Versammlungsraum zu den Bürotrakten abschließt und für eine gedämpfte Akustik sorgt. Hier präsentiert sich die Bank mit Veranstaltungen, Vorträgen, Konzerten und Ausstellungen. Das Selbstverständnis des Hauses, Transparenz zu zeigen, findet in den Bürobereichen seine Fortsetzung. Die Flure wirken durch den Einfall von Tageslicht und viele Möglichkeiten zum Ausblick lebendig. Die durch die Kammstruktur gebildeten, gärtnerisch gestalteten Innenhöfe bieten den Mitarbeitern Ausblicke in ein meditatives Grün, sogar den Rückzug in einen»raum der Stille«nur mit Zenitlicht. Auf das Freiraumkonzept wurde bei diesem großen Komplex besonders viel Wert gelegt. Eine Art Teppich mit einer unregelmäßigen Webstruktur bildet das Grundthema für die gesamte Gartenplanung. Das Motiv schafft Verbindungen zwischen den weiten, offenen Außenräumen entlang der öffentlichen Straßen und den intimen Gartenhöfen im Inneren.

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Ganzheitlichkeit 178 179 1 Joseph Rykwert: Die Notwendigkeit des Künstlerischen, in: Casabella, Dezember 1971, S. 359 60; zit. nach: Ders.: Ornament ist kein Verbrechen. Architektur als Kunst (The Necessity of Artifice, London 1982), Köln 1983, S. 96. 2 Joseph Rykwert: The Necessity of Artifice, London 1982.»Oh, my God! Look at that picture! Here s the Earth coming up. Wow, is that pretty!«am 21. Dezember 1968 hatte sich der Blickwinkel der Menschheit auf die Erdkugel grundsätzlich verändert. Dank der Astronauten, die als Erste auf dem Mond landeten, wurde die Erde als Ganzes sichtbar als Fotografie aus dem Weltraum. Der Begriff»sustainable development«wurde ebenfalls erstmals 1968 auf internationalen Konferenzen verwendet. Vor mehr als 40 Jahren wurde deutlich, dass die Staaten angesichts der anthropogenen, also vom Menschen verursachten ökologischen Zerstörung Verantwortung gegenüber der Umwelt übernehmen müssen. Dennoch pochte die Fachwelt, zum Beispiel in einem Beitrag des Architekturhistorikers Joseph Rykwert in»casabella«, unbeeindruckt auf»die Notwendigkeit des Künstlerischen«:»Die Probleme der Umweltverschmutzung, der Zerstörung der Städte, können nicht von Architekten und Planern in Ausübung ihres Berufs gelöst werden. Die Pflicht, sich in dieser Frage zu engagieren, haben sie als Bürger, als Menschen und auch als Techniker. Ihre Disziplin jedoch hat ihre eigene Integrität, und so klein der Ausschnitt der menschlichen Umwelt auch sein mag, mit dem sie es zu tun haben, so ist die bewußte und gelehrte Ausübung ihres Handwerks der wirkliche Beitrag, den sie zur Schaffung einer menschenwürdigen Umwelt leisten können.«1 Rykwert ging 1982, dem Jahr des Brundtland-Berichts der UN mit dem Titel»Our Common Future«, in»the Necessity of Artifice«2 sogar so weit, das Lösen von Problemen als Aufgabe von Architekten grundsätzlich in Frage zu stellen. Ein Haus, das ein Architekt entwirft, könne sehr wenig gegen unsere zerstörte Umwelt ausrichten. Dabei entfallen 40 Prozent des Energieverbrauchs in Deutschland auf den Gebäudebereich, 50 Prozent aller der Natur entnommenen Rohstoffe werden durch das Bauen verbraucht, mehr als 60 Prozent aller Abfälle kommen aus dem Gebäudesektor. Nach einer aktuellen Studie von Roland Berger sind heute 73 Prozent der Bauherren und Investoren sowie 86 Prozent der Mieter bereit, für nachhaltige Immobilien höhere Kosten in Kauf zu nehmen. In der dritten Industriellen Revolution ist der Architekt seit Langem nicht mehr als künstlerischer Revolutionär gefragt, sondern vor allem als nachhaltiger Revolutionär. Im Mittelpunkt steht die Frage nach der nachhaltigen Stadt. Aber nicht einmal diese Ebene reicht aus, um Ganzheitlichkeit architektonisch und städtebaulich zu definieren. Die Komplexität von Bau und Stadt ist viel umfassender, denn der Architekt muss langfristig und auf sinnvoller ökologischer und ökonomischer Grundlage all jene Dinge bieten, die unser Wohlempfinden bestimmen: perfektes Licht, Klima, Haptik, adäquaten Raum, Emotionalität und Identifikation. Erst dann reduzieren sich die Fluchten rund um den Globus, die allein der Suche nach dem Besseren und Schöneren gelten und das ökologische Gleichgewicht dabei immer zerbrechlicher machen. Ein Gebäude am falschen Standort, mit zu geringem Gebrauchswert, zu wenig atmosphärischem Reiz, um zu einer wirklichen Bleibe zu werden, ist ökologisch selbst dann fragwürdig, wenn es über Geothermie und Solartechnik verfügt. Die Mammutaufgabe der Architektur ist die funktional und emotional, formal und ökologisch effektiv und verantwortungsbewusst gestaltete Welt. Die ganzheitliche Verantwortung von Architekten und Stadtplanern lässt sich für RKW schon seit Langem nicht mehr nach einzelnen Rubriken wie Kunst, Wissenschaft, Konstruktion und energetische Intelligenz auseinanderdividieren. Für die Architekten von RKW, die sich im Sinne der Ganzheitlichkeit zu Generalplanern mit Kompetenzen vom Produktdesign bis zum Städtebau entwickelt haben, liegt darum die größte Kunst darin, die verschiedensten Menschen zu gemeinsamer Arbeit an Aufgaben zusammenzubringen, die das Einzelinteresse weit übersteigen.

180 181 Implantate für Kreativität, Kommunikation, Flexibilität und Erweiterbarkeit im Industriebau Klaus Dieter Weiss im Gespräch mit Matthias Pfeifer und Thomas Jansen»Industrie und Stadt gehorchen fast denselben Gesetzmäßigkeiten von Wachstum, Prozess änderung, Flexibilität, Buntheit, auch von Zeitgebundenheit. Darum ist unser Thema hier nicht die Archi tektur des Gebäudes, sondern das Sprungbrett in eine komplette Vernetzung.«Entwurfsstudie Audi Elektronik-Center Ingolstadt Kann man Häuser bauen, in denen die Menschen besser denken können? Thomas Jansen: Ja, natürlich, doch zunächst wurden in dieser Hinsicht keine klaren Anforderungen gestellt. Im Grunde gab es am Anfang der Arbeit an diesen neuen Gebäudekonzepten nur Fragen. Baut mir ein Haus, das Kreativität fördert. Baut mir ein Haus, das Kommunikation ermöglicht, baut mir ein Haus, das flexibel ist, und macht es bitte erweiterbar. Darum ging es. Wie, wusste keiner so genau. Audi kam mit der Anfrage zu uns: Baut etwas, das funktioniert wie ein Rhizom, eine Verästelung des Wissens und eine Verästelung der Zeitebene in die Zukunft. Doch rhizomartige Strukturen sind schlecht zu bauen. Aber sie können gerade im Fall von Forschungsprojekten der Autoindustrie sehr gut als Modell dienen: Vernetzung und Verknüpfung von Menschen, Wissen, Werkzeugen und Systemen. Weil wir aus dem Städtebau kommen, entwickeln sich eigentlich alle unsere Themen um Vernetzung, Verknüpfung und ein wichtiger Kernbegriff die Implantation neuer Funktionen. Industrie und Stadt gehorchen fast denselben Gesetzmäßigkeiten von Wachstum, Prozessänderung, Flexibilität, Buntheit, auch von Zeitgebundenheit. Darum ist unser Thema hier nicht die Architektur des Gebäudes, sondern das Sprungbrett in eine komplette Vernetzung. Wer heute Gebäuden keinen Raum für Kommunikation gibt, der hat schon verloren. Wie gehen Sie an eine so wenig greifbare, komplexe Aufgabe heran? Matthias Pfeifer: Die Struktur der Autoindustrie unterscheidet sich nicht wesentlich von der Struktur einer Stadt. Obwohl das Werk mit 30.000 Mitarbeitern so groß ist wie die Innenstadt von Ingolstadt, meine ich nicht das physisch-räumliche Moment, sondern den Prozess der Entscheidungsfindung. Hier wie dort gibt es Parteien, Fraktionen, Interessengruppen, Fürsten und Könige, alle denkbaren Hierarchie-Ebenen. Mit der Komplexität dieser auf den ersten Blick undurchdringbaren Entscheidungsprozesse muss man umgehen können. Die große Kunst liegt nicht nur in der Aufgabenstellung, gerade wenn diese noch zu definieren ist, sondern darin, die Entscheidungsträger nicht nur zu überzeugen, sondern zu begeistern. T.J.: Natürlich haben wir das Thema Kreativität erforscht, aber letztlich war die Antwort auf diese Frage recht einfach. Per Definition ist Kreativität die Verknüpfung von bisher Bekanntem in neuen Zusammenhängen. Das ist alles. Und das ist genau das, was wir machen und was wir können. In großen Systemzusammenhängen zu arbeiten ist für uns Routine: der Masterplan, der übergeordnete Plan, der über allen Einzelprojekten schwebt. Von der Idee für ein Produkt bis zur tatsächlichen Auslieferung ist in der Autoindustrie ein riesiges Funktionsgefüge aktiv. Mit unseren Projekten bedienen wir immer nur Teilbereiche daraus, ob es sich um die Elektronik handelt oder um Getriebe, Emissionsoder Kältetests und Festigkeitsprüfungen. Die Herausforderung bestand hier in neuen prozessgebundenen Verknüpfungen in einem möglichst flexiblen Gebäude. Vor allem war unsere Erfahrung in der Planungsmethodik gefragt. Wir greifen nicht sofort auf eine besonders praktische Art und Weise zurück, etwas industriell zu produzieren. Wir ver-

182 183 suchen, den menschlichen Softwareprozess, den Wissenskomplex der Beteiligten, zu verstehen und danach mit unseren Mitteln, Konzepten und Entwürfen zu beschleunigen. Wir haben uns aber nicht etwa als die Experten für die Architektur des Wissens vorgestellt, wir sehen uns eher als Entwickler. Sie sehen die Entwurfsbasis des Architekten eher im Austausch mit den Verantwortlichen auf Seiten des Bauherren als in der abgehobenen Position des Experten? wollt. Audi hielt sie zunächst für einen flächenzehrenden Verkehrsweg, ein notwendiges Übel. Tatsächlich erklärt sich ihre jetzige Größe aus dem Einsparungsdruck im Bereich der Fassade, verbunden mit unserer Sehnsucht, dem Gebäude eine Seele zu geben. Durch Verringerung der Außenfassadenflächen entstand ein größerer Innenraum. So wurde die Magistrale zu einem zentralen Raum, in dem heute auch Veranstaltungen, Präsentationen und Ausstellungen stattfinden und der nicht mehr wegzudenken ist. Kosten und Gestaltung haben sich ergänzt und zu einem tollen Ergebnis geführt. Städtebauliche Studie Audi TE-Entwicklung M.P.: Das ist der Unterschied, wir sind so offen, zuzuhören und gemeinsam zu entwickeln. Wir kommen nicht mit fertigen Lösungen. Das ist ein zentraler Punkt, den wir in langjährigen Erfahrungen mit unseren Bauherren erprobt haben. Audi hat sich innerhalb von zehn Jahren an die Spitze der Automobilindustrie gesetzt. Dass die Reorganisation der Entwicklung elektronischer Bauteile im Elektronik-Center zeitlich damit zusammenfällt, ist wohl kein Zufall? T.J.: Um dieses Projekt zu verstehen, muss man wissen, dass sich die Gewichtung der Bauteile eines Autos stark verändert hat. Früher bestand ein Auto überwiegend aus Stahl und nur zu einem Bruchteil aus elektronischen Bauteilen, heute haben diese einen wesentlich höheren Stellenwert im Auto und an der grundlegenden Funktionssicherheit des Produktes. Diesem zunehmenden Veränderungsdruck im Automobilbau fehlte bei Audi die bauliche Entsprechung. Vor dem Bau des Elektronik-Centers gab es verschiedene versprengte Gruppen, die an Teilbereichen der elektronischen Entwicklung gearbeitet haben. Das neue Szenario war: Versprengte erste Einheiten sind auf sich allein gestellt unterwegs und wollen sich ihrer aktuellen Bedeutung entsprechend ein Parlament bauen. Die entscheidende Frage war dann: Wie stellen wir uns nicht nur auf den aktuellen Bedarf ein, sondern auch auf die zukünftige Weiterentwicklung? M.P.: Geschwindigkeit spielt in der Autoindustrie eine große Rolle, innerhalb der Entwicklungsarbeit viel mehr als auf der Teststrecke. Dazu gehörte das rein Physische: Die Beteiligten, die in den versprengten Gruppen saßen, sollten in einem Haus zusammengebracht werden. Das Haus sollte das Werkzeug sein, um Entwicklungsarbeit zu leisten. Es musste aber auch Identität stiften, damit sich die Mitarbeiter als Team verstehen und Solidarität entwickeln. Das hat uns dazu geführt, dieses Haus in sehr markanten Formen zu entwerfen. Nicht zuletzt spielte die Symbolik des alles übergreifenden Daches eine Rolle in der Wirkung nach innen, aber auch als Signal nach außen. Die Ableitung aus den städtebaulichen Strukturen haben wir sehr präzise analysiert. Es ist ein städtischer Organismus, seine innere Magistrale schafft wie die Hauptstraße einer Stadt oder deren Marktplatz Ordnung, Systematik und Identifikation und ermöglicht direkte Kommunikation und Interaktion. Um diese Aufgabe zu bewältigen, waren die Bindungen des Grundstücks sehr eng. Gab es keine Chance, diese Basis im Hinblick auf die Forderung nach Erweiterbarkeit auszudehnen? M.P.: Es war ganz klar, dass die Elektronik-Entwicklung von fünf Mitarbeitern auf 50 wachsen würde, dann auf 200, 400 und so weiter. Das Objekt war auf 700 bis 800 Personen ausgelegt. Als der Bau in Betrieb ging, waren es 850 Mitarbeiter, heute arbeiten dort fast 1000. Unsere architektonische Antwort: Alles unter einem Dach und Wachstum nach innen, innerhalb eines fixierten Umrisses. Wir mussten also keine Fassade mehr bauen, sondern wir konnten in die als Puffer konzipierten Lufträume weitere Arbeitsplattformen einbauen. Dieses Wachstum nach innen war eine wichtige Komponente, um den Wettbewerb im Jahr 2000 zu gewinnen. T.J.: Die Spielregel in diesen bestehenden produktionsgebundenen Strukturen lautet: Abreißen ist auf jeden Fall verboten. Denn das existierende Investitionsgut wird ja nicht obsolet. Wir müssen Konzepte finden, die einen Wandel ohne Abriss erlauben und möglichst viele Flächen generieren. Darum haben wir uns beim Elektronik-Center die bestehenden zwei Topografien zunutze gemacht. Das Geländeniveau der Technischen Entwicklung, also ein Bergniveau und ein Talniveau. Die Technische Entwicklung liegt auf einem strategischen Hügel, sechs Meter höher, eine Art Festung. Sie können vom Werk aus in das Gebäude fahren und von der Technischen Entwicklung oben ebenfalls. So sind zwei Erdgeschosse mit offenen Strukturen entstanden. T.J.: Diese Magistrale ist ein sehr interessantes Beispiel aus der Zusammenarbeit mit den Beteiligten von Audi. Zunächst war sie in ihrer heutigen Ausprägung nicht gefordert, auch nicht unbedingt ge- Audi T23 Getriebe- und Emissionszentrum 2. BA

184 185 Wie konnten Sie die eingeschnittenen grünen Höfe durchsetzen? T.J.: Die sind eigentlich nur dem Brandschutz geschuldet. Ein Treppenhaus kostet viel Platz, deshalb haben wir gesagt, die Beschäftigten sollen nach draußen fliehen. Und wenn sie schon mal draußen sind, schaffen wir eben einen grünen Bezugspunkt auch damit diejenigen, die drinnen arbeiten müssen, sich eine optische Erholung gönnen können. Wir haben so Qualitäten am Arbeitsplatz implantiert, für die wir vorher, etwa mit den Teambüros der DB Cargo oder mit dem Energiekonzept bei Debitel, einen Standard gesetzt hatten. Das sind Entwicklungen, von denen später findige Bauherren, gerade auch Eigennutzer, profitieren. Diese haben schon von Anfang an eine bestimmte Überzeugung, mit der sich natürlich sehr gut arbeiten lässt. Ob sie uns immer gefällt oder nicht, ist zunächst zweitrangig. Ein Investor als Bauherr muss hingegen ganz anders bedient werden. Da ist ein Design notwendig, ebenso ist eine Art Story für das Gebäude vorteilhaft, um es zu positionieren und zu vermarkten. Die spezifische Hülle soll Attraktivität verleihen. Das ist für einen Eigennutzer, der industriell geprägt ist und letztendlich budgetorientiert denkt, viel weniger wichtig. Hier ist das Gebäude als Werkzeug gefragt. Das ist der gravierende Unterschied: Architektur ist letztendlich nur die Ausprägung dessen, was das Werkzeug so nützlich macht. Prägnanz muss ja nicht exaltiert sein. Die Vermarktung von Architektur ist oft ein Personenkult. Wenn es niemanden gibt, den man auf Fotos zeigen kann und der bei wichtigen Anlässen zu sehen ist, dann wird es schwierig, gute Architektur in die Medien zu bringen. Wie gehen Sie damit um? M.P.: Stimmt, diesen Personenkult können wir bei RKW nicht bedienen. Nichtsdestoweniger bleiben unsere Bauherren von den Personen überzeugt, mit denen sie gearbeitet haben. In den Medien stehen auf diese Weise mehr die Projekte als die Personen im Vordergrund. Erfreulicherweise haben wir es bei RKW eindeutig mit Wiederholungstätern als Auftraggeber zu tun und zwar in Serie. Der Grund dafür liegt in unserer Methodik, unserer Art, gemeinsam mit den Bauherren einen Erfolg zu erreichen. T.J.: Wenn mich jemand auffordert: Herr Jansen, jetzt sagen Sie schon Ihren Akquisitionsspruch, dann antworte ich: Mit uns macht es einfach mehr Spaß. Und wenn es zum Auftrag kommt, bleibt langfristig vor allem die konstruktive Atmosphäre einer wirklich guten Zusammenarbeit im Gedächtnis. Prinzipskizze Simultaneous Engineering Entwurfsskizzen Audi SE-Forum und Rechenzentrum, Ingolstadt

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Forschung 188 189 Audi Elektronik-Center, Ingolstadt Bauherr AUDI AG BGF 42.160 m² Planungszeit Okt. 2000 Juli 2001 Bauzeit Aug. 2002 Nov. 2003 Innovationen im Automobilbau von morgen werden noch stärker von der Elektronik geprägt sein als heute. Mit der Omnipräsenz des Entwickelns in diesem neuen Innovations- und Testzentrum will Audi seine Elektronik-Kompetenz weiter ausbauen und intern eine bereichsübergreifende Zusammenarbeit fördern. Entwicklung und Erprobung neuer Ideen und Prototypen basieren in hohem Maß auf direkter Kommunikation. Das Gespräch ist Schlüssel zu Innovation und Kreativität. Diese Erkenntnis führte die Architekten zu einem Gebäudeentwurf mit markanten Formen und der Symbolik eines alles übergreifenden Daches. Der sieben stöckige, im Inneren terrassenförmige Wissenskollektor verknüpft räumlich die Autowelt mit der Bürowelt. Unter dem gemeinsamen Dach arbeiten Denker und Werker Tür an Tür mit Blick von Fenster zu Fenster an einer mit Brücken überspannten Magistrale, auf der die Arbeitsergebnisse in Form von Prototypen immer wieder zu sehen sind. In den Baukörper tief eingeschnittene Lichthöfe, Terrassen und Büros schaffen einen kommunikativen Wissensraum, einen Ameisenhügel des Wissens, der wie ein schönes Werkzeug unwillkürlich zu neuen Ideen anregt. Die Architekten bauten einen komplexen urbanen Organismus mit einem kommunikativen Raum, der alle horizontalen und vertikalen Erschließungssysteme vernetzt und daher ähnlich funktioniert wie der Marktplatz einer Stadt, wobei hier aber auch auf die dritte Dimension der Höhe zurückgegriffen wird. Alle Präsentations- und Besprechungsräume sind an eine mehrgeschossige Halle im Zentrum angebunden. Die modulare und extrem flexible Grundstruktur des Gebäudes ermöglicht es, Projektteams an nahezu jeder Stelle des Gebäudes zu bilden, ohne dafür bauliche Veränderungen vornehmen zu müssen. Für solche Teams sieht der Entwurf Orientierung und identitätsstiftende Orte mit hoher Aufenthaltsqualität vor. Sie sind mit Bezug zum Außenraum natürlich be- und entlüftet, attraktiv begrünt und akzentuiert belichtet. Architektur wirkt hier als richtungsweisende Hardware, die in der Verknüpfung mit der Software Wissen zur Übersetzung der Idee in ein Produkt führt.

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Forschung 194 195 Audi SE-Forum und Rechenzentrum, Ingolstadt Bauherr AUDI AG BGF oberirdisch ca. 13.000 m², unterirdisch ca. 11.000 m² Planung Jan. 2008 April. 2010 Bauzeit Aug. 2010 Juli 2012 Das SE-Forum (»simultaneous engineering«) bildet den Mittelpunkt des Produktprozesses bei Audi. Entwicklungsgeschwindigkeit und -effizienz sollen auf diesem Weg gesteigert werden. Benötigt wird ein bauliches Instrument, das die Interakti vität, Verknüpfung und Kommunikation der einzelnen Wissens-Arbeiter untereinander fördern und gleichzeitig höchst flexibel sein soll. Als Antwort auf diese Aufgabenstellung entwickelte RKW eine von den Fahrwegen abgehobene Innovations- Achse, den sogenannten»walk«, der die Schwerpunkte der Technischen Entwicklung (TE) miteinander verknüpft: der Masterplan der Kommunikation. Die einladende Geste der offenen Eingangshalle mit ihrer großzügigen Treppenan lage symbolisiert den Stellenwert dieser Innovations- Offensive innerhalb des Audi Masterplans der Technischen Entwicklung. Der Walk schafft Orientierung, verbindet kreative Menschen, verkürzt Wege und bündelt wie in einem Flughafenterminal die Gates zu den einzelnen Entwicklungsbereichen: Design, Karosserie, Fahrwerk, Aggregate, Elektronik und Werkstätten. Um sich auszutauschen, treffen sich die Mitarbeiter aus sämtlichen Etagen auf dieser Achse, die sich durch Alt- wie Neubau zieht. Die Überlegung, diese als Laufband auszubilden, um Bewegung und Kommunikation weiter zu beschleunigen, stieß jedoch an wirtschaftliche Grenzen. Auf dem Walk werden Energie, Flexibilität, Systematik und Atmosphäre einer Ideenschmiede unmittelbar spürbar. Sie prägen den Gesamteindruck eines lebendigen Campus. Mit der Errichtung des ersten von drei geplanten Bauabschnitten bestand die Chance, über ihn einen großen Teil der Entwicklungsschwerpunkte an das SE-Forum anzubinden. Audi, dem attraktivsten Arbeitgeber in diesem Bereich, steht ein neues bauliches Werkzeug für die Technische Entwicklung zur Verfügung. Daneben werden folgende Einrichtungen geschaffen: ein SB-Markt, eine Anlaufstelle für den Betriebsrat und das Personalwesen, ein Auditorium, eine Hot Spot Area für W-Lan, zentrale Meetingzonen, Konferenzräume, ein Coffee Point sowie eine über 24 Stunden verfügbare Automaten-Lounge, da rüber hinaus auch Ausstellungsflächen der Audi Entwicklungswelt.

