Migration, Flucht und Bildung

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Transkript:

Universität Bremen, Institut für Politikwissenschaft, 28334 Bremen Institut für Politikwissenschaft PD Dr. phil. habil. Stefan Luft Privatdozent Sportturm, Raum C 1320 Bad Gasteiner Straße 1 28359 Bremen Telefon (0421) 218 67040 Mobil: 0160/ 95 16 16 05 email sluft@uni-bremen.de http://www.stefanluft.uni-bremen.de/ Datum: 13. 12. 2016 Stellungnahme für die Anhörung der Enquete-Kommission des Hessischen Landtages Kein Kind zurücklassen Rahmenbedingungen, Chancen und Zukunft schulischer Bildung in Hessen am 25.11.2016 Migration, Flucht und Bildung Grundsätzliches Der innere Frieden und die politische Stabilität der europäischen Staaten und der Europäischen Union setzen voraus, dass sich der unkontrollierte Massenzustrom von Fluchtmigranten wie er im Jahr 2015 stattgefunden hat, auf absehbare Zeit nicht wiederholt. Potentielle Zielländer können nicht Kapazitäten in den verschiedenen Funktionssystemen vorhalten, falls es doch wieder zu Zugängen in der Größenordnung der zurückliegenden zwei Jahre kommen sollte. Im Übrigen sind die Migrationsbewegungen der zurückliegenden Jahrzehnte hinsichtlich Größenordnung, Sozial- und Qualifikationsstruktur der Migranten äußerst unterschiedlich gewesen, sodass für die Aufnahmegesellschaft auch unterschiedliche organisatorische und institutionelle Konsequenzen zu ziehen waren. Strukturell weisen Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund in Deutschland ein wesentlich schlechteres Bildungsniveau auf als Einheimische. Sie sind überrepräsentiert

Seite 2 von 6 an Haupt- und Gesamtschulen und stark unterrepräsentiert an Gymnasien. Sie verfehlen wesentlich häufiger einen Schulabschluss, sie sind an Hauptschulen und Gesamtschulen stark überrepräsentiert, ihr Risiko, sitzen zu bleiben, ist höher, die Chancen, höhere Abschlüsse zu erhalten, sind geringer. Die Suche nach einem Ausbildungsplatz ist seltener erfolgreich, die Ausbildung wird öfter abgebrochen, der Übergang ins Erwerbsleben misslingt häufiger. Diese Muster erwiesen sich in den vergangenen Jahrzehnten als relativ stabil, insgesamt hat allerdings in den zurückliegenden Jahren die Bildungsungleichheit eher abgenommen. Bildungspolitische Veränderungen im Schulsystem (wie mehr Ganztagsschulen) können hier ebenso als Gründe gelten wie Veränderungen in der Zusammensetzung der Bevölkerung mit Migrationshintergrund (geringerer Anteil der ersten Generation, Bildungs- und Sozialstatus der Eltern). Dabei gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Gruppen. Die Bildungsanstrengungen für Flüchtlinge sind eine besondere Herausforderung. Ich halte es aber nicht für wahrscheinlich, dass ausgerechnet sie einen Einfluss auf den unabhängig davon vorhandenen starken Zusammenhang von sozialer Herkunft und Bildungserfolg in Deutschland haben werden. Rechtlich spielt die Bleibeperspektive für den Zugang zu frühkindlichen Bildungsangeboten keine ausschlaggebende Rolle. 1 Kinder mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland haben zwischen dem ersten Lebensjahr und dem Schuleintritt einen Rechtsanspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung oder in einer Kindertagesstätte. 2 Hürden für den Zugang zu frühkindlicher Bildung, Betreuung und Erziehung (FBBE) sind mangelnde Platzkapazitäten, Fristen zur Voranmeldung und unzureichende Kenntnis des Angebots und der Rechtslage. 3 Rund 30 Prozent der Asyl- und Schutzsuchenden, die im Jahr 2015 und von Januar bis April 2016 Anträge stellten, sind jünger als 18 Jahre und rund 25 Prozent sind zwischen 1 Autorengruppe Bildungsberichterstattung (Hrsg.): Bildung in Deutschland. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu Bildung und Migration, Bielefeld 2016, S.195. 2 11. Bericht der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration: Teilhabe, Chancengleichheit und Rechtsentwicklung in der Einwanderungsgesellschaft Deutschland, Berlin 2016, S. 92. 3 Ebd., S. 93 f.

