GVB-Politiknewsletter Kurzinformationen für politische Entscheidungsträger 30. März 2015 Sehr geehrte Leser, mit dem GVB-Politiknewsletter erhalten Sie die Positionen der bayerischen Genossenschaften zu aktuellen politischen Themen. Themen der Quartalsausgabe: 1. Kapitalmarktunion: Die Realwirtschaft braucht starke Banken. 2. Unternehmenskredite: Krediterfordernissen mittelständischer Unternehmen Rechnung tragen. 3. Immobilienfinanzierung: Langfristige Kreditkultur schützen. 4. Subsidiarität: Nationale Mitspracherechte in Europa stärker wahrnehmen. 5. Volksbanken und Raiffeisenbanken in Bayern: Erfolgreiches Geschäftsjahr 2014. 1. Kapitalmarktunion: Die Realwirtschaft braucht starke Banken. Mitte Februar hat die EU-Kommission ein Grünbuch zur Schaffung einer Europäischen Kapitalmarktunion zur Konsultation gestellt. Einen Schwerpunkt legt Brüssel darin auf eine Verbesserung des Zugangs zu Finanzierungsmitteln für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) durch Kapitalmarktinstrumente. So sollen beispielsweise die Regeln für Wertpapierprospekte vereinfacht, ein Rahmen für hochwertige Verbriefungen geschaffen sowie die Bewertung der Kreditwürdigkeit von KMU für Außenstehende erleichtert werden. Grundsätzlich ist zu begrüßen, dass sich die EU-Kommission der Mittelstandsfinanzierung zuwendet. Denn kleine und mittlere Unternehmen sind das Rückgrat der Volkswirtschaft in Bayern wie in Europa. Marktbasierte Instrumente können die Finanzierungskonzepte mancher KMU ergänzen. Die wichtigste externe Finanzierungsquelle des Mittelstands ist jedoch der Bankkredit. Knapp 300 Milliarden Euro haben Kreditinstitute den mittelständischen Unternehmen hierzulande nach Angaben der Deutschen Bundesbank bereitgestellt. Die Gründe für die Bedeutung des Bankkredits in der Mittelstandsfinanzierung sind vielfältig. 1
Viele Unternehmer scheuen die mit Kapitalmarktaktivitäten einhergehenden Transparenzpflichten. Der Anleihemarkt ist für mittelständische Betriebe meist keine Alternative, weil Emissionen mit hohen Fixkosten verbunden sind. Am Frankfurter Börsenplatz werden deshalb im Entry Standard Emissionsvolumina von mindestens 50 Millionen Euro empfohlen. Der Finanzierungsbedarf von KMU liegt jedoch weit darunter. Und nicht zuletzt wissen die Firmen zu schätzen, dass die Kreditfinanzierung auf Grundlage gewachsener Beziehungen zur Hausbank auch in Krisenzeiten funktioniert. Vor diesem Hintergrund ist eine planwirtschaftliche Vorgabe aus Brüssel, wie sich das Verhältnis der Kapitalmarkt- zur Bankfinanzierung entwickeln soll, strikt abzulehnen. Vielmehr müssen die europäischen Institutionen dafür Sorge tragen, dass die Kreditvergabekapazität von Regionalbanken nicht durch übermäßige Regulierungsanforderungen beschnitten wird. Der zuständige EU-Kommissar Jonathan Hill hat zugesagt, die bestehenden Finanzmarktregeln dahingehend zu überprüfen, ob sie die Balance zwischen Risikomanagement und Wachstumsförderung halten. Dies ist ein erster Schritt in die richtige Richtung weitere müssen folgen. 