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Forschung 198 199 Audi Getriebe- und Emissionszentrum, Ingolstadt Bauherr AUDI AG BGF 21.400 m² Planungszeit Nov. 2005 April 2007 Bauzeit Feb. 2006 Okt. 2007 Rasende Prüfstände und konzentrierte Stille müssen kein Widerspruch sein. Das Konzept eines Denklabors ließ sich auch im neuen viergeschossigen Getriebe- und Emissions-Zentrum von Audi verwirklichen. Nach nur 24 Monaten Planungsund Bauzeit errichtete RKW für die Technische Entwicklung der AUDI AG auf dem innenstadtähnlichen Baugrundstück ein komplexes Prüfstandsgebäude. Über mehrere Bauabschnitte hinweg wurden die Arbeitsprozesse der unterschiedlichen Nutzer detailliert im Voraus bedacht. Mit der europaweit größten Höhenkammer (Druckpegel bis 4.200 m ü. NN), ausgelegt für Quattrobetrieb auf vier Rollen, und einer speziellen Abgas- Klimarolle wurde die Entwicklungskompetenz des Aggregate-Emissionsbereichs erweitert. Werkstätten und modernste Getriebeprüfstände sind vertikal miteinander verknüpft. Dank der modularen Anordnung der Prüfstände kann die Kapazität problemlos erweitert werden. In den oberen beiden Bürogeschossen finden die 420 Entwicklungsingenieure attraktive Arbeitsplätze im Bereich der sogenannten»homebases«. Viel Glas, bepflanzte Innenhöfe und Terrassen sorgen für natürliche Belichtung, Belüftung und eine angenehme Atmosphäre. Als Segel ausgebildete Decken-Elemente kühlen die Arbeitsplätze effizient. So entstand ein inspirierendes Umfeld für klare Gedanken und kreatives Arbeiten. Teambezogene interne Besprechungsräume sowie ein zentraler Besprechungspool unterstützen Konzentration und Kommunikation. Die kommunikativen Zonen grenzen unmittelbar an die Haupterschließung und verknüpfen die Homebases. Die Abteilungsleiter erhielten eigene, abgeschlossene Büros direkt an der Haupterschließung, um kurze Wege zu den Mitarbeiterund Teambüros zu gewährleisten. Eine Konferenzzone mit Weitblick in die Landschaft des fränkischen Juras bildet in der vierten Ebene, der Besprechungsebene, den transparenten Abschluss des Gebäudes.

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Kommunikatives Wissen 204 205 Klaus Dieter Weiss 1 Helmut Volkmann: Wandel der Innovationskultur mit der»stadt des Wissens als Stätte der Begegnung«, in: Gabler-Magazin, Nr. 3, 1995, S. 25 29. 2 Karin Knorr Cetina: Wissenskulturen. Ein Vergleich naturwissenschaftlicher Wissensformen, Frankfurt 2002. Als der Komponist Maurice Ravel vor etwa 100 Jahren die Eisenhütten im Duisburger Norden bestaunte, beschrieb er Schlösser aus flüssigem Metall, glühende Kathedralen, eine wunderbare Symphonie aus Pfiffen und furchtbaren Hammerschlägen. Der Blick hinter die Kulissen der Epochenmarken»Kathedrale der Arbeit«und»Corporate Identity«fällt schwerer, als sich für die Glanzlichter der Baugeschichte zu begeistern. Merkwürdig dennoch, dass sich der Begriff Industriekultur nur auf die Vergangenheit bezieht und nicht dazu dient, die Zukunft neu zu erschließen. Als Synonym für den in Deutschland ungewohnten Begriff»Industriearchäologie«steht»Industriekultur«für die Beschäftigung mit der Kulturgeschichte des industriellen Zeitalters. In Lowell/Massachusetts ist gleich die ganze ehemalige Textilstadt von 70.000 Einwohnern zum Nationalpark erklärt worden.»geschichte ist Quatsch«, erklärte dagegen der Autobauer Henry Ford gerne, baute in der Sowjetunion eine ganze Autostadt und vermittelte mit Pathos ein Freiheitsgefühl, wie es seit der Französischen Revolution nicht mehr zu haben war. Mit seinem überaus modernen Konzept der Dienstleistung, des Reklame, Reparatur, Finanzierung und Freundlichkeit umfassenden»service«, war er seiner Zeit weit voraus mit Hilfe seines Architekten Albert Kahn (1869 1942) sogar architektonisch. Ein ähnlicher Entwicklungssprung ist für die Industrie nach Aufgabe ihrer historischen Zitadellen mit der Integration in eine dynamische, experimentierfreudige, entmusealisierte europäische Stadt zu erwarten. Unternehmen bedienen sich der Stadtmetapher, um Kunden-Gemeinschaften zu binden oder um mit der»wiederbelebung der Polis«, dem»erscheinungsbild der Stadt als Modell, Wandbemalung, Miniatur oder Computeranimation«Innovationsprozesse zu steuern mit Hilfe von Kulissen in einem Großraumbüro oder einer alten Fabrikhalle. Die Qualitäten der Stadt werden dabei als synthetische Oberfläche genutzt, die Emotionen und Innovationen auslöst. Die von Helmut Volkmann 1997 miniaturisierte»stadt der Zukunft«namens Xenia, ein»atelier für Innovatoren«in München-Neuperlach, wäre in realer Urbanität jedoch besser aufgehoben. Doch diese konkrete, moderne Idee von Industriekultur und Wissensgenerierung blüht auch heute nur im Verborgenen. Wie vor 200 Jahren im Pariser Palais Royal sollten die drängenden Fragen der Zeit in der Stadt, im Austausch von Technik und Kultur, von Werk-Stadt und Wissens-Stadt, erörtert und erforscht werden. Insofern zielte die Argumentation von Helmut Volkmann vor 20 Jahren auf eine urbane Entwicklungschance:»Nichts bewirkt mehr als menschliche Begegnung. Der Besucher und Benutzer findet Wissen, das er ursprünglich gar nicht gesucht hat, aber im Kontext seiner Überlegungen gut gebrauchen kann. Die Stadt bietet auch als fremde Stadt schnell Orientierung; sie weckt Erinnerungen, regt an, Neues zu entdecken und die Begegnung mit anderen zu suchen.«1 Architektur und Stadt werden damit zu Elementen der Wissenskultur. Unter Wissenskultur werden diejenigen Praktiken, Mechanismen und Prinzipien verstanden, die in einem Wissensgebiet bestimmen, wie wir wissen, was wir wissen. Wissenskulturen generieren und validieren Wissen. 2 Zwar wird immer noch in kleinräumigen Laborund Bürokontexten an beschränkten, fragmentierten Fragekomplexen gearbeitet. Aber trotzdem kann Architektur heute im besten Fall das höhere Prinzip von Offenheit, Komplexität und Vernetzung vermitteln. In Positionierung und Interaktion der einzelnen Forscher, Denker und Werker dient auch die Architektur als Gehirnmetapher und Instrument der Problemlösung. Zum einen vermittelt die Architektur die Abhängigkeit zwischen Umweltkomplexität und kognitiver Komplexität, bezogen auf das für die Problemlösung notwendige Ensemble aus Prozessen und Wissensstrukturen bzw. die kognitive 3 Barbara Maria Stafford: Kunstvolle Wissenschaft. Aufklärung, Unterhaltung und der Niedergang der visuellen Bildung (MIT 1994), Amsterdam/Dresden 1998. Strukturiertheit der beteiligten Personen. Zum anderen schafft Architektur auf diesem Weg Anlässe zur Kommunikation, um Wissen innerhalb einer»lernenden Organisation«gemeinsam aufzubauen. Die entscheidende Voraussetzung für den als»wissensmetabolismus«bezeichneten Prozess des Weiterentwickelns von Wissen ist dabei, dass die kognitiven Strukturen des Individuums nicht in seiner genetischen Anlage vorprogrammiert sind, sondern sich in der Auseinandersetzung mit der Umgebung erst allmählich entwickeln. Das explorative Verhalten des Menschen und seine Fähigkeit zur Problemlösung sind nicht angeboren, sondern werden erlernt. Der Austausch im Cyberspace führt zwar auch zu neuen Formen digitaler Kreativität und kollektiver Intelligenz. Aber dennoch bleibt die zukünftige Wissensgesellschaft auf analoge kreative Felder angewiesen. Das Zulassen von Eigensinn ist dabei die Bedingung für das Entstehen von Gemeinsinn und Fortschritt. Das Prinzip der Generierung von Wissen entspricht dem Prinzip seiner Vermittlung: ein lehrreiches, interdisziplinäres, unterhaltsames Schauspiel mit einem beredten Meinungsaustausch. 3 Das Gebäude ist in diesem Fall kein Haus des Wissens, sondern eine Stadt des Wissens. Die dazu notwendige Urbanität in Gestalt von Häusern, Blöcken, Höfen, Brücken, Magistralen und Straßen liegt auf dem eigenen Grundstück. Jeder Punkt dieses vielgestaltigen Geflechts ist mit jedem anderen verbunden, antihierarchisch und dezentral. Das wesentliche Prinzip dieser Architektur ist nicht die Strukturform als Kopie, sondern die Straßenkarte, nicht die Reproduktion, sondern die Fälschung. Ein Rhizom kann an jeder Stelle weiterwachsen, es negiert die Reduktion auf einfache Bausteine und beschränkt sich nicht auf einen einzigen Zugang. Eine solche Wissensbasis wird schließlich sogar unabhängig von einer industriellen Thematik, der Wissenstransfer funktioniert für eine Bank oder eine Universität unter denselben räumlichen Bedingungen wie für die Industrie. Prägten im Zuge der Industrialisierung des 19. Jahrhunderts riesige Fabrikanlagen das Bild, die unter ihrem Dach den mechanischen Kraftantrieb und die Massenfertigung vereinigten, so verwandelt sich das Wirtschaftssystem jetzt von der großen Fabrik in ein großes Theater. Aus produzierenden Unternehmen werden lernende Unternehmen. Innovative Industriebetriebe erwarten vom Architekten kommunikative und kulturelle Organisationsstrukturen vor konstruktiver Raffinesse, ganzheitliche Strategien vor gestalterischen Details. Die klassische Einheit von Ort-Zeit-Handlung und Form-Funktion- Konstruktion löst sich auf. Nach den zuletzt eindeutig formalen Positionen Postmoderne, Hightech, Dekonstruktivismus und Biomorphismus äußert sich der Wandel zur Kommunikations- und Wissensarchitektur nicht architektonisch. Ohnehin wird es immer schwieriger,»industriebau«zu definieren. Selbst der Konferenz-Pavillon Tadao Andos auf dem Vitra-Gelände wird nach klassischer Definition als Ort der Produktivkraft»Innovation«zum Industriebau. Macht es überhaupt noch Sinn, derart unscharfe und damit unbrauchbare Begriffe zu verwenden, wenn der Wandel der Industrie und die Arbeitsteilung der Welt ganz andere Fragen stellen? Ist es nicht zu oberflächlich, die Bauten der Industrie nach rein ästhetischen oder typologischen Kriterien abzuhandeln? Einen Vorstoß in diese Richtung unternahm der Kulturhistoriker Roland Günter schon 1981. Im Katalog der Berliner Ausstellung»Die Nützlichen Künste«forderte er eine komplexe Ästhetik an Stelle einer reduktiven:»architektur- bzw. Kunstwissenschaft müssen lernen, die Prozesse dieser Welt in ihrer Komplexität zu verstehen, statt sie auf eine Perlenkette von Fassaden nach Art einer

206 207 4 Roland Günter: Fabrik-Architektur, in: Tilmann Buddensieg, Henning Rogge (Hrsg.): Die Nützlichen Künste, Berlin 1981, S. 175. 5 Hans-Jörg Bullinger, Wilhelm Bauer u.a.: Zukunftsoffensive Office 21. Büroarbeit in der dotcom-gesellschaft gestalten, Köln 2000, S. 88. Bilderschau zu reduzieren. In der Fabrik-Architektur tritt dann an die Stelle einer Gliederung und Epocheneinteilung nach inhaltsleeren Stilbegriffen eine Einteilung, die der Wirtschaftsgeschichte folgt.«4 Diese Durchdringung ist bis heute nur in Ausnahmefällen erfolgt, der begriffliche Apparat hätte sich längst geändert. Andererseits wird diese komplexe Planungsarbeit aber nur selten abgefragt, sie bleibt persönliches Engagement in Einzelfällen und von Einzelkämpfern, die ohne Einfluss auf die Randbedingungen ihrer Arbeit wiederum nur nach ästhetischen Maßstäben gemessen werden und Beachtung finden. Zu diesen in ihrer Grundlagenarbeit weitgehend unentdeckten Architekten des deutschen»industriebaus«, der Industrie- wie der Wissenskultur, gehört das Architektenteam von RKW, das seit mehr als zehn Jahren für Audi plant und baut. Es ist ein raffiniertes Weiterbauen in komplexen städtebaulichen Zusammenhängen nach einem schlüssigen Konzept mit immenser Bedeutung für das Entwicklungspotenzial dieser hochkarätigen Autoindustrie in Ingolstadt vom Masterplan bis zum Entwurf einer in den Arbeitsablauf integrierten Kindertagesstätte. Gerade darum aber sind die Bauten auch ein Thema nicht des Architekturtourismus, sondern der Geheimhaltung. Der grundsätzliche Denkfehler liegt in der Annahme:»Je leichter die Raumstrukturen zu verändern sind, desto besser werden sie einen Ort für Kreativität und Innovation schaffen können.«5 Kommunikation ist auch im Büro nicht durch das schlichte Einreißen von Wänden zu haben. Anspruchsvolle Raumqualität kann per definitionem nicht entstehen, indem jede räumliche Festlegung unterbleibt. Oder haben die modernen Büronomaden mit der Aufgabe ihrer Sesshaftigkeit am eigenen Schreibtisch jeden architektonischen Anspruch verwirkt? Im Unterschied zum administrativen und routinemäßigen Umgang mit Information ist die Nachricht mit Neuigkeitswert Grundlage und Voraussetzung der Wissensschaffung. Die Generierung von handlungsorientiertem Wissen, etwa zur Festlegung von Unternehmenszielen, ist anders als das Datenregime der Bürokratie abhängig von sozialer Interaktion und Teamarbeit, von Erzählungen, Visionen und Metaphern. Wissen als Produkt und Produktionsfaktor ist dabei mehr als abgespeicherte Informationsmasse. Wissen bedeutet vielmehr in relevanten Kontexten spezifizierte, produktiv angewandte Information, nicht in Büchern und auch nicht in den Köpfen der individuellen Mitarbeiter, sondern kontextbezogen aufbereitet und umgesetzt in organisierte Kommunikationsprozesse. Dieses intellektuelle oder soziale Kapital bedarf einer Basis emergenter Kommunikationsstrukturen und -netze, die sich nicht auf die Leistung einzelner zurückführen lassen, ohne aber anders als in der klassischen industriellen Produktion auch nur auf einen einzigen individuellen Netzknoten verzichten zu können. Diesem Anspruch müssen moderne Organisations- und Arbeitsformen gerecht werden. Wissen ist zum vierten Produktionsfaktor geworden. Die ökonomische Logik der Wissensproduktion stellt dabei die Regeln der traditionellen Produktionsfaktoren auf den Kopf. Während materielle Produkte im Gebrauch verschleißen und ihren Wert verlieren, wächst das intellektuelle und soziale Kapital bei Gebrauch und Anwendung. Während bei materieller Produktion jedes Stück immer wieder den gleichen Aufwand an Material und Arbeit abverlangt, sind einmal erarbeitete Wissensprodukte fast kostenlos reproduzierbar. Während bei materiellen Konsum- und Kapitalgütern der Nutzen mit jedem erworbenen Exemplar abnimmt, wächst der Wert jeder zusätzlichen Information mit der erreichten Kompetenz in einem Wissensgebiet. Die Arbeitswelt einer wissensbasierten Organisation muss die Effizienz einer bürokratischen Ordnung ebenso ermöglichen wie Flexibilität, Fluktuation und kreatives Chaos einer Arbeitsgruppenstruktur. Die Schnittstelle zwischen beiden Ebenen ist die architektonisch brisante. Anders als bei einer geschossweit grenzenlosen Freigabe von Arbeitslandschaften zur Selbstbesiedlung bieten sich damit Impulse für neue Raumstrukturen und -verknüpfungen, die Ordnung und Chaos, Bürokratie und Innovation im räumlichen, dreidimensionalen Wechselspiel einer Hypertextorganisation verknüpfen. Zum einen darf der Büroraum in Bewegung nicht auf die Anstrengung der Form verzichten. Zum anderen lassen sich Dynamik, Komplexität und Kommunikation nicht auf separate Geschossflächen begrenzen, und seien sie noch so groß und flexibel. Entscheidend ist die kommunikative Offenheit nicht Grenzenlosigkeit des Gebäudes insgesamt und sogar darüber hinaus. Dieses urbanistische Prinzip der Überlagerung, die fortschreibbare dichte Verzahnung von Außen- und Innenraum in einem für die moderne Nomadengesellschaft symbolischen Spiel von Treppen, Stegen und Gängen, zeigt sich ebenso labyrinthisch wie systematisch in den von RKW geplanten Entwicklungszentren von Audi, aber ebenso in den räumlichen Vernetzungen der Landessparkasse zu Oldenburg. Eine Hypertextorganisation besteht wie die Analogie aus der Computerwissenschaft aus mehreren Schichten: Projektteam, Geschäftssystem, Wissensbasis. Jede Schicht enthält einen anderen Kontext und lässt das organisationale Wissen in einem anderen Licht erscheinen. Auf der oberen Schicht sind mehrere Projektteams mit der Schaffung von neuem Wissen über Prozesse und Produkte befasst. Auf der unteren Schicht der Wissensbasis wird das erzeugte Wissen neu klassifiziert, in Kontexte eingebunden und verfügbar gehalten. Diese Schicht wird nicht durch eine institutionalisierte Einheit repräsentiert, sondern durch die Vision, die Kultur und die Technologie des Unternehmens. War die Arbeitswelt stets der Motor für die Entwicklung neuer Kommunikationstechniken, scheint mit dem Computer die ultimative Codierung und Formalisierung des Lebens erreicht. Inhalt und Rhythmus der Büroarbeit bestimmt weitgehend der Computer, nicht selten entspricht die Investitionssumme für die Datenverarbeitung den Baukosten des Gebäudes. Umso mehr muss dem Mechanismus der Daten, der Daten-Architektur, mit Image und Atmosphäre der Arbeitswelt begegnet werden, um Schwellenängste ab- und Motivation aufzubauen. Die Frage nach der Qualität des Büros hat so nicht nur eine architektonische, sondern auch eine städtebauliche Dimension. Abstrakter Urbanismus wird durch einen konkreten ersetzt, der die Komplexität einer neu aufgeladenen Stadt als Impulsgeber, als produktive Größe der Interaktivität integriert.

208 209 Sportstadien Amphitheater des kulturellen Austauschs Klaus Dieter Weiss im Gespräch mit Wojtek Grabianowski und Lukas Hampl»Für mich muss immer ein kultureller Bezugspunkt am Anfang stehen, ein Bezugspunkt, der mit dem Standort zu tun hat, eine Art stadtkulturelles Drehbuch des Entwurfs.«Das Spektrum Ihrer Planungsaufgaben ist sehr umfassend. Wie sind die unterschiedlichen Aufgabenbereiche personell organisiert? Wojtek Grabianowski: Ich kenne kein Büro, das so dezentral, so wenig hierarchisch geführt wird. Andere Büros haben ihre Vaterfiguren oder eindeutige Führungspersönlichkeiten und sind auf eine sehr enge Spitze fokussiert. Bei RKW ist das nicht der Fall. Externe Kollegen können sich manchmal nicht vorstellen, wie das funktioniert. Genauso geht es jungen Architekten, die bei uns anfangen. Alle sind überrascht, wie dynamisch und flexibel die Abläufe tatsächlich sind. Wollte man die Arbeit bei RKW in zwei Kernbegriffe fassen, wären dies»engagierte Teamplayer«und»fließende Prozesse«. Sie haben keinen Mr. RKW, der die Außenwirkung und die Marktposition der Firma zu vertreten hat, auch international nicht? W.G.: Nein, und das ist ein sehr großer Vorteil. Wir haben auch deswegen eine so große Marktdurchdringung, weil wir an allen Ecken gleichzeitig unterwegs sind und die Arbeit auf unterschiedliche Schultern verteilen können. So können wir uns gut auf verschiedene Anforderungen einstellen, die innerhalb der Projekte entstehen oder die Bauherren an uns herantragen. Unsere sieben Gesellschafter, aber auch die Geschäftsführer und Projektleiter vertreten ihre Themenfelder durchaus erfolgreich. Es gibt nicht viele Anlässe, bei denen eine zentrale Figur als Repräsentant gebraucht wird. Insofern handelt es sich bei RKW gar nicht um ein einziges Büro. Unter dem gemeinsamen Dach finden sich vielmehr sehr viele leistungsstarke, relativ autarke Teams, deren Zusammensetzung und Größe sich beständig verändert und die sich immer wieder untereinander mischen. Wie kam es zu den internationalen Aktivitäten des Büros? Entwurfsskizzen für das Olympia-Stadion in Sochi W.G.: Als ich in den siebziger Jahren angefangen habe, waren bei RKW keine Ausländer beschäftigt. Ich war der erste im Büro, und ich habe Helmut Rhode davon überzeugt, dass bei RKW auch Ausländer arbeiten sollten. Am Anfang haben wir uns mit Zeichen verständigt, und irgendwann hat Helmut Rhode zu mir gesagt:»wenn Sie besser Deutsch sprechen, dann haben Sie eine Chance auf eine Partnerschaft.«Heute haben wir über 70 ausländische Mitarbeiter aus 30 Nationen in unseren Teams. Lukas Hampl hat im Ausland gelebt und studiert. Das ist die Stärke von RKW. Dass wir Standorte in Warschau, Danzig, aber auch in Moskau eröffnet haben, war nur konsequent und ergab sich durch meine polnische Herkunft fast von selbst. Lukas Hampl: Dieser multikulturelle Hintergrund, sei er familiär gegeben oder durch die Berufsausbildung bedingt, wird immer wichtiger. Bei einer Einstellung achten wir darauf, dass die Bewerber mehr mitbringen als reines Fachwissen, denn ein zu einseitiger Blick auf die Welt verringert unweigerlich die Motivation, offen und unvoreingenommen Ausschau zu halten, andere zu verstehen und unerwartete Ansätze zu akzeptieren.

