Das Mysterium der Pauschale und ein Versuch der Erklärung Referent: Jörg Bucher, dipl. Baumeister profacto.ch GmbH Ingenieurbüro für Baubetrieb Altenbergstrasse 30 a, 3013 Bern www.profacto.ch 1
Pauschal- und Globalpreise sind Festpreisverträge, genau wie auch ein Einheitspreisvertrag ein Festpreisvertrag ist. Ein Einheitspreis ist ein Pauschalpreis je Einheit, z.b für 1 to Walzasphalt. Pauschal- und Globalpreis unterscheiden sich nur durch den Anspruch auf den Teuerungsausgleich beim Globalpreis. Ist es strittig ob es sich überhaupt um einen Pauschalpreisvertrag handelt, ist derjenige beweispflichtig der daraus Rechte ableitet. 2
Es gibt zwei Arten von Pauschalpreisverträgen: 1. Ein Einheitspreis-Angebot wird im Verlaufe der Vertragsverhandlungen pauschaliert. In Deutschland wird diese Pauschale als Detailpauschale bezeichnet. 2. Die Pauschale wird aufgrund eines Baubeschriebes und von Submissionsplänen vereinbart. In Deutschland wird diese Pauschale als Gesamtpauschale bezeichnet. 3
Merksatz Pauschaliert wird die Vergütung nicht die Leistung! Aber aufgepasst, es gibt Verträge in denen dem Unternehmer mit einer Vollständigkeitsklausel auch das Leistungsrisiko überbunden wird. «Inbegriffen sind auch sämtliche Leistungen die im Leistungsverzeichnis nicht aufgeführt, aber für das Werk erforderlich sind.» 4
Wie pauschal ist eine Pauschale? Falsche Frage! Die korrekte Frage wäre: was hat der Bauherr bestellt? Oder für Baubetriebler: was ist Bau-Soll? und damit geht es um die genau gleichen Diskussionen wie immer, wenn sich Unternehmer und Bauherr betreffend Qualität, Kosten (resp. Preise) und Termine nicht einig sind. Auch beim Einheitspreisvertrag. 5
Bau-Soll 3.8 der ÖNORM B2110: Alle Leistungen des Auftragnehmers (AN), die durch den Vertrag, z. B. bestehend aus Leistungsverzeichnis, Plänen, Baubeschreibung, technischen und rechtlichen Vertragsbedingungen unter den daraus abzuleitenden, objektiv zu erwartenden Umständen der Leistungserbringung, festgelegt werden. Lesen Sie den Vertrag! Aufmerksam und nicht nur diagonal. Fragen Sie nach, wenn Sie etwas nicht verstehen. (Am besten bevor Sie den Vertrag unterzeichnen.) 6
Vertragsbestandteil ist in aller Regel die Norm SIA118 Allgemeine Bedingungen für Bauarbeiten. Bei Pauschalen zu beachten ist insbesondere Art. 40. 1 Ein Globalpreis kann für eine einzelne Leistung, für einen Werkteil oder für das gesamte Werk des Unternehmers vereinbart werden. Er besteht in einem festen Geldbetrag; für die geschuldete Vergütung wird nicht auf die Menge abgestellt. 2 Globalpreise sollen nur auf Grund vollständiger und klarer Unterlagen (detaillierte Baubeschreibung, Pläne und dergleichen) vereinbart werden. Der Unternehmer prüft allfällige Mengenangaben in den Ausschreibungsunterlagen auf ihre Übereinstimmung mit den Plänen. 7
Der erste Satz von Abs. 2 ist nur eine Empfehlung. Allerdings eine hervorragende Empfehlung. Vereinbaren Sie einen Pauschalpreis aufgrund unklarer und/oder unvollständiger Unterlagen ist das Kamikaze. Kamikaze ist nicht verboten, aber meist tödlich. Und glauben Sie ja nicht, dass ein Gericht Ihre eigene «Dummheit» ausbügelt. Tipp: Laden Sie die Submissionspläne von der Ausschreibungsplattform herunter. Sie riskieren sonst diese im Bedarfsfall nicht mehr zu finden. 8
Der zweite Satz von Abs. 2 ist der Dreh- und Angelpunkt: Der Unternehmer prüft allfällige Mengenangaben in den Ausschreibungsunterlagen auf ihre Übereinstimmung mit den Plänen. Was ist zu prüfen? Die Mengenangaben (soweit die überhaupt überprüfbar sind) Die Vollständigkeit des Leistungsverzeichnisses? JA NEIN 9
Bei den aus den (Submissions-) Plänen überprüfbaren Mengen (z. B. Schalung, Beton, Mauerwerk usw.) übernimmt der Unternehmer das Mengenrisiko. Bei den aus den Plänen nicht überprüfbaren Mengen (z. B. Bewehrung, Pumpenstunden usw.) in der Regel auch. Es sei denn, dass der Unternehmer diese Risiken in seinem Pauschalangebot limitiert oder ausgeklammert hat. Z.B. Bewehrung bis max. 90 kg/m3 Konstruktionsbeton. Sind mit per-preisen devisierte Leistungen auch pauschaliert? Sicher, wenn die Leistung aus den Submissionsplänen ersichtlich ist. Falls nicht, besser explizit vom Pauschalpreis ausklammern. 10
Ein Pauschalpreis kann bei anderen Mitbeteiligten falsche Anreize setzen. Was hat der Bauingenieur für ein Interesse die Bewehrung zu optimieren? Je ein 16-er kreuzweise unten und oben genügt mit Sicherheit und das kriegt auch der 1.-Lehrjahr-Stift hin. Vorschlag: Vereinbaren Sie mit dem Bau-Ing. einen Bonus pro kg gesparten Bewehrungsstahl. Sie werden staunen wie viel da gespart wird. Der «Lackierte» ist der Eisenleger. Was hat der HLKK-Ing. für ein Interesse an einer professionellen Planung der Aussparungen, wenn die Kernbohrungen pauschaliert sind? 11
«Pauschal, inkl. Regiearbeiten» Ein «Blödsinn», Zoff ist fast sicher! Aber auch eine Chance für den, der Art. 44 Abs. 1 und 2 Norm SIA118 kennt. 1 Im Werkvertrag kann für bestimmte Arbeiten anstelle fester Preise (Art. 38 Abs. 1) vereinbart werden, dass sie in Regie auszuführen sind. Die Vergütung richtet sich nach Art. 48-55. 2 Ausserdem kann die Bauleitung dringliche Arbeiten zur Abwendung von Gefahr oder Schaden ( ) in Regie ausführen lassen. 12
Wann wird eine Pauschale angepasst (erhöht)? Genau dann, wenn auch bei einem Einheitspreisvertrag Mehrvergütungsansprüche gestellt werden können: bei Bestellungsänderungen bei mangelhaften Angaben in der Ausschreibung bei ausserordentlichen Umständen wenn der Bauherr seine Mitwirkungspflichten verletzt. 13
Bestellungsänderungen Wie beim Einheitspreisvertrag kann der Bauherr seine Bestellung auch beim Pauschalpreisvertrag ändern. Wie? Durch Änderung von Plänen (Unterschied zwischen Submissions- und Ausführungsplan) oder durch Weisungen (Art. 84 und 89 Norm SIA118). Beispiel: Im LV sind 20 Lichtschächte ausgeschrieben Aus den Submissionsplänen sind 18 Lichtschächte ersichtlich Nach den Ausführungsplänen sind nur 12 Lichtschächte zu bauen. Frage: Ist der Pauschalpreis zu reduzieren? Falls ja um den Preis von wie vielen Lichtschächten? 14
Mangelhafte Angaben in der Ausschreibung (Art. 58) Sind die Angaben in der Ausschreibung, insbesondere zum Baugrund oder zur vorhandenen Bausubstanz, mangelhaft hat der Unternehmer Anspruch auf eine zusätzliche Vergütung. Mangelhaft heisst falsch, lückenhaft oder gar nicht vorhanden. Aber Achtung: Pech gehabt, wenn Sie mit dem Vertrag das Baugrundrisiko übernommen haben. Das wird gerade bei Pauschalverträgen oft versucht (und vielfach gelingt es dem Bauherrn auch). 15
Ausserordentliche Umstände Gibt es immer wieder. Nur praktisch nie einen finanziellen Ausgleich dafür. Dies, weil die finanziellen Folgen des ausserordentlichen Umstandes im Verhältnis zur ganzen Auftragssumme es dem Unternehmer praktisch nie unerträglich machen den Vertrag zu erfüllen. Verletzung von Mitwirkungspflichten durch den BH Z. B. zu spät gelieferte Pläne. Entsteht dem Unternehmer dadurch Mehraufwand ist ihm dieser vom Bauherrn auszugleichen. 16
Zum Schluss zwei Tipps (nicht nur bei Pauschalen): 1. In vielen Fällen haben Sie bei Mehrleistungen nicht nur Anspruch auf zusätzliche Vergütung sondern auch auf Erstreckung der Bauzeit. Machen Sie diese geltend. Dies unverzüglich da sonst der Anspruch verwirkt ist. 2. Zeigen Sie dem Bauherrn auch Mehrvergütungsansprüche möglichst zeitnah an. Es bringt, zumindest nach unseren Erfahrungen, nichts nur «dem Frieden zu liebe» dem Bauherrn unangenehme Wahrheiten bis zur Schlussrechnung zu verschweigen. 17
Jedes Jahr gehen den Schweizer Baumeister hunderte von Millionen verloren, weil Ansprüche auf Mehrvergütung und/oder Bauzeit entweder gar nicht, zu spät oder nicht richtig angezeigt wurden. Dies weil: die Bauführer die Ansprüche gar nicht erkennen oder es unterlassen diese rechtzeitig und korrekt anzuzeigen oder die Protokolle nicht richtig lesen und allenfalls korrigieren lassen. 18
Unser Fachbuch «154 Musterbriefe für Bauführer» ist eine Hilfe um den notwendigen (aber meist ungeliebten) Schriftverkehr in den Griff zu bekommen. Seit Januar 2016 bei BAUBIT PRO auch als online-version erhätlich. www.abbf.ch/musterbriefe 19