Germanistik Daniel Krohne Gesellschaftskritische Tendenzen in J.M.R. Lenz Dramen "Der Hofmeister" und "Die Soldaten" Magisterarbeit
Gesellschaftskritische Tendenzen in J.M.R. Lenz` Dramen: Der Hofmeister/Die Soldaten Hausarbeit zur Erlangung des Grades Magister Artium der Philosophischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf von Daniel Krohne Monat/Jahr 12/2004
Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Sturm und Drang.8 2.1. Die Uneinigkeit bei der Bestimmung des Epochenbegriffs des Sturm und Drang 8 2.2. Ideale des Sturm und Drang.....11 2.3. Das Drama als bevorzugte Gattung des Sturm und Drang......16 3. Dramentheoretische Schriften...17 3.1. Die Anmerkungen übers Theater.17 3.1.1. Formulierung neuer dramentheoretischer Vorstellungen..17 3.1.2. Die Polemik gegen Aristoteles..21 3.1.3 Die Kritik am französischen Theater in den Anmerkungen übers Theater und Für Wagnern...25 3.2. Dramentheorie als Gesellschaftskritik.26 3.3. Die Umsetzung dramentheoretischer Vorstellungen in den Dramen Der Hofmeister/ Die Soldaten.27 4. Der Hofmeister oder Vorteile der Privaterziehung 31 4.1. Die Erziehungsthematik und der kritische Blick auf die Hofmeisterexistenz.31 4.1.1. Privaterziehung oder öffentliche Schule...31 4.1.2. Die Sonderrolle des Dorfschulmeisters Wenzeslaus 38 4.1.3. Der Hofmeister Läufer als Negativbeispiel..42 4.1.4. Literatur als schlechte Erziehung für das weibliche Geschlecht..50 4.2. Der Zufall als bestimmendes Prinzip im Hofmeister und das versöhnende Ende des Dramas 52 2
5. Die Soldaten...53 5.1. Eine Hure wird immer eine Hure. Über die Schädlichkeit der Komödie..53 5.2. Die Soldaten als autonome Kaste innerhalb der Gesellschaft..58 5.3. Maries sozialer Abstieg und die Zerstörung der bürgerlichen Existenz...61 5.4. Eine Pflanzenschule von Soldatenweibern. Gesellschaftsutopie oder Lösungsvorschlag...67 6. Fazit....68 7. Literaturverzeichnis....70 3
1.Einleitung Nur ein vorübergehender Meteor. Der zog nur augenblicklich über den Horizont der deutschen Literatur hin und verschwand plötzlich, ohne im Leben eine Spur zurückzulassen. 1 Diese vernichtende Kritik über Jakob Michael Reinhold Lenz schreibt Johann Wolfgang Goethe 1816 in seiner Schrift Dichtung und Wahrheit nieder, obwohl sein ehemaliger Freund aus Straßburger Zeiten zu diesem Zeitpunkt bereits seit mehr als einem Jahrzehnt tot ist. Der Streit in Weimar zwischen Lenz und ihm scheint eine tiefe Wunde hinterlassen zu haben, und [e]ine große Wahrheit muß Lenz Goethe gesagt haben, wie sonst könnte Goethe so getroffen sein. 2 Der Bruch mit Goethe trifft Lenz allerdings nicht weniger hart und ist sicherlich zum großen Teil mit dafür verantwortlich, daß sein Leben von diesem Zeitpunkt an mehr und mehr aus den Fugen gerät, obwohl ihn dieses einschneidende Erlebnis nicht völlig unvorbereitet trifft. Ich aber werde dunkel sein [u]nd gehe meinen Weg allein 3, schreibt Lenz noch einen Monat bevor er nach Weimar zurückkehrt, um dort schließlich auf Anraten Goethes, vom Hofe verwiesen zu werden. Seine düsteren Vorahnungen haben sich mit seiner Verbannung aus Weimar bestätigt, durch die ihm die letzte Möglichkeit genommen wird, in der Gesellschaft Fuß zu fassen und ein geregeltes Leben zu führen. Genauso wie Lenz mit seinen Vorahnungen Recht behält, so soll auch Goethe mit seiner verfaßten Kritik für lange Zeit Recht behalten. Goethes Urteil beeinflußt die Rezeption von Lenz` Werken über viele Jahrzehnte, und [d]amit war Lenz bis ins 20. Jahrhundert als Dichter erledigt erst Brecht hat ihn als sehr modernen Dramatiker, als Vorläufer seines epischen Theaters neu entdeckt. 