210 211 Ihr Einstieg in den Bau von Sportstadien war tatsächlich das Münchner Olympia-Stadion von 1972? Ein Stadion ist für Sie also mehr als eine Maschinerie aus exakt definierten Sicherheitsvorkehrungen? W.G.: Ja, das Thema hat schon bei Helmut Rhode angefangen, weil wir an dem Wettbewerb teilgenommen haben, den Günter Behnisch und Frei Otto so spektakulär gewonnen haben. Wir haben sehr schöne Perspektiven gemacht, die übrigens der Vater von Christoph Ingenhoven gezeichnet hat, der damals bei uns Architekt war. Leider haben wir keinen Preis gewonnen, unser Stadion war schlichtweg nicht so progressiv wie das von Behnisch. Es hat dann 40 Jahre gedauert, bis wir tatsächlich ein Stadion gebaut haben. W.G.: Natürlich haben wir alles berücksichtigt, was beim zeitgemäßen Sportstättenbau zu berücksichtigen ist. Das Stadion muss nach den strengen Normen der UEFA funktionieren, das ist klar. Die haben wir studiert, Kosten und Technik perfekt aufeinander abgestimmt. So gesehen ist dieses Stadion tatsächlich eine perfekte, reibungslos arbeitende Maschinerie. Niemand riskiert bei so großen Aufgaben und bei so viel Einsatz, im ökonomischen oder technisch-konstruktiven Wettbewerb zu versagen. Aber gewonnen hat in diesem Wettbewerb definitiv unsere spektakuläre Verpackung. Was war Ihr Leitmotiv für das Stadion in Danzig? W.G.: Jeder von uns hat ein anderes System, eine spezifische Entwurfsidee aus der Aufgabe herauszukristallisieren. Für mich muss immer ein kultureller Bezugspunkt am Anfang stehen, ein Bezugspunkt, der mit dem Standort zu tun hat, eine Art stadtkulturelles Drehbuch des Entwurfs. Das war auch bei der PGE Arena so. L.H.: Wir wussten, dass in Polen ein anderes Geschichtsbewusstsein als bei uns herrscht, es ist viel lebendiger. Darum haben wir uns für die PGE Arena vorgenommen, nicht nur einen Bezugspunkt zu schaffen, also nicht nur den Bernstein, der mit Tradition und Identität dort zu tun hat, sondern auch die Schiffswerften einzubeziehen, die direkt gegenüber am Hafen liegen. Schließlich hatte dort die Arbeiterbewegung Solidarność ihren Ursprung, eine extrem wichtige Bewegung der jüngeren polnischen Geschichte. Die Konstruktion des Stadions folgt darum dem Motiv der Schiffsspanten mit ihrer Beplankung. Der Masterplan zeigt dagegen Steine am Ostseestrand. Einer von ihnen ist dann der Bernstein in Gestalt des Stadions. Das sind sehr eindeutige Bezugspunkte, die nicht wie Wind und Wolken überall herzustellen sind. Fassadenstudie der PGE Arena, Danzig L.H.: Der Unterschied zwischen einem Hochhaus und einem Stadion liegt darin, dass beim Hochhaus die Fassade und das eigentliche Gebäude sehr eng verknüpft sind. Beim Stadion sind Funktion und Hülle dagegen weitgehend voneinander getrennt. Wie beim Auto ergibt sich das Erscheinungsbild nicht zwangsläufig aus dem Fahrgestell und dem Motor. Wir haben versucht, über die Notwendigkeit der Einhüllung dem Ganzen ein Gesicht zu geben. Es offenbart die Funktion, das Zusammenkommen der Menschen und Nationen, die Begeisterung für den Sport und es setzt natürlich ein weithin sichtbares Zeichen. Dieser Aspekt ist insbesondere in Danzig sehr wichtig, weil die Stadt sich nicht nur mit dem Gebäude, sondern auch mit dem Ereignis der Europameisterschaft im Gedächtnis der beteiligten Nationen verankern möchte. Was war die zentrale Idee für das Stadion in Warschau? W.G.: In Warschau gibt es einen großen Park, ähnlich dem Hyde Park in London. An seinem Rand stehen große Gebäude, darunter auch die Gesellschaftsräume des Königs. Die sind in den Park orientiert, an dessen Grenze das Stadion entsteht. Die Idee war darum, einen Diamanten zu bauen. Wenn es da schon architektonische Juwelen gibt, dann muss das Stadion ein Diamant werden. L.H.: Das Olympia-Stadion für die Winterolympiade 2014 in Sochi zeigt dagegen die zahlreichen Facetten des Gastgeberlandes in einer Art und Weise, die auch mit dem Wintersport zu tun hat: Eiskristalle, Schneeflocken, winterliches Glitzern. Die Elemente sind aber auch so steuerbar, dass sie zur Medienfassade werden und Bilder übermitteln eine riesige Medienskulptur. Wie wird in Sochi das Problem der Nachnutzung gelöst? L.H.: Der besondere offene Zuschnitt des Stadions beruht darauf, dass dort das olympische Feuer entzündet wird. Es ist das Stadion für die Eröffnungsveranstaltung und für die Abschlussfeier. Hinterher soll es dann als Trainingsstadion für die russische Nationalmannschaft dienen. Für zwei Tage wird also so ein Stadion gebaut, damit muss man erst einmal zurechtkommen. Es ist also notwendig, immer wieder darauf hinzuweisen, dass auch an die spätere Nutzung gedacht wird, damit hinterher PGE Arena, Danzig

212 213 nicht ein weißer Elefant zurückgelassen wird. Wie realistisch die Pläne in diesem Fall wirklich sind, wird sich erst im Nachgang zeigen. Es gibt unterschiedliche Konzepte, vom Konferenzzentrum über Business-Clubs bis zu Büros. Wir hatten konkret eine Reduktion der Tribünen und die Nutzung des frei werdenden Raumes als Hotel und Konferenzzentrum vorgesehen. Interessant sind aber auch die kleinen Stadien in Polen, die auf die große Geste verzichten und allein von einer elementaren Konstruktion leben. hülle dran und schreiben ganz groß unseren Vereinsnamen drauf. Wenn man aber etwas gestalterisch Besonderes macht, werden nicht nur die beteiligten Planer und Firmen euphorisch, sondern auch die Bürger und die Presse. Ein Fußballstadion für große europäische Spiele wird nicht jeden Tag gebaut. Dabei muss aber auch gesehen werden, dass das Münchner Stadion 360 Millionen Euro gekostet hat und in Danzig lediglich 120 Millionen zur Verfügung stehen, ganz abgesehen von den unterschiedlichen ökonomischen Rahmenbedingungen. W.G.: In Polen gibt es wie in Deutschland zahlreiche Städte in einer Größe zwischen 50.000 und 100.000 Einwohnern, die meist noch über kein Stadion verfügen. Für die Stahlstadt Stalowa Wola haben wir darum eine kleine Anlage für maximal 15.000 Zuschauer entworfen. Die Edelstahlhaut, die wir uns dafür mit Blick auf die dort ansässige Industrie ausgedacht hatten, war aber leider zu kostspielig. L.H.: Eine Besonderheit in der Bearbeitung von größeren Sportstadien vielleicht auch von kleineren ist die Begeisterung aller Beteiligten für das Thema. Diese Euphorie reicht viel weiter als bei einem Museum, das natürlich als die intellektuellere Aufgabe gelten darf. Bei Stadien geht die Begeisterung durch alle Schichten. Sie nimmt den Taxifahrer ebenso gefangen wie den Oberbürgermeister oder den Universitätsprofessor. Erleichtert das die Planungsarbeit? Oder sind Bauaufgaben im Ausland immer noch ein schwieriges Feld? L.H.: Es ist nicht einfach, von Deutschland aus zu planen, und in Polen wird es dann umgesetzt und ausgeführt. Um mit den Währungs- und Honorarunterschieden auszukommen, muss man erfinderisch sein. Aber bei Fachplanern ist auch immer wieder eine große Motivation anzutreffen, was bei anderen Gebäudetypen nicht immer zutrifft. Es ist eben ein Unterschied, ob das ein schönes Stadion ist oder nur eine funktionale Maschine. Denn viele Clubs, viele Menschen, die sich mit dem Thema Stadion auch professionell auseinandersetzen, sagen natürlich: Architektur stört nur. Wir brauchen eigentlich nur den Kessel, die richtigen Räume, also nur die Maschine. Und da machen wir eine Blech- Olympia-Stadion, Sochi Olympia-Stadion, Sochi

214 215 Sport

Sport 216 217 Königpalast, Krefeld Bauherr Krefelder Bau GmbH BGF 24.130 m² Planungszeit März 2003 Feb. 2004 Bauzeit Aug. 2003 Dez. 2004 Mit der Eisarena Königpalast ist eine Multifunktionsarena entstanden, deren fließende Fassaden aus blaugrünem Profilglas bereits von außen den Veranstaltungsschwerpunkt Eishockey signalisieren. Der transluzente Charakter der in horizontalen Bändern arrangierten Glaselemente sorgt in Verbindung mit integrierten Lichteffekten während der Veranstaltungen und bei Tag- und Nachtstimmung für wechselnde Erscheinungsbilder und Einblickmöglichkeiten. Die Krefelder bezeichnen sich selbst als eishockeyverrückt. Die vor 70 Jahren gegründeten Krefeld Pinguine gelten nach den Vereinen der Hochburgen Köln und Mannheim als drittbeste Mannschaft seit Bestehen der Deutschen Eishockeyliga. Lange Zeit fehlte in Krefeld ein angemessenes Stadion oder besser eine spezifische»kampfarena«. Der Beschluss der Stadt, gegenüber der Rheinlandhalle eine multifunktionale Veranstaltungshalle für 8.000 Zuschauer mit dem Schwerpunkt Eishockey zu errichten, bot die Chance, die an diesem Standort sehr diffuse Stadtstruktur und den im westlichen Anschluss anonymen Baubestand aufzuwerten. Schnelligkeit und Beweglichkeit, die schwungvollen Spuren im Eis und das Medium Eis selbst. Der bewegte Baukörper fügt sich in den Besucherstrom und folgt gleichzeitig den differenzierten funktionalen Ansprüchen im Inneren: Wettkampfarena, Aufenthaltsbereiche, Restaurant, Umkleiden, Technikräume. Das vorgezogene erste horizontale Band wird im Eingangsbereich zum Vordach. Grafikmotive und Beleuchtungseffekte, die in unterschiedlich transparente Schichten der Fassade integriert sind, vermitteln auf subtile Weise die Stimmung und Atmosphäre im Inneren. Tagsüber passt sich die Fassade wie ein Chamäleon den Tageszeiten und jahreszeitlichen Lichtverhältnissen an und zeigt sich dem Passanten auch unab hängig von Veranstaltungen in wechselnden Anmutungen. Die fließenden Formen der Gebäudehülle verkörpern die Dynamik des Eishockeysports, seine

Sport 218 219 ISS Dome, Düsseldorf Bauherr IDR Industrieterrains Düsseldorf-Reisholz AG BGF 34.500 m² Planungszeit Sept. 2004 Nov. 2005 Bauzeit März 2005 Sept. 2006 Wettbewerb 1. Preis Wie ein großer glänzender Kieselstein liegt die Arena in der ebenen Landschaft des Düsseldorfer Nordens. Die Multifunktionshalle aus Porenbeton- Elementen und Aluminium-Dach, die 13.400 Zuschauern Platz bietet, vermittelt dem Besucher schon von außen Stimmung und Atmosphäre großer Sportereignisse und Veranstaltungen. Die Farbigkeit der 11.400 Sitzplätze in der Halle wechselt von unten nach oben in drei Schritten von einem hellen zu einem dunklen Rot. Zusätzlich stehen 38 Logen von etwa 40 Quadratmetern zur Verfügung, außerdem ein Business-Bereich mit 624 Plätzen, der unabhängig von Sportveranstaltungen genutzt werden kann. Presseräume, Mannschaftskabinen und Technik sind im Erdgeschoss untergebracht. Bei Eishockeyspielen können die Sitzplätze des Unterrangs für zusätzliche 4.000 Stehplätze demontiert werden. Dieser Bereich unmittelbar an der Spielfläche besteht zum Teil aus Teleskoptribünen, die zur Vergrößerung der zentralen Arena eingefahren werden können. Mit ihren Abmessungen von 106 144 Metern und einer Veranstaltungsfläche von 1.800 Quadratmetern entspricht die Veranstaltungshalle den Anforderungen für internationale Sportwettkämpfe aller Art. Die wandelbare Lichtführung konzentriert die Aufmerksamkeit auf die Spiel- und Aktionsfläche in der Mitte des Kessels. Die Halle ist jedoch nicht nur als Eis- und Sportarena, sondern auch als Austragungsort für politische und gesellschaftliche Großveranstaltungen konzipiert. Konzerte und Ausstellungen können hier ebenso stattfinden wie Firmen-Events. In nur acht Stunden lässt sie sich zum Beispiel vom Konzertsaal in eine Sportstätte verwandeln und ist damit eine der flexibelsten und innovativsten Arenen in Deutschland. Nach dem klassischen Grundsatz, dass die Form der Funktion folgen soll, entwickelt sich der asymmetrische Baukörper aus der Anordnung der Tribünen, Sitzränge und Logen. Die prägnante Form prägt den Düsseldorfer Norden zeichenhaft.

Sport 220 221 Olympia-Stadion, Sochi Auftraggeber Olympstroi BGF 50.500 m² Wettbewerb 1. Preis Aufwirbelnde Schneeflocken, flirrendes Sonnenlicht, Wasserteilchen einer sprühenden Gischt: Das glitzernde Paillettendach der Arena lockt die Zuschauer mit dem bevorstehenden Erlebnis im Olympia-Stadion. Die unterschiedlichen Lichtstimmungen der Hülle gewährleisten seine Attraktivität auch im Sommer, wenn der Badeort zum begehrten Urlaubsziel wird. Die Pailletten bilden darüber hinaus Dächer für Fahrräder, Kioske oder Versammlungspunkte und sind gleichzeitig Medienfassade: Monitore und riesige LED-Bildschirme, die das Geschehen aus dem Innenraum nach außen oder in andere Bildwelten transportieren. Da die statischen Lasten senkrecht abgeführt werden, ist das Gebäude erdbebensicher. Der offene Stadionkessel ermöglicht es den Athleten, von allen Seiten oberhalb und unterhalb der Tribünen in die Arena einzuziehen. Er gewährt freien Blick auf die beeindruckende Bergkulisse des Kaukasus und stellt einen unvergleichlichen Bezug zum Ort her. Ein umlaufender Servicering innerhalb der Arena hält den Verkehr von Be suchern, Sportlern und Servicepersonal kreuzungsfrei. Ob Rollstuhlfahrer, VIP-Gast, Fan oder Medienvertreter, jeder gelangt ungehindert an seinen Platz. Die lückenlos videoüberwachte Arena kann im Notfall in 15 Minuten geräumt werden. Im Bodenaufbau des Stadions sind unterschiedliche Hebebühnen und Oberflächen, von Eis bis zu LED, integriert. Die modularen Elemente erlauben es, den Innenraum flexibel zu bespielen, und schaffen so auch die Voraussetzung für die Eröffnungszeremonie. Das Entzünden der olympischen Flamme in der Kesselöffnung soll der Beginn einer unvergesslichen Inszenierung werden. Nach den Spielen kann das Stadion zu einer Fußballarena gemäß den Anforderungen der UBV und FIFA umgebaut werden, indem die Kopfseite durch zusätzliche Ränge geschlossen wird. Die oberen Ränge können in diesem Fall zurückgebaut werden.

Sport 222 223 PGE Arena, Danzig Bauherr Stadt Danzig BGF 60.200 m² Planungszeit Feb. 2008 Dez. 2008 Bauzeit April 2009 April 2011 Wettbewerb 1. Preis Der internationale Fußballverband hat Polen und die Ukraine als Austragungsort für die Euro pameisterschaft 2012 ausgewählt. Damit rückt Polen in den Fokus der Weltöffentlichkeit. Die PGE Arena in Danzig wird zum Aushänge schild des Landes und zum Ausgangspunkt für die urbane und wirtschaftliche Entwicklung eines ganzen Stadtviertels. Die Strände des Baltikums sind bekannt für ihre Bernsteine, das Gold der Ostsee. Wie Findlinge und Kiesel am Meer liegen darum auch das Stadion, die Einkaufsmöglichkeiten und das Hotel im Gelände vergleichbar einer durch Gezeiten und Brandung entstandenen Formation. So wie Bernsteine durch die Beständigkeit des Wassers, des Sandes und der Seeluft rund geschliffen werden, scheint auch die Architektur durch diese Elemente bestimmt worden zu sein. Transparenz, Leichtigkeit und seine bernsteinfarbene Leuchtkraft machen das Stadion zu einer identitätsstiftenden Landmarke, mit der Danzig die Kraft seiner Stadtgeschichte in die Zukunft des 21. Jahrhunderts überträgt. Die Architektur der Arena ist ein Sinnbild für die Hansestadt und nimmt deren direkten Bezug zum Wasser auf. Schiffsbau und Werftindustrie spielten eine zentrale Rolle im Wirtschaftsleben der Ostsee-Metropole. Das filigrane Tragwerk der Arena erinnert folgerichtig an einen Schiffsrumpf. Die schimmernde Außenhülle besteht aus sechs unterschiedlich durchgefärbten Modulvarianten, die in ihrer Mischung einen homogenen Farbverlauf erzeugen. Um die Spielfläche des Fußballstadions nahezu verschattungsfrei zu halten, wird die Dachhaut nach oben zunehmend transparenter und scheint regelrecht in den Himmel überzugehen. Eine gute Verkehrsanbindung, die zentrumsnahe Lage und ihre komfortable Ausstattung machen die multifunktionale Arena dauerhaft zum idealen Ort für Konzerte, Business-Meetings, Kongresse und VIP-Veranstaltungen.

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Kontinuität 226 227 1 Karl Popper: Objektive Erkenntnis. Ein evolutionärer Entwurf (Objective Knowledge, London 1972), Hamburg 1973/1993, S. 272 273. Der österreichisch-britische Philosoph Karl Popper (1902 1994) hat das Wesen des architektonischen Entwurfs in seiner Eigenschaft als Problemlösung am besten getroffen. Zwar ersetzte er in seinen Abhandlungen zur Falsifikationstheorie der Wissenschaften den Begriff»Entwurf«durch den allgemeineren Terminus»Problem«, aber seine Argumentation behält auch nach dem Austausch dieser Vokabeln ihre Stichhaltigkeit. Für Popper liegt der beste Weg, ein Problem zu lösen, darin, mit dem Problem bzw. der Entwurfsaufgabe besser vertraut zu werden. Zur Erforschung des Problems dienen letztlich untaugliche, aber schnell greifbare Lösungen, die nur vorgeschlagen werden, um sie anschließend zu kritisieren und auf diesem Weg die Entwurfsaufgabe bzw. Problemstellung im Detail zu erschließen.»denn ein Problem verstehen heißt seine Schwierigkeiten verstehen; und die Schwierigkeiten verstehen heißt einsehen, warum es nicht leicht lösbar ist warum die naheliegenden Lösungen nicht funktionieren. So machen wir uns mit dem Problem vertraut und können von schlechten Lösungen zu besseren kommen immer vorausgesetzt, daß wir die schöpferische Fähigkeit haben, immer neue Vermutungen anzustellen.«1 Poppers wissenschaftliche Herangehensweise zielt auf»die Methode der kühnen Vermutungen und der erfinderischen und ernsthaften Versuche, sie zu widerlegen.«theorien werden nicht überprüft, indem sie verifiziert werden, sondern umgekehrt, indem sie falsifiziert werden. Dogmatismus wird auf diesem Weg der Negativauslese von vornherein vermieden. Der architektonische Entwurf, der die Lust am Schönen ebenso aufgreift wie die geistige Stimulation und die vernünftige Anpassung an die gegebenen Umstände, lässt sich nicht in einem deduktiven Prozess gewinnen nicht einmal mit Hilfe des Computers. Vielmehr ist der Entwurf selbst ein Instrument der Problemfindung, nicht allein der Problemlösung. Der Entwurf dient der Kenntnisfindung durch einen iterativen Prozess aus Mutmaßung und Widerlegung. Das liegt zum einen in der kulturellen Dimension der 2 Pierre von Meiss: Vom Objekt zum Raum. Dimensionen der Architektur (De la Forme au Lieu, Lausanne 1986/1993), Basel 1994, S. 210. Architektur begründet, zum anderen aber auch in der Unmöglichkeit, von Beginn an alle komplex verwobenen Ebenen eines architektonischen und stadtplanerischen Problems zu durchschauen. Der Schweizer Architekturtheoretiker Pierre von Meiss folgert darum auf der Argumentationslinie von Karl Popper:»Kulturelle Sensibilität, Kenntnisse und Ausbildung des Entwerfenden entscheiden über das Niveau, auf welchem dieser Vorgang von Mutmaßungen und Widerlegungen stattfindet. Das Horchen auf Kräfte und Hoffnungen der Gegenwart, die Neugier und der kritische Respekt gegenüber den Bauten der Vergangenheit und die geduldige Suche nach einer Methode führen letztendlich zum Entwurf. Nicht die Unkenntnis führt zur Genialität; sie überläßt sie dem Zufall. Kenntnis und Erfahrung lassen den Architekten die Welt, in der er handelt, besser verstehen.«2 Sie geben ihm die notwendigen architektonischen Mittel an die Hand. Der lange Atem des Architekten als Problemlöser ist darum ebenso notwendig wie eine Kontinuität des beständigen Fortentwickelns: mit dem visionären Blick nach vorne, aber auch mit dem Blick in das gewaltige Archiv vorangegangener Entwicklungen und Erfahrungen, die den Fortschritt nicht ersetzen können, ihn aber mit Basisdaten der Falsifikation ganz wesentlich beeinflussen. Das Weiterdenken positiver Ergebnisse von Baugeschichte und Architekturentwicklung erweitert die Recherche- und Erfahrungstiefe um eine weitere Dimension, die wie sich immer wieder zeigt leider am allerwenigsten zur gängigen Berufspraxis gehört. Darum ist der Anspruch, den RKW in dieser Frage über sechs Jahrzehnte aufrechterhalten hat, so bemerkenswert. Kontinuität sichert den über die Jahrzehnte erreichten Kenntnisstand als Beitrag für neue Aufgaben und neue Erkenntnisse. Fortschritt und Fortentwicklung sind auch in der Architektur nur möglich, wenn die Entwicklungslinien nicht im Sande verlaufen.

228 229 Handel im Wandel von Urbanität und Stadt Klaus Dieter Weiss im Gespräch mit Barbara Possinke und Dieter Schmoll»Aber auch die grüne Wiese ist ein Auslaufmodell. Die Zukunft der Handelsarchitektur spielt im Bestand, unter Berücksichtigung aller Aspekte von Individualität und Nachhaltigkeit.«Einkaufszentrum Goldberg, Halle a. d. Saale Die Handelsarchitektur gehört zu den Domänen von RKW. Was ist für Sie die Essenz aus 60 Jahren Erfahrung auf diesem Gebiet? Barbara Possinke: Es ist vor allem ein Erkenntnisvorsprung. Wir wissen um die Bedeutung von Handelsarchitektur, die gewiss eine der vielschichtigsten und umfassendsten Disziplinen der Architektur darstellt. Wer weiß, dass es Handelsplätze waren, die als Keimzellen der Städte funktioniert haben, und dass sich menschliche Ansiedlung fast instinktiv im Umkreis von Orten des Warenaustauschs vollzogen hat, ahnt die vielfältigen Funktionszusammenhänge. Ein modernes Shopping-Center oder Warenhaus müssen natürlich Kunden anziehen. Aber es muss auch den Bedürfnissen des Betreibers, der Händler und der Lieferanten nachkommen. Die Wege müssen kurz, die Besucherführung muss intuitiv und das Angebot abwechslungsreich sein von Entertainment und Gastronomie, Brandschutz, Licht, Farbe und Akustik ganz zu schweigen. Es ist eigentlich nur der letzte Schritt, das Objekt dann auch noch in eine äußere Form zu bringen, für die es vielleicht einen BDA-Preis gibt. Daher sehen wir uns nicht nur als Architekten, sondern vielmehr auch als umfassende Berater unserer Auftraggeber. Dieter Schmoll: Die weißen Riesen der Innenstadt, die markanten Horten-Warenhäuser der sechziger und siebziger Jahre sind ein wichtiger Teil unserer Bürogeschichte. Unser Gründer Helmut Rhode hat sich damals intensiv mit dem Handel auseinandergesetzt. Wir waren die ersten Architekten, die für Horten und Karstadt im Nachkriegsdeutschland Warenhäuser gebaut haben. In dieser Zeit wirtschaftlicher Dynamik wurde die Tradition der Warenhauskultur in einer neuen, damals als modern empfundenen funktionalen Sprache weitergeführt, und dabei wurde ein neuer Bautyp hervorgebracht. Seit dieser Zeit beschäftige ich mich sehr intensiv mit der Handelsarchitektur und konnte die Zeitgeschichte des Handels kontinuierlich begleiten und verstehen lernen, seinen ständigen Wandel und seine Flüchtigkeit mit immer kürzer werdenden Halbwertszeiten. Durch die Projekte auf der grünen Wiese wurden uns die Auswirkungen auf die europäische Stadt mehr als bewusst. Was sind unsere Städte ohne den Handel? Handel und Stadt bedingen sich gegenseitig und bilden eine Symbiose. Nichts ist aber so unbeständig wie der Handel. Er folgt stetig den sich ändernden Bedürfnissen unserer Gesellschaft. Es darf also nicht verwundern, dass wir in unserer 60-jährigen Firmengeschichte durch eine Vielzahl von Projekten wie dem CentrO in Oberhausen und dem Sevens auf der Königsallee in Düsseldorf ein Stück zu dieser Historie des Wandels beigetragen haben. In der Wirtschaftskrise scheint sich die Geschwindigkeit dieses Wandels zu potenzieren, wenn er selbst die großen Handelsimmobilien in den Städten betrifft. Wie sehen Sie die Entwicklung in der Zukunft? D.S.: Der Handel hat eine schwierige Zeit vor sich, das ist aber nicht nur Ausdruck der augenblicklichen Wirtschaftskrise und der rasant steigenden Umsätze im Internethandel. Bei den Warenhäusern hat bereits in der Vergangenheit eine Bereinigung stattgefunden. Über die reine Bedarfsdeckung

