Urbane Leidenschaften: Von Stadtfeindschaft und Stadtliebe in urbanistischen Gründungstexten

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Urbane Leidenschaften: Von Stadtfeindschaft und Stadtliebe in urbanistischen Gründungstexten Nikolai Roskamm Lehrprobe im Rahmen des Habilitationsverfahrens, TU Berlin, 11.2.2014

Der Mensch hat neben dem Trieb der Fortpflanzung und dem, zu essen und zu trinken, zwei Leidenschaften: Krach zu machen und nicht zuzuhören. Kurt Tucholsky 1931

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Motivation Motiv LEIDENSCHAFT

Wissenschaftliches Arbeiten

Interesse wecken

Stadtforschung Stadtplanung Wissenschaftstheorie

Stadtforschung Stadtplanung Wissenschaftstheorie

Stadtforschung Stadtplanung Blick zurück Wissenschaftstheorie

Gründungstexte?

Wir [ ] betrachten die gewachsenen europäischen Städte jeder Größe als ein wertvolles und unersetzbares Wirtschafts-, Sozial- und Kulturgut. Gründungstexte? Leipzig Charta, 2007

Unsere Städte verfügen über einzigartige kulturelle und bauliche Qualitäten, große soziale Integrationskräfte und außergewöhnliche ökonomische Entwicklungschancen. Sie sind Wissenszentren und Quellen für Wachstum und Innovation. Gründungstexte? Leipzig Charta, 2007

KLEINGRUPPEN Gründung? Wann wurde Stadtplanung gegründet? diskutieren, begründet beantworten (5 min./5 min.)

ca. 5.000 Jahre v. Chr. Griechische Antike 1789 Mitte 19. Jahrhundert Ende 19. Jahrhundert Immer

ca. 5.000 Jahre v. Chr. Griechische Antike 1789 Mitte 19. Jahrhundert Ende 19. Jahrhundert Immer

ca. 5.000 Jahre v. Chr. Griechische Antike 1789 Mitte 19. Jahrhundert Ende 19. Jahrhundert Immer

ca. 5.000 Jahre v. Chr. Griechische Antike 1789 Mitte 19. Jahrhundert Ende 19. Jahrhundert Immer

ca. 5.000 Jahre v. Chr. Griechische Antike 1789 Mitte 19. Jahrhundert Ende 19. Jahrhundert Immer

ca. 5.000 Jahre v. Chr. Griechische Antike 1789 Mitte 19. Jahrhundert Ende 19. Jahrhundert Immer

INPUT Urbane Leidenschaften

So eine Stadt [ ] ist doch ein Ding. Ich kenne nichts Imposanteres als den Anblick, den die Themse darbietet, wenn man von der See nach London-Bridge hinauffährt. schon das Straßengewühl hat etwas widerliches. Friedrich Engels 1845, 29

Die großen Städte haben die Krankheit des sozialen Körpers, die auf dem Lande in chronischer Form auftritt, in eine akute verwandelt, und dadurch das eigentliche Wesen derselben und zugleich die rechte Art, sie zu heilen, an den Tag gebracht. Friedrich Engels, 1845: 120

Die großen Städte haben die Krankheit des sozialen Körpers, die auf dem Lande in chronischer Form auftritt, in eine akute verwandelt, und dadurch das eigentliche Wesen derselben und zugleich die rechte Art, sie zu heilen, an den Tag gebracht. Friedrich Engels, 1845: 120

großen Städte und [ ] ihre Wohndichtigkeit führen nach dem natürlichen Gefühl, nach ärztlicher Erfahrung und auch nach den statistischen Belegen über Krankheit und Sterblichkeit zu großen und weit ausgebreiteten Gefahren wie Tuberkulose und verminderter Wehrfähigkeit in der städtischen Bevölkerung. Reinhard Baumeister 1911: 6

großen Städte und [ ] ihre Wohndichtigkeit führen nach dem natürlichen Gefühl, nach ärztlicher Erfahrung und auch nach den statistischen Belegen über Krankheit und Sterblichkeit zu großen und weit ausgebreiteten Gefahren wie Tuberkulose und verminderter Wehrfähigkeit in der städtischen Bevölkerung. Reinhard Baumeister 1911: 6

fruchtlose entartete Gebilde, unserer Eigenliebe, unseres Zeitalters nicht würdig. Das Zentrum der Städte ist tödlich erkrankt, ihre Umfriedung wie vom Ungeziefer zerfressen. Le Corbusier,1929: VII; 83

fruchtlose entartete Gebilde, unserer Eigenliebe, unseres Zeitalters nicht würdig. Das Zentrum der Städte ist tödlich erkrankt, ihre Umfriedung wie vom Ungeziefer zerfressen. Le Corbusier,1929: VII; 83

Ich denke also ganz kühl daran, dass man auf die Lösung verfallen muß, das Zentrum der Großstädte niederzureißen und wieder aufzubauen, dass man ebenfalls den schmierigen Gürtel der Vorstädte niederreißen, diese weiter hinausverlegen und an ihre Stelle nach und nach eine freie Schutzzone setzen muß. Le Corbusier, 1929: 7

in den Großstädten haben sich sozial und politisch unerträgliche Zustände gebildet, die Städte bieten Unterschlupf für asoziale Elemente, Prostitution und Verbrecherwelt, [ ] der Stadtkörper ist krank und muß gesundet werden. Johannes Göderitz, 1938: 329

in den Großstädten haben sich sozial und politisch unerträgliche Zustände gebildet, die Städte bieten Unterschlupf für asoziale Elemente, Prostitution und Verbrecherwelt, [ ] der Stadtkörper ist krank und muß gesundet werden. Johannes Göderitz, 1938: 329

Je mehr die lebensstarke Landbevölkerung gegenüber der Bevölkerung der Großstädte zurück tritt, die ihre Volkszahl nicht aus eigener Kraft erhalten können, um so stärker muss sich der ungünstige Bevölkerungsaufbau dieser immer zahlreicher werdenden Großstädte in der Vergreisung des gesamten Volkes auswirken. Göderitz/Rainer/Hoffmann, 1957: 9

um ehrlich zu sein: ich liebe dicht bebaute Städte Jane Jacobs, 1961: 22; 218

INPUT Urbane Leidenschaften Zwischenfazit

Stadtfeindschaft? Stadtliebe?

Stadtfeindschaft? Stadtliebe? Leipzig Charta 2007

Leipzig Charta 2007

Leipzig Charta 2007

Leipzig Charta 2007

1) Urbanismus gründet auf der urbanen Leidenschaft der `Stadtfeindschaft INPUT Urbane Leidenschaften Zwischenfazit 2) Die historischen urbanen Leidenschaften sind in den heutigen Institutionen weiter vorhanden

DEBATTE Urbane Leidenschaften heute

DEBATTE Urbane Leidenschaften heute Was sind Ihre `urbanen Leidenschaften? Stuhlkreis (20 min.)

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ABSCHLIESSEN Urbane Leidenschaften: Von Stadtfeindschaft und Stadtliebe in urbanistischen Gründungstexten Gründungstexte Stadtfreundschaft, Urbane Leidenschaften Stadtfeindschaft heute

www.nikolairoskamm.de/#/vortraege n.roskamm@isr.tu-berlin.de vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit