Die Rentenkampagne von ver.di und des DGB Warum es so wichtig ist, sich für einen Kurswechsel in der Alterssicherungspolitik zu engagieren Kiel, 29. November 2016 Quelle: SoVD Hannelore Buls November 2016 / Folie 1
Die Gesellschaft wird reicher und reicher, aber sie scheint ärmer zu werden. Deswegen schlage ich vor, das Thema Altersarmut zum Gegenstand einer langfristig angelegten Kampagne zu machen so, wie wir das beim gesetzlichen Mindestlohn schon einmal getan haben. aus: Grundsatzrede Frank Bsirske beim 4. BuKo am 23.9.15 Quelle: SoVD November 2016 / Folie 2
Wir leben immer länger in Rente und sollten uns dafür interessieren, wovon wir dann leben Durchschnittliche Bezugsdauer bei Versichertenrenten (Alters- und EM-Renten) in Jahren 25 23 21 19 17 15 13 11 9 7 5 15,1 13,8 17 10,6 11 9,6 22,8 20 21,5 1960 1980 2008 2013 2014 2015 18,8 Männer Frauen Quelle: Deutsche Rentenversicherung Bund, Rentenversicherung in Zeitreihen, Oktober 2015, S. 157 und aktuelle Zahlen der DRV Bund vom Juli 16 November 2016 / Folie 3
Wir haben zwei Probleme: - Die Leistungsfähigkeit der GRV: das Rentenniveau - Weitere Armutsrisiken November 2016 / Folie 4
Fünf Beispiele die zeigen, dass das Rentenniveau nicht mehr stimmt November 2016 / Folie 5
Wie funktioniert Rente? Für die Rente zählen Höhe und Dauer der eingezahlten RV-Beiträge: 18,7 % des Entgelts je hälftig ArbG/ArbN Durchschnittsentgelt 2016: 36.267 = 1 EP (Umwertung Ost: 1,1479) 1 EP (West)* = 30,45 1 EP (Ost)* = 28,66 BBG RV 2016 West: 74.400 / 6.200 ; Ost: 64.800 / 5.400 November 2016 / Folie 6 *Werte ab 1.7.2016
Max Standard: 45 Jahre immer den Durchschnittsverdienst (in 2016: 36.267 ) erzielend Beispiel 1 Seine Rente errechnet sich: Gesamt 45,00 EP arw West: 30,45 Rente brutto = 1.370 Rente Zahlbetrag* = 1.220 Wer je hälftig ArbN/ArbG den Rentenversicherungsbeitrag von 18,7% aus dem Durchschnittsverdienst bezahlt, bekommt auf dem Rentenkonto 1 Entgeltpunkt (EP) gutgeschrieben. Multipliziert man alle EP mit dem aktuellen Rentenwert (arw) von 30,45 West (1.7.16-30.6.17), erhält man die Bruttorente. * Zahlbetrag = Bruttorente abzüglich 11% Sozialversicherungsbeiträge KV und PflV vor Steuern November 2016 / Folie 7
Beispiel 2 Anna: Verkäuferin, nach ihrer Ausbildung (17-20) arbeitet sie 5 Jahre VZ (20-25); danach bekommt sie 2 Kinder und unterbricht für 10 Jahre ihre Berufstätigkeit (25-35), anschließend arbeitet sie vollzeitnah bis 65 (35-65). Ihre Rente errechnet sich: 3 Jahre Ausbildung jährl. 0,4 EP 1,25 EP 5 Jahre Vollzeit jährl. 0,75 EP 3,75 EP 2 Kinder nach 1992 geboren 6,00 EP 30 Jahre Teilzeit jährl. 0,66 EP 20,00 EP Gesamt 30,00 EP arw: 30,45 ** Rente brutto = 914 Zahlbetrag* = 813 Monatsverdienst von 3.000 = 1 EP 2.250 = 0,75 EP 2.000 = 0,66 EP 1.200 = 0,4 EP * Zahlbetrag = Bruttorente abzüglich 11% Sozialversicherungsbeiträge KV und PflV vor Steuern ** Ab 1.7.2016 November 2016 / Folie 8