230 231 Entwurfsskizze Karstadt, Leipzig hinaus konnte für das Warenhaus trotz größter Anstrengungen keine ansprechende Lösung für das gestiegene Bedürfnis nach Emotion und Erlebnis gefunden werden. Spätestens mit der Öffnung nach Osten fand die weitere Entwicklung wegen der ungeklärten Eigentumsverhältnisse in der Innenstadt nur noch auf der grünen Wiese statt. Das Ende der großen historischen Kaufhäuser war besiegelt. Sie wurden nach amerikanischem Vorbild durch große regionale Shopping-Center an der Peripherie der Städte ersetzt. Seither haben sich die Probleme in den Innenstädten potenziert. Wir können als Stadtplaner den rückläufigen Trend zurück in die Mitte nur begrüßen. Wenn die neuen großen Handelsformen in unseren viel zu engen Städten überhaupt Platz finden können, sind neue, innovative Ideen gefragt. Ich meine in erster Linie die Fragen nach einer glaubwürdigen, ehrlich gemeinten Integration, die nachhaltig ist und sozial-kulturelle Aspekte berücksichtigt. Das Beliebige und Banale wird keinen Erfolg verzeichnen. So darf in unseren Städten die Errichtung von Shopping-Centern nicht nach Schema F erfolgen. Das beginnt schon mit der Namensgebung. Immer neue Arkaden oder Center aus dem Boden zu stampfen ist nicht mehr gefragt, der Trend geht zur Individualisierung. B.P.: An der Immobilienakademie der Universität Regensburg arbeite ich seit Jahren als Dozentin für das Thema Handelsarchitektur. Dort diskutieren wir mit angehenden Centermanagern oder Projektentwicklern auch darüber, wie die Probleme in der Innenstadt gelöst werden können. Warenhäuser haben die Tante-Emma-Läden und damit die kleinteilige Handelsstruktur verdrängt, und jetzt haben die Center die Warenhäuser verdrängt und sie gezwungen, ihre Flächen oder das ganze Geschäft aufzugeben. Geht ein großes Warenhaus erst einmal in die Knie, strahlt das ganz schnell auf die Umgebung aus. Es dauert oft nur ein bis zwei Jahre, bis in der Nachbarschaft ein sich ausbreitender Leerstand entstanden ist. Die Innenstädte veröden. In Städten wie etwa Oberhausen können wir das zurzeit beobachten. D.S.: Den Trend zur Offenheit bestätigt auch, was wir auf einer USA-Reise in Arizona gesehen haben. Dort wurde die europäische Innenstadt simuliert mit Straßen, Plätzen, Brunnen, Laternen, aber als Shopping-Center. Nachdem wir die amerikanischen Malls kopiert haben, kopieren die Amerikaner jetzt uns, wobei wir nicht die klimatischen Verhältnisse vergessen dürfen. Bei uns ist es kälter, regnerischer und dunkler, was die Tendenz zum Überdachen schon rechtfertigt. Ein weiteres Modell besteht in der Integration in den historischen Rahmen oder unter denkmalpflegerischen Aspekten in die Stadt. Wie sind da Ihre Erfahrungen? B.P.: Ein gutes Beispiel für die Kombination von Offenheit und historischem Kontext entwickeln wir gerade in Städten wie Weil am Rhein, Friedberg, Rheine usw. Dort entsteht eine innerstädtische Galerie, umgeben von Fachwerkhäusern, und wir versuchen, die Stadtstruktur fortzuschreiben und die Gassen und die Kleinmaßstäblichkeit dieses Ortes modern nachzuempfinden. Wenn es hingegen um Sanierung oder Erweiterung von bestehenden Warenhäusern geht, ist es oft immens hilfreich, auch auf die örtliche Bevölkerung zu hören. So war es bei uns beispielsweise in Erfurt, beim Center Römischer Kaiser. Das Haus stammt aus dem 19. Jahrhundert und wurde um eine Karstadt-Fläche mit einem sehr schönen Innenraum erweitert. Bei dem Projekt waren die Erfurter auf der Baustelle allgegenwärtig diejenigen also, die dort früher eingekauft haben. Die Gespräche mit älteren Bürgern haben uns animiert, ihre Erinnerungen zu rekonstruieren. Sie haben bemalte Glasdecken und Innenhöfe beschrieben, die zu DDR-Zeiten zugebaut worden waren. Wir haben erst von den Einwohnern erfahren, wie das Haus früher aussah, denn es existierte keinerlei Überlieferung. Vor der Baustelle gab es Diskussionsforen zwischen Architekten, Bauleuten und Einwohnern. Wir haben gesehen, wie wichtig diese Entwicklung für die Erfurter war. Und diese Emotionen, dieses Engagement zu respektieren, das war für den Erfolg beim Publikum extrem wichtig. Mit welchen Lösungen, die auch dem individuellen, kleinteiligen Handel in der Stadt gerecht werden, lässt sich gegensteuern? B.P.: Ein Modell, das dem früheren Ideal urbaner Vielfalt der Handelsflächen sehr entgegenkommt, ist das der offenen Straße als Center. Dabei schließen sich die Eigentümer von Brachen und leer stehenden Gewerbebauten mit den Händlern einer Straße oder eines Blocks zusammen und etablieren ein zentrales Management, das für die Ansiedlung mit einem sinnvollen Branchenmix sorgt. Es spielt dann keine Rolle, dass Banken oder Spielhallenbetreiber eine höhere Miete zu zahlen bereit wären als das regionale Lebensmittelgeschäft. Es geht nicht um schnelle Rendite, sondern um eine funktionierende Mischung und das nicht innerhalb eines geschlossenen Gebäudes, einer Black Box, sondern in einer offenen, transparenten und dynamischen Struktur. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Stützung von lokalen Händlern anstelle von globalen Filialisten. Schon heute finden sich in allen Innenstädten Deutschlands fast identische Reihungen von Filialen das zieht die Kunden nicht mehr an. Worin unterscheidet sich die Planungsarbeit an Handelsobjekten von anderen Aufgaben? D.S.: Ein zentraler Punkt ist die Zuverlässigkeit des Planungs- und Bauablaufs. Meistens stellen die zeitlichen Vorstellungen der Auftraggeber zwar eine große Herausforderung dar, aber den Eröffnungstermin einzuhalten ist in diesem Geschäft die Grundvoraussetzung. Hinzu kommt, dass solche Objekte einen ungeheuren Integrationsaufwand erfordern. Wir haben ja nicht nur ein Gebäude mit den verschiedensten Fachdisziplinen, sondern darin in der Regel 90 bis 120 Mieter, die ihre eigenen Vorstellungen entwickeln. Das alles unter einen Hut zu bringen erfordert eine gewaltige Anstrengung, für die wir eigene Mieterkoordinatoren einsetzen. Aber es ist das Wichtigste, dass der einzelne Anbieter sich im Ensemble wiederfindet. Das zu leisten, pünktlich wie ein Uhrwerk, gehört zum Selbstverständnis von RKW. Spandau Arcaden, Berlin

232 233 B.P.: Ich fühle mich immer wie ein Mediator und sitze oft mit 30 Projektbeteiligten am Tisch, von denen jeder vor allem auf die Umsetzung der eigenen Ziele bedacht ist. Es ist die Kunst, all das in eine harmonische Einheit zu bringen. Bei den historischen Häusern kommt auch noch die Denkmalpflege dazu. Ich habe selbst viele denkmalgeschützte Gebäude wieder zum Leben erweckt, da ich nach dem Studium in Polen in der Denkmalpflege gearbeitet habe. Wir werden immer wieder zu Projekten wie dem Stadtpalais in der barocken Stadterweiterung von Potsdam gerufen. Dort haben wir das ausgebrannte Warenhaus mit allen Details wie einer bemalten Glasdecke und wunderschönen Ornamenten rekonstruiert. Da wurde jede Schraube zusammen mit dem Denkmalpfleger festgelegt. Welche Möglichkeiten sehen Sie für die aufgegebenen Warenhäuser der Gegenwart? B.P.: Die Erkenntnis, dass es notwendig ist, nicht nur für das Haus, sondern auch für die Stadt mitzudenken, ist vorhanden, auch im German Council of Shopping Centers, in dem wir aktives Gründungsmitglied sind. Wir haben gerade im Auftrag von Goldman Sachs 48 Karstadt-Häuser im Hinblick auf ihre Nachnutzung untersucht. Unser Ziel ist, die bestehenden Immobilien, zum Teil sehr schöne Häuser, im Inneren zu strukturieren, etwa in drei Fachgeschäfte mit drei Eingängen zur Straße aufzuteilen, um sie dann nach oben zu entwickeln. Eine andere Lösung könnte darin liegen, in den großen Städten wie Berlin, Hamburg oder Frankfurt jeweils ein großes Warenhaus zu etablieren, dominante Formate wie im 19. Jahrhundert. Kleinere Warenhäuser sind nicht mehr überlebensfähig. Aber auch die grüne Wiese ist ein Auslaufmodell. Die Zukunft der Handelsarchitektur spielt im Bestand, unter Berücksichtigung aller Aspekte von Individualität und Nachhaltigkeit. Letzteres ist für uns schon sehr lange ein extrem wichtiger Faktor. Alle unsere Projekte werden nach den strengen DGNB-Kriterien bewertet. Nur ein Beispiel: Hier fängt die Kohlendioxid-Bilanzierung schon bei den einzelnen Baumaterialien an und nicht erst beim fertigen Gebäude. Viele weitere Faktoren der ökologischen, ökonomischen, soziokulturellen, funktionalen oder technischen Qualität werden dabei erfasst und garantieren höchste Effizienz. D.S.: Eine andere Perspektive für unsere Städte ist die europäische. Wenn hierzulande die Konkurrenz wegbricht, könnten sich vielleicht andere europäische Warenhäuser in deutschen Städten etablieren und einen Gegenpol bilden. Europa wächst zusammen, und in der Folge wird sich die Vielfalt der Länder auch in unseren Innenstädten widerspiegeln. Das ist eine gute Entwicklung. Am Ende wird der Traum von Architekten und Stadtplanern, dass Wohnen, Leben und Arbeiten in der Stadt gleichzeitig möglich sind, doch noch Wirklichkeit. Rebhuus-Passage, Weil am Rhein

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Handel 236 237 Büro- und Geschäftshaus Trommsdorffstraße, Erfurt Bauherr Optimus Grundstücksgesellschaft mbh & Co. Bauträger-KG BGF 6.800 m² Planungszeit Feb. 2000 März 2001 Bauzeit Aug. 2000 April 2001 In unmittelbarer Nachbarschaft zu einem der größten Plätze der Erfurter Altstadt entstand an der Trommsdorffstraße mit Blick auf den Anger ein neues Büro- und Geschäftshaus. Damit wurde ein wichtiger Beitrag für die Aufwertung der historischen Altstadt geleistet. Der neue Bau im Herzen der Erfurter Innenstadt ist direkt an die Fußgängerzone angebunden. Auf Basis des historischen Stadtgrundrisses wurde der bislang ungeordnete und durch eine stark angegriffene Substanz geprägte Baublock mit einem homogenen Volumen klar strukturiert. Die konkav geschwungene Fassade nimmt die Baulinie aus der Gründerzeit entlang der Trommsdorffstraße auf und schließt sie an der Kreuzung zur Meyfahrtstraße ab. Der runde Übergang zur Meyfahrtstraße sorgt für die Gleichwertigkeit beider Straßen, die so zu einer Erweiterung der Fußgängerzone werden. Gleichzeitig wird auf diese Weise die Ausrichtung und die Verbindung zum Anger gestärkt. Maßstäblichkeit des Bestandes ein. Die Verkaufsflächen liegen im Erdgeschoss und den beiden Geschossen darüber, in den beiden oberen Geschossen sind dagegen Büros untergebracht. Zentral gelegene offene Rolltreppen verbinden die Verkaufsebenen intern miteinander. Die Büroetagen wurden flexibel angelegt und können nach Bedarf zu Erweiterungsflächen des Kaufhauses umfunktioniert werden. Die gesamte Erdgeschosszone ist ganzflächig von Schaufenstern umgeben. In den oberen Geschossen wechseln in Anlehnung an die Nachbarbebauung und die Erweiterung des Angers verglaste, offene mit verputzen, geschlossenen Flächen ab. Der Eingang befindet sich in der verglasten Eckausrundung und ist damit direkt vom Platz aus sichtbar und zugänglich. Das fünfgeschossige Geschäftshaus nimmt die Traufhöhen der benachbarten Gebäude auf und fügt sich in die

Handel 238 239 Shopping Center Sevens, Düsseldorf Bauherr Sevens Düsseldorf GbR BGF 35.700 m² Planungszeit 1997 2000 Bauzeit April 1999 Okt. 2000 Auszeichnung MIPIM AWARD 2001 Die Galerie Sevens liegt direkt an der Düsseldorfer»Kö«, einem äußerst attraktiven, aber auch herausfordernden Umfeld. Für das innovative und richtungsweisende Konzept wurde RKW mit dem MIPIM Award (Marché International des Professionnels de l immobilier) 2001 ausgezeichnet. Ausschlaggebend für die Jury war die gelungene Synthese von Erlebnis- und Lifestylewelten in einer spannungsreichen und reizvollen Einkaufslandschaft. Mit ihrer prägnanten Glasfuge weckt die Fassade schon von außen die Neugier der Passanten. Die Gebäudefront fügt sich einerseits zurückhaltend in das denkmalgeschützte Ensemble der Königsallee ein, andererseits setzt sich der Bau in diesen Grenzen aber bewusst ab und macht so in Konkurrenz mit der prominenten Einkaufsmeile auf sich aufmerksam. Das Kernstück des siebenstöckigen Kaufhauses stellt ein glasüberdachter, 35 Meter hoher Luftraum dar, der sich nach oben aufweitet und wie ein Trichter für alle sieben Etagen Tageslicht einfängt. Die ab dem dritten Obergeschoss schräg verglaste Südfassade begünstigt diesen Lichteinfall. Verbindungsstege fügen sich zu einer dynamisch bewegten Einkaufslandschaft. Durchgängige Themen, wie zum Beispiel die einem Flugzeugflügel entlehnte Formensprache, schaffen ein einheitliches, dynamisches Erscheinungsbild. Die im Mall-Verlauf seitlich positionierten Rolltreppen setzen die Neugier der Kunden mit ihrem Blick nach oben möglichst unbemerkt in eine vertikale Bewegung um. Raum- und Lichtinszenierungen, akzentuiert durch umlaufende blaue Neonbänder, prägen das gesamte Innenleben ein Schauspiel des Sehens und Gesehenwerdens, das die Menschen seit den ersten Stadtgründungen fasziniert. Die reduzierte Material- und Farbwahl lässt Freiraum zur Entfaltung spezifischer Markenwelten und verstärkt den Eindruck einer klassischen Shopping Mall von internationalem Format. Umlaufende Galerien mit balkonartigen Aufweitungen, gläserne Panoramaaufzüge, Rolltreppen und

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Handel 242 243 Freizeit- und Shopping Center Waterfront, Bremen Bauherr LNC Property Group BGF 200.000 m² Planungszeit Okt. 2006 Okt. 2008 Bauzeit April 2008 Okt. 2008 Obwohl Bremen als eine der längsten Fluss-Städte Deutschlands den Charme der Stadt am Wasser über eine Distanz von insgesamt 42 Kilometern ausspielen kann, fehlte den Plänen Bremens am Wasser bislang das übergreifende städtebauliche Konzept. Nach dem ersten Anlauf als Entertainment-Center ist das Projekt nach wenigen Umbauten als attraktives Bremer Einzelhandelszentrum auf neuem Kurs, mit Angebotsvielfalt in drei Malls voller Geschäfte und Gastronomie, mit 4.000 kostenlosen Parkplätzen und viel maritimer Atmosphäre unmittelbar an der Weser. An der 1.000 Meter langen Waterfront-Promenade finden sich außerdem die Veranstaltungshalle Pier 2 mit ihrem gleichnamigen Fähranleger und eine Fußgängerbrücke zur lang gestreckten Weserinsel Shipyard Island. Die Abkehr von futuristischen, raumfahrtbezogenen Themen hin zu maritimen Gestaltungsgedanken im Sinne des Imagewandels konnte mit nur wenigen Eingriffen und geringen Umbauten vollzogen werden. Der klare Bezug zum Wasser und die umfassende Neugestaltung des ehemaligen Space-Centers schaffen eine neue Attraktivität der Lage, die zukünftige Besucher deutlich verändert wahrnehmen werden. Das Multiplexkino blieb erhalten, ebenso das Innside Premium Hotel.»Waterfront«bedeutet Freizeit und Shopping in einzigartiger Lage am Weserufer. Auf dem Gelände baute die Traditionswerft AG Weser bis 1983 über 1.000 Schiffe. Nun etablieren sich auf dem Gelände des ehemaligen Space-Parks 120 Geschäfte auf 50.000 Quadratmetern Verkaufs fläche, ein 8.000 Quadratmeter großer Food Court sowie Freizeit- und Sportangebote.

Handel 244 245 Stadtpalais Potsdam Bauherr Karstadt Immobilien AG & Co. KG BGF 23.500 m² Planungszeit Feb. 2001 Jan. 2005 Bauzeit April März 2005 Das Warenhaus befindet sich im Zentrum von Potsdam, innerhalb der von Friedrich Wilhelm I. angelegten, zweiten barocken Stadterweiterung. Das 1905 bis 1907 errichtete Kaufhaus stellte in Dimension, Erscheinung und als Stahlskelettbau mit Naturstein- und Putzfassade bereits damals einen Einschnitt in die feingliedrige gemischte Struktur des historischen Stadtviertels dar. Inmitten von zweigeschossigen Typenhäusern in rhythmischer Parzellierung bildet es die Ausnahme. Behutsamkeit im Umgang mit wertvoller Substanz zeichnet das Vorgehen von RKW in besonderer Weise aus. Die denkmalgeschützte Fassade und der Lichthof mit seiner gläsernen Decke wurden gesichert, in Abstimmung mit der Denkmalbehörde saniert und in das Gebäude integriert. Dabei wurden die Bedürfnisse einer zeitgemäßen Warenpräsentation mit den Materialien und Proportionen der historischen Fassade in Einklang gebracht. Elementen des Jugendstilbaus. Er blieb Mittelpunkt und Attraktion auch des neuen Warenhauses. Wegen des zusätzlichen Obergeschosses musste der natürliche Tageslichteinfall durch eine indirekte künstliche Beleuchtung ersetzt werden, ohne die Leuchtkraft und Farbigkeit der Lichtdecke zu beeinträchtigen. Die rekonstruierten Gläser wurden nach alten Zeichnungen, Fotos und Farbfunden in Handarbeit bemalt. Das Objekt wurde nicht nur restauriert, sondern auch auf zwei benachbarte Grundstücke ausgeweitet, deren Baumassen und Fassaden sich harmonisch in den Block eingliedern. Ein gastronomisch genutztes Fachwerkgebäude und eine Brauerei im Hinterhof wurden saniert und für die neue Nutzung umgebaut. Durch die Glasüberdachung des Innenhofes entstand ein Ensemble mit besonderer Aufenthaltsqualität. Die neuen Schaufensterelemente schließen mit einer Schattenfuge behutsam an die Naturstein- und Putzstützen des Denkmals an. In den Obergeschossen konnten die filigranen kleinteiligen Holzfenster saniert und rekonstruiert werden. Der Lichthof mit der bemalten, gläsernen Lichtdecke gehörte zu den gestaltprägenden

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248 249 Belebung und Fortbestand Eine ehrwürdige Tradition zu bewahren und sie nicht nur in die Gegenwart zu überführen, sondern auch für die Zukunft zu sichern auch das ist für mich die Aufgabe guter Architektur. Gerade unsere Landeshauptstadt Potsdam ist reich an alter Substanz, mit ihren Schlössern, Parks und historischen Quartieren der barocken Stadterweiterung, deren Pracht wir für unsere Bürger und Besucher erhalten wollen. Dementsprechend oft habe ich in meiner Zeit als Oberbürgermeister mit Sanierungsfragen zu tun gehabt. Und das Stadtpalais war seinerzeit eine der spannenden Herausforderungen der Gestaltung und Belebung unserer Innenstadt. Es galt, den örtlichen Handel in das Sanierungskonzept mit einzubeziehen, aber auch den Denkmalschutz zu wahren. Schließlich geht das Gebäude, besonders sein bemerkenswerter Jugendstil-Lichthof, weit über eine regionale bauhistorische Bedeutung hinaus: Es ist einer der letzten Lichthöfe eines historischen Kaufhauses in der Region Berlin und Brandenburg, ein Zeuge der glorreichen Zeit der ersten großen Warenhäuser Deutschlands. Die Diskussionen um die Sanierung wurden von allen Seiten mit großer Leidenschaft geführt Leidenschaft für unser Stadtpalais, ein Haus, das die Pracht der Warenhäuser des 19. Jahrhunderts verkörpert. Das Ergebnis der Zusammenarbeit mit RKW war die sensible Belebung und gleichzeitig der Fortbestand eines attraktiven und schützenswerten Stücks deutscher Baukultur. Die lokale Presse schrieb damals, dass wir»unser eigenes KaDeWe«bekommen hätten. Ein schönes Kompliment für ein schönes Gebäude. Matthias Platzeck Ministerpräsident des Landes Brandenburg

Handel 250 251 Karstadt, Leipzig Bauherr Karstadt Immobilien AG & Co. KG Bauzeit Sept. 2006 Wettbewerb 1. Preis BGF 36.944 m² (1. UG DG) Beim Neubau des Warenhauses Karstadt blieb der 1912 1914 von Gustav Pflaume erstellte Vorgängerbau in seinem historischen Erscheinungsbild bestehen. Für das Bauvorhaben wurde das 8.300 Quadratmeter große Areal zwischen Petersstraße, Peterskirchhof, Neumarkt und Preussergäßchen umgebaut, jedoch mit der Auflage, die historischen Fassaden des Karstadtgebäudes sowie der Bürgerhäuser Neumarkt/Ecke Peterskirchhof zu erhalten und zu restaurieren. Hinter den historischen Fassaden der Leipziger Innenstadt ist das neue Karstadtgebäude mit 15.400 Quadratmetern Verkaufsfläche und integrierter Gastronomie auf sechs Etagen entstanden. Drei verschiedene Eingänge und breite Verkehrswege münden in einen zentralen, glasüberdachten Lichthof mit vier Rolltreppen und vier Personenaufzügen. Die Schaufenster rund um die Altbaufassaden im Erdgeschoss bestehen aus einer thermisch getrennten Leichtmetall-Pfosten-Riegelkonstruktion, die in der Ebene der Bestandsstützen an den Baukörper angeschlossen ist. In Anlehnung an den Entwurf von 1912 bilden die Schaufenster optisch einen Erker. Die Holzfenster mit Sprossenaufteilung im ersten bis vierten Obergeschoss entstanden nach historischen Vorlagen. Die konkave Geometrie der Fassade weitet an der Petersstraße den Straßenraum auf. Statt der vorhandenen Arkaden entstand eine Shopping Mall, die auch nach Ladenschluss zugänglich ist. Die klare vertikale Gliederung der Altbaufassaden wird durch frei stehende, ovale Schleuderbetonstützen fortgeführt, die dank ihrer hohen Tragkraft extrem schlanke Querschnitte zulassen und in ihrer Höhenentwicklung äußerst elegant wirken. Die horizontale Gliederung wird durch Gesimse bestimmt.

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Handel 254 255 Waldach-Passage, Nagold Bauherr HBB Gewerbebau Projektgesellschaft mbh & Co. KG BGF 12.800 m² Planungszeit 5 Jahre Bauzeit Nov. 2005 Sept. 2006 Auszeichnung Bauherrenpreis 2000 2006 Wilmersdorfer Arcaden, Berlin Bauherr mfi Grundstücksentwicklungsgesellschaft mbh & Co. Wilmersdorfer Arcaden KG BGF 67.150 m² Planungszeit 2005 2006 Fertigstellung 2007 Für die Sanierung der südlichen Innenstadt von Nagold im Schwarzwald ist die Waldach-Passage ein wichtiger Bestandteil. Am Zentrumsrand, auf einer Industriebrache, entstand ein 15.000 Quadratmeter großes Einkaufszentrum mit Büros, Gastronomie, Stellplätzen und Parkdecks. Im Eingangsbereich und zur Straße zeigt die Passage eine stadtorientierte Gestaltung in Glas und Metall, entlang des Flusses Waldach nimmt eine Gabionenwand Bezug auf die Landschaft. Mit der Renaturierung der Waldach und der Neugestaltung des Busbahnhofs umfasst die Sanierung den ganzen Stadtbereich. Mit 125 ausgesuchten Fachgeschäften auf vier Etagen entstand ein eleganter Einkaufsmagnet in der ältesten Fußgängerzone Berlins, im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf. An dem traditionellen Einzelhandelsstandort ist die lichtdurchflutete Mall mit vielfältigen Dienstleistungen wie Praxen, Büros, Fitness und moderner Gastronomie eine neue bauliche Attraktion. Eine Besonderheit stellt die geschwungene Ladenstraße zwischen den beiden Eingängen in der Wilmersdorfer Straße dar. Ein auskragendes Schaufenster, das die Bereiche Handel, Büros und Wohnen differenziert, und die Lamellenkonstruktion des Parkhauses erzeugen eine markante städtebauliche Figur mit Fernwirkung.