4 Lenz` umfangreiche literarische Hinterlassenschaft gerät nach seinem Tod sowohl bei seinen Zeitgenossen als auch bei der Nachwelt für lange Zeit in Vergessenheit. Erst seit wenigen Jahrzehnten erkennt die Literaturforschung die Bedeutung seiner Werke an und beschäftigt sich mit seinem Lebenswerk, welches sich über Dramen, Lyrik, Prosa, Briefen bis hin zu zahlreichen theoretischen Schriften erstreckt. Heutzutage 1 Tilman, Jens: Goethe und seine Opfer: eine Schmähschrift/Tilman Jens. - 1. Aufl. Düsseldorf: Patmos - Verl., 1999, S. 32 (künftig zitiert als Tilman 1999) 2 Damm Sigrid: Vögel, die verkünden Land. 1. Aufl., Insel Verlag Frankfurt am Main und Leipzig 1989, S. 273 (künftig zitiert als Damm 1989) 3 Damm 1989, S. 279 4 Tilman 1999, S. 32 4
gilt er als einer der entscheidenden Begründer des sozialen Dramas und als einer der wichtigsten Vertreter des Sturm und Drang. Da Jakob Michael Reinhold Lenz erfolgreichste Schaffensphase in die Epoche des Sturm und Drang fällt, soll in der folgenden Analyse kurz auf diese Literaturepoche eingegangen werden. Dabei wird der Versuch einer knappen Zusammenfassung der Epoche des Sturm und Drang unternommen, wobei hier eine ausführliche Betrachtung dieser Epoche den Rahmen der Arbeit sprengen würde. Deshalb soll nur ein kurzer Abriß dieser Zeit gegeben werden, um die für die Hauptanalyse relevanten Punkte herauszuarbeiten. Die historische oder epochale Einordnung von Lenz` Werken ist von Bedeutung, damit die gesellschaftskritischen Tendenzen in seinen Dramen auch vor dem passenden sozialen und historischen Hintergrund gedeutet und betrachtet werden können. Diese Tatsache gilt sowohl für die Erziehungsthematik in dem Drama Der Hofmeister oder die Vorteile der Privaterziehung als auch für die Interpretation des Soldatenstandes bzw. der Ständegesellschaft insgesamt in dem Drama Die Soldaten. Zunächst einmal soll aber auf die Problematik der Epochenbestimmung im Allgemeinen eingegangen werden, also die Frage erläutert werden, welcher Epoche diese literarische Strömung zugeordnet werden kann. Hierbei wird eine zeitliche Eingrenzung der Hauptschaffensphase genannt und eine Beziehung zur Aufklärung und zur Klassik hergestellt. Im Anschluß daran werden die Ideale dieser Bewegung kurz angeführt, um einen Zusammenhang zwischen ihnen und Jakob Michael Reinhold Lenz` Werken herstellen zu können. Abschließend zu diesem Thema soll kurz auf die bevorzugte literarische Gattung im Sturm und Drang, nämlich auf das Drama, eingegangen werden, da sich die Analyse vorwiegend mit den zwei Dramen Der Hofmeister oder Vorteile der Privaterziehung und Die Soldaten von Jakob Michael Reinhold Lenz beschäftigt. Anschließend geht die Analyse auf Lenz` dramentheoretische Schriften, vor allen Dingen auf die Anmerkungen übers Theater, ein. Dabei soll als Erstes Lenz` Absicht der Formulierung neuer dramentheoretischer Vorstellungen in den Vordergrund gestellt werden. Wo liegen die Besonderheiten bei der Darbietung der Anmerkungen übers Theater? Welche Bedeutung hat das Theater für Lenz, und wie möchte er es selbst in der Praxis gestalten? Welche Ideen 5