2. Unternehmenskredite: Krediterfordernissen mittelständischer Unternehmen Rechnung tragen. Seit Anfang 2014 gelten für die Banken mit der überarbeiteten Kapitaladäquanzrichtlinie (CRD IV) und der dazugehörigen Verordnung (CRR) die beiden wichtigsten Regelwerke zur europäischen Umsetzung von Basel III. Das Gesetzespaket sieht unter anderem eine schrittweise Verschärfung der Eigenkapitalanforderungen an Kreditinstitute vor. Aktuell beschäftigt sich die EU-Kommission intensiv mit seinen Auswirkungen auf die Finanzierung des Mittelstands. Der zuständige EU-Kommissar Jonathan Hill hat deshalb für Sommer 2015 ein Konsultationsverfahren zum Einfluss der CRR auf die Vergabe von Krediten an kleine und mittlere Unternehmen (KMU) angekündigt. Hierbei wird auch der KMU-Korrekturfaktor im Fokus stehen. Dieser wurde in den Gesetzestext der CRR eingefügt, um den Krediterfordernissen mittelständischer Betriebe Rechnung zu tragen. Er gleicht die in Basel III vorgesehene pauschale Erhöhung der Kapitalanforderungen an Banken für Kredite an kleine und mittlere Unternehmen wieder aus. Der Korrekturfaktor steht jedoch unter einem Prüfungsvorbehalt. Derzeit arbeitet die Europäische Bankenaufsicht EBA an einer Analyse zu Konditionen und Risikogehalt von KMU-Krediten. Es zeichnet sich ab, dass die EBA zu einer Streichung des Korrekturfaktors tendiert und dies der EU-Kommission empfehlen wird. Eine Streichung hätte weitreichende Folgen für mittelständische Unternehmen in Deutschland. Denn die Eigenkapitalanforderungen für Kredite an KMU würden schlagartig steigen, was eine erhebliche Verteuerung und Verknappung dieser Kredite zur Folge hätte. Die EU-Kommission darf das Rad deshalb nicht zurückdrehen. Der Korrekturfaktor wurde von den EU-Gesetzgebern eingeführt, um eine Einschränkung der Kreditvergabe an KMU zu verhindern. Zu Recht hält eine große Mehrheit der Europaabgeordneten deshalb weiterhin 2
daran fest. Auch Vertreter bayerischer und deutscher Mittelstandsverbände sprechen sich unisono für den Erhalt des KMU-Korrekturfaktors aus. Zudem liefert eine Studie der Deutschen Bundesbank gute Anhaltspunkte dafür, dass der Korrekturfaktor in Deutschland unter Risikogesichtspunkten gerechtfertigt und die Eigenkapitalanforderungen an KMU-Kredite somit angemessen sind. Zu deren Untermauerung unterstützt der Genossenschaftsverband Bayern die Bundesbank bei der Fortsetzung ihrer Studie mit neuem Datenmaterial. Um ein umfangreiches Risikobild der Mittelstandsfinanzierung in Europa zu schaffen, muss jedoch auch in anderen EU- Mitgliedsstaaten der Risikogehalt von KMU-Krediten anhand dieser Methodik untersucht werden. Sollten die dann vorliegenden Länderergebnisse stark voneinander abweichen, müsste der EU-Regulierungsrahmen so angepasst werden, dass er länderspezifische Regelungen auf nationaler Ebene erlaubt. Eine pauschale Streichung des KMU- Korrekturfaktors muss aber im Interesse des deutschen Mittelstands verhindert werden. 3. Immobilienfinanzierung: Langfristige Kreditkultur schützen. Ende 2014 hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) einen Referentenentwurf zur Umsetzung der EU-Wohnimmobilienkreditrichtlinie zur Konsultation gestellt. Die EU-Richtlinie soll den Verbraucherschutz bei der Finanzierung von Wohnraum verbessern. Sie muss bis März 2016 in nationales Recht umgesetzt werden. Bislang steht Kreditinstituten eine angemessene Entschädigung für entgangene Zinseinnahmen zu, wenn Kunden ein Darlehen während einer vertraglich vereinbarten Festzinsperiode vorzeitig zurückzahlen. Die EU-Richtlinie wie der vorliegende Referentenentwurf erkennen diese bewährte Praxis an. Demnach können Kreditinstitute auch in Zukunft für den Fall einer vorzeitigen Darlehenskündigung mit ihren Kunden eine Vorfälligkeitsentschädigung vereinbaren. Allerdings will