Seite 3 von 6 18 und 25 Jahren alt. Für die Integration der Mehrheit von ihnen wird die vorschulische, schulische und berufliche Bildung eine zentrale Rolle spielen. 4 Das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung hat eine Typisierung der Flüchtlingsgruppen nach Bildungsstand vorgenommen: Demnach gibt es eine kleine Gruppe mit abgeschlossener Berufs- und Hochschulbildung, einen hohen Anteil von Flüchtlingen mit höherer Schulbildung, ein hohen Anteil mit niedriger Schulbildung, einen geringen Anteil mit mittlerer Schulbildung und ein Bildungsgefälle zwischen Männern und Frauen. Die jüngeren Flüchtlinge (zwischen 18 und 34 Jahren) sind besser qualifiziert als diejenigen in der Altersgruppe 35 Jahre und älter. 5 Etwa 15 Prozent der Flüchtlinge waren 2015 im schulpflichtigen Alter, weitere 10 Prozent im Vorschulalter und im Alter kindlicher Erziehung. Sie können in Deutschland zur Schule gehen und werden damit relativ gute Chancen haben, sich gut zu qualifizieren. Eine relativ große Gruppe hingegen ein Viertel der Flüchtlinge ab 18 Jahren hat keine Schule oder nur eine Grundschule besucht. Hinzu kommen jene, die allgemeinbildende Schulen ohne Abschluss verlassen haben. 6 Bei diesen Gruppen wird es erheblicher Anstrengungen sowohl seitens der Betroffenen als auch der Aus- und Weiterbildungseinrichtungen bedürfen. Sie müssen schulische Abschlüsse erwerben, damit sie eine Chance auf einen Ausbildungsplatz erhalten. Im Jahr 2015 sind etwa 120.000 unter 6-Jährige nach Deutschland gekommen. Mehr als ein Drittel stammt aus Staaten, die seit 2014 zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt wurden, über 40 Prozent stammen aus Syrien, Afghanistan, Iran und Irak. 7 Da noch rund 250.000 Personen, die sich in Deutschland aufhalten, keinen Asylantrag stellen konnten, handelt es sich bei den Zahlenangaben um Größenordnungen. Über die Hälfte der Asylantragsteller des Jahres 2015 waren zwischen 16 und 35 Jahren alt, der größte Teil zwischen 16 und 30 Jahren. Die Personengruppe, die damit für Ausbildung in Frage kommt, umfasst eine Größenordnung von zwischen 400.000 bis 500.000 Personen. Der größte Teil wird Plätze im Berufsausbildungssystem benötigen, für einen kleineren Teil werden Studienplätze benötigt. Diejenigen, die noch schulpflichtig 4 Autorengruppe Bildungsberichterstattung (Hrsg.): Bildung in Deutschland. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu Bildung und Migration, Bielefeld 2016, S.192 ff. 5 Brücker, Herbert: Typisierung von Flüchtlingsgruppen nach Alter und Bildungsstand. IAB Aktuelle Berichte 6/2016, S. 4f. 6 Ebd., S. 6. 7 Autorengruppe Bildungsberichterstattung (Hrsg.): Bildung in Deutschland. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu Bildung und Migration, Bielefeld 2016, S.195.