Handel 256 257 Autohaus Meilenwerk, Düsseldorf Bauherr Insignium gebaute Marken GmbH BGF 14.600 m² Planungszeit Jan. 2005 Juli 2006 Bauzeit Okt. 2005 Sept. 2006 Mit dem Meilenwerk bietet nun auch Düsseldorf allen Oldtimerfans ein eigenes Forum für Fahrkultur. Das Meilenwerk Düsseldorf führt Spezialisten, Technikbegeisterte und Ästheten unter einem Dach zusammen. Der denkmalgeschützte Ringlokschuppen an der Harffstraße schien wegen seiner einmaligen Ausstrahlung von historischer Authentizität und innovativer Materialität geradezu maßgeschneidert für diese sehr spezifische Nutzung. Heute können hier auf über 18.000 Quadratmetern Grundstücksfläche Oldtimer und Liebhaberfahrzeuge bei professionellen Anbietern gekauft, restauriert und gewartet werden. Gastronomie-, Event- und Club-Bereiche bieten Treffpunkte für»benzingespräche«zwischen Mietern, Kunden und Besuchern. Drehscheibe nach. Zwischen dem Restaurant, den angrenzenden Flügelbauten sowie der gebogenen Fassade mit ihren 30 Toren entsteht die größte Ausstellungsfläche. Sie ist mit einer Folienkissenkonstruktion überdacht, die über der Traufe des Innenrings zu schweben scheint. Bestand und Neubau gehen nur durch ein 130 Meter langes transparentes Folienkissen eine Verbindung ein. Die Substanz des Ringlokschuppens aus dem Jahr 1930 wurde weitestgehend erhalten. Um den Ort in seinen ursprünglichen Bezügen erlebbar zu machen, wurden alle Einbauten in der Ringhalle als»haus im Haus«geplant. Eine Galerie auf den Werkstätten und Showrooms entlang des Außenrings bietet freie Einblicke in die Halle und auf die gegenüberliegenden Einstellboxen der Liebhaberfahrzeuge. Hier kann der Besucher die Dimensionen der Halle erforschen. Der Restaurantbaukörper im Zentrum bildet die ehemalige

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Handel 262 263 Lookentor Passage, Lingen Bauherr Klaas Immobilien GmbH BGF 30.600 m² Planungszeit Sept. 2005 März 2007 Bauzeit März 2002 Juli 2006 Die verkehrsberuhigte Innenstadt Lingens liegt innerhalb des ehemaligen Festungswalls, der heute noch als Promenade besteht. Bereits in den siebziger Jahren entstand rund um den zentralen Marktplatz, im Schnittpunkt der vier Hauptstraßen des Geschäftszentrums, eine Fußgängerzone. Die neue Shopping Mall mit 50 Läden, Gastronomie und Dienstleistungsbetrieben ergänzt dieses Einzelhandelsangebot der Stadt. Mit 16.000 Quadratmetern Verkaufsfläche ist die Lookentor Passage die größte innerstädtische Shopping Mall im Emsland. In den geforderten Dimensionen stellte ihre Ansiedlung im Stadtzentrum hohe Anforderungen an die Architektur und die städtebauliche Integration. Die historische Altstadt ist von kleinteiligen, giebelständigen Gebäuden in Fachwerkbauweise oder mit Ziegelund Putzfassaden geprägt. Die neue Mall fügt sich behutsam in die vorhandene Stadtstruktur ein. Großzügige Öffnungen zur Fußgängerzone verknüpfen den Komplex mit bereits bestehenden Handelsstandorten und schaffen attraktive Wegebeziehungen. Mit zwei Portalen aus ortstypisch gebranntem Ziegelstein nehmen die Architekten Bezug auf das Material der Umgebung und interpretieren das Thema Ziegelfassade mit stark horizontal geprägten Gliederungen modern. Zwei Lichthöfe unterschiedlichen Charakters gliedern die 230 Meter lange Mall im Inneren. Von einem runden Platz aus öffnet sich die Galerie über den Gastronomiebereich zur innerstädtischen Parkanlage. Ein Lichtauge verdeutlicht in seiner Stützenführung die vertikale Verbindungsfunktion des Platzes. Springbrunnen und Pflanzen laden zum Verweilen ein. Nahezu alle Läden liegen im Erdgeschoss, nur zwei Anbieter erweitern ihre Flächen in ein Obergeschoss. Ein Food Court im Untergeschoss und 670 Parkplätze in der Tief garage sind weitere Angebote, die ein komfortables Einkaufen ermöglichen. Transparente Fassaden und gläserne Dachelemente bieten überraschende Ein- und Durchblicke. Mit der Lookentor Passage ist es gelungen, moderne Verkaufsarchitektur in einer historischen Stadt zu realisieren, ohne den kleinteiligen städtebaulichen Maßstab zu stören.

Handel 264 265 Trier Galerie, Trier Bauherr Trigon Management GmbH & Co. Trier KG BGF 26.500 m² Planungszeit 2003 2006 Bauzeit Juli 2006 Nov. 2008 Baulücken im historischen Umfeld stellen an die Architektur besondere Anforderungen. Zukunftsfähige Lösungen müssen den Dialog mit der Umgebung nicht nur bestehen, sondern im Idealfall gestalterische Synergien bilden. Im Herzen des historischen Zentrums fügt sich die Trier Galerie behutsam in die gewachsene, kleinteilige Stadtstruktur ein, obwohl das neue Einkaufszentrum mit Fachgeschäften, Gastronomie und Dienstleistungsbetrieben eine Fläche von 20.000 Quadratmetern beansprucht. Ein durchgängiges Farb- und Materialkonzept im Außenbereich rundet den Gesamteindruck ab: ein warmer Rotton, Holz und Edelstahl sowie ein mit wildem Wein begrüntes Mall-Dach. Zwischen Zuckerberg- und Fleischstraße erwartet das Stadtpublikum ein gepflegtes Ambiente mit 75 Geschäften auf drei Ebenen. Es galt, Nachbargebäude mit gotischen Stilelementen, Baudenkmäler und Gebäude der fünfziger Jahre miteinander in Einklang zu bringen. Die elegante, sachliche Auslegung der Fassade erfüllt diese Aufgabe zurückhaltend und zeitgemäß. In der Fleischstraße entstand eine Fassadenstruktur aus durchgefärbtem Architekturbeton mit über 4 Meter hohen Glasflächen und einem 10 Meter hohen, voll verglasten Eingang. Ein durchdachtes Lichtkonzept aus Lichtbändern und Lichtspuren wird durch die gesamte Mall geführt und im Verlauf der Außenfassade fortgesetzt. Der Mallfußboden ist mit Platten aus Juramarmor belegt.

Handel 266 267 Flagshipstore s.oliver, Würzburg Bauherr Freier Besitz GmbH & Co. KG BGF ca. 2.300 m² Planungszeit Juni 2007 März 2009 Bauzeit Jan. 2009 Okt. 2009 Wettbewerb 1. Preis Harmonisch in das Stadtbild Würzburgs eingefügt, präsentiert sich der Neubau des Flagshipstore respektvoll, dennoch modern und selbstbewusst in prominenter Innenstadtlage. An der Ecke zum Marktplatz stehen auf vier Etagen 1.200 Quadratmeter für das in abgegrenzte Lifestyle- Welten gegliederte Sorti ment zur Verfügung. Bereits der Wettbewerbsentwurf lehnte sich bewusst an die vorhandene städtebauliche Situation an. Maßstäblichkeit, Proportionen und Gliederungselemente der Umgebung wurden aufgenommen, und die Bauweise wurde streng nach städtebaulichen Aspekten entwickelt. Traufe und Neigung des Dachs wurden an das benachbarte Haus am Marktplatz angeglichen, in der Schönbornstraße galten hingegen das Flachdach und die höhere Kante des Kaufhofs als Maßstab. Die helle und elegante Fassadengestaltung mit Krensheimer Muschelkalk aus der Region greift das Thema Lochfassade der umliegenden Gebäude auf. Großzügige Fensterfronten gewähren freie Sicht über den gesamten Marktplatz. Die Werbefläche im Monitorfenster kann für wechselnde Themen wie Logo banner und Kampagnenbilder genutzt werden. Offenheit und Transparenz erlauben fließende Beziehungen zwischen innen und außen. Als architektonischer Akzent betont ein vertikales Schaufenster zur Stadt die markante Ecke des Grundstücks. Zeichenhaft in die Blickachse entlang der Schönbornstraße zum Dom gesetzt, kommuniziert das neue Kaufhaus bereits aus der Ferne mit dem Stadtgefüge.

Toleranz ist heutzutage, denke ich, ein durchaus ehrenwertes Ziel. 1 268 269 Friedel Kellermann 1 Friedel Kellermann: Kunst und Künstlichkeit des Städtebaus. Stadtideale von Camillo Sitte bis Walt Disney, unveröffentlichter Vortrag im Rahmen eines Symposiums der Architektenkammer NRW, 12. März 1997. 2 Bauwelt, 45, 1996, S. 2523. Wenn man an der Planung von»europas größtem Kommerz- und Erlebniszentrum«2, der Neuen Mitte Oberhausen, als Architekt beteiligt war, muss man mit höchst unterschiedlichen Meinungen rechnen. Ich möchte daran erinnern, dass es von je her zwei unterschiedliche Interpretationen von Architektur gab. Der Wiener Architekt Hans Hollein ist zum Beispiel der meiner Ansicht nach reichlich zynischen Auffassung:»Architektur ist nicht Befriedigung der Bedürfnisse der Mittelmäßigen, ist nicht Umgebung für kleinliches Glück der Massen [...] Architektur ist eine Angelegenheit der Eliten.«3 Dagegen vertrat der amerikanische Architekt Morris Lapidus, berühmt für seine Hotels in Miami Beach, eine völlig andere, ebenso provozierende These:»Nur 5 Prozent der Menschen haben einen guten Geschmack, 95 Prozent einen schlechten. Natürlich mache ich meine Projekte für diese 95 Prozent.«4 Ich glaube, es sollte zwischen diesen Extremen einen dritten Weg geben. Architektur darf nicht in Besserwisserei ausarten, in eine Geheimwissenschaft, deren Maßstäbe und Regeln nur von Eingeweihten verstanden werden. Nach meinen Erfahrungen sollten gerade Bauten des Handels und der Freizeit nicht dazu dienen, das große Publikum mit einer Architekturdebatte zu konfrontieren, für die in den Schulen, in den Tageszeitungen und im Fernsehen alle Grundlagen hartnäckig verweigert werden. 5 Roland Kirbach: Grüne neue Welt, in: Merian (Ruhrgebiet), 10, 46 (Oktober 1993), S. 68. senbahnen, Schnellstraßen und Autobahnen durchschneidet das Land. Dazwischen stehen grau und schlicht staubige Wohnsiedlungen. Keine dieser Städte hat ein Zentrum, keine hat wirklich Gestalt angenommen.»stadt- und Raumplanung fanden hier nie statt.«5 Was Wunder also, wenn sich die Menschen nach Gegenbildern sehnen, wenn eine Stadt wie Oberhausen versucht, diesen Teufelskreis in überschaubaren Zeiträumen und mit vertretbarem Aufwand zu durchbrechen. Mit jedem Besucher des CentrO wird Oberhausen, gleich ob neue oder alte Mitte, in seiner Bedeutung rehabilitiert. Insofern ist der Kritik der Kritiker zuzustimmen.»ein urbanistisches Konzept populärster Zutaten, ein Potpourri der Epochen und Regionalismen [...] Sehnsüchte nach pittoresken Altstadtquartieren werden hier ebenso bedient wie die Ansprüche des metropolen Gelegenheitsflaneurs. [...] So besteht die eigentliche Attraktion des Warenangebots im CentrO vor allem in der Vielfalt und im szenischen Mehrwert der Präsentation. [...] Eine Idee von Stadt und das in bereinigter Form: keine Autos, kein Lärm, kein Gestank [...].«6 Genau das war das Ziel. Über formale Details mag man sich streiten, solange die gesellschaftlich schwache Position des Architekten im Bewusstsein bleibt. 3 Hans Hollein, zit. nach: Werner Strodthoff: Dem schönen Schein verfallen, in: Der Architekt, 12, 1981, S. 561. 4 Morris Lapidus, zit. nach: Jan Söderlund: Eklektizismus, das Tabu der modernen Architektur, in: Baumeister, 8, 1980, S. 799. Vgl. dazu: Martina Düttmann, Friederike Schneider (Hrsg.): Morris Lapidus. Der Architekt des amerikanischen Traums, Basel 1992. 6 Volker Albus: Global Village Oberhausen, in: Bauwelt, 45, 1996, S. 2542 ff. Die sogenannte»gewachsene«oder»malerische«stadt übt eine so starke Anziehungskraft aus, dass wir uns alle gerne über den Zeitsprung zwischen historischem und saniertem Original täuschen lassen. Kommerz ist heute nicht mehr nur Handel und Verkehr, der Begriff bezieht sich vor allem auf den Gewinn, der auf beiden Seiten daraus zu ziehen ist: für das Publikum das Erlebnis, vielleicht die Sensation; für den Investor Ertrag und Rendite. All das ist natürlich nicht neu. Denken Sie an die Urform des Jahrmarkts, der neben dem Handel auch der Belustigung diente, Neugier und Sensationsgier befriedigen half. Denken Sie an die Debatten der siebziger Jahre, als es darum ging, groß dimensionierte pittoreske Freizeitanlagen im Stil italienischer oder griechischer Seeräuberhäfen, etwa Port Grimaud, entspannt zu genießen oder verbissen als Fälschung zu enttarnen. Wir müssen heute mit Karl Ganser Folgendes erkennen:»grundlegend umbauen läßt sich der Siedlungsraum der Industriegesellschaft wohl nicht mehr. Es geht also um Gestaltung im Chaos, um das Herausarbeiten von punktuellen Beständen mit Qualität innerhalb des Siedlungsbreis.«7»Die Stadtzentren werden einen großen Teil ihrer Einzelhandelsfunktionen verlieren. Diese wandern und das wird man nicht verhindern können immer mehr in geschlossene Einkaufszentren an dafür geeignete Standorte in der Agglomeration. Die historischen Stadtkerne werden aber daran nicht zugrundegehen. Sie können neue Funktionen übernehmen: mehr Wohnungen, mehr Kultur, mehr Freizeit, mehr Inszenierungen, auch immer mehr Kulisse einer längst vergangenen Zeit.«8 7 Karl Ganser: Zum Stand der Dinge..., in: Kunibert Wachten (Hrsg.): Wandel ohne Wachstum? Stadt-Bau-Kultur im 21. Jahrhundert (Katalog Biennale Venedig 1996), Braunschweig/Wiesbaden 1996, S. 17. 8 Karl Ganser: Zum Stand der Dinge..., a.a.o., S. 23. Neu ist heute vor allem eines. Das Volksvergnügen Handel und Freizeit findet seine Bühne offenbar auf Dauer und in großen Dimensionen unmittelbar vor den Toren der Stadt. Das schafft Konkurrenzsituationen, ganz besonders in den wenig glanzvollen Zechenstädten des Ruhrgebiets. Aber auch diese Auslagerung und Oasenbildung ist gerade hier seit über 100 Jahren üblich und gehört zur traditionellen Entwicklung des Ruhrgebiets. Man muss sich vorstellen, eine Stadt wie Essen war schon vor 130 Jahren vollständig von der Bergbau-Maschinerie des neuen Industriezeitalters eingeschlossen, wie durch eine Stadtmauer in ihrem natürlichen Wachstum behindert. Mit jeder Stufe des industriellen Fortschritts stand dann von Süden ausgehend eine veraltete, aufgegebene Industriezone zur Disposition, frei zur planerischen Neugestaltung. Schon vor über 100 Jahren entstanden so die Freizeitzentren und Ausflugsziele an der Ruhr. 50 Jahre später wuchsen dort aus demselben Grund, dem Ruhrschnellweg folgend, gewaltige Konsumangebote und Kulturtempel. Die größten Spezialisten in Sachen Selbsttäuschung sind aber die, die die Realität der Stadt, wenn auch nicht allein, so doch fachlich zu verantworten haben: die Stadtplaner und Architekten. Denn:»Die Realität der Städte und Agglomerationen steht in krassem Gegensatz zu dem Bild, das man sich in der Politik und in Fachkreisen von der Stadt macht.«9 Sie kennen die Geschichte dieses Phänomens. Zwei Eckpfeiler der Fluchtbewegung habe ich im Titel meines Vortrags genannt: Camillo Sitte und Walt Disney. Die viel diskutierte»wiederkehr des Städtischen«, die»neue Urbanität«, nach der Camillo Sitte unter dem bezeichnenden Titel»Die Grenzen der Kunst bei modernen Stadtanlagen«schon 1889 suchte, ist nicht mehr zu erreichen. 9 Kunibert Wachten: Über die Ausstellung, in: Ders. (Hrsg.): Wandel ohne Wachstum? Stadt-Bau-Kultur im 21. Jahrhundert (Katalog Biennale Venedig 1996), Braunschweig/Wiesbaden 1996, S. 25. Camillo Sitte schreibt vor mehr als 120 Jahren:»Alles dehnt sich ins Maßlose, und die ewige Wiederholung derselben Motive allein schon stumpft die Empfänglichkeit so ab, daß nur ganz besondere Krafteffekte noch einige Wirkung zu erzielen vermögen.«das umreißt eben die örtlich begrenzten gestalterischen Interventionen, die heute überhaupt nur noch möglich sind.»risalite, Vorhöfe, Freitreppen, Laubengänge, Ecktürme usw. sind für uns ein unerschwinglicher Luxus geworden«, so Sitte. Mit anderen Worten, das Repertoire ist auch heute architektonisch eingeschränkt, aus finanziellen, gestalterischen oder ideologischen Gründen, vielleicht auch einfach aus Unvermögen. Weiter heißt es bei Sitte:»Wir können es nicht ändern, daß der öffentliche Marktverkehr sich immer mehr von Die Emscherregion ist leider nicht durch starke Ortsbilder und Stadtidentitäten gekennzeichnet. Die Städte sind in der Regel vielmehr Siedlungen, entstanden im Verbund mit Kohlezechen und Stahlwerken, ein Schlachtfeld der militärisch-strategischen Ausbeutung der Erde. So beschreibt es Roland Kirbach, ein in Essen lebender Korrespondent der»zeit«. Sie kennen das Bild: Abraumhalden und Zechen reihen sich an Metall- und Chemiewerke, Schrottplätze an Lagerhöfe. Ein Gewusel von Ei-

270 271 den Plätzen zurückzieht, teils in unkünstlerische Nutzbauten sich einschließend, teils ganz auflösend durch Zuträgerei direkt ins Haus.«Dies war offensichtlich eine Vorahnung von Supermarkt und Teleshopping. Camillo Sitte weiter:»gesetzt den Fall, daß bloß dekorativ bei einer Neuanlage ein pompöses und malerisch möglichst wirkendes Stadtbild gleichsam nur zur Repräsentanz, zur Verherrlichung des Gemeinwesens geschaffen werden soll, so kann das mit dem Lineal, mit unseren schnurgeraden Straßenfluchten nicht bewirkt werden.«damit scheint von Hundertwasser bis Gehry alles Schräge unserer Zeit vorweggenommen. Die Formulierung»Verherrlichung des Gemeinwesens«liest sich dagegen fast wie»celebration«. Camillo Sitte kommt dann, einigermaßen enttäuscht, zu dem Schluss:»Könnte man denn an solcher erlogenen Naivität, an einer solchen künstlichen Natürlichkeit wirkliche, ungeheuchelte Freude haben? Gewiß nicht.«10 Ich denke, wir alle teilen diese Meinung. Beim Rest der Welt bin ich mir nicht so sicher. vor allem in der Legitimation der Stadtregierung. Immerhin erstaunlich, dass sich die verloren gegangene kollektive Vorstellungswelt der Stadtbewohner zumindest in den USA so rigide wiederherstellen lässt. Mithin scheint es zwei in der Regel getrennte Entwicklungen zu geben, die der akademischen Architektur und die des kollektiven Geschmacks. In einem offenen gesellschaftlichen System mit heterogener kollektiver Vorstellungswelt wird die Stadt darum zwangsläufig zu einer sehr toleranten»collage City«im Sinne von Colin Rowe. Und Toleranz ist heutzutage, denke ich, ein durchaus ehrenwertes Ziel. Colin Rowe, wie im Übrigen auch Robert Venturi, bezieht sich auf die Realität der modernen Stadt, nicht auf ein unerreichbares Ideal:»Die Objekte können aristokratisch oder volkstümlich sein, akademisch oder populär. Ob sie aus Pergamon oder aus Dahomey stammen, aus Detroit oder Dubrovnik, ob sie Hinweise auf das 20. oder 15. Jahrhundert enthalten, ist nicht sehr wichtig. Gesellschaften und Personen vereinigen sich entsprechend ihren eigenen Interpretationen von absoluten Bezugsgrößen und traditionellen Werten; und bis zu einem gewissen Grad nimmt die Collage sowohl hybride Bildungen als auch die Bedürfnisse der Selbstbestimmung in sich auf.«12 10 Camillo Sitte: Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen (Kapitel 10: Die Grenzen der Kunst bei modernen Stadtanlagen), zit. nach: Fritz Schumacher (Hrsg.): Lesebuch für Baumeister. Äußerungen über Architektur und Städtebau (1947), Braunschweig 1977, S. 370, 371, 369, 373, 374. Auch Sitte lässt alle Bedenken in Bezug auf den grundsätzlichen Anspruch seiner Vorstellungen in seinem Buch schnell außer Acht und propagiert im Einzelfall dennoch mit bis dahin nicht gekannter Intensität vergangene Formen, bezieht sich in seinen Gestaltungsvorschlägen auf die Lehren der Geschichte, die Beispiele schöner alter Städte gerade in dem Moment, in dem eine moderne Architektur auf Distanz zum Historismus geht. Seinen Meister findet Camillo Sitte mit der Zwischenstation Portmeirion (1925 1978) heute in Walt Disney & Co. Die Disney Corporation errichtet auf dem ausgedehnten Gelände von Disneyworld in Orlando/Florida eine 40 Quadratkilometer große Privatstadt mit dem für eine Ausnahme von der Regel notwendigerweise programmatischen Namen»Celebration«. 12 Colin Rowe, Fred Koetter: Collage City (1978), Basel 1984, S. 211, 212. Das spricht auf der Ebene der Gesamtstadt vor allem gegen simple Einheitlichkeit, nicht gegen Vielfalt vor allem nicht gegen die Vorlieben der Stadtbewohner. In Architektur und Ambiente werden positive Gegenentwürfe zum Alltag erwartet. Man wird also mit Celebration ebenso leben müssen wie mit einem CentrO, aber auch mit der historischen Stadtmitte von Oberhausen. Viele Städte gerade des Ruhrgebiets werden nach einem neuen Publikumsmagneten suchen, nicht um die alte Stadtmitte aufzugeben, sondern um dem Stadtkern nach der Devise»Konkurrenz belebt das Geschäft«neue Impulse zu geben. Die Ausnahme wird zur Regel, Architektur nicht nur ästhetisch nachweisbar. Neben der These von Mies van der Rohe»Less is more«gilt auch die Theorie von Robert Venturi»Less is a bore«. Hier feiert der Stadtbewohner den endgültigen Abschied von einer Stadt, die ihm nicht mehr gefällt. Warum soll er sich in einem Meer der Zerrissenheit und Austauschbarkeit aufhalten, wenn ihm in Celebration die rettende Insel geboten wird: die alte, kompakte, ebenso vertraute wie unverwechselbare Stadt, eine in ihren Bildern perfekte, neotraditionelle Fantasiewelt vom Leben in einer amerikanischen Kleinstadt mit Veranden, Lattenzäunen und allen Details aus der guten alten Zeit. Das zahlende Publikum steht Schlange. Der Konzern, der auf dieser Bühne die Rolle der Stadtverwaltung spielt, setzt wie gewohnt auf Markenqualität. An der Stadtplanung ist Robert A.M. Stern maßgeblich beteiligt, für Einzelprojekte stehen bei Walt Disney Namen wie Robert Venturi, Stanley Tigerman, Michael Graves, Helmut Jahn, Hans Hollein, Arata Isozaki, Frank Gehry, Aldo Rossi, Bernard Tschumi, Rem Koolhaas, Jean Nouvel usw. vom Feinsten eben. Epilog: Am 24. November 2009, zwölf Jahre nach diesem Vortrag von Friedel Kellermann, dem Gründungsgesellschafter von RKW, läutete die»süddeutsche Zeitung«mit einem Feuilleton-Beitrag von Thomas Steinfeld nach einem Jahrhundert Moderne das Ende der ästhetischen Moderne ein:»in der ästhetischen Avantgarde jener Zeit sind nur wenige Künstler nicht, mehr oder weniger, von esoterischen Überzeugungen affiziert, und die radikalsten sind es ganz besonders. [...] Das Motiv hinter der ästhetischen Moderne ist also religiös. Es gehört zu einer Theologie ohne Kirche. Und es hat einen fatalen Hang zur Totalen: Le Corbusiers Visionen von neuen Stadtteilen, ja neuen Städten lassen keine Ausnahmen zu, sie sind auf völlige, restlose Überwältigung angelegt.«13 11 Vittorio Magnago Lampugnani: Die bewußte Dekoration. Planung der Schönheit in der mittelalterlichen Stadt, in: Bauwelt, 19 20, 1976, S. 596 601, zit. nach: Ders.: Architektur als Kultur. Die Ideen und die Formen. Aufsätze 1970 1985, Köln 1986, S. 63 ff. Die Avantgarde der Architektur erstmalig auf breiter Front im Dienste des Stadtbewohners? Vittorio Magnago Lampugnani wies unter dem Titel»Die bewußte Dekoration«11 1976 darauf hin, dass historisch ein sogenanntes»anonymes«,»gewachsenes«,»natürliches«,»spontanes«bauen kaum nachzuweisen ist. Hinter jeder»anonymen«architektur sei vielmehr ein Architekt zu finden. Die Piazza del Campo in Siena wurde von der zuständigen Stadtregierung ebenso künstlich angelegt wie der Schwarzwald von deutschen Fürsten. Der entsprechende Erlass der Stadt Siena liegt heute 700 Jahre zurück.»wir legen fest und befehlen«, heißt es darin. Über die Platzflucht wurde ebenso streng gewacht wie über die Fensterformate und Verzierungen. Da auch in Celebration vom Hausanstrich bis zur Gartengestaltung jedes Detail vertraglich geregelt ist und kontrolliert wird, liegt der Unterschied 13 Thomas Steinfeld: Totale Innerlichkeit. Die ästhetische Moderne und ihre Ursprünge im Okkulten, in: Süddeutsche Zeitung, 24. 11.2009, S. 11.

272 273 Innenarchitektur als integraler Bestandteil des Bauens Klaus Dieter Weiss im Gespräch mit Heike Falkenberg und Friedel Kellermann»Es ist die Überzeugung von Helmut Rhode, dass Architektur nur ganzheitlich funktionieren kann. Dazu gehört eine Perfektion, die sich vor allem am Menschen orientiert, der entscheidet, ob er sich in einem Gebäude wohlfühlt.«welchen Stellenwert hat die Innenarchitektur in der Philosophie und der täglichen Arbeit von RKW? Friedel Kellermann: Jedes unserer Gebäude sollte als eine komplette Einheit, als ein großes funktional abgestimmtes Ganzes betrachtet und geplant werden. Die Innenarchitektur repräsentiert ein eigenes, spezifisches Arbeitsfeld, das wir als Argument einbinden, um das Projektergebnis zu steigern. Eine wegweisende Erfahrung war für uns der Bau der Horten-Hauptverwaltung im Jahr 1960. Damals wurde Florence Knoll aus New York für Innenausbau und Einrichtung verpflichtet, immerhin eine der bedeutendsten Innenarchitektinnen weltweit. In harmonischer und produktiver Zusammenarbeit mit ihr konnten wir ein ganz besonderes Ergebnis erzielen. Für uns war das eine Initialzündung. Unter der Leitung von Heike Falkenberg haben wir heute eine eigene Abteilung für Innenarchitektur in unserem Büro. Eingebunden in diesen ganzheitlichen Ansatz von Architektur und Innenarchitektur, arbeitet das Team mit den RKW-Partnern bei unseren eigenen Objekten gerade im Bereich der Verwaltungsbauten intensiv zusammen, akquiriert aber längst auch externe Aufträge. Viele gewonnene Wettbewerbe, bei denen wir auch mit anderen renommierten Büros erfolgreich kooperiert haben, sprechen eine deutliche Sprache. Sie verstehen also die Innenarchitektur nicht nur als Finish für ein Projekt, sondern als raumund haustechnikrelevante Planungsebene, die von Anfang an einzubeziehen ist? Heike Falkenberg: Exakt. Uns ist wichtig, dass bei einem Projekt von innen nach außen gedacht wird, aber auch von außen nach innen. Je früher wir mit ins Spiel kommen, umso besser können wir unseren Teil zur Architektur des Innenraums, zum raumbildenden Ausbau, beitragen. Dabei geht es um die optimale Funktionalität der Räume, aber natürlich auch um Licht, Transparenz und Akustik. Letztendlich sollen sich einerseits die Nutzer in den Räumen wohl und sicher fühlen, andererseits soll für den Auftraggeber eine individuelle Ästhetik gefunden werden, mit der er sich identifiziert. Ich vergleiche das gerne mit einem richtig guten Anzug: präzise maßgeschneidert, elegant, leicht und zeitlos schön. Halle des KfW-Haupthauses, Frankfurt

274 275 F.K.: Natürlich ist bei solchen Prozessen internes Teamwork gefragt. Es ist übrigens nicht mehr so, dass wir die Innenarchitektur nur als einen von uns angebotenen Mehrwert verstehen, der uns auf dem Markt eine Sonderstellung verleiht. Es funktioniert auch andersherum, etwa beim Umbau der Düsseldorfer Feldmühle für die Wirtschaftskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer. Nachdem Heike Falkenberg den Innenarchitekturwettbewerb gewonnen hatte, konnten wir in einer erfolgreichen Kooperation mit Richard Meier & Partners / New York auch die Architektur umsetzen. Eine erfreuliche Entwicklung. Ein weiterer positiver Effekt ist das öffentliche Interesse: Wenn ein Projekt von RKW in den Medien auftaucht, dann sind neben den Fassaden meist auch die Innenräume zu sehen. Bilder von spektakulären Eingangshallen, Foyers oder Sitzungsräumen beeindrucken jeden Betrachter und ergänzen unser Angebot zu einem stimmigen Gesamtkonzept eben zu ganzheitlicher Architektur. Individualität und Nutzerorientierung sind bei der Planung von Innenräumen Ihre Maximen. Wie gehen Sie konkret vor? H.F.: Ein gutes Beispiel ist vielleicht das Rathaus in Aachen. Hier sind wir von der Stadtverwaltung angesprochen worden, weil sich in einem schon durchgeführten Wettbewerb für die Neugestaltung des Foyers die Fronten innerhalb der Jury verhärtet hatten. Wir wurden um eine externe Alternative gebeten. Meine Bedingung war damals, dass ich mit wirklich allen potenziellen Nutzern reden darf. Das habe ich dann auch gemacht mit dem Oberbürgermeister, der dort sein Büro hat, ebenso wie mit dem Hausmeister, mit ausländischen Touristen, die den Krönungssaal für die Karlspreisverleihung sehen wollten, mit Mitgliedern des Stadtrats, mit Paaren, die dort heiraten wollten, und mit vielen mehr. Es waren sehr viele Gespräche. Aber am Ende war klar, was die Menschen von diesem Gebäude erwarten. Und unsere Lösung mit einer zentralen Theke als Anlaufstelle, einem Licht- und Farbkonzept, einer optischen Reduzierung und Betonung der historischen Substanz hat alle begeistert. Es ist ein Foyer geworden, in dem sich die Menschen zurechtfinden und mit dem sie sich identifizieren können. Aus den vielen Gesprächen ist Vertrauen entstanden. Das beweisen auch mehrere Folgeaufträge, etwa für den Ratssaal, das Amtszimmer des Oberbürgermeisters oder zwei interaktive Ausstellungen, die wir gemeinsam mit Multimedia-Spezialisten der RWTH dort realisiert haben. Das alles war möglich, weil wir kommuniziert haben. Zuhören, Fragen stellen und sich selbst zurücknehmen war und ist unsere Devise. Wodurch zeichnet sich für Sie im Hinblick auf Nutzer und Auftraggeber gute Innenarchitektur aus? H.F.: Sie wirkt. Und zwar ganz unterbewusst. Dafür braucht es oft gar nicht so viel im Gegenteil. Wir sehen unsere Aufgabe auch im gezielten Weglassen, wir reduzieren Räume und entfernen Unwichtiges, damit der Mensch sich auf das Wesentliche, auf seine Grundbedürfnisse konzentrieren kann, wie etwa beim GAP 15 in Düsseldorf, in dem wir für Ernst & Young unter anderem den zentralen Konferenzraum im Erdgeschoss gestaltet haben. Wir haben für den außergewöhnlichen, elliptischen Raum Konferenzraum GAP 15, Düsseldorf ein umlaufendes System aus schwenkbaren und verschiebbaren Holzflügeln entwickelt, das die Nutzer vor den Blicken von außen durch die Glasfassade abschirmt, aber dennoch für ausreichend Licht und optimale Akustik sorgt. So können sich die Konferenzteilnehmer wohlfühlen und voll und ganz auf das Geschehen im Saal einlassen. F.K.: Wie gut dieser Raum angenommen wird, zeigt auch, dass er bis heute unverändert und ständig ausgebucht ist. Das freut uns natürlich. H.F.: Ich würde gerne ein weiteres wichtiges Beispiel nennen: die Innenarchitektur von Räumen, in denen Menschen mit schwierigen Situationen konfrontiert werden. Ein solches Projekt war das Amtsgericht Neuss, das wir 2009 teilsaniert haben. Wir haben den Räumen etwas von der alten Wuchtigkeit genommen, die Autorität und Hierarchie symbolisieren sollte. Natürlich sind in der neuen Raumordnung die Richter immer noch über den Angeklagten situiert. Nicht zuletzt mit einem neuen Farbkonzept haben wir jedoch eine Atmosphäre geschaffen, in die Menschen, ob Kläger, Zeuge oder Angeklagter, unbefangener ihre Aussagen machen können. Tatsächlich haben die Richter uns im Nachgang bestätigt, dass viele Verhandlungen nun reibungsloser und angenehmer verlaufen. Besonders das Familiengericht war uns wichtig, schließlich geht es hier auch um tragische Dinge wie Ehescheidungen und Sorgerechtsfragen. Wir haben neben einer warmen Raumfarbe auch eine neue Möblierung gewählt. Die Familien sitzen an einem runden Tisch zusammen, das ist besonders für die Kinder wichtig.»es gibt Differenzen zwischen den Eltern, aber trotzdem sind wir noch eine Familie, zu der ich gehöre«ist die unterbewusste Botschaft. Wenn wir dieses Gefühl vermitteln können, haben wir viel erreicht. F.K.: Daneben geht es natürlich auch um ganz greifbare Qualitäten um gute Türklinken und gute Heizkörper, um gute Bodenbeläge. Eine gute handwerkliche Qualität mit hochwertigen Materialien ist ebenso wichtig wie die Details im Raum. Wenn hier hochwertig gearbeitet wurde und damit ist gar nicht zwangsläufig auch hochpreisig gemeint, kann das Ergebnis über viele Jahre werthaltig sein. Zeitlos im besten Fall. Die Qualität durch Reduktion, verbunden mit hochwertigen Materialien, hat sich sogar zu einem Exportartikel in die USA entwickelt... H.F.: Ja, unsere Abteilung ist für das erste Projekt von RKW in den Vereinigten Staaten verantwortlich. Gemeinsam mit dem Architekten Christoph Sattler haben wir für die Mode-Firma AKRIS eine ihrer wichtigsten Boutiquen gestaltet, auf der Madison Avenue in New York. Dafür hatten wir uns allerdings schon in Düsseldorf empfohlen, als wir für den Kunden in einem Standard-Bürogebäude in kürzester Zeit einen internationalen Showroom geplant und umgesetzt haben inklusive einer spektakulären, zehn Meter langen Wand mit schwarzer Rosshaar-Bespannung. Hier war denn auch Luxus und

276 277 Understatement pur gewünscht. Ob Düsseldorf oder New York das Beste aus der vorhandenen Architektur herauszuholen ist hier wie dort unser großer Ansporn. F.K.: Wir freuen uns natürlich sehr über diesen Schritt in die USA, wo RKW ja noch völlig unbekannt ist. Dass die hohe Qualität unserer Arbeit gewürdigt wird, zeigt sich aber auch hierzulande. Ein gutes Beispiel ist der Deutsche Innenarchitekturpreis des BDIA. Heike Falkenberg und ihr Team haben für die Aufsichtsratsetage der Douglas Holding in Hagen den zweiten Preis gewonnen. Wie lautet Ihr Fazit aus den bis heute immerhin 20 Jahren Innenarchitektur bei RKW? H.F.: Was die Arbeit an kompletten RKW-Neubauten angeht, könnte eine frühere Einbindung unseres Teams zu vermutlich noch besseren Prozessen führen. Grundsätzlich bin ich mit der produzierten Qualität aber hochzufrieden, und noch wichtiger ist, dass die Bauherren diese auch zu schätzen wissen. Dass sich durch unsere Arbeit unzählige Nutzer in ihren Räumen wohlfühlen und sich mit ihrem Gebäude identifizieren, gehört ebenfalls untrennbar zum Erfolgserlebnis dazu. Das ist die Anerkennung, die mir wichtig ist. Für uns als Architekturbüro mit einem und ich wiederhole mich hier gerne umfassenden Anspruch ist die Arbeit unserer Innenarchitektinnen und -architekten sehr wichtig. Es ist die Überzeugung von Helmut Rhode, dass Architektur nur ganzheitlich funktionieren kann. Dazu gehört eine Perfektion, die sich vor allem am Menschen orientiert, der entscheidet, ob er sich in einem Gebäude wohlfühlt. Das entscheidende Kriterium ist, eine zeitlose Sprache zu finden, in der der Auftraggeber sich dauerhaft darstellen kann. Innenarchitektur gehört da nicht nur als strategische Wettbewerbskomponente und Alleinstellungsmerkmal, sondern vielmehr als grundsätzliche Philosophie zur tagtäglichen Arbeit von RKW. Foyer des KfW-Haupthauses, Frankfurt

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Innenarchitektur 280 281 Douglas Hauptverwaltung, Hagen Bauherr Douglas Holding AG BGF 608 m² Planungszeit Nov. 2000 März 2001 Bauzeit 2001 Wettbewerb 1. Preis Auszeichnung 2. Preis BDIA 2002 Die Architektur zeichnet sich durch filigran umhüllte Transparenz aus, mit deren Hilfe die architektonische Identifikation des Ortes erreicht wird. Im Rahmen des gewonnenen Innenarchitektur- Wettbewerbs bestand die Aufgabe aus dem Ausbau der obersten Etage zu einer repräsentativen Auf sichtsratsetage mit Foyer, Konferenzund Büro bereichen. Es sollte eine sachlich moderne, natürliche und zurückhaltende Sprache in Gestaltung und Materialität gefunden werden. Trans parenz und Klarheit der vorhandenen Architektur bildeten den optimalen Rahmen für die Verwirk lichung heller und großzügiger Räume. Funktionalität und Logik der Raumsituationen und Einbauten unterstreichen und steigern deren Wirkung. Balance im Raum und zeitlose Wertigkeit. Durchgängige Blickachsen und raumverbindende Elemente zeigen die offene Unternehmensstruktur, verbinden unterschiedliche Funktionsbereiche und ermöglichen ihre flexible Nutzung. Mit Hilfe von drehbaren Wandelementen und mobilen Glasflächen zum Flur lässt sich der Raum des Aufsichtsrats abschotten wie auch öffnen. Die Zielsetzungen Konzentration und Kommunikation lassen sich nach wenigen Handgriffen auf derselben Fläche variieren. In Farbe und Materialauswahl sowie in der differenzierten Lichtkonzeption findet dieser Entwurfsgedanke seine Umsetzung. Hohe handwerkliche Qualität sorgt für gute

Innenarchitektur 282 283 Bürogebäude Freshfields & Partner, Düsseldorf Bauherr Feldmühleplatz 1 GmbH & Co. KG Planungszeit Feb. 2003 Juli 2004 Bauzeit 2004 2005 Wettbewerb 1. Preis Die ehemalige Hauptverwaltung der Feldmühle AG in Oberkassel, Anfang der fünfziger Jahre errichtet, wurde in einen modernen Firmensitz der weltweit agierenden Anwaltskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer umgewandelt. Der Umbau stammt von Richard Meier & Partners, New York. RKW übernahm nach gewonnenem Innenarchitektur-Wettbewerb auch die Aufgaben des Kontaktarchitekten. Der gesamte Bestand wurde saniert, teilweise zurückgebaut und um ein Konferenzgeschoss aufgestockt. Ein L-förmiger Neubau ergänzt den Solitär im Norden, im Süden folgt ein weiteres Gebäude. Der Bauherr beauftragte RKW zusätzlich mit dem raumbildenden Ausbau in Alt- und Neubau. Die Räume sind flexibel und kommunikativ angeordnet, individuell nutzbar und besitzen, auf den Nutzer zugeschnitten, eine eigene Identität. Die Raumqualitäten in Alt- und Neubau sind identisch. Natürlichkeit und Leichtigkeit waren die wesentlichen Aspekte bei der Materialwahl und in der Beziehung zum Außenraum. Die individuell angefertigten Kunstobjekte stammen von Werner Berges, Boris Doempke und Paul Schwer. Der Hauptzugang befindet sich im Risalitbereich des Altbaus, eine repräsentative zweigeschossige Eingangshalle empfängt den Klienten. Im Süden schließt eine große Bibliothek an. Gegenüber der Haupttreppe liegen geschossweise die Konferenzräume, am Übergang zum Neubau je eine Espressobar und eine kleine Bibliothek. Im Staffelgeschoss bilden die Konferenzräume mit Panoramablick und einer zweiten Lobby den Höhepunkt. Heller Kalkstein in Treppenhäusern, Lobbys, Espressobar und WCs reflektiert Tageslicht in die Räume. Mit ihrer indirekten Beleuchtung werden die Einbauschränke, die in den Fluren ganze Aktenkilometer verschwinden lassen, zu schwebenden Skulpturen. Im Risalitbereich ist der Stein in die Besprechungsräume hineingeführt, im möblierten Bereich durch den Teppichboden unterbrochen. Die Verzahnung von Material und Raum findet sich mehrfach im Haus wieder. Analog sind im Neubau alle öffentlichen Bereiche in dunklem Granit ausgeführt, Teeküche und Ausgabebereich der Kantine in Kunststein, Bibliotheken sowie Konferenzsaal und Flur im Staffelgeschoss in Nussbaum-Parkett. Ein sandfarbener Teppich in den Bürogeschossen ist auf den Naturstein abgestimmt. Der ganzheitliche Ansatz prägt noch das kleinste Detail.

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Innenarchitektur 286 287 GAP 15, Düsseldorf Bauherr GAP 15 GmbH Planungszeit Okt. 2003 Dez. 2004 Bauzeit Aug. 2004 Aug. 2005 Wettbewerb 1. Preis Mit 90 Meter Höhe und 23 Etagen ist das Hochhaus GAP 15 ein markantes Bürogebäude in der Düsseldorfer Skyline zwischen»kö«und Landtag. Den Grundriss haben JSK Architekten in Form zweier ineinander verschränkter Ellipsenhälften angelegt. Ergänzt wird der transparente Bau durch ein fünfstöckiges Gebäude. Die RKW-Innenarchitekturabteilung gewann den Wettbewerb für den raumbildenden Ausbau sämtlicher Bereiche des Mieters Ernst & Young im Hochhaus und im sanierten Flachbau. Die Vertiefung in die Sprache der Architektur von JSK und das vom Nutzer definierte Anforderungsprofil bildeten die Basis für die Entwicklung der Grundrissorganisation wie der Raumfunk tionen und Stimmungen. Es galt, diese adäquat fortzusetzen und in Farbigkeit, Materialität, Möblierung sowie Atmosphäre zu akzentuieren. Das ungewöhnliche Konzept des Auditoriums Hauptkriterium der Wettbewerbsentscheidung funktioniert ähnlich wie eine Artischocke in einem Glashaus, speziell auf die Bedürfnisse des Menschen abgestimmt: hohe akustische Qualität, Ruhe und Rückhalt, aber auch Transparenz, Tageslicht und Flexibilität. Leichtigkeit und Eleganz in Verbindung mit den natürlichen Materialien Lärchenholz und Naturstein und eine dezente Farbgebung bestimmen wie selbstverständlich die räumliche Aussage und das Design der speziell entworfenen Möbel. Die elegante Erscheinung des Hochhauses stellt auch im Inneren hohe Ansprüche an die Gestaltung und die Unauffälligkeit technischer Details. Voraussetzung dafür ist die frühzeitige Einbindung der innenarchitektonischen Planung in den Bauprozess. Viel Atmosphäre entfaltet sich in den Sonderbereichen Empfang, Bibliothek, Konferenz, Auditorium und Skylobby durch die Materialität von Parkett und Leder. Kombiniert mit der bewussten Inszenierung des Ausblicks auf Düsseldorf, genießen Mitarbeiter und Besucher ein einzigartiges Raumerlebnis. In enger Abstimmung zwischen Nutzern, Architekten, Bauherren und Lichtplanern entstand so in Umsetzung der Corporate Identity von Ernst & Young ein nutzerorientierter Maßanzug.

Innenarchitektur 288 289 NRW-Bank, Düsseldorf Bauherr Animo GmbH / Heine BGF 43.000 m² Planungszeit Aug. 2004 April 2005 Bauzeit Aug. 2005 Mai 2006 Im Düsseldorfer Stadtzentrum setzt der Neubau der NRW-Bank am Schnittpunkt von Kniebrücke und Königsallee einen unverwechselbaren Akzent. Die dreizehngeschossige Hochhausscheibe ist über eine gläserne Eingangshalle an den siebengeschossigen, zurückversetzten Block angebunden. Aufgabe der Innenarchitekturabteilung von RKW war, für das Haus eine individuelle Handschrift zu entwickeln vom Entree bis zum Konferenzbereich, vom Mitarbeiterrestaurant bis zum Vorstandsbereich, vom WC-Bereich bis zur persönlichen Ausstattung. Kraftvolle Lichtarchitekturen wie Empfangstresen und Lichtwand prägen die zweigeschossige Halle der NRW-Bank als repräsentative Lobby. Das angrenzende Mitarbeiterrestaurant lädt mit stimmungsvollem Ambiente und Blick in den Park zur Kommunikation ein. Ein zweigeschossiger, gläserner Konferenzpavillon im Inneren des massiven Blocks entfaltet räumliche Weite und Transparenz durch seinen Außenbezug zum Park und zur renaturierten Düssel. Sichtbezüge, die Lichttreppe, Lichtfugen in Decke und Boden sowie durchgängige Materialien verbinden flexibel nutzbare Räume und Ebenen. Der Solitär wirkt in seiner Sprache kraftvoll, eigenständig und elegant. Die Gestaltung des Vorstandsbereichs in der obersten Etage des gläsernen Hochhauses folgt ebenso konsequent den Prämissen der Großzügigkeit und Transparenz nicht nur wegen des allgegenwärtigen Panoramas über Düsseldorf und Rhein. Nahezu ungehindert gleitet der Blick durch Lobby und Empfangsbereich, dann überrascht ein kleiner, in den Baukörper integrierter Dachaustritt. Natürliche Materialien wie Naturstein, Parkett und farblich abgestimmte Teppiche charakterisieren die unterschiedlichen Funktionsbereiche. Fein ausgearbeitete Details und die stimmige Integration des Lichtes geben den Räumen ihre zurückhaltende Wirkung und Intimität.