das BMJV im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zusätzliche Regelungen zur Berechnung oder Begrenzung der Vorfälligkeitsentschädigung prüfen. Solche Regelungen wären jedoch nicht sachgerecht. Eine Mehrheit der Verbraucher entscheidet sich hierzulande seit Jahrzehnten für eine Immobilienfinanzierung mit langfristiger Zinsbindung. Diese Kreditkultur trägt zur Stabilität der Immobilienmärkte bei. Sie hat sich insbesondere in der Finanzkrise bewährt. Eine Beschränkung der Vorfälligkeitsentschädigung sei es durch Obergrenzen oder gesetzlich vorgeschriebene Berechnungsmethoden würde jedoch die bewährte Langfristkultur in der Immobilienfinanzierung gefährden. Denn Banken müssten das Risiko vorzeitiger Tilgungen von Immobilienkrediten in ihrer Gesamtkalkulation berücksichtigen. Somit würden sich Festzinskredite für alle Kunden verteuern. Betroffen wären also auch die Bankkunden, die ihre Darlehen nicht vorzeitig kündigen, sondern vereinbarungsgemäß bis zum Ende der Laufzeit bedienen. Deshalb sollte der Gesetzgeber nicht über die europarechtlichen Vorgaben hinausgehen. Vielmehr muss die Vorfälligkeitsentschädigung bei einer vorzeitigen Kündigung des 3
Kreditvertrags bei der Umsetzung der EU-Richtlinie in nationales Recht erhalten werden. Weitergehende gesetzliche Regelungen zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung sind nicht notwendig auch weil deren Parameter bereits durch einschlägige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ausreichend festgelegt sind. 4. Subsidiarität: Nationale Mitspracherechte in Europa stärker wahrnehmen. Der Grundsatz der Subsidiarität ist ein zentrales Leitmotiv der europäischen Gesetzgebung. Er ist in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union verankert. Die Bürger eines jeden Mitgliedstaats sollen ihr gesellschaftliches Zusammenleben weitestmöglich nach ihren eigenen Vorstellungen gestalten können. Die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips ist deshalb auch mehr als nur eine Schutzfunktion gegenüber unangemessenen Kompetenzausweitungen der EU-Institutionen. Vielmehr ist es eine Legimititätsgrundlage für ihr rechtliches und politisches Handeln. Ungeachtet dessen wurden in den vergangenen Jahren insbesondere im Feld der Finanzmarktregulierung zahlreiche Regeln vereinheitlicht und immer mehr Kompetenzen zentralisiert. Beispielsweise mussten die Euroländer im vergangenen Jahr Befugnisse bei der Bankenaufsicht an den Einheitlichen Aufsichtsmechanismus abtreten. Dieser ist bei der Europäischen Zentralbank angesiedelt. Im Ergebnis wird den Unterschieden in Wirtschaftsstrukturen und Finanzmärkten der einzelnen Mitgliedsstaaten nicht ausreichend Rechnung getragen. Folglich bleiben nationale Besonderheiten im europäischen Entscheidungsprozess häufig auf der Strecke, selbst wenn sie sich über lange Zeit bewährt haben. Dies untergräbt das Vertrauen in die europäische Politik, insbesondere dann, wenn subsidiär funktionierende Strukturen wie etwa das Drei- Säulen-Modell in Deutschland auf europäischer Ebene infrage gestellt werden. Abgeordnete auf allen parlamentarischen Ebenen haben das Problem erkannt. So mahnt zum Beispiel Parlamentspräsident Norbert Lammert eine stärkere Rolle des Deutschen Bundestags als Subsidiaritätsprüfer von EU-Gesetzen an. Neben einer systematischeren Nachbetrachtung der EU-Gesetzgebung wird auch eine frühzeitigere Beteiligung des Bundestags an der europäischen Debatte gefordert. Dieser Weckruf ist richtig und wichtig. Zwar sind die Einflussmöglichkeiten der nationalen Parlamente auf die EU-Gesetzgebung begrenzt. Trotzdem müssen die Entscheidungsträger in München und Berlin ihre Mitspracherechte verstärkt geltend machen, damit das Leitbild der EU in Vielfalt geeint wieder stärker zum Tragen kommt. 