Beispiel 3 Aktuelles aus der Sozialpolitik Bert und Berta: Krankenschwester und Pfleger Bert Berta 3 Jahre Ausbildung, jährl.: 0,4 EP (mtl. 1.200 ) 1,25 EP 1,25 EP 5 Jahre VZ, jährl. 0,75 EP (mtl. 2.250 ) 3,75 EP 3,75 EP 2 Kinder, eines vor, eines nach 1992 geboren (5 EP), danach 20 Jahre Minijob Vollzeit; 10 Jahre jährl. 1 EP, 15 Jahre 1,33 EP (mtl. rd. 4.000 ) 10 EP + 20 EP = 30 EP 5 EP + 5 EP = 10 EP Scheidung mit 50; Versorgungsausgleich 30 EP gibt ab 10 EP 10 EP erhält 10 EP 15 Jahre VZ, jährlich 1,3 EP 20 EP 15 Jahre TZ, jährlich 0,6 EP 10 EP Gesamt mit 65 Jahren 45 EP 35 EP Entgeltpunkte ohne Scheidung 55 EP 25 EP Zahlbetrag* 1.220 (brutto: 1.370 ) 949 (brutto: 1.066 ) * Zahlbetrag = Bruttorente abzüglich 11% Sozialversicherungsbeiträge KV und PflV vor Steuern ** Ab 1.7.2016 November 2016 / Folie 9
Cecilie: Akademikerin, Studium bis 28, anschließend Praktika (28-30), 5 Jahre Job mit rd. 4.500 mtl. (30-35), danach 1 Kind, Trennung vom Partner, keine Unterbrechung, danach 5 Jahre mit Werkvertrag ohne RV (35-40), danach alleinerziehend und vollzeitnah mtl. rd. 4.000 Entgelt (40-65). Ihre Rente errechnet sich: Studium, Praktika 0,00 EP 5 Jahre VZ jährl. 1,5 EP 7,5 EP 1 Kind nach 1992 geboren 3,00 EP 25 Jahre jährl. 1,3 EP 32,50 EP Gesamt 43,00 EP arw: 30,45 ** Rente brutto = 1.310 Zahlbetrag = 1.165 Monatsverdienst von 4.500 = 1,5 EP 3.900 = 1,3 EP * Zahlbetrag = Bruttorente abzüglich 11% Sozialversicherungsbeiträge KV und PflV vor Steuern ** Ab 1.7.2016 November 2016 / Folie 10 Beispiel 4
Beispiel 5 Dieter: 40 Jahre durchschnittlich 4.000 mtl. erzielend Seine Rente errechnet sich: Gesamt 53,00 EP arw West: 30,45 Rente brutto = 1.610 Rente Zahlbetrag* = 1.435 Wer je hälftig ArbN/ArbG den Rentenversicherungsbeitrag von 18,7% aus dem Durchschnittsverdienst bezahlt, bekommt auf dem Rentenkonto 1 Entgeltpunkt (EP) gutgeschrieben. Multipliziert man alle EP mit dem aktuellen Rentenwert (arw) von 30,45 West (1.7.16-30.6.17), erhält man die Bruttorente. * Zahlbetrag = Bruttorente abzüglich 11% Sozialversicherungsbeiträge KV und PflV vor Steuern November 2016 / Folie 11
Fazit aus den Beispielen Die Rente nach einem langen Erwerbsleben ist nicht mehr die Gegenleistung der eingezahlten Beiträge Das Leistungsniveau (= Rentenniveau) sinkt und sichert nicht mehr den Lebensstandard Wir brauchen wieder ein besseres Leistungsniveau in der gesetzlichen Rente Dazu brauchen wir einen Kurswechsel in der Rentenpolitik! November 2016 / Folie 12
Neben dem Rentenniveau gibt es Armutsrisiken, die zu Armut im Alter führen können November 2016 / Folie 13
Armutsrisiken: Teilzeit, prekäre Beschäftigung wie Minijob, aber auch Leiharbeit und Lücken November 2016 / Folie 14
Zahlbeträge (vor Steuern) der Altersrenten nach Bestand und Zugang Männer abl Männer nbl Frauen abl Frauen nbl Bestand (2015) 1.040 1.124 580 846 Zugang 2015 Ohne neue Mütterrente 1.014 973 635 861 Zugang volle EM- Rente 2015 711 Standardrente (nach 45 Beitragsjahren immer mit Durchschnittsentgelt): rd. 1.370 (brutto) (abl, Zahlen ab 1.7.2016); Quelle: Deutsche Rentenversicherung, Rentenversicherung in Zeitreihen, Oktober 2016. Was sagt ver.di? Erwerbsminderungsrenten müssen dringend aufgestockt werden. Grundsatzrede Frank Bsirske, 23.9.15 Armutsrisiken: Erwerbsminderung, Lange Zeiten der Arbeitslosigkeit (Alg II) November 2016 / Folie 15
Die Einkommenssituation im Alter hängt auch vom Güterstand ab Nettoeinkommen über 65jähriger, abl Männer 1.615 Armutsrisiko: Scheidung Geschiedene Frauen 1.150 Ledige Frauen 1.321 Witwen 1.339 Quelle: ASID 2011 November 2016 / Folie 16
Armutsrisiken sind u.a.: Teilzeit/prekäre Beschäftigung/Lücken Erwerbsminderung Zeiten der Arbeitslosigkeit/Alg II-Bezug Scheidung Sozial nicht abgesicherte Selbständigkeit November 2016 / Folie 17
Die Folge eines weiter sinkenden Rentenniveaus und Armutsrisiken ist: Immer mehr Menschen fallen in Grundsicherung November 2016 / Folie 18
1 038 000 Empfänger von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung im Dezember 2015 Pressemitteilung DeStatis, Nr. 136 vom 19.04.2016: 15 % der EM- Rentner/innen 3 % der 65 und Älteren Quelle: SoVD Von Grundsicherung im Alter betroffen: Frauen 3,2% Männer 2,7% Quelle: WSI Report 29, März 2016 November 2016 / Folie 19
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Was ist das Rentenniveau? Das Rentenniveau misst die Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung, nicht das individuelle Niveau bzw. individuelle Verhältnis von letztem Verdienst zur Rentenhöhe. Das Rentenniveau ist das prozentuale Verhältnis der Standardrente (45 Jahre immer Durchschnittsverdienst) zum Durchschnittsverdienst. Die Werte werden nach Abzug der anteiligen Sozialversicherungsbeiträge (ca. 11 %) vor Steuern angegeben und werden als Rentenniveau vor Steuern oder Sicherungsniveau vor Steuern bezeichnet. November 2016 / Folie 21
Was sagt ver.di? ein besseres Rentenniveau. Wir brauchen ein Mindestrentenniveau nicht unter 50%. Renten aus jahrzehntelang niedrigen Verdiensten müssen am Ende aufgestockt werden. Grundsatzrede Frank Bsirske, 23.9.15 Quelle: Deutsche Rentenversicherung Bund mit Ergänzungen aus dem Rentenversicherungsbericht 2016 November 2016 / Folie 22 1 Rentenniveaupunkt = 5,2-5,5 Mrd.
Wie entwickeln sich Rentenniveau und Beitragssatz? Wenn nichts passiert Niveau 2030 Beitragssatz 2030 Niveau 2045 Beitragssatz 2045 44,5 % 21,8 % 41,6 % 23,6 % Stabilisierung 48 % 23,2 (+1,4 %) Anheben 50 % ansteigend auf 24,2 (+2,4 %) 48 % 26,5-27 % (+ 3 %) 50 % 27,5-28 % (+ 4 %) Beispiel: 3 %-Punkte mehr bei einem mtl. Einkommen von 2.000 = 30 mehr für ArbN (2045) November 2016 / Folie 23
ä Aktuelles aus der Sozialpolitik Wie wirkt sich eine Änderung des Rentenniveaus aus? Beispiel: Paul/Paula erhält mtl. 2.500 und arbeitet 40 Jahre lang: Hätten wir heute bereits ein Niveau von x %, würde die Rente unter gleichen Bedingungen betragen: Rentenniveau vor Steuern Rente netto vor Steuern Beitragssatz in 2045 rd. 48 % 43 % 41,6 % 901 809 (- 92 ) 783 (- 118 ) 26,4 % 23,4 % November 2016 / Folie 24
Was macht die Politik? (1) Die Renten-Kampagne zeigt erste Erfolge: die GroKo bewegt sich 24.11.16: Der Koalitionsausschuss beschließt (nur) drei Maßnahmen: Verbesserungen bei den EM-Renten, Ost-West-Angleichung, BetriebsrentenstärkungsG. Keine Verständigung zum Rentenniveau! 25.11.16: Andrea Nahles stellt ihr Gesamtkonzept zur Alterssicherung vor November 2016 / Folie 25
Was macht die Politik? (2) Der Koalitionsausschuss beschließt: Verbesserungen bei den EM-Renten: Zurechnungszeit wird schrittweise für künftige Rentner/innen von 62 auf 65 Jahre erhöht (entspricht Erhöhung um 7%, ca. 50 ) Ost-West-Angleichung: Anhebung des aktuellen Rentenwerts von heute 94,1% in 7 Schritten ab 1.7.18; Abschmelzung der Hochwertung nachlaufend in 7 Schritten ab 1.1.18 BetriebsrentenstärkungsG: Der Referentenentwurf liegt seit November vor Keine Verständigung zum Rentenniveau! November 2016 / Folie 26
Das Gesamtkonzept des BMAS (1) Regelungen zum Rentenniveau: Stärkung der GRV durch doppelte Haltelinie für Sicherungsniveau & Beitragsmittel sowie politische Ziellinie Gesetzliche Solidarrente für Geringverdiener Verbesserungen für Erwerbsgeminderte* Angleichung der Renten Ost-West* Absicherung von Selbständigen Anhebung der Nachhaltigkeitsrücklage auf 0,4 MA Beibehaltung der Altersgrenze keine Anhebung Stärkung der betrieblichen Altersversorgung* Freibeträge in der Grundsicherung* November 2016 / Folie 27 * Verständigung für die Umsetzung
Das Gesamtkonzept Aktuelles des BMAS aus (2) der Sozialpolitik Die neue Balance Sicherungsniveau, Beitragsmittel & Bundesmittel Die doppelte Haltelinie für Sicherungsniveau und Beitragssatz sowie politische Ziellinie Geltendes Recht BMAS Vorschlag 2030 2045 2030 2045 Niveau 44,5 % 41,7 % 46 % (+ 46 )* Beitragssatz 22 %??? 22 % 25 % 46 % (+ 141 )* Politische Ziellinie: Niveau 48 % halten Demografiezuschuss des Bundes ab 2030: 1,5 % ab 2040: 2,5 % der Rentenausgaben = 4,2 Mrd. in 2030 = 7,8 Mrd. in 2045 * Bei der Bruttostandardrente November 2016 / Folie 28
Das Gesamtkonzept Aktuelles aus des der Sozialpolitik BMAS (3) Die gesetzliche Solidarrente Die eigene Rente wird durch einen Zuschlag so erhöht, dass der Rentenzahlbetrag (nach Abzug von KV- und PflV-Beiträge vor Steuern) 10 % über dem regionalen Grundsicherungsbedarf liegt. Voraussetzung: 35, ab 2023 40 Beitragsjahre Beispiel: Bruttorente 787 (- 11 % KV/PflV-Beitrag = - 87 ) Zahlbetrag 700 Regionale GruSi: V 1: 790 + 10 % = 869 Zuschlag: 169 November 2016 / Folie 29 V 2: 700 + 10 % = 770 Zuschlag: 70 V 3: 900 + 10 % = 990 Zuschlag: 290 Keine Bedürftigkeitsprüfung, aber vereinfachte Einkommensprüfung
Die gemeinsame Rentenkampagne des DGB und seiner Mitgliedsgewerkschaften 2016/17 Die Kernbotschaft: Wir brauchen einen Kurswechsel in der Rentenpolitik, die Stabilisierung des gesetzlichen Rentenniveaus und langfristig eine deutliche Erhöhung des Rentenniveaus. Rente muss für ein gutes Leben reichen Rente muss auch für morgen reichen Rente muss für Würde reichen Kurswechsel: Die gesetzliche Rente stärken! November 2016 / Folie 30
November 2016 / Folie 31
Bereits Verfügbar: Der allgemeine Flyer Ab Januar 2017: Weitere Flyer für -Frauen - Seniorinnen und Senioren - Junge Beschäftigte und Die Rentenrechnerin November 2016 / Folie 32
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit! Kontakt: Leiterin des Bereichs Sozialpolitik Ressort 5, ver.di Bundesverwaltung Paula-Thiede-Ufer 10, D - 10179 Berlin Fon: 0049-30-6956-2148, Fax: 0049-30-6956-3553 judith.kerschbaumer@verdi.de November 2016 / Folie 33