Innenarchitektur 290 291 KfW-Haupthaus, Frankfurt Bauherr KfW Bankengruppe Frankfurt am Main BGF 24.200 m² Planungszeit 2005 2006 Bauzeit Jan. 2006 Dez. 2006 Wettbewerb 1. Preis Auszeichnungen Green Building Award 2008, Architekturpreis für Nachhaltigkeit (GreenBuilding Award der Stadt Frankfurt am Main 2009) Nach 40-jähriger Nutzung entschloss sich die KfW-Bankengruppe zur Sanierung ihres in den sechziger Jahren entstandenen Hochhauses nicht zuletzt aus brandschutztechnischen Gründen. Die gemeinsame Beauftragung von Architektur und Innenarchitektur ermöglichte eine Neuordnung, ohne die gestalterischen Merkmale der sechziger Jahre aufzugeben. Die vier unterschiedlich hohen Baukörper auf quadratischem Grundriss sind jeweils um eine Bürotiefe zueinander verschoben. Der Besucher erreicht das Haupthaus über den Palmengartenvorplatz und den Innenhof der Ostarkade. Um ein repräsentatives, lichtdurchflutetes Entree zu erhalten, wurde ein Teil des ersten Obergeschosses zurückgebaut. Die Wände der Halle wie auch Lobbys und Sitzungssaal wurden akustisch wirksam mit Spitzahorn vertäfelt. Der Künstler Thomas Bayerle gestaltete die Oberfläche der beiden Aufzugsblöcke. Aluminium als bestimmendes Material zeigt sich dabei in Form eines Reliefs. um eine eingeschossige Halle erweitert, die als Auditorium 500 Personen fassen kann. Blickachsen und verglaste Fassadenflächen integrieren den alten Baumbestand und den Palmengarten. Weiße Wände zwischen den ahornvertäfelten Fluchttreppenhäusern präsentieren eine hochwertige Sammlung moderner Kunst ein spannungsreicher Wechsel von Kunst und Natur. In den Hallenbereichen unterstreicht Natursteinbelag den räumlichen Fluss. Teppiche und skulpturale Sitzmöbel mit Beistelltischen aus Aluminium laden zum Verweilen ein. Kommunikation bestimmt die Gestaltung des zweigeschossigen Sitzungssaals für 56 Personen. Die Idee eines»schwebenden Tisches«ist als Aluminiumskulptur umgesetzt, die auf hinterleuchteten Glasschwertern ruht. Konferenz- und Raumtechnik sind unauffällig integriert. Per Fernsteuerung enthüllt die Aluminium-Wandverkleidung innen liegende Präsentationsflächen ein Beispiel für Harmonie und Übereinstimmung der Teile untereinander wie mit dem Ganzen. Transparenz erzeugt Flexibilität: Die Wartebereiche vor den Konferenzsälen können als Speise- und Veranstaltungsräume dienen. Der flurbreite Übergang vom Haupthaus zur Nordarkade wurde

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Innenarchitektur 294 295 Rathaus Aachen Bauherr Stadt Aachen Planungszeit Aug. 2008 Juli 2009 Bauzeit 2009 Das bedeutendste weltliche Bauwerk der Stadt entstand Mitte des 14. Jahrhunderts auf den Grundmauern der karolingischen Palastaula als ein Gebäude, das im Erdgeschoss als reichsstädtisches Rathaus und im ersten Stock als Festsaal des Kaiserreiches diente. Der Krönungssaal gilt als der größte mittelalterliche Saal in der europäischen Profanarchitektur. Das Ziel von Auftraggeber und Innenarchitekten bestand darin, das Foyer im historischen Erscheinungsbild nicht nur authentisch zu erhalten, sondern darüber hinaus in seiner räumlichen Wirkung und Funktion zu steigern. In erster Linie dient es als Ausstellungsraum und Zugang zum Büro des Oberbürgermeisters, bietet aber auch ein repräsentatives Entree für unterschiedliche Veranstaltungen im Ratssaal wie im Standesamt. Besondere Aufmerksamkeit legten die Innenarchitekten auf die Funktionalität, die Beleuchtung und Ergonomie der Empfangs- und Pförtnerarbeitsplätze. Hell gestaltete Wandoberflächen lassen den Raum nunmehr licht und großzügig erscheinen. Farbig akzentuierte Linien trennen die Kreuzgratgewölbe von der Wandfläche. Nach mehrmaligem Abbeizen gewannen vorhandene Wandverkleidungen ihren hellen natürlichen Eichenton zurück und kontrastieren mit der Schwarz-Weiß-Geometrie des Steinfußbodens. Akzentuierender Höhepunkt der klaren Raumwirkung ist die in Zusammenarbeit mit dem Büro Schroeder Feldmann, Aachen, entwickelte Lichtgestaltung. Von der Decke abgehängte Messingleuchter mit paarweise angeordneten Halogenstrahlern schweben grazil über dem Boden und setzen belebende Reflexe auf den dunklen Belag. Das Konzept der einfühlsamen Modernisierung setzt sich über das Treppenhaus bis in die Säle fort. An Wandflächen und auf Säulen montierte Leuchter erhellen das historische Gewölbe, ohne das Erscheinungsbild zu überformen. Ein klare Anordnung der wertvollen Gemälde im Ratssaal, dazu passende neue Vorhänge, ein Sonnenschutz und eigens entworfene, kubische Konferenztische sorgen für eine funktionale und gestalterische Harmonie, die auf moderne Medientechnik keineswegs verzichten muss. Materialwahl, Farb- und Formgebung der neuen Möbel sind eine bewusste Referenz der Moderne an die mittelalterliche Pracht und Würde des denkmalgeschützten Rathauses.

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Innenarchitektur 298 299 Amtsgericht Neuss Bauherr OLG Düsseldorf BGF 4.400 m² Planungszeit Mai 2008 Nov. 2008 Bauzeit Feb. 2009 Dez. 2009 Wettbewerb 1. Preis Der Auftrag für das Amtsgericht basiert auf einem gewonnenen Wettbewerb. Ausgangspunkt der innenarchitektonischen Planung sind vier verschiedene Gebäude, darunter ein altes Gymnasium, das lieblos umgenutzt worden war und das sehr schöne Räume, jedoch kein ausreichendes Licht besaß. Neben der Optimierung der Raumakustik bildet daher die Lichtkonzeption den Schwerpunkt der Planung, die das Ziel verfolgt, raum- und identitätsbildende Elemente zu betonen und in einem ganzheitlichen Konzept zusammenzuführen. Umlaufende Vouten auf Kapitellen beleuchten indirekt das Kreuzgewölbe der Eingangshalle. Sie unterstreichen die klare, raumgliedernde Struktur der Decke und erzeugen eine strahlende Gesamtwirkung als repräsentativer Rahmen für den Empfang, die Wartezone und die teilweise hinterleuchteten Glasstelen, die als Orientierung dienen. Ein modulares Beschilderungssystem setzt das farbliche Orientierungskonzept im Haus fort. Sitzmöglichkeiten definieren Aufenthaltsorte, wobei das Material jeweils auf die Bestandsoberflächen abgestimmt ist. Additiv zur Grundbeleuchtung akzentuiert Lichtkunst die räumliche Wirkung des Treppenhauses. Eine umlaufende Lichtvoute leuchtet die Decke des Eingangs zum alten Amtsgericht aus. In den Gerichtssälen unterstreicht die Beleuchtung die Formensprache, verbindet die räumlichen Strukturen und korrigiert die Raumproportionen. Der Zugang zu Schöffen- und Jugendschöffensaal wurde behindertengerecht gestaltet. Hier und im Amtsgericht sind Rückwand und Bestuhlung in dunkelblauer Farbe akzentuiert. Schallabsorbierende Materialien in Decke, Rückwand und Sichtschutzelementen verbessern die Akustik. Familien-, Zivil- und Strafgerichtssäle spiegeln eine eigene Farbwelt. Die Atmosphäre des Familiengerichts wird von einem warmen, harmonischen und curryfarbenen Hintergrund bestimmt, der runde Tisch fasst die Familie demokratisch zusammen.

Innenarchitektur 300 301 Opernhaus Düsseldorf Bauherr Theatergemeinschaft Düsseldorf-Duisburg GmbH Planungszeit März 2009 Juni 2009 Bauzeit Juli August 2009 Der Bau an der Heinrich-Heine-Allee besetzt einen attraktiven Standort am Rande der Altstadt, zwischen Hofgarten und Königsallee, und ist fußläufig von der Rheinpromenade zu erreichen. Hier wurde 1875 nach Plänen des Architekten Ernst Giese das neue Staatstheater eröffnet. Der dem italienischen Renaissancestil nachempfundene Bau mit seinem runden Vorderhaus und 1260 Sitzplätzen hatte Ähnlichkeiten mit der Semperoper in Dresden. 1943 wurde das Theater stark beschädigt, in den fünfziger Jahren erhielt es sein heutiges Gesicht. Zwischen 2006 und 2007 veranlasste die Stadt Düsseldorf eine umfangreiche Sanierung; das Haus wurde durch einen lichtdurchfluteten Orchester- und Ballettprobensaal mit einer 8 bis 10 Meter hohen Glasfassade zum Hofgarten und zur Königsallee erweitert. Für die Modernisierung des gesamten Foyerbereichs und die Steigerung der Aufenthaltsqualität unter Berücksichtigung denkmalpflegerischer Aspekte bekam RKW einen Direktauftrag. Zu Beginn der Spielzeit 2009 wurde die Oper unter dem neuen Intendanten mit neuer Loungemöblierung, Bar-, Informations- und Ausstellungstheken neu eröffnet. Die weitere Modernisierung des 2. und 3. Rangs wie der VIP-Lounge-Bereiche wird schrittweise umgesetzt. Im Parkettfoyer wurden zwei Cateringbereiche parallel zu den Treppenhäusern eingerichtet, ausgestattet mit quadratischen Tischen, neuen Stühlen und Sitzbänken. Stehtische in den Lounges laden die Operngäste zu einem kurzen Aufenthalt. Die einzelnen Ränge mit VIP-Lounges und Speiseräumen sind sowohl in der Aufteilung als auch durch mannigfaltige Möblierung mit Loungesesseln, Beistell- und Stehtischen sowie Bartheken individuell charakterisiert und stellen eine Fülle unterschiedlichster Raumwirkungen als Inszenierung für den Besucher dar, der in den Pausen selbst zum Darsteller wird. Abschließbare Elemente für Bücher, CDs, T-Shirts sowie dazu passende Informationsstelen und Prospekthalter für Programmhefte und Flyer ermöglichen ein einheitliches, unaufdringliches Nebeneinander vielfältiger Funktionen und verdeutlichen das Gesamtkonzept noch im letzten Detail. Die hohe handwerkliche Qualität und sorgfältig abgestimmte Materialien goldschimmernde Garderobenvorhänge, bruniertes Messing, helles Leder, das goldene Oval der Bartheke auf hellem Steinboden schaffen eine ästhetisch anregende, festlich stimmende Atmosphäre.

Innovation 302 303 1 Michael Langer: Innovation und Kunstqualität. Die Kategorien des Neuen in der Kunst, Worms 1989, S. 54. Innovation ist das stets positiv besetzte Lieblingswort des Architekturbetriebs auf der Suche nach Avantgarde und Erneuerung: neue Formen, neue Lösungen, neue Produkte, neue Märkte, neue Verfahren, neue Vorgehensweisen, neue Prozesse, neue Vertriebswege, neue Werbeaussagen... Dennoch basiert eine Innovation stets auf etwas Vorhandenem, sie kann nicht aus dem»nichts«entstehen. Jede Neuerung ist darum das Resultat eines Denkprozesses, eines methodischen und systematischen Vorgehens. Man kann zwar auch durch Zufall etwas entdecken, aber nur auf der Suche nach etwas Bestimmtem. Nahe liegend für das Bauen ist die technische oder die künstlerische Innovation, weniger ihre städtebauliche, organisatorische, soziale oder institutionelle Variante. Innovationen zeichnet im Ergebnis das»neuartige«aus, das sich vom bisherigen Zustand positiv unterscheidet. Jede Innovation muss sich darum nicht nur der Frage stellen, was neu ist, sondern auch, was gut bzw. besser ist. Zu vermuten ist, dass Innovationen auf zeitlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen beruhen und ihr jeweiliger Erfinder nur als Katalysator wirksam wird. Diese Annahme wird durch die Tatsache bestätigt, dass identische Innovationen oft nahezu gleichzeitig an verschiedenen Orten gelingen.»wie alle Innovationen sind auch künstlerische Neuerungen von ihrem Kontext abhängig. Sie entstehen als bewußte oder unbewußte Antworten des Künstlers auf die Wahrnehmung seines Umfelds. Künstlerisches Talent besteht deshalb zunächst im intelligenten und intuitiven Erfassen der allgemeinen Existenzqualität in einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort.«1 Diese Idee der künstlerischen Innovation in Reaktion auf Veränderungen der geistigen und materiellen Existenz ist eine Erscheinung erst des 20. Jahrhunderts. min- und Etatvorgaben des Bauherren genügen, einer Vielzahl von Bauvorschriften, sogar zukünftigen, noch unbekannten Nutzungsveränderungen und technischen Neuerungen, gerecht werden. Der Architekt muss nachhaltige Ergebnisse hervorbringen, nicht nur im Sinne von Dauerhaftigkeit, Ökologie oder Energiebedarf. Er ist interdisziplinär gefordert und muss, um sein komplexes und hybrides Ziel zwischen Form und Funktion, zwischen Avantgarde und Alltagsgebrauch zu erreichen, die unterschiedlichsten Disziplinen unter seiner Regie zusammenbringen. Darin liegt zunächst die Hürde einer organisatorischen Innovation hinsichtlich der Kommunikation zwischen den unterschiedlichen Disziplinen, aber auch im Hinblick auf die Aufbereitung und Vermittlung der bisherigen Erkenntnisse. Für RKW erfordert insofern Innovation auch Kontinuität. Die Suche nach innovativen architektonischen Lösungen kann nicht auf festgelegte Regeln oder ästhetische Vorgaben wie zu Zeiten der Postmoderne vertrauen, sondern muss sich immer wieder methodisch öffnen. Architektur leitet sich dann nicht aus einer funktionalistischen Denkweise ab, sondern setzt sich zusammen aus Anregungen verschiedener Fachdisziplinen, der Architekturgeschichte selbst, Arbeitsweisen der bildenden Kunst und naturwissenschaftlicher Denkexperimente. Das adaptive Vorgehen im Hinblick auf den Ort und die Zeit in Kombination mit dem Dialog und dem Experiment eröffnet die Möglichkeit spezifischer Lösungen, um Wiederholungen aus dem Weg zu gehen und eine Architektur zu schaffen, die als angenehm und angemessen empfunden wird und in manchen Fällen zu neuen Ideen oder gar Innovationen führen kann aber nicht muss. Die autonome Vorfestlegung auf eine Innovation allein der Form kann diesen Prozess nur stören. Mit welcher Zielsetzung werden heute vom Architekten Innovationen oder Adaptionen erwartet? Das zentrale Problemfeld des Klimawandels allein reicht als Anforderungsprofil nicht aus. Gebäude haben vielfältige Aufgaben zu erfüllen, müssen Ter-

304 305 Anhang

Werkverzeichnis (Auswahl) 306 307 2000 2001 ARAG Tower Düsseldorf ARAG Allgemeine Rechtschutz Versicherungs AG 38.100 m² in Zusammenarbeit mit Norman Foster Wohnbebauung Hans-Böckler-Straße Düsseldorf ICG Bayerische Hausbau GmbH & Co. 16.300 m² Sevens Düsseldorf Sevens Düsseldorf GbR 35.700 m² MIPIM Award 2001 Mannesmann Behrensbau Vorstandsetage Düsseldorf Vodafone Holding GmbH Düsseldorf 750 m² Unter den Linden 39 Berlin Wohnbebauungsgesellschaft Friedrichshain Berlin 800 m² Angereck Erfurt Lang Projektentwicklung GmbH 9.800 m² Kindertagesstätte Sonnenschein Delitzsch Stadt Delitzsch, Hochbauamt 1.929 m² Hauptbahnhof Mannheim Deutsche Bahn AG 22.100 m² Bahnhof des Jahres 2005, ausgezeichnet durch die»allianzpro Schiene«GAD I Douglas-Hauptverwaltung Douglas»Zeil in Style«Deutsche Börse Bahnhof Trommsdorffstraße Volksbank Spandau Arcaden Münster Hagen Frankfurt am Main Frankfurt am Main Oberstdorf Erfurt Bonn Berlin GAD eg 22.282 m² Douglas Holding AG 12.000 m² 2. Preis BDIA 2002 Zeil-Grundstücksverwaltungsgesellschaft Douglas Holding AG 19.100 m² OFB Bauvermittlungs- und Gewerbebau GmbH 48.000 m² Deutsche Bahn AG 2.804 m² Traffic Design Award 2003 Optimus Grundstücksgesellschaft mbh & Co. Bauträger-KG 6.800 m² Volksbank Bonn Rhein-Sieg eg 21.500 m² mfi Grundstück GmbH & Co. Hochtief 98.000 m² 2002 Wohnbebauung Othmarschen Park Anger 1 Galeria Kaufhof Zwickau Arcaden Forum am Anger / F1 Bürogebäude Cybernetykistraße Regionalzentrum e.dis Vodafone Hochhaussanierung Hamburg Erfurt Ulm Zwickau Erfurt Warschau Fürstenwalde Düsseldorf Nordrheinische Ärzteversorgung Düsseldorf 10.200 m² Optimus Grundstücksgesellschaft mbh & Co. Bauträger-KG 30.462 m² Horten AG, vertreten durch MRE Metro Real Estate GmbH 32.000 m² mfi Grundstück GmbH & Co. Zwickau Arcaden KG 42.000 m² Hochtief AG Niederlassung Projektentwicklung 31.840 m² Viterra Development Polska Sp. z o.o. 20.000 m² E.DIS Energie Nord AG 5.700 m² Vodafone Holding GmbH 17.200 m² ICSC Commendation

308 309 WGZ-Bank Düsseldorf GENO-Beteiligungsgesellschaft mbh & Co. Verwaltungs-KG 50.890 m² Das Neue IHZ Berlin WBMI Wohnungsbau- und Investitionsgesellschaft Berlin Mitte mbh 40.000 m² Debitel Stuttgart I-Bank, Staatsbank für Baden-Württemberg StEP GmbH 45.000 m² Arcaden Regensburg mfi Grundstück GmbH & Co. Regensburg Arcaden KG 109.000 m² Volmegalerie und Ratssaalgebäude Hagen MDC das Grüne Dreieck Projektentwicklung GmbH 72.500 m² Space Park Bremen Space Park GmbH & Co. KG 200.000 m² BMW-Niederlassung Alte Messe Leipzig BMW Group München / Leipzig 23.000 m² Verwaltungszentrale e.dis Potsdam E.DIS AG, Fürstenwalde 30.900 m² 2003 2004 Verwaltungsgebäude EVD Tuchthaus Am Seestern 5 Haus der Ärzteschaft Szucha 21 ARAG Werft 67 Krombacher Brauerei, Abfüll- und Logistikhalle Dormagen Düsseldorf Düsseldorf Düsseldorf Warschau, Polen Rostock Düsseldorf-Reisholz Kreuztal evd Energieversorgung Dormagen GmbH HUC Familienstiftung, 60. Hanseatische Grundbesitz GmbH & Co. KG 22.500 m² BGF ges. ober+unterirdisch 56.517m² Auszeichnung guter Bauten 2003 des BDA Düsseldorf Bayerische Hausau GmbH 5.500 m² (oberirdisch), 2.600 m² (unterirdisch) ARAG Allgemeine Rechtschutz Versicherungs AG 6.800 m² IDR Industrieterrains Düsseldorf-Reisholz AG 13.000 m² Krombacher Brauerei Bernhard Schadeberg GmbH & Co. KG 12.300 m² Behrensbau Gesamtsanierung Audi Elektronik-Center Jüdisches Schulzentrum Akris-Store Burscheider Straße Haus Kunkel Metro Stadtkante IKB International Düsseldorf Ingolstadt Düsseldorf New York Düsseldorf Düsseldorf Düsseldorf Luxemburg Vodafone Holding GmbH 17.000 m² AUDI AG 42.167 m² Jüdische Gemeinde Düsseldorf 5.400 m², davon 3.000 m² Bestand Akris prêt à porter AG 280 m² Düsseldorfer Bau- und Sparverein eg, ehem. Freies Volk eg Wohnbebauungsgenossenschaft Dr. Klaus Kunkel Bilfinger Berger AG, Bereich Entwicklung 62.000 m² IKB S.A. International 6.505 m² 6.662 m²

310 311 Riem Arcaden Karstadt, Fassade Hessische Staatskanzlei, Rathauspassagen Broadwayoffice Köln-Arcaden Stadtpalais Pohland München Wiesbaden Wiesbaden Berlin Düsseldorf Köln Potsdam Köln I Dortmund DIFA Grundstücksges. mbh & Co. KG StadtQuartier Riem Arcaden in der Messestadt/ mfi Management für Immobilien AG 85.000 m² Karstadt Warenhaus AG 19.000 m² (Bestand+Erw.) Die Rose GmbH & Co. KG 26.929 m² WBM Wohnungsbau- und Investitionsgesellschaft mbh, Berlin 43.055 m² Allianz Immobilien GmbH 22.383 m² mfi Management für Immobilien GmbH 63.800 m² + 54.380 m² Parkhaus Karstadt Immobilien AG & Co. KG 23.500 m² Pohland GmbH & Co. KG 1.550 m² 2005 Sparkasse und Wohnbebauung Königpalast Internationale Schule Bürogebäude Freshfields & Partner Hansen Appelrath-Cüpper Marktgalerie BMW Hammer Group Neuss Krefeld Bonn Düsseldorf Köln Münster Leipzig Köln Sparkasse Neuss 4.810 m² Krefelder Bau GmbH 24.128 m² VEBOFUTUR GmbH 9.631 m² Feldmühleplatz 1 GmbH & Co. KG 24.000 m² Contractworld Award 2006 Pohland GmbH & Co. KG 1.700 m² Reiner Appelrath-Cüpper Nachfolger GmbH 5.620 m² BLS Immobilienprojektentwicklung GmbH & Co. KG 24.250 m² DAPHAL Objektgesellschaft mbh & Co. KG 16.700 m² 2006 GAP 15 (Ernst & Young) Bahn-City Hause der Ärzteschaft 2. BA GAD II Kish Island, Flower of the East Schlössle-Galerie ISS Dome Rathausfoyer Düsseldorf Berlin Düsseldorf Münster Iran Pforzheim Düsseldorf Aachen GAP 15 GmbH Nordbahnhof Berlin Grundstücks GbR 80.168 m² Nordrheinische Ärzteversorgung Düsseldorf 12.722 m² gesamt Auszeichnung guter Bauten 2006 des BDA Düsseldorf GAD eg 22.282 m² flower of the east Kish development Co. AM MDC Schlösse Galerie Projektentwicklung GmbH ICSC Award 2006 IDR Industrieterrains Düsseldorf-Reisholz AG 34.500 m² Rathaus Verein Aachen

312 313 2007 Nike-Hauptverwaltung Frankfurt Spirit @ Stadium NRW-Bank Düsseldorf Animo GmbH / Heine 43.000 m² Volksbank Neuss-Weissenberg Neuss Volksbank Düsseldorf Neuss eg 340 m² Revitalisierung KfW-Haupthaus Frankfurt KfW Bankengruppe Frankfurt am Main 24.200 m² Green Building Award 2008 Architekturpreis für Nachhaltigkeit (GreenBuilding Award der Stadt FFM 2009) Karlshof Lankerstraße Düsseldorf Ralf Schmitz GmbH & Co. KG Wohnungsbaugesellschaft 6.500 m² Wohnfläche: 3.100 m² Wohnanlage Ul. Madalińskiego Warschau Viterra Development Polska Sp. z o.o. 19.314 m² Dreifachsporthalle Hansaallee Düsseldorf Amt für Immobilienmanagement der Landeshauptstadt Düsseldorf 2.960 m² Mendelsohnufer am Bundesverwaltungsgericht in Zusammenarbeit mit GFSL Leipzig Stadt Leipzig, Grünflächenamt 5.000m² Appelrath-Cüpper Waldach-Passage Möbelhaus Porta Karstadt Feldmühle Bauteil Süd Schleupen Brauerei»Im goldenen Kessel«Tersteegen Office Center Dortmund Nagold Aachen Leipzig Düsseldorf Moers Düsseldorf Düsseldorf Appelrath-Cüpper Nachfolger GmbH 5.000 m² HBB Gewerbebau Projektgesellschaft mbh & Co. KG 12.800 m² Bauherrenpreis Anerkennung 2000 2006 Porta Service und Beratungs GmbH & Co. KG 57.000 m² Karstadt Immobilien AG & Co. KG 36.944 m² Feldmühleplatz 1 GmbH & Co. KG 7600 m² in Zusammenarbeit mit Richard Meier Schleupen AG 900 m² Frau Schnitzler-Ungermann Nordrheinische Ärzteversorgung 34.274 m² Meilenwerk Modehaus Dodenhof P & C Konsum Coppistraße Flensburg-Galerie Wilmersdorfer Arcaden Erlanger Arcaden Lookentor Passage Düsseldorf Kaltenkirchen Berlin Leipzig Flensburg Berlin Erlangen Lingen Insignium gebaute Marken GmbH 14.600 m² Dodendorf GmbH & Co. KG 9.000 m² Peek & Cloppenburg KG 16.000 m² Konsumgenossenschaft Leipzig eg 1.785 m² / 9.150 m³ Architekturpreis der Stadt Leipzig zur Förderung der Baukultur Flensburg Galerie GmbH & Co. KG mfi Grundstücksentwicklungsgesellschaft mbh & Co Wilmersdorfer Arcaden KG 67.150 m² mfi Grundstücksentwicklungsgesellschaft mbh & Co Erlangen Arcaden KG 46.000 m² Klaas Immobilien GmbH 30.600 m²

314 315 2008 Wohnbebauung Porschestraße Vierfachsporthalle Marie-Curie-Gymnasium Kanupark Markkleeberg Waterfront Hürth-Park Sport- und Technikhaus Karolinen-Karree Kö 15 Sky Düsseldorf Düsseldorf Markkleeberg Bremen Hürth Posthausen München Düsseldorf Düsseldorfer Bau- und Spargesellschaft eg 10.200 m² Landeshauptstadt Düsseldorf 3.450 m² Stadt Markkleeberg 2.200 m² LNC Property Group 200.000 m² DEGI vertreten durch Allianz Immobilien GmbH GIF(H)-Fläche: 75.000 m² Dodenhof Posthausen Grundstücks GmbH & Co. KG 12.700 m² Thuringa Generali 2. Immobilien AG & Co. KG DGNB Silber. Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen Privat 1.425 m² 12.700 m² Seasons Konsum Könneritzstraße Theresiencenter Kaufhof Zeil, Fassadenerneuerung Cybernetyki Office Park Innenarchitektur GAD Hauptverwaltung AOK Berlin GEZ Audi Moskau Leipzig Straubing Frankfurt Warschau Münster Berlin Ingolstadt SAO Octan + Alpha Yury Tioumentsev 45.000 m² Konsumgenossenschaft Leipzig eg 3.219 m² Theresien-Center GmbH & Co. KG Metro Group Asset Management GmbH & Co. KG 40.000 m² Celtic Asset Management SP. z o.o. GAD eg 14.660 m² (inkl. UG) AOK Berlin Bundesverband 17.000 m² AUDI AG 21.400 m² Düsseldorf Arcaden Appelrath-Cüpper M1 Czeladz FMZ Trier Galerie Marienkirchplatz Sophienhof Oberkassel Haus Hardenberg Parkowastraße Düsseldorf Essen Polen Trier Neuss Düsseldorf Düsseldorf Warschau mfi management für immobilien AG Reiner Appelrath-Cüpper Nachfolger GmbH 3.100 m² Metro Group Asset Services Sp. z o.o. 14.000 m² Trigon Management GmbH & Co. Trier KG 26.500 m² Neusser Bauverein AG 15.300 m² Ralf Schmitz GmbH & Co. KG Wohnungsbaugesellschaft 6.400 m² Wohnfläche: 2.880 m² Ralf Schmitz GmbH & Co. KG Wohnungsbaugesellschaft 3.285 m² Wohnfläche: 1.670 m² Lazienki Sp. z o.o.