Seite 4 von 6 sind, benötigen Berufsvorbereitung mit Sprachförderung und Integrationskursen. Diese neuartige Aufgabe erfordert Zeit, spezifische Kompetenzen des Personals und eine intensive Betreuung und Koordination. 8 Für diejenigen, die nicht mehr schulpflichtig sind, werden neben Sprachkursen und Kursen zur kulturellen Integration Maßnahmen einer vollqualifizierenden Ausbildung erforderlich sein. Das Angebot an Ausbildungsplätzen geht seit Jahren zurück, immer weniger Betriebe bilden aus. Im Jahr 2014 wurde der niedrigste Stand seit der Wiedervereinigung verzeichnet. Vor diesem Hintergrund müssen Alternativen im Sinne von über-und außerbetriebliche Ausbildung gefunden werden. 9 Zu Hessen liegen mir keine Daten vor. Bildungsinhalte. Sprachförderung: Das Erlernen der deutschen Sprache ist die zentrale Voraussetzung für die Integration, vor allem für die erfolgreiche Eingliederung in Bildungssystem und Arbeitsmarkt. Sprachförderung ist dabei eine wichtige Säule. Mindestens ebenso wichtig ist allerdings das Vorhandensein von Gelegenheitsstrukturen zum Sprechen der Sprache: Nur wenn Deutsch auch im Alltag gesprochen und zur Verständigung benötigt wird, entsteht die nötige Motivation, die Sprache zu erlernen. Kleinkinder erlernen Sprachen spielerisch. Sie haben auch sehr viel mehr Zeit dafür. Seiteneinsteiger, die im Herkunftsland einen Teil ihrer Sozialisation erfahren haben, sind deshalb oft benachteiligt. Je früher ein Zuwanderer mit dem Erwerb der Sprache des Aufnahmelandes beginnt, desto größer sind seine Erfolgschancen.. Ressourcen Länder und Kommunen standen angesichts des starken Zuzugs an Flüchtlingen unter großem Handlungsdruck. Sie haben sich kurzfristig mit improvisierten, niedrigschwelligen, 8 Ebd., S. 196. 9 Ebd., S. 202.

Seite 5 von 6 Angeboten der frühkindlichen Bildung beholfen. 10 In Schulen wurden Willkommensklassen, Vorbereitungs- und Förderklassen eingerichtet. Neben dem Lehrpersonal und engagierten Schülern beteiligen sich zahlreiche private Initiativen an dieser Aufgabe. 11 Für die frühkindliche Bildung müssen für die 2015 nach Deutschland gekommenen Kinder zusätzlich zwischen 44.000 und 58.000 Plätze in der Kindertagesbetreuung zur Verfügung gestellt werden. Dies geht mit einem Zusatzbedarf an 7.100 bis 9.400 Fachkräften einher. 12 Diese Personen müssen zumindest teilweise zwei- oder mehrsprachig sein um als Sprachmittler wirken zu können. In Grundschulen sind zwischen 39.000 und 52.900 Schüler mehr zu beschulen, im Sekundarbereich I zwischen 50.500 und 67.300 Schüler. Für die Grundschulen wird der Bedarf an zusätzlichen Lehrkräften auf zwischen 4.200 und 5.600, der Bedarf an Sozialarbeitern auf zwischen 260 und 350 geschätzt. Für den Sekundarbereich I werden zwischen 6.300 und 8.400 Lehrkräfte sowie zwischen 340 und 450 Sozialarbeiter zusätzlich benötigt. 13 Vor allem auf die berufliche Bildung kommen sehr große Herausforderungen zu. Für die Ausbildungsvorbereitung von zwischen 66.000 bis 88.000 Jugendlichen sind zusätzliche Personalstellen zwischen 9.000 und knapp 12.000 erforderlich. 14 Für das duale und das Schulberufssystem zusammen wird ein Personalbedarf von rund 5.700 bis 7.600 berechnet. Weitere Akteure.. Unrealistische Erwartungen sind bezogen auf den Arbeitsmarkt auch vonseiten der Arbeitgeber gefördert worden. Die 30 größten Unternehmen im Deutschen Aktienindex haben allerdings im Juni 2016 gerade einmal 54 Flüchtlinge beschäftigt (davon 50 bei der Deutschen Post) und 500 Praktikumsplätze besetzt. 15 Bis 2018 sollen rund 10.000 10 11. Bericht der Beauftragten: Teilhabe, Chancengleichheit, S. 93f.; http://www.fruehechancen.de/themen/integration/ (Zugriff: 8.12.2016). 11 11. Bericht der Beauftragten: Teilhabe, Chancengleichheit, S. 99 ff. 12 Autorengruppe Bildungsberichterstattung (Hrsg.): Bildung in Deutschland, S. 200. 13 Ebd. 14 Ebd., S. 201. 15 Dax-Konzerne stellen nur 54 Flüchtlinge ein, in FAZ vom 4.7.2016.

Seite 6 von 6 Flüchtlinge eine Ausbildung absolvieren dem stehen rund 400.000 potentielle Kandidaten gegenüber. 16 16 Integration der Flüchtlinge schwieriger als erwartet, in: FAZ vom 14.11.2016.