5. Volksbanken und Raiffeisenbanken in Bayern: Erfolgreiches Geschäftsjahr 2014. Die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken blicken auf ein zufriedenstellendes Geschäftsjahr 2014 zurück. Sie blieben auf Wachstumskurs und erzielten gleichzeitig ein ordentliches Ergebnis. Ihre Bilanzsumme konnten die Kreditgenossenschaften im Freistaat um 3,5 Prozent steigern. 4
Die Kreditvergabe wurde um 4,5 Prozent auf 83,1 Milliarden Euro ausgeweitet. Etwa die Hälfte des Kreditvolumens entfällt auf das Geschäft mit Firmenkunden. Damit stellten die Kreditgenossenschaften ihre Rolle als gefragter Finanzierungspartner der mittelständischen Unternehmen im Freistaat weiterhin unter Beweis. Als Finanzierungsbasis dienen den bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken nach wie vor die Einlagen ihrer Kunden. Im Jahr 2014 vertrauten ihnen die Sparer trotz des allgemein niedrigen Zinsniveaus 109,9 Milliarden Euro an. Das sind 3,5 Prozent mehr als im Vorjahr. In der Erfolgsrechnung der bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken für 2014 hinterließ das äußerst niedrige Zinsniveau seine Spuren. Gemessen an der Bilanzsumme war der Überschuss aus dem zinsabhängigen Geschäft rückläufig. Gleichzeitig konnten jedoch auch die Betriebskosten gesenkt werden. Dies ist in Anbetracht der kostenintensiven Umsetzung zahlreicher Regulierungsvorgaben ein erfreuliches Resultat. Unter dem Strich erwirtschafteten die Volksbanken und Raiffeisenbanken knapp 1,5 Milliarden Euro vor Steuern. Im Vorjahr waren es 1,3 Milliarden Euro. Die Erträge nutzen die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken zur weiteren Stärkung ihrer ohnehin sehr guten Kapitalpuffer. Damit verstärkten sie das Fundament für eine weiterhin funktionierende Kreditversorgung der Privathaushalte sowie der mittelständischen Wirtschaft in Bayern. Wussten Sie eigentlich, dass... neue regulatorische Anforderungen bei den bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken einen jährlichen Personalaufwand von über 33 Millionen Euro verursachen? Einer aktuellen Umfrage des GVB zufolge sind im Durchschnitt beinahe zwei Vollzeitkräfte je Institut mit der Bewältigung der Regulierung beschäftigt. die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken ungebrochen hohen Mitgliederzuspruch genießen? Im Jahr 2014 stieg ihre Mitgliederzahl um über 50.000 auf rund 2,6 Millionen. Über alle Branchen hinweg sind nun 2,9 Millionen Menschen im Freistaat Mitglied einer Genossenschaft. rund 53.000 Menschen bei den bayerischen Genossenschaften beschäftigt sind? Davon sind über 35.000 Mitarbeiter einer Kreditgenossenschaft. Rund 18.000 Menschen arbeiten bei Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften und leisten ihren Beitrag zur regionalen Wertschöpfung. Verantwortlich: Dr. Jürgen Gros Vorstandsstab und Kommunikation Telefon: (089) 28 68 34 02 Genossenschaftsverband Bayern e.v. Telefax: (089) 28 68 34 05 Türkenstraße 22-24, 80333 München E-Mail: jgros@gv-bayern.de Briefadresse: 80327 München Internet: www.gv-bayern.de 5