316 317 2009 Rackowieckastraße EnBW-City LZO Landessparkasse Amtsgericht Leo-Baeck-Saal Begegnungszentrum der Synagogen-Gemeinde PGE Arena Hubertusgärten. Berlin-Grunewald Warschau Stuttgart Oldenburg Mettmann Düsseldorf Köln-Chorweiler Danzig Berlin-Grunewald ORCO PROPERTY GROUP EnBW-City GmbH + Co. KG 83.270 m² GE Edison Award 2009 Landessparkasse zu Oldenburg 33.545 m² BLB Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW, NL Düsseldorf 4.900 m² Jüdische Gemeinde Düsseldorf Synagogen-Gemeinde Köln Stadt Danzig Ralf Schmitz GmbH & Co. KG Wohnungsbaugesellschaft Marie-Curie-Gymnasium Hofgartenpalais Büropark Ratingen Ost IT. NRW Brücken-Center A40-Center Dümptener Tor Selbecker Markt s.oliver Store Düsseldorf Düsseldorf Ratingen Düsseldorf Remscheid Mülheim Heiligenhaus (Mettmann) Würzburg Landeshauptstadt Düsseldorf 1.250 m² Europa Iron + Titanium S.a.r.l. 18.500 m² RS + Partner Immobiliengesellschaft GmbH 12.600 m² Information und Technik Nordrhein-Westfalen Bilfinger Berger Hochbau GmbH HBB Gewerbebau Projektgesellschaft Remscheid mbh & Co. KG 32.000 m² HBB Gewerbebau Projektgesellschaft Mülheim mbh & Co. KG 25.000 m² HBB Gewerbebau Projektgesellschaft Heiligenhaus mbh & Co. KG 5.200 m² Freier Besitz GmbH & Co. KG Mörsenbroicher Weg Parkhaus Brüderstraße Krochhochhaus Franz-Mehring-Schule. Leipzig Centrum-Galerie Galerie am Stadthausplatz Forum Koszalin Baltic Park Düsseldorf Leipzig Leipzig Leipzig Dresden Andernach am Rhein Koszalin Polen Swinemünde (Polen) Düsseldorfer Wohnungsbau GmbH 5.040 m² Hochtief Construction AG 14.281m² / 44.035m³ Sächsisches Immobilien- und Baumanagement NL. Leipzig II 4.200m² Stadt Leipzig Hochbauamt 4.980 m² Multi Veste Dresden GmbH Projektgesellschaft Galerie Andernach mbh & Co. KG Multi Veste Poland 2 Sp. z o.o. Kristensen Group Sp. z o.o.

318 319 Alexanderplatz D4 Berlin Hines Immobilien GmbH 23.000 m² Historisches Rathaus Düsseldorf Stadt Düsseldorf Rathaus Aachen Stadt Aachen Deutsche Oper Düsseldorf Theatergemeinschaft Düsseldorf-Duisburg GmbH Neubau einer Dreifachsporthalle Bedburdyck-Gierath/Jüchen 1. Preis Fassadenwettbewerb Museumswinkel B. Neubau eines Aparthotels in Leipzig 1. Preis Wettbewerb E-Center Hannover-Roderbruch 1. Preis E.ON Energy Research Center RWTH Aachen Institut für Energieforschung 1. Preis 2010 Umbau Technisches Rathaus Leipzig Internationales Immobilien Institut GmbH 66.000 m² ZVO Unternehmenszentrale Sierksdorf Ostholstein Zweckverband Ostholstein 5.800 m² Grundschule Einsiedelstr Düsseldorf-Benrath Amt für Immobilienmanagement der Landeshauptstadt Düsseldorf 750 m² B&B-Hotel Theodorstraße Düsseldorf-Benrath B&B HOTELS GmbH Neubau einer überbetrieblichen Berufsbildungsstätte der Kreishandwerkerschaft Mönchengladbach 1. Preis Neubau einer Dreifachsporthalle und Mensa für die Goethe-Oberschule Berlin-Lichterfelde 1. Preis Outlet-Center»Villagio Toscano«Wien Österreich 1. Preis Rathauserweiterung Crailsheim Anerkennung Sporthalle Werner-Heisenberg-Gymnasium Leipzig Stadt Leipzig, Schulverwaltungsamt 3.246,91 m² Wettbewerb Neubau der Hochschule Hamm- Lippstadt 1. Preis Gutachterverfahren Fassadengestaltung Bürohaus Sachsenseite Leipzig 1. Preis Wettbewerblicher Dialog Innenstadt Hanau 1. Preis Frankfurt International School Oberursel 2. Preis

320 321 Biografien Friedel Kellermann Dipl.-Ing. Architekt, AIV die Leidenschaft für Handel und Mode, die Juryarbeit Lars Klatte Dipl.-Ing. Architekt, BDA Werdegang nach dem Diplom prägten Arbeitsphasen (*1935), Gründungsgesellschafter von RKW, studierte im International Council of Shopping Centers, (*1962) verfolgt in seiner Architektur einen topo- bei SOM und Richard Horden, dem ehemaligen Part- nach praktischer Erfahrung am Polytechnikum in die Zusammenarbeit mit Norman Foster beim ARAG logischen und einen thematischen Ansatz. Seine ner von Norman Foster, in London. Dabei war sein Friedberg. 1960 trat er in das Büro von Helmut Rhode Tower sowie das Fairplay des ewigen Sportlers Leidenschaft für Baugeschichte entdeckte er als Schlüsselerlebnis die frühe Beschäftigung mit dem ein und wurde unmittelbar für Teile der Horten- wurden zur Basis seiner Menschenführung mit den studentische Hilfskraft von Jan Pieper an der FH Thema Corporate Architecture bei SOM. Diese Erfah- Hauptverwaltung in Düsseldorf verantwortlich. In der Zielen Teamgeist und Harmonie. So gelang es Aachen (Pienza-Projekt). Seitdem sieht er in der Bau- rungen flossen nach einer Zwischenstation bei Chris- Zusammenarbeit mit Horten übernahm er bald für Kellermann, das Aufgabenspektrum von RKW geschichte nicht nur die Chronologie, sondern vor toph Ingenhoven zum Beispiel in das ARAG-Projekt die weitere Zusammenarbeit die Federführung. Diese wesentlich auszudehnen und das Profil der erfahre- allem eine themengeprägte Entwicklungslinie mit Be- ein, das in Zusammenarbeit mit Foster entstand, oder Erfahrungen und ersten Erfolge wie sein Beitrag nen Planungsteams weiter zu schärfen nicht zug zur Gegenwart. Eine andere zentrale Bezugsgrö- auch in die Landessparkasse zu Oldenburg. zum BDA-preisgekrönten Hochhaus Reining in zuletzt auf Ebene der Gesellschafter. ße der Architektur liegt für ihn in der Musik seiner Düsseldorf, aber auch Reisen rund um die Welt, zweiten großen Leidenschaft. Den architektonischen Wojtek Grabianowski Mag. Architekt einer sehr intensiven und erfolgreichen Beziehung. Matthias Pfeifer Dipl.-Ing. Architekt BDA sein Bild des Architekten. Die Vorbilder seiner deut- (*1944) studierte an der Kunstakademie in Posen Heute leitet er neben seiner Arbeit in Düsseldorf die (*1958) erlebt seine Aufgaben stets dann als be- lich älteren Brüder technik-orientiert der eine, his- Architektur und blieb dort zwei weitere Jahre als RKW-Dependancen in Warschau und Danzig. Zahl- sonders reizvoll, wenn mit der Größe der Projekte, torisch-künstlerisch interessiert der andere vereinte Assistent eine Entscheidung gegen das seit fünf reiche von ihm betreute Projekte wurden ausgezeich- ihrer Komplexität und der Zahl der Beteiligten die er für sich an der RWTH Aachen und der TH Delft zu Generationen bestehende Familienunternehmen. Für net und stehen für die Architekturauffassung des Verantwortung zunimmt, wenn städtebauliche und diesem doppelten Schwerpunkt. Für Luftschiffe mit seinen Werdegang entscheidend wurde jedoch eine Büros: der Specks Hof in Leipzig, Ärztekammer und politische Dimensionen berührt werden. Bei großen ihrer Synthese aus Technik und Schönheit begeistert Reise nach Spanien und Portugal, die er angetreten KPMG Düsseldorf, Audi Ingolstadt, die Reaktivierung Handelsobjekten und Multiplexkinos war daran nie er sich noch heute nachdem für die beruflichen hatte, um dort Kunst und Architektur zu erleben. Dies des Spiegelgrundstücks in Hamburg. Eines seiner Mangel. Das Pendant zu Hause ist eine Wohngruppe Alternativen als Pilot, Fotograf, Industriedesigner oder war auch der Zeitpunkt, zu dem er zusammen mit gegenwärtig wichtigsten Projekte ist das Stadion in aus zehn Familien. Probleme zu lösen, Wünsche zu Kameramann die Weichen längst anders gestellt seiner Frau Grazyna Deutschland als Zukunftsort Danzig für die Euro 2012. erfüllen, dabei eine Synthese aus künstlerischen und worden waren. wählte. Er lernte Helmut Rhode kennen der Beginn technischen Zielsetzungen zu verfolgen, das prägt Dieter Schmoll Dipl.-Ing. Architekt BDA, AIV kann. Alle Versuche, dieser frühen, vielleicht zu Barbara Possinke Dipl.-Ing. (PL), BDA startete sie mit Freihandzeichnen und Skizzieren ihre (*1951) entdeckte seine Leidenschaft für die Archi- frühen Prägung zu entgehen, führten zurück zum (*1955) wurde in der Warschauer Philharmonie ge- Arbeit bei RKW Architektur + Städtebau, welche sich tektur mit sieben Jahren, als er begann, Kirchen Ursprung und zum Studium bei Wolfgang Döring an boren während eines Chopin-Wettbewerbs, den später schwerpunktmäßig auf Handelsimmobilien abzumalen, etwa Lyonel Feiningers berühmtes Motiv der RWTH Aachen. Die endgültige Bestätigung war Adam Harasiewicz für sich entschied. Zu dieser konzentrierten sollte. Seit 2000 ist Barbara Possinke der Marktkirche in Halle. Auch der Hausbau der der beste Abschluss des Semesters und der Sieg im frühen Liebe zur klassischen Musik kam der kulturelle Geschäftsführende Gesellschafterin bei RKW. Ihre Eltern wirkte auf den Jungen. Zum Schlüsselerlebnis bundesweiten Wettbewerb»Wohnen in der Städte- und politische Einfluss ihrer Eltern, beide Journalis- Architekturkenntnisse vor allem auf dem Handels- für den Gymnasiasten wurde jedoch eine Ausstellung baulichen Verdichtung«. Sein Anspruch, kompetente ten. Über ein Praktikum am Stadtplanungsamt und sektor gibt sie als Dozentin an der International zur Revolutionsarchitektur in Düsseldorf. Die große und effektive Planungsarbeit zu leisten, findet sein Hochbauamt in Essen kam sie 1978 erstmals beruf- Real Estate Business School IREBS weiter. Darstellung des Grabmals für Isaac Newton von Gegengewicht in der Freude an einem intensiven lich nach Deutschland, wo sie nach ihrem Diplom Étienne-Louis Boullée ließ ihn nicht mehr los Beleg Familienleben. in Warschau 1979/80 ein Aufbaustudium an der dafür, dass Architektur die Menschen faszinieren Düsseldorfer Kunstakademie begann. Im Jahr 1987 Prof. Johannes Ringel Dipl.-Ing. Architekt hinweg, häufige Baustellenbesuche eingeschlossen, Hans-Günter Wawrowsky Dipl.-Ing. Architekt BDA, DASL Sektor wie z.b. der Preis für die Galerie Kleiner Markt (*1957) fand den Zugang zur Architektur über einen wurde aus dem Kindertraum schließlich Wirklichkeit (*1933) ist Gründungsgesellschafter von RKW. Nach in Saarlouis oder der MIPIM Award 2001 für Sevens Freund, dessen Vater der Architekt Hinrich Thode zunächst nach dem Abitur in einem ersten Praktikum seinem Studium arbeitete er in den Büros Prof. in Düsseldorf sprechen eine deutliche Sprache. war. Sein klassisches Architekturbüro in unmittel- bei Hinrich Thode, der zu Ringels strengem Lehr- Oesterlen (1956 59) und HPP Hentrich Petschnigg Dass Architektur und Stadtentwicklung nicht nur im barer Nachbarschaft, in den sechziger Jahren mit meister werden sollte. Zur zweiten Schlüsselfigur Partner (1959 62). Der Bau der Horten Hauptver- Handel untrennbar zusammenhängen, war stets eine dem Wohnungsbau der Wirtschaftswunderjahre wurde schon nach dem Vordiplom an der TU Berlin waltung war Auslöser für ihn, sich bei Helmut Rhode seiner Kernüberzeugungen. Auch deshalb wurde beschäftigt, wurde früh zum spezifischen Erlebnisort, Helmut Rhode. Vermittelt durch einen alten Herrn der zu bewerben. In der folgenden Zeit wurden die Hans-Günter Wawrowsky im Jahr 1997 in die Deut- wenn es darum ging, nach Büroschluss Schablo- Schule, Baurat May, war der Bezug zur Praxis damit Weichen für den Zusammenschluss zum Büro RKW sche Akademie für Städtebau und Landesplanung nen auszuprobieren oder die erste eigene Villa zu hergestellt, weit bevor das Studium in Dortmund und im Jahr 1971 gestellt. Die Entwicklung und Planung berufen. Im Jahr 2009, nach 46 Jahren Tätigkeit im entwerfen. Durch die gründliche Beschäftigung mit München (Denkmalpflege) beendet war. von Handelsimmobilien stand in seinem besonde- Büro RKW, beendete Hans-Günther Wawrowsky im der Arbeit des Architekten über alle Leistungsphasen ren Fokus, zahlreiche Auszeichnungen auf diesem Alter von 76 Jahren seine aktive Arbeit.

322 323 Bürogeschichte Preise/Auszeichnungen Wettbewerbserfolge 1. Preise 1950 GE Edison Awards 2009 EnBW City, Stuttgart BDIA Deutscher Innenarchitektur Preis 2002, Aachen, E.ON Energy Research Center RWTH Aa- Leipzig, MDR Zentrale des Mitteldeutsches Rundfunks Helmut Rhode gründet ein eigenes Architekturbüro 2. Preis Douglas Hauptverwaltung, Hagen chen Institut für Energieforschung Leipzig, Fassadengestaltung Bürohaus Sachsenseite in Düsseldorf GreenBuilding Award der Stadt Frankfurt Bergkamen, Innenstadt Centrum Warenhaus Leipzig, Museumswinkel B - Neubau eines Apart- am Main 2009 KfW Haupthaus, Frankfurt ICSC International Council of Shopping Centers Bedburdyck-Gierath, Dreifachsporthalle hotels 1971 Commendation 2001 Anger 1, Erfurt Berlin, Einkaufszentrum Kurfürstendamm-Karree Leipzig, Mendelssohnufer Architektengemeinschaft Helmut Rhode, Friedel DGNB Silber. Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Berlin, Französisches Palais Unter den Linden 40 Ludwigsburg, Marstall Einkaufszentrum Kellermann, Hans-Günter Wawrowsky Bauen 2009 Karolinen Karrée, München MIPIM Award 2001 Sevens, Düsseldorf Berlin-Lichterfelde, Dreifachsporthalle und Mensa für Marl, Einkaufszentrum»Marler Stern«die Goethe-Oberschule Mainhausen, Hauptverwaltung der Nord-West-Ring 1982 reddot design award 2009 Wettbewerb Erster Preis Bonn, Internationale Schule Schuh-Einkaufsgenossenschaft eg Fortführung als Partnerschaft mit Wojtek Grabianow- Collection Q. Carpet Tile/Teppichfliese Office 21 Award 1998 Chemnitz, Andre-Karree Kaßberg Melsungen, Kreissparkasse ski / Architekten RKW + Partner BDA Auszeicnung Guter Bauten 1999 Cottbus, Multifunktionales Zentrum»Lausitzer Hof«Mönchengladbach/Rheydt, Stadtgestaltung Green Building Award Architekturpreis für Nachhal- DB-Cargo, Duisburg Danzig (Polen), PGE Arena für die Fußball-EM 2012 Mönchengladbach, Berufsbildungsstätte der Kreis- 1986 tigkeit 2008 KfW Haupthaus, Frankfurt Dormagen, Verwaltungs- und Betriebsgebäude handwerkerschaft»bescheidenheit ist nicht Armseligkeit, sondern Größe.«Helmut Rhode (1915 1995) Aufnahme von Dieter Schmoll als Partner / Architekten RKW + Partner Innovationspreis Architektur und Bauwesen 2007 Haus der Ärzteschaft, Düsseldorf, 1. Bauabschnitt Auszeichnung»Vorbildliche Gewerbebauten«im Nordrhein Westfalen 1997 evd energieversorgung, Dormagen der GWF Düsseldorf, ARAG Hauptverwaltung Düsseldorf, Innenarchitektur Bürogebäude Fresh- Mülheim, Ruhrbania»Ruhrpromenade Stadt ans Wasser«Münster, Zentrale der GAD 1991 fields & Partner Münster, Wohn- und Geschäftsviertel Stubengasse Aufnahme von Johannes Ringel als Partner / Archi- Architekturpreis der Stadt Leipzig zur Förderung der ICSC European Shopping Center Award 1996 Düsseldorf-Benrath, Fußgängerzone Münster, Neubau NRW.Bank tekten RKW + Partner Baukultur 2007 Konsum Coppistraße, Leipzig Rathaus Galerie, Wuppertal Düsseldorf-Benrath, Gemeinschafts-Hauptschule Neunburg vorm Wald, Stadthalle Neunburg vorm Düsseldorf, Horten Hauptverwaltung Wald 1995 ICSC International Council of Shopping Centers Special MIPIM Jury Award 1996 Düsseldorf, Innenarchitektur GAP 15 Neue Mitte Garbsen, Städtebaulicher Workshop Helmut Rhode verstirbt Award 2006 Schlösse Galerie, Pforzheim Erster Preis Refurbished Office Building Düsseldorf, VDI Verein Deutscher Ingenieure Neuss-Hammfeld, Multifunktionales Bürozentrum Specks Hof, Leipzig Düsseldorf, Kavallierstraße Regierungsviertel Europadamm 1998 Contractworld Award 2006 Düsseldorf, Wohnbebauung Hans-Blocker-Straße Neuss, Amtsgericht Änderung der Rechtsform. Umwandlung in eine Bürogebäude Freshfield & Partner, Düsseldorf ICSC International and European Design and Deve- Düsseldorf, Eissporthalle Neuss, Teilrenovierung Dienstgebäude AG Neuss GmbH + Co. KG lopment Award 1990 Erfurt, Angereck Oberhausen, Neue Mitte Auszeichnung guter Bauten des BDA Düsseldorf Nordwest-Zentrum, Frankfurt a. M. Essen, Verwaltungsgebäude Ruhrallee Oldenburg, Neubau LzO Zentrale der Landesspar- 2000 2006 Essen, Hochhaus am Berliner Platz kasse Oldenburg Weitere Gesellschafter: Lars Klatte, Matthias Pfeifer, Haus der Ärzteschaft, Düsseldorf, 2. Bauabschnitt Auszeichnung»Vorbildliches Bauwerk im Land Frankfurt a. M., Deutsche Börse Plettemberg, Fußgängerzone Barbara Possinke Nordrhein-Westfalen«1989 Frankfurt a. M., Innenarchitektur KfW Haupthaus Plettenberg, Kirchplatz Bauherrenpreis 2000 2006. Gasgesellschaft Aggertal, Gummersbach Gummersbach, Ausbildungszentrum und Verwal- Ratingen, Polygon City 2009 Landeswettbewerb des Wirtschaftsministeriums und tungsgebäude Steinmüller Rheine, Alte Post Hans-Günter Wawrowsky scheidet als Geschäftsfüh- der Architektenkammer Baden-Württenberg Goldene Plakette des Bundesbauministers: Gummersbach, Stadtmittelpunkt Rathaus und Shanghai (China), Zhenru Vice Center, render Gesellschafter aus Waldach Passage, Nagold»Bundeswettbewerb Industrie und Handwerk im Marktplatz Stolberg, Einkaufszentrum Städtebau«, 1984 Carsch-Haus Horten, Düsseldorf Hagen, Douglas Innenarchitektur Hauptverwaltung Stuttgart, debitel Hauptverwaltung 2010 Bahnhof des Jahres, ausgezeichnet durch die»alli- Halle, Leipziger Turm Wien (Österreich), Outlet-Center»Villagio Toscano«RKW Architektur + Städtebau wird 60 anzpro Schiene«2005 Hauptbahnhof Mannheim Walter-Hesselbach-Preis 1983 Hamburg, Entwicklung des Spiegel-Grundstücks Wiesbaden, I-Verwaltungsgebäude BDA Preis des Saarlandes 1983 Hamm-Lippstadt, Neubau der Hochschule Wiesbaden, II-Hotel und Autohaus Office of the Year 2004. Fédération européenne du Galerie Kleiner Markt, Saarlouis Hanau, Wettbewerblicher Dialog Innenstadt Wiesbaden, Wohnbebauung SV-Areal Wiesbaden- mobilier de bureau Hannover-Roderbruch, E-Center Dotzheim Haus der Ärzteschaft, Düsseldorf, 1. Bauabschnitt BDA Preis 1964 Hochhaus Reining, Düsseldorf Hochdahl, Stadtzentrum Würzburg, Flagshipstore s.oliver Kairo (Ägypten), S.I.C.C. El Shorouk International Traffic Design Award 2003 Bahnhof Oberstdorf Commercial Center Köln, DKV Auszeichnung guter Bauten des BDA Düsseldorf Leipzig, Barthels-Hof 2003 Leipzig, Karstadt Haus der Ärzteschaft, Düsseldorf, 1. Bauabschnitt Leipzig Groß-Zschocher, Wohnanlage